OLG Frankfurt am Main, 21.10.2016 – 24 U 147/15

März 21, 2019

OLG Frankfurt am Main, 21.10.2016 – 24 U 147/15
Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 06.08.2015 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des Betrages leistet, deren Vollstreckung sie betreibt.

Die Revision wird zugelassen.

Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 283.000,- € festgesetzt.
Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufes von vier Darlehensverträgen. Die Kläger machen in diesem Zusammenhang Ansprüche auf Erteilung von Löschungsbewilligungen für zwei Grundschulden Zug um Zug gegen Zahlung von zuletzt insgesamt 223.851,71 € geltend.

Die Kläger schlossen mit der Beklagten, die ihren Sitz unstreitig in Frankfurt hat, vier Darlehensverträge am 21.11.2008 über 170.000,- €, am 25.11.2008 über 80.000,- €, am 14.07.2009 über 10.000,- € und am 04.08.2009 über 23.000,- €.

Die Darlehen wurden durch zwei Grundschulden, eingetragen im Grundbuch von O1, in Höhe von 250.000,- € und 33.000,- € abgesichert.

Die Kläger erklärten am 24.07.2011 den Widerruf sämtlicher Darlehensverträge.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 274ff. der Akte) verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil es örtlich nicht zuständig sei. Die Zuständigkeit ergebe sich nicht aus § 29 ZPO, denn Erfüllungsort für die geltend gemachten Rückgewähransprüche wegen Darlehenswiderruf sei der Geschäftssitz der Beklagten (§ 269 BGB).

Auch § 24 ZPO sei hier nicht einschlägig, da es bei dem vorliegenden Streit im Kern um rein schuldrechtliche Ansprüche gehe, die mit dem Grundeigentum selbst nichts zu tun hätten. Das Landgericht hat sich auf das Urteil des BGH vom 26.06.1970 (Az.: V ZR 168/67) berufen, dessen Argumente auf den vorliegenden Fall übertragbar seien.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die ihr erstinstanzliches Ziel uneingeschränkt weiterverfolgen. Das Landgericht habe das oben zitierte Urteil des Bundesgerichtshofes falsch ausgelegt. § 24 ZPO sei vorliegend nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung einschlägig. Auch § 29 ZPO sei falsch bewertet worden. Streitgegenstand sei das Rückabwicklungsverhältnis und ohne die Zug-um-Zug-Verpflichtung handele es sich um eine negative Feststellungsklage. Für eine solche sei das Gericht zuständig, an welchem bei einer Leistungsklage mit umgekehrtem Rubrum die Klage erhoben werden müsste und das sei das Landgericht Darmstadt, weil hier die Kläger ihren allgemeinen Gerichtsstand hätten. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird insbesondere auf die Berufungsbegründung vom 27.08.2015 (Bl. 303 ff d. A.), den weiteren schriftsätzlichen Vortrag und das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 07.10.2016 (Protokoll Bl. 394 ff d. A.) Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt aufzuheben und zur Sachentscheidung zurückzuverweisen oder ein eigenes Sachurteil zu fällen und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen, nämlich

1.

Zug um Zug gegen Zahlung der Kläger an die Beklagte von 223.851,71 € zuzüglich Zinsen von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2015 die Löschungsbewilligung für die Grundschulden, eingetragen im Grundbuch von O1 Bl. … Abteilung III Nr. 8 über 250.000,- € sowie in Abteilung III Nr. 9 über 33.000,- € zu erteilen;
2.

den Klägern vorgerichtliche Kosten von 4.541,99 € nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 06.08.2014 zu erstatten;
3.

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des Saldos im Rückabwicklungsverhältnis im Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt sie,

den Rechtsstreit an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, die Berufung sei bereits unzulässig, weil nicht ausreichend begründet. Weiter vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag im Hinblick auf die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Darmstadt. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird insbesondere auf die Berufungserwiderung vom 30.11.2015 (Bl. 327 ff d. A.), den weiteren schriftsätzlichen Vortrag und das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 07.10.2016 (Protokoll Bl. 394 ff d. A.) Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1.) Die Berufung ist zulässig. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt (BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 2004, Az.: VIII ZB 29/04, NJW-RR 2004, 1716; vom 27. Mai 2008, Az.: XI ZB 41/06, WM 2008, 1810 Rdnr. 11; vom 12. Mai 2009, Az.: XI ZB 21/08, Rdnr. 13 zitiert nach juris und vom 1. März 2011, Az.: XI ZB 26/08, Rdnr. 11, zitiert nach juris, jeweils mwN). Besondere formale Anforderungen bestehen nicht; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (BGH, Beschlüsse vom 21. Mai 2003, Az.: VIII ZB 133/02, NJW-RR 2003, 1580 und vom 28. Mai 2003, Az.: XII ZB 165/02, NJW 2003, 2531, 2532, jeweils mwN).

