LAG Hamm, Urteil vom 22.09.2010 – 5 Sa 373/10

September 29, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 22.09.2010 – 5 Sa 373/10

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten vom 17.03.2010 wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 28.01.2010 – 2 Ca 1660/09 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Die am 15.06.1966 geborene Klägerin ist medizinischtechnische Assistentin (MTA) und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Ab 01.07.1991 arbeitete sie aufgrund schriftlichen Vertrages vom 24.06.1991 zunächst befristet als Erziehungsurlaubsvertretung bei dem Universitätsklinikum M1, das seinerzeit in der Trägerschaft des Landes Nordrhein-Westfalen als Rechtsvorgängerin der Beklagten stand. Eingesetzt wurde sie im Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (Zentrallaboratorium). Auf ihren Antrag vom 21.01.1992 wurde sie mit Schreiben vom 06.02.1992 zum 01.03.1992 umgesetzt und der Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums zugewiesen. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT). Die Vergütung erfolgte zunächst nach der Vergütungsgruppe V b BAT. Nach zweijähriger Bewährung wurde die Klägerin in die Vergütungsgruppe IV b höher gruppiert. Zum 01.11.2006 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin vom BAT in den TV-L überführt. Die Klägerin wird nunmehr vergütet nach der Entgeltgruppe E9, Stufe 5. Sie erzielte bei Klageerhebung ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 3.070,00 Euro.

Bei der Beklagten, dem Universitätsklinikum M1, handelt es sich um ein Unternehmen mit ca. 8000 Mitarbeitern. Laut seiner Satzung besteht es aus 13 Zentren mit insgesamt 50 Abteilungen. Seit dem 01.03.1992 arbeitete die Klägerin im so genannten Stoffwechsellabor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin. Sie übte dort als Hilfskraft bei wissenschaftlichen Forschungsaufgaben Tätigkeiten mit einem besonders hohen Maß von Verantwortlichkeit aus. Wegen der Einzelheiten wird auf das der Klägerin unter dem 01.07.2004 erteilte Arbeitszeugnis (Bl. 37 bis 39 d. A.) Bezug genommen. Neben dem Stoffwechsellabor unterhielt die Kinderklinik ein so genanntes Routinelabor. Im Stoffwechsellabor selbst arbeiteten Anfang 2009 ca. 5, im Routinelabor ca. 10-11 medizinischtechnische Assistentinnen. Alle medizinischtechnischen Assistentinnen der beiden Labors wurden am 14.01.2009 zu einem Mitarbeitergespräch gebeten. Anwesend waren daneben Professor Dr. H3, der kommissarische Leiter der Klinik, Herr S2 K1, der so genannte Zentrumsleiter der Klinik und der Laborleiter Prof. Dr. M4. Die Mitarbeiter wurden darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Routinelabor in der Klinik geschlossen und mit anderen Laboren zum Zentrallaboratorium zusammengelegt werden sollte. In der Klinik selbst sollte das so genannte Stoffwechsellabor mit ca. 5 – 6 in dem Gespräch namentlich benannten medizinischtechnischen Assistentinnen verbleiben und als Hochleistungslabor fortgeführt werden.

Hintergrund der Maßnahmen waren von der Geschäftsleitung der Beklagten seit Anfang 2007 eingeleitete Einzelmaßnahmen der wirtschaftlichen Restrukturierung, nachdem die Beklagte das Wirtschaftsjahr 2006 nur mit einem Bilanzdefizit von ca. 19 Mio. Euro hatte abschließen können. Die Beklagte hatte eine Verschlankung aller Prozesse einschließlich eines generellen Personalabbaus eingeleitet. In diesem Zusammenhang hatte sie auch einen so genannten internen Arbeitsmarkt eingerichtet. Dabei soll es sich nach Darstellung der Beklagten um „die begriffliche Beschreibung eines internen Steuerungsinstruments“ handeln. Der Geschäftsbereich Personal fordert von betroffenen Mitarbeitern Bewerbungsunterlagen an und gleicht das gefundene Qualifikationsprofil mit vorhandenen freien Stellen ab. Sodann finden gegebenenfalls Vorstellungsgespräche statt. Von ihrer Zuordnung zu diesem internen Arbeitsmarkt wurde die Klägerin bei dem Gespräch am 14.01.2009 in Kenntnis gesetzt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.01.2009 wies die Klägerin u. a. darauf hin, wegen ihrer Schwerbehinderung auf einen Arbeitsplatz angewiesen zu sein, auf dem sie mit möglichst wenig Zeitdruck arbeiten könne. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Beschwerden sei es vorteilhaft, wenn sie sich die zu erledigenden Arbeiten selbst einteilen könne und nicht unter Zeitdruck stehe. Ferner sei sie nicht in der Lage, im Schichtdienst zu arbeiten. Sie forderte die Beklagte auf, sie nicht umzusetzen und auf ihren jetzigen Arbeitsplatz zu belassen.

