OLG Frankfurt am Main, 19.10.2016 – 2 U 89/16

März 21, 2019

OLG Frankfurt am Main, 19.10.2016 – 2 U 89/16
Leitsatz:

Zu den Anforderungen an eine wirksame Getränkebezugsvereinbarung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in einem Mietvertrag über eine von einer Brauerei vermietete Gaststätte
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 3.6.2016 (Az. 2-23 O 183/15) abgeändert.

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, das in Stadt1, Straße1, belegene Gaststättenobjekt, bestehend aus einem Schankraum, einer Küche mit Nebenraum, einer Damen- und Herrentoilette und einem Keller, zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte zu 1) wird als Gesamtschuldnerin mit den durch Teilversäumnisurteil vom 5.10.2016 verurteilten Beklagten zu 2) und 3) verurteilt, die in Stadt1, Straße1, im 1. OG links belegene Wohnung, bestehend aus 4 1/2 Zimmern nebst Küche sowie Bad, WC und Diele bzw. Flur, zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben,

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu 10 % als Gesamtschuldner und zu weiteren 90 % die Beklagte zu 1) allein zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten zu 1) wird nachgelassen, die Vollstreckung hinsichtlich der Räumungs- und Herausgabeverurteilung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,- € und im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von gleichfalls 20.000,- € bzw. in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.818,32 € festgesetzt.
Gründe

I. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO

Die Klägerin als Mieterin und Unterverpächterin verlangt von der Beklagten zu 1) als Unterpächterin gemäß Pachtvertrag mit Getränkebezugsvereinbarung vom 17.8.2010 (Blatt 7 ff. der Akte) Räumung und Herausgabe einer Gaststätte in dem Objekt Straße1 in Stadt1 nebst Wirtewohnung im 1. Obergeschoß und von den Beklagten zu 2) und 3) Räumung und Herausgabe der von ihnen bewohnten Wirtewohnung nach dem Ausspruch mehrerer außerordentlicher fristloser Kündigungen gegenüber der Beklagten zu 1). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin Z1 sowie der Zeugen Z2 und Z3 die Klage gegen die Beklagte zu 1) sowie gegen die auch in erster Instanz anwaltlich nicht vertretenen Beklagten zu 2) und 3) durch Urteil vom 3.6.2016, der Klägerin zugestellt am 8.6.2016, abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Pachtsache nicht zu, da der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) abgeschlossene Pachtvertag nicht wirksam beendet worden sei. Die Beklagte zu 1) habe die ihr zustehende Verlängerungsoption mit Schriftsatz vom 25.9.2015 wirksam ausgeübt, da zu diesem Zeitpunkt das Hauptmietverhältnis noch bestanden habe. Die Klägerin sei nach Treu und Glauben gehindert, sich den Beklagten gegenüber auf die nachfolgend von ihr ausgesprochene Kündigung des Hauptmietverhältnisses zu berufen. Denn diese Kündigung habe für die Klägerin den alleinigen Zweck gehabt, den Pachtvertrag mit der Beklagten zu 1) zu beenden, damit sie den ihr wirtschaftlich nicht mehr lohnend erscheinenden Vertrag mit der Beklagten zu 1) nicht weitere fünf Jahre erfüllen müsse.

Die Klägerin habe den Pachtvertrag auch nicht wirksam außerordentlich gekündigt. Das Überlassen der Wirtewohnung an die Beklagten zu 2) und 3) sei der Beklagten zu 1) nach dem Vertrag gestattet gewesen, da der Beklagte zu 3) bei ihr als Küchenhilfe in Teilzeit beschäftigt gewesen sei und damit einen hinreichenden Bezug zum Gaststättenbetrieb gehabt habe. Jedenfalls fehle es insoweit an einer Abmahnung mit angemessener Fristsetzung durch die Klägerin. Die Pachtsache sei ferner nicht durch den vorhandenen und der Klägerin nicht mitgeteilten Schimmelbefall erheblich gefährdet worden. Auch insoweit fehle es jedenfalls an einer Abmahnung.

