OLG Frankfurt am Main, 02.12.2016 – 12 W 2/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 02.12.2016 – 12 W 2/16
Tenor:

Die weitere Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 30.10.2015, Az. 5 T 611/15 – in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 18.12.2015 -, wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe

Die weitere Beschwerde der Gläubigerin ist auf Grund der landgerichtlichen Zulassung gemäß §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 Abs. 4 GKG zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Prüfung stand.

1) Nach § 66 Abs. 4 S. 2 GKG kann die weitere Beschwerde nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Dies ist hier nicht der Fall.

2) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Gerichtsvollzieher die Wahl zwischen der Zustellung durch ihn selbst oder per Post nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat und hat, was sich letztlich in der Zurückweisung der Beschwerde niedergeschlagen hat, im Ergebnis zutreffend eine fehlerhafte Ausübung des Ermessens verneint.

a) Nach § 802 f Abs. 4 ZPO hat der Gerichtsvollzieher die Ladung zum Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft zuzustellen. Hierbei handelt es sich um eine Zustellung im Parteibetrieb gemäß §§ 191 ff. ZPO. Der Gerichtsvollzieher nimmt sie auf Grund des Vollstreckungsauftrages selbst vor (§ 193 ZPO), oder er lässt sie durch die Post durchführen (§ 194 ZPO). Die Wahl zwischen beiden Zustellungsarten trifft der Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen (OLG Karlsruhe, Grundeigentum 2016, 1211; OLG Stuttgart, DGVZ 2016, 133, juris RN 12 m. w. N.; OLG Köln Rpfleger 2015, 661; OLG Stuttgart, NJW 2015, 2513 [OLG Stuttgart 23.02.2015 – 8 W 75/15]; Zöller/Stöber, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, § 192 ZPO, Rdnr. 3; MüKoZPO/Häublein, 4. Auflage 2013, § 192 ZPO). Auf § 15 Absatz 2 Satz 1 der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (i. d. F. v. 1.9.2013), die als Verwaltungsvorschrift zwar den Gerichtsvollzieher, nicht jedoch die Vollstreckungsparteien und die Gerichte bindet, kommt es insoweit nicht an (OLG Karlsruhe, aao, juris RN 16).

b) Eine Weisung der Gläubigerin an den Gerichtsvollzieher, die Zustellung durch die Post zu durchzuführen, fehlt vorliegend. In ihrem Antrag vom 21.1.2015 waren auf S. 3 unter der Überschrift „weiteren Anträge“, allgemein gehaltene Ausführungen dazu enthalten, wann eine Zustellung durch die Post vorzunehmen sei. Anknüpfend hieran vertrat die Gläubigerin, dass § 802a Abs. 1 ZPO in der Dispositionsbefugnis des Gläubigers stehe. Eine Anweisung an den Gerichtsvollzieher, im streitgegenständlichen Fall die erforderliche Zustellung durch die Post vorzunehmen, folgt daraus nicht.

c) Selbst wenn eine solche Weisung angenommen würde, folgt aus ihr, entgegen der Ansicht der Gläubigerin, keine Einschränkung des Ermessens des Gerichtsvollziehers dahingehend, dass er etwaige Weisungen des Gläubigers hinsichtlich der Art der Zustellung zu befolgen hat oder eine solche Weisung zu einer besonderen Bindung bei der Ermessensausübung, beispielsweise in Gestalt einer Reduzierung des Ermessens auf „Null“ führt.

(1) Die Grenzen des Ermessens des Gerichtsvollziehers sind in Rechtsprechung und Literatur umstritten (zum Meinungsstand: OLG Karlsruhe, aao, juris RN 18 ff. juris).

Die wohl überwiegende Meinung lehnt derartige Einschränkungen des Ermessens ab, so dass der Gerichtsvollzieher die persönliche Zustellung auch aus allgemeinen Zweckmäßigkeitserwägungen heraus wählen kann (OLG Karlsruhe, aao; OLG Stuttgart, aao.; OLG Köln, aao.; LG Ellwangen, BeckRS 2015, 08684; LG Bochum, 7 T 121/14, juris RN 13 ff.; LG Offenburg, juris RN 5 ff; AG Otterndorf, 8 M 595/15, juris RN 4 ff; AG Leipzig, 431 M 23908/14, juris RN 23 ff.; AG Gernsbach, BeckRS 2015, 00855; BeckOK-ZPO/Utermark/Fleck, Ed. 20 § 802f Rn. 2; Prütting/Gehrlein/Meller-Hannich, ZPO, 8. Aufl. § 802f RN 9; Mroß, DGVZ 2015, 254, Anm. zu OLG Koblenz, 14 W 675/15). Begründet wird dies damit, dass dem Gerichtsvollzieher ein weiter Ermessenspielraum zustehe und angesichts des Umstandes, dass es sich um ein Massenverfahren handelt, im Einzelfall an die Ermessensausübung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden können, um nicht die Effektivität des Verfahrens als solches in Frage zu stellen.