Die Beklagte führte hierzu mit Schreiben vom 12.02.1009 u. a. aus, mit der Meldung zum internen Arbeitsmarkt seien keine Nachteile verbunden, da eine Umsetzung erst „angedacht“ sei. Sie werde die Rechte der Klägerin im Falle einer Umsetzung umfassend berücksichtigen. Umgesetzt wurde die Klägerin in der Folge nicht. Im Stoffwechsellabor arbeiten nunmehr regelmäßig sechs medizinischtechnische Assistentinnen. Hierzu zählen die vom Routinelabor zum Stoffwechsellabor umgesetzten Mitarbeiterinnen M5 und P2. Die Klägerin wird dort zusätzlich auf einer befristeten Drittmittelstelle weiterbeschäftigt.

Seit November 2005 besteht bei der Beklagten eine Integrationsvereinbarung mit dem Ziel, die Chancengleichheit für alle Beschäftigten bei der Beklagten zu erreichen sowie Diskriminierung und soziale Ausgrenzung von behinderten und leistungsgeminderten Beschäftigten zu verhindern. Ein Integrationsteam hat u. a. die Aufgabe, den Arbeitgeber bezüglich der Forderung von Ausbildung und Beschäftigung behinderter und leistungsgeminderter Menschen zu beraten. In Ziffer 8 der Integrationsvereinbarung heißt es, dass das Integrationsteam zu beteiligen ist bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes, der für behinderte und leistungsgeminderte Beschäftigte mit größeren Schwierigkeiten verbunden sein kann als für andere Beschäftigte. Umsetzungen, Abordnungen und Versetzungen seien auf das unumgängliche Maß zu beschränken.

In einem Gespräch, das am 29.05.2009 stattfand, soll nach Darstellung der Klägerin der so genannte Zentrumsmanager K1 erklärt haben, er habe ein Ranking nach den Kriterien Flexibilität, Arbeitsleistung und Freundlichkeit durchgeführt, für eine Berücksichtigung der Integrationsvereinbarung sei keine Zeit gewesen. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass sie ab 16.06.2009 im Bereich Mikrobiologie hospitieren solle.

Mit ihrer am 06.07.2009 vor dem Arbeitsgericht Münster erhobenen Klage hat die Klägerin ursprünglich beantragt,

1. festzustellen, dass die Zuordnung der Klägerin zum internen Arbeitsmarkt der Beklagten unwirksam ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als medizinischtechnische Assistentin mit Tätigkeiten als Hilfskraft bei wissenschaftlichen Forschungsaufgaben in der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin zu beschäftigen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 3 des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt ist, die jedoch mindestens 6.140,00 Euro betragen sollte.

Mit Schriftsatz vom 21.01.2010 hat die Klägerin die Anträge zu 1. und 2. zurück genommen, nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 02.12.2009 mitgeteilt hatte, die weitere Beschäftigung der Klägerin im Stoffwechsellabor sei bis zum 30.11.2011 gesichert, die Klägerin werde nicht mehr im internen Arbeitsmarkt geführt.

