OLG Frankfurt am Main, 25.08.2016 – 12 U 52/16

März 21, 2019

OLG Frankfurt am Main, 25.08.2016 – 12 U 52/16
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil der 14. Zivilkammer, 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt vom 4. März 2016 wird als unzulässig verworfen.

Das angefochtene Teilurteil der 14. Zivilkammer, 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt vom 4. März 2016 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Stufenklage im Rahmen eines letztlich auf Schadensersatz gerichteten Stufenverfahrens zunächst auf Auskunft darüber in Anspruch, welche E-Mail-Nachrichten an die E-Mail-Adresse (…)@(…).com im Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum 1. Oktober 2012 eingegangen sind, nachfolgend ggfls. auf eidesstattliche Versicherung und auf Ersatz allen etwaigen Schadens aus der unbefugten Nutzung der Email-Adresse (…)@(…).com in dem genannten Zeitraum.

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Teilurteils vom 4. März 2016 in der Fassung des Berichtigungsbeschluss vom 24. Juni 2016 und die dort wiedergegebenen erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten durch Teilurteil vom 4. März 2016 verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, welche Email-Nachrichten an die Email Adresse (…)@(…).com im Zeitraum vom 1.11.2011 bis zum 1.10.2012 eingegangen sind, wobei die Email-Nachrichten im vollen Wortlaut und mit allen Übermittlungsdaten der Klägerin vorzulegen sind. Die Kostenentscheidung hat es dem Schlussurteil vorbehalten und das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,- € für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Mit seiner am 6. April 2016 eingegangenen und am 17. Mai 2016 begründeten Berufung, mit der er die vollumfängliche Klageabweisung verfolgt, wendet sich der Beklagte gegen das ihm am 16. März 2016 zugestelltes Teilurteil des Landgerichts vom 4. März 2016.

Mit Verfügung vom 31. Mai 2016 hat der Vertreter des Vorsitzenden die Parteien darauf hingewiesen, dass der Senat die Beschwer für den ausgeurteilten Auskunftsanspruch vorläufig mit bis zu 500,- € annimmt und dem Beklagten in Hinblick auf § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15. Juni 2016 eingeräumt.

Mit beim Gericht am 15. Juni 2016 eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums hat der Beklagte zu dem Hinweis des Senats Stellung genommen. Er hat ausdrücklich seinen Vortrag aufrechterhalten, dass ihm die begehrte Auskunft unmöglich sei, da Backups der streitgegenständlichen Mails nicht existierten. Als Konsequenz der erstinstanzlichen Entscheidung für die Bemessung seiner Beschwer sei aber zu Grunde zu legen, welche Kosten mit der (nach seinem Vortrag unmöglichen) Ermittlung und Herausgabe der Emails durch ihn aufgrund der hypothetischen Unterstellung, dass auf seinem Computersystem Backups der streitgegenständlichen Emails vorhanden seien, verbunden seien. Diese Kosten beziffert der Beklagte mit 2.360,- €, woraus er auf eine 600,- € übersteigende Beschwer schließt.

Die Klägerin verfolgt die Zurückweisung der Berufung. Sie hat sich der Auffassung des Senats zur Höhe des Gegenstandswertes angeschlossen und im Übrigen vertreten, dass die Berufung, selbst wenn der Gegenstandswert 600,- € überschreiten würde, schon auf der Grundlage des Berufungsvortrags des Beklagten durch Beschluss als (offensichtlich) unbegründet zurückzuweisen sei.

Mit Beschluss vom 3. August 2016, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat der Senat den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 500,- € festgesetzt.

Die Zustellung dieses Beschlusses hat der Beklagte mit Empfangsbekenntnis vom 10. August 2016 bestätigt. Er hat zu den Ausführungen in dem Beschluss vom 3. August 2016 nicht Stellung genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da entgegen § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Berufungssumme nicht erreicht wird und das Landgericht die Berufung auch nicht gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen hat.

1. Den Streitwert für das Berufungsverfahren hat der Senat mit Beschluss vom 3. August 2016 auf bis zu 500,- € festgesetzt. Die Mindestbeschwer für das Berufungsverfahren von mehr als 600,- € ist danach nicht erreicht. Wie bereits mit Beschluss vom 3. August 2016 im Einzelnen erläutert, bemisst sich der Wert der Beschwer des zur Auskunft Verurteilten nach seinem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist – abgesehen von dem hier nicht behaupteten Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses – im Wesentlichen auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erteilung der hiernach geschuldeten Auskunft erfordert (BGH, III ZB 96/15, RN 5 mwN, zit. n. juris).

Gegen die mit dem vorgenannten Beschluss mitgeteilte Einschätzung des Senats, dass dieser Aufwand bei dem Beklagten vorliegend 500,- € nicht übersteigt, hat der Beklagte keine Einwände mehr erhoben. Zu dem zu erwartenden Kostenaufwand, der beispielsweise notwendig wäre, um mit anwaltlicher Hilfe Vollstreckungsversuche aus der Verurteilung zu einer etwa unmöglichen Leistung abzuwehren, hat der Beklagte auch nach dem Hinweis des Senats auf die diese Problematik thematisierende Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2016 (III ZB 96/15) nichts vorgetragen, abgesehen davon, dass hier die Verurteilung zu einer unmöglichen Leistung zwischen den Parteien gerade streitig geblieben ist.