Der Verkauf von Fremdbier stelle gleichfalls keinen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Pachtverhältnisses dar. Zwar stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit hinreichender Sicherheit fest, dass die Beklagte zu 1) gegen die ihr in Ziffer X 1) des Pachtvertrages auferlegte Pflicht verstoßen habe, nur Produkte der Klägerin zu beziehen und auszuschenken. Auch insoweit fehle es aber an einer Abmahnung der Beklagten zu 1) durch die Klägerin. Die Beklagte zu 1) habe vielmehr erklärt, künftig keine Fremdbiere mehr zu verkaufen. Der Verstoß sei auch nicht umfangreich gewesen. Im Übrigen sei von vorneherein nicht zu erwarten gewesen, dass in dem von der Beklagten zu 1) betriebenen … Restaurant viel deutsches Bier konsumiert werde, so dass der Klägerin kein großer Verlust entstanden sei. Zwar hätte ihr ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zugestanden, weil der Bierabsatz der Beklagten zu 1) im Jahre 2014 während zwölf aufeinanderfolgenden Monaten unter 50 hl Faßbier gesunken sei. Insoweit habe die Klägerin ihr Recht zur außerordentlichen Kündigung aber verwirkt, nachdem sie als Formkaufmann nach Ablauf des Jahres 2014 zunächst zugewartet und erst nach der Begehung des Objekts Ende April 2015 die Kündigung erklärt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte zu 1) nicht mehr mit einer Kündigung rechnen müssen. Schließlich habe die Klägerin bereits mit der einvernehmlichen Aufhebung der Bonus-Malus-Regelung zur Bierabnahmemenge in dem Nachtrag Nr. 3 vom 5./18.6.2012 zu erkennen gegeben, dass ihr Vertragszweck nicht mehr vorrangig auf einen möglichst großen Bierabsatz gerichtet gewesen sei. Auch eine Zusammenschau aller Kündigungsgründe ergebe nichts anderes. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts verwiesen.

Mit ihrer am 24.6.2016 eingelegten und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 8.9.2016 am 16.8.2016 begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie weist darauf hin, dass die Kündigung des Hauptmietvertrages wegen des extrem schlechten Bierabsatzes erfolgt sei, bei dem auch zukünftig tendenziell keine Steigerung zu erwarten gewesen sei, wie dies auch in dem Kündigungsschreiben vom 11.7.2014 ausgeführt sei. Dieser Grund sei erheblich, da sie Gaststättenobjekte in erster Linie vermiete, um in diesem Objekt nachhaltig Getränke abzusetzen, und daher mit einem nur geringfügigen Mietzinsaufschlag, damit der Mieter auf diese Weise nicht mit unnötig hohen Mietpreisen belastet werde. Die Klägerin wiederholt ihre Behauptung, die Beklagte zu 1) habe vertragswidrig Fremdbierprodukte zum Ausschank gebracht und auf der Speisekarte statt der Vertragsgetränke der Klägerin ausländische Biere angeboten. Ferner verweist sie darauf, dass die Beklagte zu 1) während des gesamten Jahres 2014 statt der vertraglich vereinbarten Mindestmenge von 72 hl Vertragsgetränken lediglich 3 hl Faßbier und 2.02 hl Flaschenbier sowie keinerlei Mineralwasser der Vertragsmarke X GmbH bezogen habe. Auch am Tage der geplanten Übergabe am 30.4.2015 seien weiterhin Fremdbierprodukte von Mitbewerbern zum Ausschank gebracht worden. Auf dem Tresen seien diverse Flaschenbiere von Mitbewerbern aufgereiht gewesen. Aus diesen Gründen seien bereits die außerordentlichen fristlosen Kündigungen vom 24.4., 30.4. und 25.9.2015 wirksam gewesen. Insbesondere hätten auch die Voraussetzungen einer etwaigen Verwirkung nicht vorgelegen, insbesondere seien der Beklagten zu 1) selbst sämtliche relevanten Umstände bekannt gewesen. Die Klägerin ist der Ansicht, durch den Abschluß des Nachtrags Nr. 3 vom 5./18.6.2012 sei weder die vereinbarte jährliche Mindestbezugsmenge noch die Pflicht, im Falle eines schuldhaften Vertragsverstoßes, pauschalierten Schadenersatz zu zahlen, oder das Recht zur außerordentlichen Kündigung abbedungen worden.

Anläßlich einer weiteren Ortsbegehung am 17.6.2016 sei festgestellt worden, dass die Beklagte zu 1) in der Gaststätte nunmehr ausschließlich Fremdbiere angeboten habe, die auch in der Speisekarte angeführt seien. Mineralwasser der Klägerin sei weiterhin nicht angeboten worden. Ferner habe die Beklagte zu 1) auch in dem Zeitraum vom 1.1.2015 bis zum 31.5.2016 keinerlei Vertragsgetränke der Klägerin bezogen. Aufgrund dieser Umstände erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 21.6.2016 (Blatt 208 f. der Akte) erneut gegenüber der Beklagten zu 1) die außerordentliche fristlose Kündigung des Pachtverhältnisses. Die Klägerin bezieht sich ergänzend auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 16.8.2016 (Blatt 195 ff. der Akte) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 3.6.2016 (Az. 2-23 O 183/15) abzuändern und

1.