Die Klägerin hat vorgetragen, bei der Auswahl der Mitarbeiter, die zum internen Arbeitsmarkt überstellt worden seien, sei sie als Schwerbehinderte benachteiligt worden. Bei der Auswahl sei – unstreitig – die Integrationsvereinbarung nicht berücksichtigt worden. Durch die Auswahlkriterien Flexibilität und Arbeitsleistung sei sie wegen Behinderung benachteiligt worden. Die Meldung zum internen Arbeitsmarkt verstoße gegen Ziff. 8 Abs. 1 Satz 2 der Integrationsvereinbarung. Einen sachlichen Grund dafür, sie dem internen Arbeitsmarkt zuzuordnen, bestehe nicht, da ihr Arbeitsplatz nicht entfallen sei. Mitarbeiter des Personalbereichs hätten ihr vielmehr mitgeteilt, dass sie wegen eines zerrütteten Arbeitsverhältnisses nicht mehr in der Kinderklinik arbeiten könne. Dies sei jedoch aus der Luft gegriffen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 3 des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (AGG) zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt ist, die jedoch mindestens 6.140,00 Euro betragen sollte.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Zuordnung zum internen Arbeitsmarkt stelle keine arbeitsrechtliche Maßnahme dar. Diese diene vielmehr der Vorbereitung einer einvernehmlichen Gestaltung des zukünftigen Vertragsverhältnisses. Die Auswahl der Mitarbeiter sei nach Leistungsgesichtspunkten durchgeführt worden. Die Schwerbehinderung der Klägerin habe keine Rolle gespielt, zumal der Zentrumsleiter K1 nichts von der Schwerbehinderung der Klägerin gewusst habe.

Mit Urteil vom 28.01.2010 hat das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 3.070,00 Euro zu zahlen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld zu. Die Beklagte habe gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG verstoßen. Eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG sei gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen könnten. Bei den Kriterien Flexibilität, Arbeitsleistung und Freundlichkeit handele es sich zwar dem Grunde nach um neutrale Merkmale, die nicht an die Eigenschaft der Klägerin als Schwerbehinderte als solche anknüpften, jedoch führe die Anlegung insbesondere der Kriterien Flexibilität und Arbeitsleistung dazu, dass die Klägerin als Schwerbehinderte in besonderer Weise benachteiligt werde. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen als Schwerbehinderte sei sie nicht genau so flexibel und leistungsfähig wie medizinischtechnische Assistentinnen, die nicht schwerbehindert seien. Die Beklagte habe keine Umstände dargelegt, aus denen sich die sachliche Rechtfertigung der angelegten Kriterien ergebe.

Die Zuordnung zum internen Arbeitsmarkt stelle auch eine Maßnahme bei der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG dar. Die entsprechende Instruktion der Beklagten habe zur Folge, dass die Klägerin Bewerbungsunterlagen erstellen müsse, die an die Personalabteilung weiter gegeben würden. Ein Wechsel des Arbeitsplatzes erfolge durch die Zuordnung selbst zwar noch nicht, dieser werde vielmehr lediglich vorbereitet. Dennoch sei die Klägerin bereits ab Zuordnung zum Handeln verpflichtet. Insoweit wirke sich die Zuordnung unmittelbar auf sie aus. Der gemäß § 15 Abs. 2 AGG erforderliche Kausalzusammenhang sei gegeben, wenn die Benachteiligung an einen in § 1 AGG genannten oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpfe und dadurch motiviert sei. Die Frist zur Geltendmachung des Anspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG habe die Klägerin gewahrt. Einen schuldhaften Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot setze § 15 Abs. 2 AGG nicht voraus. Insoweit sei es unerheblich, ob Herr K1, der die Auswahlentscheidung getroffen habe, Kenntnis von der Schwerbehinderung der Klägerin gehabt habe. Die Höhe des Schadensersatzes richte sich nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG. Insoweit sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Zuordnung zum internen Arbeitsmarkt zwar zu einer Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin geführt habe, eine tatsächliche Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz jedoch nicht erfolgt sei. Darüber hinaus sei die Beschäftigung der Klägerin im Stoffwechsellabor bis Ende 2011 sichergestellt. Im Hinblick auf diese Umstände halte die Kammer eine Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts für angemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe und des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird ergänzend Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts, das der Beklagten am 24.02.2010 zugestellt worden ist.