(2) Das Landgericht Karlsruhe hat hierzu ausgeführt (OLG Karlsruhe, aao, juris RN 23-24):

„Die Parteiherrschaft im Zwangsvollstreckungsverfahren ist dahingehend zu charakterisieren, dass der Gläubiger Beginn, Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffs bestimmt und die Herrschaft über seinen Vollstreckungsanspruch hat, d.h. ihn z.B. stunden oder auf ihn verzichten kann (Zöller/Stöber, ZPO 31. Aufl. vor § 704 Rn. 19). Eine darüber hinausgehende allgemeine Dispositionsbefugnis im weiteren Sinn – wie sie im vorliegenden Fall die Gläubigerin für sich in Anspruch nimmt – lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. April 2016 – 8 W 63/16, juris Rn. 15). Zudem übt der Gerichtsvollzieher seine Tätigkeit als selbständiges Organ der Rechtspflege in eigener Verantwortung aus (Musielak/Lackmann, ZPO 13. Aufl. § 753 Rn. 2), wobei er die Gesetze und die Vorschriften der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher zu beachten hat (BGH, NJW 2011, 2149 Rn. 5 [BGH 07.01.2011 – 4 StR 409/10]). Allerdings sind die den Gerichtsvollzieher treffenden Gebote teilweise gegenläufig, da die Beitreibung gemäß § 802a Absatz 1 ZPO u.a. zügig und kostengünstig erfolgen soll und nach § 802b Absatz 1 ZPO zugleich in jeder Lage des Verfahrens eine gütliche Erledigung zu bedenken ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. April 2016 – 8 W 63/16, juris Rn. 15; OLG Köln, Beschluss vom 13. April 2015, juris Rn. 19; LG Offenburg, Beschluss vom 17. September 2014 – 4 T 187/14, juris Rn. 6). In diesem Spannungsfeld hat der Gerichtsvollzieher in eigener Verantwortung zu entscheiden, auf welche Weise er die Zustellung vornimmt (OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. April 2016 – 8 W 63/16, juris Rn. 15; OLG Köln, Beschluss vom 13. April 2015, juris Rn. 19). Daher ist weder für eine allgemeine Dispositionsbefugnis noch für eine Ermessensreduzierung auf Null Raum.

… Auch eine Einschränkung des Ermessens dahingehend, dass regelmäßig die Zustellung per Post zu wählen und nur in Ausnahmefällen die eigene Zustellung erlaubt ist, besteht nicht. Weder der ZPO noch der GVGA lässt sich entnehmen, dass das vom Gerichtsvollzieher auszuübende Ermessen in Richtung der Zustellung per Post oder eine vom Gläubiger dahingehend erteilte Weisung auszuüben wäre. Daher gelten die allgemeinen Grundsätze der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens. Im Rahmen der bei der Ermessensausübung einzustellenden Umstände hat der Gerichtsvollzieher den Wunsch des Gläubigers nach einer Zustellung per Post im Hinblick auf dessen Kosteninteresse und das Kosteninteresse des Schuldners zu berücksichtigen. Allerdings darf der Gerichtsvollzieher auch auf allgemeine Erwägungen und insbesondere generelle Erfahrungswerte bezüglich der Vereinfachung und der Beschleunigung der ihm erteilten Vollstreckungsaufträge zurückgreifen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. April 2016 – 8 W 63/16, juris Rn. 16). Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass es sich bei der Zwangsvollstreckung um ein Massenverfahren handelt und daher im Einzelfall an die Ermessensausübung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. April 2016 – 8 W 63/16, juris Rn. 16; OLG Köln Beschluss vom 13. April 2015, juris Rn. 19; LG Offenburg, Beschluss vom 17. September 2014 – 4 T 187/14, juris Rn. 7).“

Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

d) Das Beschwerdegericht hat die Ausübung des Ermessens durch den zuständigen Obergerichtsvollzieher im Ergebnis als pflichtgemäß bewertet.

aa) Prüfungsmaßstab ist insoweit, ob das Ermessen überhaupt ausgeübt wurde, ob dessen Grenzen eingehalten wurden und ob alle wesentlichen Umstände Beachtung gefunden haben (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. April 2016 – 8 W 63/16, juris Rn. 20).

bb) Aus dem Schreiben des zuständigen Obergerichtsvollziehers vom 26.7.2016, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, ergibt sich, dass er sich bewusst war, hinsichtlich der Art der Zustellung eine Ermessensentscheidung zu treffen. Aus dem Schreiben geht auch hervor, aufgrund welcher Erwägungen er es für erforderlich gehalten hat, sich im streitgegenständlichen Verfahren für die persönliche Zustellung zu entscheiden. Er hat auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Wahl der Zustellungsart bestehende grundsätzliche bestehende Ungewissheit hinsichtlich des weiteren Verfahrensablauf verwiesen und ausgeführt, warum es sich bei der persönlichen Zustellung durch den Gerichtsvollzieher im Vergleich zur Postzustellung um die effektivere Zustellungsart handele.

Bei den Ladungen zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft handelt es sich um Massenverfahren, so dass fast immer gleich gelagerte Gründe für oder gegen die persönliche Zustellung sprechen. Hiervon im konkreten Fall abweichende Umstände, behauptet die Gläubigerin nicht. Diese sind auch nicht ersichtlich. Mangels Vorliegens besonderer Umstände reichen diese Erwägungen hier auch für eine einzelfallbezogene Abwägung aus.

3) Die Kostenentscheidung im Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 3 Abs. 2 Satz 2 GVKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 8 GKG.

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