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, das in Stadt1, Straße1, belegene Gaststättenobjekt, bestehend aus einem Schankraum, einer Küche mit Nebenraum, einer Damen- und Herrentoilette und einem Keller, zu räumen und geräumt an sie herauszugeben,
2.

die Beklagten zu 1) bis 3) zu verurteilen, die in Stadt1, Straße1, im 1. OG links belegene Wohnung, bestehend aus 4 1/2 Zimmern nebst Küche sowie Bad, WC und diele bzw. Flur, zu räumen und geräumt an sie herauszugeben,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie widerspricht der Berücksichtigung neuen Vortrags in der Berufungsinstanz, da ihr ansonsten eine Instanz entgehe. Im Übrigen beruft sie sich auf die Begründung des Landgerichts sowie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Ansicht, sie habe ihr Optionsrecht wirksam ausgeübt. Die Klägerin könne ihr Optionsrecht nicht durch die von ihr erklärte Kündigung des Hauptmietverhältnisses unterlaufen. Die Klägerin dürfe das Pachtverhältnis nicht aus rein wirtschaftlichen Gründen kündigen. Die Kündigungen der Klägerin seien sämtlich unwirksam, da ein wichtiger Grund für sie nicht vorgelegen habe. Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, das Verbot des Fremdbierverkaufs in Ziffer X des Pachtvertrages sei unwirksam, da es sie entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Zu der Bindung an die Biere und Mineralwasser der Klägerin kämen die Bonus-Malus-Regelung, die Schadenersatzverpflichtung nebst der Vertragsstrafenregelung in Ziffer X 10) des Pachtvertrages, die Beschränkung hinsichtlich der Nutzung der Gläser, die Bestimmung der Belieferung aus bestimmten Bau- und Produktionsstätten sowie das besondere Kündigungsrecht in Ziffer XVII des Pachtvertrages. Diese Vorschriften ließen ihr keine ausreichende wirtschaftliche Handlungsfreiheit. Durch die Nachtragsvereinbarung hätten die Vertragsparteien nicht nur die Bonus-Malus-Regelung, sondern die Bezugsverpflichtungen insgesamt aufgehoben. Im Übrigen ist sie der Ansicht, asiatisches Bier stelle kein Konkurrenzprodukt zu den Bieren der Klägerin dar, da es wesentlich leichter sei und wesentlich anders schmecke als sonstiges Bier. Andere Produkte habe sie ohnehin nur in geringen Mengen verkauft und den Verkauf nach der ersten Kündigung gänzlich eingestellt. Demzufolge könne auch am 17.6.2016 kein Verkauf von Fremdbier festgestellt worden sein. Bei der Speisekarte habe es sich nicht um die aktuelle gehandelt. Seit Mai 2015 habe er nur noch Produkte der Klägerin verkauft, die er jedoch nicht bei dieser, sondern in Kiosken und im Großhandel sowie bei Getränkemärkten bezogen habe Jedenfalls fehle es an der erforderlichen Abmahnung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 23.9. und 16.10.2016 (Blatt 221 ff., 241 f. der Akte) Bezug genommen.

Gegen die Beklagten zu 2) und 3) erging am 5.10.2016 antragsgemäß Teilversäumnisurteil.

II. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und ebenso begründet worden (§§ 511, 517, 519 f. ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klage ist auch gegen die Beklagte zu 1) begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe des gesamten Pachtobjekts zu; hinsichtlich der im 1. OG gelegenen Wohnung haftet die Beklagte zu 1) gesamtschuldnerisch mit den durch Teilversäumnisurteil vom 5.10.2016 verurteilten Beklagten zu 2) und 3) (§ 546 Abs. 1, § 421 BGB).

Der zunächst durch die Ausübung der Option bis zum 31.5.2020 verlängerte Pachtvertrag zwischen den Parteien wurde jedenfalls durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 21.6.2016 seitens der Klägerin wirksam beendet (§ 543 Abs. 1, 2 BGB). Die Klägerin war zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Pachtverhältnisses berechtigt. Denn die Beklagte zu 1) hat unstreitig – erneut – während eines Zeitraums von mindestens zwölf aufeinanderfolgenden Monaten, nämlich jedenfalls in der Zeit vom 1.6.2015 bis zum 31.5.2016, in den Pachträumen unter 50 hl Faßbier abgesetzt, nachdem die bereits im Jahre 2014 so war, wie das Landgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat (Ziffer XVII des Pachtvertrages).