Hiergegen richtet sich die von der Beklagten am 17.03.2010 eingelegte und am 06.04.2010 begründete Berufung.

Die Beklagte hält einen Entschädigungsanspruch nicht für gegeben. Es fehle bereits an einer Maßnahme bei der Durchführung eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG. Mit seiner anders lautenden Auffassung habe das Arbeitsgericht Münster den sachlichen Anwendungsbereich des AGG in unzulässiger Weise ausgedehnt. Dadurch werde das legitime Ziel des Arbeitgebers, Arbeitslosigkeit zu verhindern, unnötig und zulasten der betroffenen Arbeitnehmer erschwert. Darüber hinaus fehle es an einer mittelbaren Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG. Die pauschale Annahme des Arbeitsgerichts, dass jeder Schwerbehinderte in seiner Flexibilität und Leistungsfähigkeit begrenzt sei, rechtfertige es nicht, die von ihr aufgestellten Auswahlkriterien Arbeitsleitung, Flexibilität und Freundlichkeit generell als geeignet zur mittelbaren Benachteiligung anzusehen. Es gebe keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach jeder Schwerbehinderte aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkung nicht genau so flexibel und leistungsfähig sei wie ein gesunder Mensch. Das Gegenteil treffe zu. Im Übrigen treffe die Darlegungs- und Beweislast die Klägerin, der diese jedoch nicht nachgekommen sei. Die von ihr aufgestellten Kriterien Arbeitsleistung, Flexibilität und Freundlichkeit seien jedenfalls nicht geeignet, Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise zu benachteiligen. Soweit die Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung Indizcharakter habe, sei dies widerlegt, weil der Mitarbeiter S2 K1 die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin nicht gekannt habe. Dies gelte selbst bei fahrlässiger Unkenntnis. Die Klägerin habe es ferner versäumt, eine fehlende sachliche Rechtfertigung in Sinne von § 3 Abs. 2 AGG vorzutragen. Auch hierfür sei sie darlegungs- und beweispflichtig. Eine sachliche Rechtfertigung liege im Übrigen vor. Das verfolgte Ziel sei nämlich nach objektiven Maßstäben billigenswert. Die Veränderung in der Personalstruktur beruhe nämlich auf betriebswirtschaftlichen Gründen. Die Bildung des internen Arbeitsmarktes habe dabei der Verhinderung der Beendigung von Arbeitsverhältnissen und damit dem Arbeitnehmerschutz nach dem Ultima-Ratio-Prinzip gedient. Bei der Zuordnung zum internen Arbeitsmarkt handele es sich gegenüber einer Beendigungskündigung um ein milderes Mittel. Der Nachteil für die Klägerin hätte lediglich darin bestanden, aufgrund ihrer Einstellung in den internen Arbeitsmarkt Bewerbungsunterlagen zu erstellen und an Vorstellungsgesprächen teilzunehmen. Dies sei nicht unangemessen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei ihr Arbeitsplatz konkret gefährdet gewesen. Es habe zwar die Absicht bestanden, das Hauptlabor der Kinderklinik zu schließen, während das Stoffwechsellabor hätte erhalten bleiben sollen. Die Aufgaben des verbleibenden Stoffwechsellabors seien jedoch ebenfalls deutlich reduziert worden. Die Mitarbeiterinnen des Hauptlabors und des Stoffwechsellabors seien alle miteinander verglichen worden, da sie über dieselben Grundkenntnisse und dieselbe Grundausbildung verfügten. Zudem hätten die Mitarbeiter zwischen den beiden Laboren gewechselt. Lediglich die Klägerin und die anderweitig klagende Frau

S3 hätten an dieser Rotation nicht teilnehmen wollen. Ziel sei es, Routinearbeiten aus der Kinderklinik auszulagern und das dort verbleibende Labor mit wenigen Mitarbeiterinnen als Hochleistungslabor fortzuführen. Wegen des dadurch entstehenden Arbeitsplatzübergangs habe ein Ranking stattfinden müssen. Allein aufgrund der Kriterien, nicht aber wegen der Schwerbehinderung, seien die Klägerin und Frau S3 dem allgemeinen Stellenpool zugeordnet worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 28.01.2010 – AZ 2 Ca 1660/09 – zu ändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen;

im Wege der Anschlussberufung,

das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 28.01.2010 – 2 Ca 1660/09 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, die jedoch mindestens 6.140,00 Euro brutto betragen sollte.

Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hat, und führt ergänzend aus, die Berufung der Beklagten behaupte zu Unrecht, ihr Arbeitsplatz sei entfallen. Dies treffe jedoch nicht zu, da – unstreitig – die Mitarbeiterinnen M5 und P2, die zuvor im Routinelabor tätig gewesen sein, nunmehr im Stoffwechsellabor eingesetzt würden. Damit habe ihre Zuweisung zum so genannten internen Arbeitsmarkt nicht der Verhinderung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gedient, sondern allein der Vorbereitung einer Umsetzung sowie gegebenenfalls der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Die Berufung der Beklagten berücksichtige auch in keiner Weise, dass die Beklagte gegen die Integrationsvereinbarung verstoßen habe. Zu Recht habe das Arbeitsgericht den Maßnahmebegriff im Sinne des AGG weit ausgelegt. Die Zuweisung zum internen Arbeitsmarkt habe für sie bereits konkrete Handlungsverpflichtungen zur Folge gehabt. So habe sie Personalgespräche führen, Bewerbungsunterlagen erstellen und ab 16.06.2009 für zwei Wochen im Bereich der Mikrobiologie hospitieren müssen. Gerade aufgrund ihrer Behinderung falle es ihr schwer, neue Tätigkeiten zu erlernen, sich in neue Arbeitsgruppen einzubringen und sich dort immer wieder neu beweisen zu müssen und Vorstellungsgespräche zu führen. Auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz habe sie ihre krankheitsbedingten Einschränkungen aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung gut kompensieren können. Durch die Maßnahme der Beklagten sei sie auch mittelbar benachteiligt worden. Zu Recht habe das Arbeitsgericht einen allgemeinen Erfahrungssatz aufgestellt, wonach Schwerbehinderte aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht genau so flexibel und leistungsfähig seien wie nicht schwerbehinderte Menschen. Gäbe es einen solchen Erfahrungssatz nicht, wären die Arbeitsschutzvorschriften im SGB IX sowie die Vereinbarung einer Integrationsvereinbarung überflüssig. Die von der Beklagten aufgestellten Auswahlkriterien seien generell geeignet zur mittelbaren Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG. Der Mitarbeiter K1 der Beklagten habe die Auswahlentscheidung nach den Kriterien getroffen, die Schwerbehinderte benachteiligten und zudem Regelungen zum Schutz der Schwerbehinderten nicht angewandt. Insoweit komme es nicht darauf an, ob er von ihrer Schwerbehinderung gewusst habe oder nicht. Die Beweiserleichterung nach § 22 AGG gelte auch in ihrem Falle. Es gebe eine Reihe von Indizien, die für eine Benachteiligung sprächen. Letztlich sei die mittelbare Benachteiligung auch nicht gerechtfertigt. Es möge gute Gründe für die Installation eines internen Arbeitsmarktes geben. Hiergegen habe sie sich zu keinem Zeitpunkt gewandt. Es gehe ihr vielmehr um die Frage, welche Beschäftigten dem internen Arbeitsmarkt zugeordnet würden. Sie sei dem internen Arbeitsmarkt zugeordnet worden, obwohl ihr Arbeitsplatz nicht entfallen sei. Nicht ermessensgerecht sei die vom Arbeitsgericht festgesetzte Höhe der Entschädigung. Das Arbeitsgericht sei von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Trotz ihres Schreibens vom 23.01.2009 habe die Beklagte wissentlich und nachhaltig die Schutzvorschriften für Schwerbehinderte nicht berücksichtigt. Demgemäß sei eine Entschädigung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern angemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die zweitinstanzlich zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Berufungsverhandlung gewesen ist.
Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Demgegenüber ist die Anschlussberufung der Klägerin unbegründet.