Jedoch muss die Berufungsbegründung auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein (BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2008, Az.: XI ZB 41/06, WM 2008, 1810 Rdnr. 11; vom 12. Mai 2009, Az.: XI ZB 21/08, juris Rdnr. 13 und vom 1. März 2011, Az.: XI ZB 26/08, juris Rdnr. 11). Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (BGH, Urteile vom 9. März 1995, Az.: IX ZR 143/94, NJW 1995, 1560; vom 18. Juni 1998, Az.: IX ZR 389/97, NJW 1998, 3126; vom 18. September 2001, Az.: X ZR 196/99, NJW-RR 2002, 209, 210; vom 9. Oktober 2001, Az.: XI ZR 281/00, juris Rdnr. 19 und vom 27. November 2003, Az.: IX ZR 250/00, WM 2004, 442; Beschluss vom 23. Oktober 2012, Az.: XI ZB 25/11, Rdnr. 10, zitiert nach juris).

Diesen Anforderungen wird die vorliegende Berufung gerecht. Sie konnte sich auf die Frage der Anwendbarkeit der § 29 und 24 ZPO beschränken.

2.) Eine Zuständigkeit des Landgerichts Darmstadt ergibt sich nicht aus § 24 ZPO. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des Landgerichts an.

Gem. § 24 ZPO ist für Klagen, durch die das Eigentum, eine dingliche Belastung oder die Freiheit von einer solchen geltend gemacht wird, das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Sache belegen ist.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 26.06.1970, Az. V ZR 168/67, offen gelassen, ob Klagen, mit denen schuldrechtliche Ansprüche auf Löschung geltend gemacht werden, der Regelung des § 24 ZPO unterfallen, da im entschiedenen Fall nicht die Löschung einer dinglichen Belastung, sondern die Übertragung des dinglichen Rechtes begehrt wurde. Im Hinblick auf die vorangegangene Rechtsprechung des Reichsgerichtes hat der BGH weiter ausgeführt (a.a.O. Rdnr. 9):

Entscheidend ist vielmehr, dass der hier abhängige Streit über den obligatorischen Anspruch von der Frage nach dem Bestand und der rechtlichen Qualifikation der dinglichen Belastung nicht berührt wird. Es ist der Streit des Treugebers gegen den Sicherungsnehmer um den Wegfall des schuldrechtlich vereinbarten Sicherungszwecks. Ein solcher Streit kann ebenso um die Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache oder eines sonstigen Rechts geführt werden. Die Ausschließlichkeit des dinglichen Gerichtsstands geht demgegenüber auf die Erwägung zurück, dass eine richtige Würdigung und sichere Feststellung der Rechtsverhältnisse des Grundeigentums vorzugsweise von dem Richter der belegenen Sache zu erwarten ist.

Der Senat hält § 24 ZPO vorliegend auf Basis der Erwägungen des Bundesgerichthofes für nicht anwendbar. Die Argumentation des Bundesgerichtshofes zu der Frage der Anwendbarkeit des § 24 ZPO auf die Abtretung einer Grundschuld gilt für den vorliegenden Fall gleichermaßen. Nach der oben zitierten Rechtsprechung kommt es darauf an, ob es um den schuldrechtlich vereinbarten Wegfall des Sicherungszweckes geht (dann keine Anwendbarkeit des § 24 ZPO) oder um die Feststellung der Rechtsverhältnisse zum Grundeigentum (dann Anwendbarkeit des § 24 ZPO). Danach ist der ausschließliche Gerichtsstand des § 24 ZPO vorliegend nicht gegeben.

Hier wird der Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung lediglich als Annex zu den im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehenden Fragen des Wegfalls des Sicherungszwecks geltend gemacht (so auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.11.2015, Az. 11 SV 93/15, Rdnr. 14, zitiert nach juris, unter Aufgabe der vorherigen Rechtsprechung m.w.N.).