Diese Getränkebezugsverpflichtung haben die Parteien nicht durch den Nachtrag Nr. 3 vom 5.6./18.6.2012 aufgehoben. Vielmehr sollte gemäß § 3 dieses Nachtrags lediglich die Bonus-Malus-Regelung gemäß Ziffer X 3) des Pachtvertrages entfallen, während die Parteien in § 4 des Nachtrags ausdrücklich vereinbart haben, dass alle Übrigen Bestimmungen des Pachtvertrages mit Getränkebezugsvereinbarung vom 17.8.2010 nebst Nachträgen ihre Gültigkeit behalten sollten. Bei der Beklagten zu 1) konnte angesichts des klaren Wortlauts dieses Nachtrags auch nicht der Eindruck entstehen, für sie bestehe eine Getränkebezugsverpflichtung nicht mehr.

Weder die genannte Regelung über die Kündigungsmöglichkeit in Ziffer XVII des Pachtvertrages noch die Regelung in Ziffer X 2) des Pachtvertrages über die Mindestbezugsmenge von 72 hl Faßbier jährlich selbst ist unwirksam. Dabei würde selbst eine Unwirksamkeit der Getränkebezugsverpflichtung in Ziffer X des Pachtvertrages die Klägerin gemäß Ziffer XVII des Pachtvertrages zu einer außerordentlichen Kündigung des Vertrages berechtigen.

Diese Vertragsklausel ist auch wirksam. Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten zu 1) als Vertragspartnerin der Klägerin liegt in beiden Regelungen zur Kündigungsmöglichkeit nicht vor (§ 307 Abs. 1, 2 BGB). Es besteht ein berechtigtes Interesse der Klägerin, durch die Verpachtung der Gaststätte mittels der Vereinbarung einer derartigen Getränkebezugsverpflichtung ihren Getränkeabsatz zu fördern. Dieses Interesse der Klägerin war in den vertraglichen Regelungen für die Beklagte zu 1) als Vertragspartnerin deutlich erkennbar. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, aus dem Grunde der Förderung ihres Getränkeabsatzes auch dieses Pachtobjekt mit nur einem geringen Aufschlag auf den von ihr selbst zu zahlenden Mietzins weiterzuverpachten. Bei Abschluß des Vertrages konnte die Beklagte zu 1) ihre Möglichkeiten, den geforderten Getränkeabsatz zu erreichen, selbst beurteilen und abschätzen. Es war ihre Sache, sich selbst über ihre Geschäftschancen zu vergewissern. Die Klägerin traf demgegenüber keine dahingehende Pflicht, da das Verwendungsrisiko für die Mietsache grundsätzlich allein bei dem Pächter liegt (§ 537 Abs. 1 S. 1 BGB). Sofern daher tatsächlich der geforderte Bierabsatz in einem … Restaurant von vorneherein nicht erwartet werden konnte, so wäre es Sache der Beklagten zu 1) selbst gewesen, dies zu erkennen und von einem derartigen Vertragsschluß Abstand zu nehmen. Die Unwirksamkeit nur der Getränkebezugsverpflichtung bei fortdauernder Bindung der Klägerin an den Pachtvertrag im Übrigen würde eine künstliche Aufspaltung eines untrennbaren wirtschaftlichen Gesamtgefüges und zugleich einen unzulässigen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Parteien bedeuten. Die Beklagte zu 1) hatte vielmehr bei Vertragsabschluss darüber entschieden, ob die vorgesehenen Beschränkungen und Verpflichtungen vor dem Hintergrund der angebotenen Konditionen der Verpächterin für sie wirtschaftlich sinnvoll sind oder nicht (vgl. Baldus, in: Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, Anhang zu § 548b BGB, Rdnrn. 159 ff., 176 f., m.w.N.).