Die Klage ist nämlich unbegründet.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Geld nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zu.

I.

Dem Arbeitnehmer steht ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld wegen eines erlittenen Nichtvermögensschadens nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG zu, wenn der Arbeitgeber ihn unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG i. V. m. § 1 AGG benachteiligt hat. Ein solcher Anspruch steht der Klägerin jedoch nicht zu, weil keine Zuwiderhandlung der Beklagten gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG i. v. m. § 1 AGG festgestellt werden kann.

a) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in vergleichbarer Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Auf eine solche unmittelbare Benachteiligung wegen ihrer Behinderung im Zusammenhang mit der Zuweisung zum so genannten internen Arbeitsmarkt beruft sich die Klägerin nicht.

b) Eine mittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich.

Dies nimmt die Klägerin für sich in Anspruch, weil die Auswahl der medizinischtechnischen Assistentinnen, die die Kinderklinik verlassen sollten, nach den Auswahlkriterien Flexibiltät, Arbeitsleistung und Freundlichkeit laborübergreifend getroffen worden sei, obwohl ihr Arbeitsplatz im Stoffwechsellabor nicht entfallen sei, und weil es einen allgemeinen Erfahrungssatz gebe, wonach Schwerbehinderte aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht genauso flexibel und leistungsfähig seien wie nicht schwerbehinderte Menschen.

1. Benachteiligungen aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe sind gemäß § 2 Abs. 1 Ziff. 2 AGG unter anderem unzulässig in Bezug auf Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses. Als Maßnahmen sind sämtliche Anordnungen des Arbeitgebers, also beispielsweise Weisungen, einseitige Leistungsbestimmungen, Versetzungen und Umsetzungen zu betrachten (BAG, Urteil vom 22.1.2009 – 8 AZR 906/07 -, NZA 2009, S. 945 unter B. II. 2. b) bb) der Gründe). Das Arbeitsgericht hat die Zuordnung der Klägerin zum internen Arbeitsmarkt als eine solche Maßnahme gewertet. Dem tritt die Beklagte mit der Berufung unter Hinweis darauf entgegen, das Bemühen des Arbeitgebers, den Ausspruch einer Kündigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verhindern, könne keine Maßnahme im Sinne des § 2 AGG sein, insoweit liege ein Wertungswiderspruch zum Kündigungsschutzrecht vor. Welcher Auffassung zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung.

2. Selbst wenn es sich bei der inzwischen rückgängig gemachten Zuweisung der Klägerin zum internen Arbeitsmarkt um eine Maßnahme im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 2 AGG gehandelt haben sollte, scheitert ein Anspruch der Klägerin, weil eine mittelbare Benachteiligung aufgrund der Auswahl der im Stoffwechsellabor verbleibenden Mitarbeiter und daraus resultierend die Zuordnung der übrigen medizinischtechnischen Assistentinnen zu dem internen Arbeitsmarkt nach den Kriterien Flexibilität, Arbeitsleistung und Freundlichkeit nicht gegeben ist.

Das Arbeitsgericht stellt in den Entscheidungsgründen seines Urteils darauf ab, die Klägerin sei als Schwerbehinderte in besonderer Weise benachteiligt, da sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht genauso flexibel und leistungsfähig sei wie medizinischtechnische Assistentinnen, die nicht schwerbehindert sind. Die Klägerin selbst verweist darauf, dass es ihr wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen Probleme bereite, im Schichtdienst und unter Zeitdruck zu arbeiten. Aufgrund ihrer Behinderung sei es für sie schwer, neue Tätigkeiten zu erlernen und sich in neue Arbeitsgruppen einzubringen.

Auf beide Erwägungen kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass die von der Beklagten unstreitig bei der Auswahl der im Stoffwechsellabor der Kinderklinik verbleibenden medizinischtechnischen Assistentinnen angewandten Kriterien nicht geeignet sind, behinderte Mitarbeiterinnen gegenüber nicht behinderten Mitarbeiterinnen der beiden Labors eher wegen der Behinderung ungünstiger zu behandeln, sie also im Ergebnis dem internen Stellenmarkt zuzuordnen und mit einer Änderung des Arbeitsplatzes zu konfrontieren, als die nicht behinderten medizinischtechnischen Assistentinnen.

Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischem Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Beträgt der Grad der Behinderung wenigstens 50, sind sie schwerbehindert im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX. Diese Begriffsbestimmungen sagen aber nichts darüber aus, ob behinderte Arbeitnehmer grundsätzlich wegen ihrer Behinderung eher als nicht behinderte Arbeitnehmer leistungsschwach, unflexibel und unfreundlich sind.

Eine solche generalisierende Aussage kann auch aus anderen Gründen nicht getroffen werden. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass sie gegenüber den behinderten Betroffenen diskriminierend wäre.

Ebenso wie Menschen mit Behinderung im vorstehenden Sinne können auch Menschen ohne Behinderung bei der Ausübung ihrer Arbeit schwache Leistungen erbringen, wenig flexibel sein und eher unfreundlich auftreten. Für Menschen ohne Behinderung gibt es keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass sie wegen Fehlens einer Behinderung bei der Erbringung der von ihnen geschuldeten Arbeitsleistung leistungsstark, flexibel und freundlich sind. Es kommt vielmehr im Falle einer Behinderung immer auf die Umstände des Einzelfalls an: Welche körperliche Funktion ist beeinträchtigt? Inwieweit sind Denk-, Wahrnehmungs- oder Steuerungsfunktionen gestört? Welche psychische Erkrankung liegt vor? Wie wirkt sich die Behinderung – wenn überhaupt – auf das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der jeweils geschuldeten Arbeitsleistung aus?

Zu Unrecht verweist die Klägerin zur Begründung des von ihr angenommen allgemeinen Erfahrungssatzes, dass Schwerbehinderte aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht genauso flexibel und leistungsfähig sind wie nicht schwerhinderte Menschen, darauf, andernfalls wären die Arbeitsschutzvorschriften im SGB IX ebenso überflüssig wie der Abschluss einer Integrationsvereinbarung.

Zwar räumt etwa § 81 Abs. 4 SGB IX schwerbehinderten Menschen in fünf aufgezählten Punkten eine im Vergleich mit nicht schwerbehinderten Menschen Besserstellung dem Arbeitgeber gegenüber ein. So haben sie zum Bespiel nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Ziff. SGB IX Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Auch besteht nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 5 SGB IX ein Anspruch auf Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen. Der Gesetzgeber unterstellt hier aber nicht, dass Schwerbehinderte im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX stets, grundsätzlich oder zumeist wegen der Schwerbehinderung weniger flexibel und leistungsfähig sind als nicht schwerbehinderte Personen. Der Anspruch nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX besteht nämlich immer „unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkung auf die Beschäftigung“. Wenn es eine Schwerbehinderung mit Auswirkung auf die Beschäftigung gibt, treffen den Arbeitgeber die Verpflichtungen aus § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. Das impliziert zugleich, dass es Schwerhinderungen gibt, die keine Auswirkung auf die Beschäftigung haben.

Auch die Integrationsvereinbarung vom 25.11. 2005 unterstellt nicht eine generelle Leistungseinschränkung bei behinderten Menschen. Sie begründet zwar in Ziff. 5 eine besondere Fürsorge- und Förderungspflicht für Führungskräfte gegenüber behinderten und leistungsgeminderten Beschäftigten, denen „bedarfsgerechte Hilfe in ihrem Bemühen, trotz der Einschränkungen vollwertige Arbeit zu leisten“ zu gewähren ist. Auch sollen nach Ziff. 6 die Arbeitsplätze der behinderten und leistungsgeminderten Beschäftigten „in Abhängigkeit und Schwere der Behinderung … behinderungsgerecht gestaltet werden“. Gemäß Ziff. 8 ist beim Wechsel des Arbeitsplatzes das Integrationsteam zu beteiligen, weil dieser für behinderte und leistungsgeminderte Beschäftigte mit größeren Schwierigkeiten verbunden sein „kann“. Aus diesen und ähnlichen Regelungen geht hervor, dass Schwerbehinderte eine besondere Förderung erhalten sollen, aber nur dann, wenn es erforderlich ist, nämlich wenn die Behinderung Auswirkung auf die Beschäftigung hat. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, wonach Schwerbehinderte grundsätzlich weniger flexibel und leistungsfähig sind, wird aber nicht aufgestellt oder zugrunde gelegt.