2. Abweichend von dem Sachverhalt, der der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2016 zugrunde lag, hat der Beklagte hier nicht beantragt, unter Nachholung der Entscheidung des Landgerichts über die Zulassung der Berufung diese zuzulassen. Er hat auch nicht eingewandt, dass das Landgericht von einer Beschwer des Beklagten ausgegangen sei, die 600,- € übersteigt.

Unbeschadet dessen konnte der Senat jedoch nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit feststellen, dass das Landgericht über die Zulassung der Berufung nicht befunden hat, weil es von einer Beschwer des Beklagten als unterlegener Partei ausgegangen wäre, die 600,- € übersteigt.

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ist, wie sich aus § 511 Abs. 4 S. 1 ZPO ergibt, grundsätzlich dem Gericht des ersten Rechtszugs vorbehalten. Da keine der Parteien erstinstanzlich die Zulassung beantragt hat, war hier eine ausdrückliche Entscheidung des Landgerichts entbehrlich; das Schweigen in dem angefochtenen Teilurteil bedeutet in diesem Fall Nichtzulassung (BGH, aao, RN 12-14 mwN). Hinlängliche Indizien für die Annahme, dass das Landgericht von einer zulassungsunabhängigen Rechtsmittelfähigkeit ausgegangen ist, fehlen. Die Entscheidung über die Zulassung konnte deshalb von dem Senat nicht nachgeholt werden.

a) Das Landgericht hat den Streitwert nicht festgesetzt. Es hat lediglich – den Vorstellungen der Klägerin zum vorläufigen Streitwert der Stufenklage folgend – Vorschuss aus einem Streitwert von 60.000,- € angefordert. Der Bezifferung des vorläufigen Streitwerts auf 60.000,- €, lag die Annahme der Klägerin (S. 2 d. Klageschrift v. 12.2.2013) eines „möglicherweise erheblichen“, aber noch nicht bezifferbaren Schadens zu Grunde und damit ihre Vorstellung hinsichtlich des Umfangs etwaiger Schadensersatzansprüche in der für den Streitwert maßgeblichen Leistungsstufe.

b) Auch isoliert betrachtet fallen bei der Auskunftsklage der Streitwert und die Beschwer des zur Auskunft verurteilten regelmäßig auseinander. Der Streitwert richtet sich nach dem Interesse der Klägerin an der Erteilung der Auskunft, der nach einem gemäß § 3 ZPO zu schätzenden Teilwert des Anspruchs zu bemessen ist, dessen Durchsetzung die Klägerin mit den verlangten Informationen – hier im Wege der Stufenklage – anstrebt. Der erstinstanzlichen Streitwertbemessung für den Auskunftsanspruch kann deshalb nichts zur Bemessung der Beschwer des unterlegenen Beklagten, die – wie ausgeführt – nach dem hierfür erforderlichen Aufwand zu beurteilen ist, entnommen werden.

c) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht von einer zulassungsunabhängigen Rechtsmittelfähigkeit seines Teilurteils ausgegangen ist, ergeben sich auch nicht aus seiner Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit. Das Landgericht hat die Sicherheitsleistung gemäß § 709 ZPO in Höhe von 4.000,- € angeordnet. Mit der Anwendung von § 709 ZPO hat es inzident einen Fall des § 708 ZPO und damit auch die Voraussetzungen des § 711 ZPO verneint. Damit ist § 713 ZPO nicht anwendbar, ohne dass es auf die zulassungsunabhängige Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung ankäme. Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht sich bei der Bemessung der Sicherheitsleistung an der Beschwer des Beklagten orientierte sind nicht zu erkennen.

d) Schließlich lässt auch die Annahme des Landgerichts, dass der Beklagte den Beweis für die Unmöglichkeit der Auskunft nicht erbracht habe, der Inhalt des streitgegenständlichen Email-Nutzerkontos der Klägerin von ihm anderweit gespeichert, auf ein externes Speichermedium übertragen worden sei, oder er in anderer Weise vor Löschung des Nutzerkontos von dessen Inhalt Kenntnis genommen habe, nicht die Feststellung zu, dass das Landgericht von einer zulassungsunabhängigen Rechtsmittelfähigkeit ausgegangen ist. Der Beklagte hat in erster Instanz nicht dargetan, dass sein für diesen Fall erforderlicher Aufwand an Zeit und Kosten für die Auskunftserteilung einen Wert von 600,- € überschreitet. Da für den Beklagten nach seinem erstinstanzlichen Vorbringen, auf das sich auch das Landgericht bezieht, die Datensicherung von relevanten Daten eine Selbstverständlichkeit ist, für ihn also keine Notwendigkeit bestand bzw. besteht, Dritte für die geschuldeten Tätigkeiten heranzuziehen, ist die landgerichtliche Annahme einer 600,- € übersteigenden Beschwer des Beklagten auch unter diesem Gesichtspunkt äußerst fernliegend.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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