Sinn und Zweck der Festlegung eines ausschließlichen Gerichtsstandes gem. § 24 ZPO am Ort der belegenen Sache ist die Erwägung, dass dem Gericht wegen der erleichterten Einsichtsmöglichkeit bei Grundbuch- und Katasteramt eine einfache Feststellung der maßgeblichen Rechtsverhältnisse möglich sein wird. Dieser Gesichtspunkt ist nicht berührt, wenn sich der Rechtsstreit um die allein schuldrechtlich zu beantwortende Frage der Wirksamkeit eines Darlehenswiderrufs dreht und der Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung nur von der Beantwortung dieser Frage abhängig ist und damit einen Annex darstellt. Der Anspruch auf Löschung der Grundschuld stellt sich in diesem Fall als Erfüllung eines allgemeinen schuldrechtlichen Anspruches aus der Sicherungsabrede dar, so dass für die Anwendung des § 24 ZPO auch unter Berücksichtigung des mit der Regelung beabsichtigten Zweckes kein Raum ist.

Hinzu kommt, dass es bei Anwendung des § 24 ZPO auf Fälle wie den vorliegenden häufig zum Auseinanderfallen der Gerichtsstände käme, sofern neben andern Ansprüchen auch die Rückübertragung eines dinglichen Rechts verlangt würde. In diesem Fall wäre für die Klage auf Rückgewähr der dinglichen Belastung das Gericht am Ort der belegenen Sache ausschließlich zuständig, während sich die Zuständigkeit für alle anderen Ansprüche nach den Regeln für den allgemeinen Gerichtsstand und die besonderen Gerichtsstände richten würde. Entgegen dem Zweck der sachnäheren Entscheidung, dem die Regelung des § 24 ZPO Rechnung tragen soll, drohte durch deren Anwendung ein Auseinanderfallen des Rechtsstreits (wie LG Itzehoe, Beschluss vom 15.02.2016, Az. 7 O 185/15, Rdnr. 10).

Vor diesem Hintergrund vermag sich der Senat der entgegenstehenden Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte, die die Anwendbarkeit des § 24 ZPO ausschließlich davon abhängig machen, dass sich der klageweise geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung richtet (OLG Hamm, Beschluss vom 28.01.2016, Az. I-32 SA 75/15; Beschluss vom 25.04.2016, Az. 31 W 88/15; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31.03.2004, Az. 5 U 4/04; OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.04.2014, Az. 1(Z) Sa 13/14), nicht anzuschließen.

3.) Eine Zuständigkeit des Landgerichts Darmstadt ergibt sich, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, auch nicht aus § 29 ZPO. Wo der Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO ist, bestimmt sich nach materiellem Recht, vorliegend demnach gem. § 269 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Danach ist für den Anspruch auf Erteilung der Löschungsbewilligung der Geschäftssitz der Beklagten als Schuldnerin in Frankfurt am Main Erfüllungsort.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Natur des Schuldverhältnisses (§ 269 Abs. 1 BGB). Zwar ist für einige Vertragsarten ein einheitlicher Leistungsort für alle wechselseitigen Verpflichtungen anerkannt. Dabei handelt es sich aber um Ausnahmen, die sich über das Bestehen einer vertragstypischen Leistung hinaus durch besondere Umstände der Vertragsart rechtfertigen (vergl. BGH, Beschluss vom 11.11.2003, Az. X ARZ 91/03, Rdnr. 17f, zitiert nach juris). Solche zusätzlichen Umstände sind jedoch vorliegend nicht feststellbar.

Auch die Argumentation der Klägerseite, § 29 ZPO sei anwendbar, weil es sich im vorliegenden Fall ohne Berücksichtigung der begehrten Verurteilung Zug um Zug um eine negative Feststellungsklage handele und damit das Gericht zuständig sei, an dem die Leistungsklage mit umgekehrtem Rubrum erhoben werden müsse, überzeugt nicht. Hier wurde keine negative Feststellungsklage erhoben, sondern eine Leistungsklage auf Erteilung der Löschungsbewilligung.

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5.) Die Revision ist im vorliegenden Fall gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte ab, wie oben unter II. 2. dargestellt. Die Rechtsfrage der Anwendbarkeit des § 24 ZPO wird abweichend beurteilt, so dass der hierzu vom Senat aufgestellte, die Entscheidung tragende Rechtssatz sich nicht mit dem in den Vergleichsentscheidungen aufgestellten Rechtssatz deckt.

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