Zur Ungleichbehandlung wegen des Alters hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 13.10.2009 – 9 AZR 722/08 -, NZA 2010, S. 327, auf welches die Beklagte hingewiesen hat, ausgeführt, dass weder ausschließlich positive Aussagen über die Leistungsfähigkeit junger Arbeitnehmer gerechtfertigt sind, noch seien rein negative verallgemeinernde Aussagen über das Nachlassen der Leistungsfähigkeit von älteren Arbeitnehmern zulässig (unter B. V. 5. b) bb) (4) der Gründe). Gleiches gilt auch für die Beantwortung der Frage, ob schwerbinderte medizinischtechnische Assistentinnen im Labor der Kinderklinik der Beklagten ganz allgemein bei der Ausübung ihrer Tätigkeit wegen einer festgestellten Schwerhinderung weniger flexibel, leistungsfähig und freundlich sind als ihre nicht schwerhinderten Kolleginnen. Eine solche rein negative, verallgemeinernde Aussage ist allein aufgrund der Feststellung und Anerkennung einer Schwerbehinderung, der die unterschiedlichsten Ursachen zugrunde liegen können, nicht möglich.

3. Die Beweislastregelung des § 22 AGG gilt zwar auch im Falle einer mittelbaren Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG. Der klagende Anspruchsteller hat aber zunächst das Vorliegen einer Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG darzulegen und zu beweisen. Die Klägerin hat aber nicht dazulegen vermocht, dass es sich bei den von der Beklagten bei dem so genannten Ranking angewandten Kriterien um nur dem Anschein nach neutrale Kriterien gehandelt und sie in eine ungünstigere Lage als andere medizinischtechnische Assistentinnen gebracht hat, weil sie das in § 1 AGG verpönte Merkmal der Behinderung aufweist. Die Beweislastregel des § 22 AGG bezieht sich nicht auf das Vorliegen einer mittelbaren Benachteiligung selbst, sondern allein auf die Ursache der Benachteiligung (Kausalzusammenhang). Ist jemand von einer Benachteiligung betroffen, so braucht er lediglich Indizien vorzutragen und zu beweisen, aus denen sich vermuten lässt, dass die Ursache der Benachteiligung ein in § 1 AGG genannter Grund ist, also etwa eine Behinderung. Damit bedürfen die von der Klägerin vorgetragenen Indiztatsachen keiner weiteren Erörterung.

4. Darüber hinaus gehört bei einer mittelbaren Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG die fehlende Rechtfertigung als negatives Merkmal zum Tatbestand. Ist eine festgestellte mittelbare Gruppenbenachteiligung – hier allerdings nicht gegeben – durch andere Gründe im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG gerechtfertigt, fehlt es an der Kausalität des verpönten Merkmals an der Diskriminierung.

Hierzu hätte die Klägerin ebenfalls näher vortragen müssen. Die Beklagte ist ihren prozessualen Mitwirkungspflichten aus § 138 Abs. 1, 2 ZPO nachgekommen, indem sie dargelegt hat, warum eine anerkennenswerte unternehmerische Entscheidung zugrunde gelegen haben soll. Die Klägerin hätte jetzt Tatsachen vortragen müssen, aus denen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Nichtvorliegens der rechtfertigenden Umstände folgt. Die Klägerin hat aber nicht dargelegt, dass es entweder keiner Kriterien für die Auswahl der im Labor der Kinderklinik verbleibenden medizinischtechnischen Assistentinnen bedurft hätte oder dass die Kriterien, die die Beklagte gewählt hat, für eine sachgerechte Auswahl ungeeignet und für die Auswahl nicht erforderlich gewesen sind.

II.

Die Klägerin hat als unterliegende Partei nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe, die Revision nach § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen, liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.

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