Die vereinbarte Getränkebezugsverpflichtung ist auch im Übrigen wirksam. Die Pflicht des Pächters, die nach dem Vertrag zu beziehenden Getränke nicht in produkt- und markenfremden Gläsern auszuschenken, ist eine sinnvolle Ergänzung der Bezugsverpflichtung und stellt keine größere Belastung für den Vertragspartner dar. Welche Beeinträchtigung durch die Bestimmung der Belieferung aus bestimmten Bau- und Produktionsstätten bestehen soll, die konkret und damit unter Wahrung des Transparenzgebotes (vgl. hierzu Baldus, a.a.O., § 548b BGB, Rdnr. 169 f., m.w.N.) benannt sind, ist nicht erkennbar. Der Klägerin stehen auch nicht gleichzeitig mehrfache Ansprüche für den Fall eines Verstoßes zu. Die zunächst in Ziffer X 3) vereinbarten Ausgleichszahlungen im Falle der Unterschreitung der Mindestbezugsmenge sollten nur dann Anwendung finden, wenn die Klägerin wegen der Mindermengen keinen Schadenersatz geltend machte, die Nachteile konnten also nicht kumulativ eintreten. Eine zusätzliche Vertragsstrafenregelung enthält Ziffer X 10) des Pachtvertrages darüber hinaus nicht. Das Kündigungsrecht der Klägerin bei entsprechendem Minderbezug stellt keine doppelte Sanktion für das gleiche vertragswidrige Verhalten dar, sondern trägt dem weitergehenden Interesse der Klägerin Rechnung, an einen Vertrag, bei dessen Durchführung längere Zeit der Vertragszweck der Förderung ihrer Getränkeabsatzes nicht erreicht wurde, für die Zukunft nicht länger gebunden zu sein. Dabei ist es der Klägerin nicht verwehrt, wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass jeder Vermieter mit der Vermietung wirtschaftliche Interessen verfolgt. Der Umstand, dass die Interessen der Klägerin sich über das finanzielle Interesse an der Erzielung von Pacht hinaus auch auf finanzielle Vorteile aus dem Getränkeabsatz erstrecken, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten u 1) ergab sich auch nicht aus der Laufzeit der vertraglichen Bindung, welche der Laufzeit des Pachtvertrages entspricht, selbst wenn dies nicht als individualvertraglich vereinbarte Vertragsdauer zu sehen sein sollte (vgl. hierzu Baldus, a.a.O., § 584b BGB, Rdnrn. 172 ff., 178 ff., m.w.N.). Denn das Pachtverhältnis wurde gemäß Ziffer II des Pachtvertrages für die Dauer von zunächst lediglich fünf Jahren geschlossen. Die Beklagte zu 1) hatte lediglich das Recht, die Verlängerung des Pachtvertrages um weitere fünf Jahre zu verlangen, was sie auch durch die Ausübung der Option getan hat, war aber nicht länger als fünf Jahre an diesen gebunden. Auch in ihrer Gesamtheit belasten die vertraglichen Regelungen über die Getränkebezugsverpflichtung den jeweiligen Vertragspartner der Klägerin nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) wegen dieses Aspektes war auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 16.10.2016 nicht geboten.

Eine vorherige Abmahnung der Beklagten zu 1) war nach den vertraglichen Regelungen vor Ausspruch der Kündigung nicht erforderlich. Eine Mahnung wäre auch entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich gewesen, da eine solche dauerhafte Vertragsverletzung den Vertragszweck für die Klägerin unmittelbar gefährdete und sie dementsprechend bereits in der vertraglichen Regelung der Ziffern X 2) und XVII klar zum Ausdruck

gebracht hatte, dass ein solch dauerhafter Minderbezug über zwölf Monate hinweg einen Kündigungsgrund darstellen sollte. Die vertragliche Getränkebezugsverpflichtung hatte für die Vertragsparteien einen der Miete bzw. Pacht vergleichbaren Entgeltcharakter, da der wirtschaftliche Zweck des Vertrages für die Klägerin wie oben dargelegt erkennbar nur teilweise in der Erzielung von Miete bzw. Pacht lag und in erster Linie in einer Förderung ihres Getränkeabsatzes. Im Übrigen lag jedenfalls in den vorangegangenen Kündigungserklärungen jeweils sinngemäß auch eine Abmahnung gegenüber der Beklagten zu 1).

Der Klägerin war es bereits im Jahre 2015 nicht aus Treu und Glauben verwehrt, auf den Umstand des dauerhaften Minderbezuges der Vertragsgetränke ihre außerordentlichen fristlosen Kündigungen des Pachtverhältnisses zu stützen (§ 242 BGB). Ein Zuwarten mit dem Ausspruch der Kündigung über mehrere Monate hin reicht hierfür keinesfalls aus, zumal auch die Beklagte zu 1) keinerlei Umstände vorgetragen hat, die während dieses Zeitraums auf eine Verbesserung der Situation hingedeutet hätte. Für die Beklagte zu 1) bestand keinerlei Veranlassung, darauf zu vertrauen, die Klägerin werde von ihrem Recht zur außerordentlichen Kündigung keinen Gebrauch machen, sie hat auch insoweit keinerlei Dispositionen in einem etwaigen Vertrauen hierauf getätigt.

Auf die weiteren geltend gemachten Kündigungsgründe, insbesondere den Verkauf von Fremdgetränken, kommt es danach nicht an.

Die Beklagten haben als unterliegende Partei entsprechend ihrer Beteiligung an dem jeweiligen Streitwert die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nrn. 1, 2 ZPO).

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