OLG Frankfurt am Main, 08.08.2016 – 13 U 184/15

März 21, 2019

OLG Frankfurt am Main, 08.08.2016 – 13 U 184/15
Tenor:

Es wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Darmstadt vom 12.08.2015 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe

I. Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache selbst verspricht die Berufung jedoch nach derzeitigem Sach- und Streitstand offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die weiteren Zurückweisungsvoraussetzungen gemäß § 522 Abs. 1 Nr. 2 – 4 ZPO liegen ebenfalls vor: Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist auch unter Berücksichtigung von Umfang und Schwierigkeitsgrad der Sache nicht geboten.

Es ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Klage mangels Vorliegen einer Straßenverkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten abgewiesen hat. Der Senat nimmt insofern zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils. Die hiergegen im Rahmen der Berufung erhobenen Einwendungen rechtfertigen eine Abänderung des landgerichtlichen Urteils nicht.

Die vom Kläger vertretene Ansicht, eine Haftung der Beklagten müsse sich allein aus dem Umstand ergeben, dass sich die Straße nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden habe, widerspricht der einhelligen Auffassung von Rechtsprechung und Lehre, der sich der Senat ausdrücklich anschließt. Hiernach ist der Verkehr grundsätzlich nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst in der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (vgl. BGH, Urt. v. 05.07.2012, III ZR 240/11, juris Rn. 11; OLG München, Urt. v. 16.02.2012, 1 U 3409/11, juris Rn. 35; KG Berlin, Urt. v. 05.10.2009, 12 U 195/08, juris Rn. 8; Palandt/Sprau, BGB, 75. A. 2016, § 823 Rn. 51; MüKo BGB/Wagner, 6. A. 2013, § 823 Rn. 340 f. m.w.N.). Hingegen scheidet eine Pflichtverletzung des in Anspruch Genommenen und damit seine Schadenersatzverpflichtung dann aus, wenn die Gefahrenquelle mit einer „Selbstwarnung“ versehen ist, der Verletzte also bei von ihm zu erwartender vernünftiger Bewertung all dessen, was er – rechtzeitig – wahrnehmen konnte, die Verwirklichung der Gefahr vorauszusehen und zu vermeiden vermochte (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urt. v. 13.09.2005, 11 U 20/05, juris Rn. 60). Eine Verkehrsfläche muss mithin nicht schlechthin gefahrlos und frei von allen Mängeln sein. Verkehrsteilnehmer haben vielmehr die gegebenen Verhältnisse in der Regel so hinzunehmen und sich ihnen anzupassen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten (BGH, Urt. v. 13.07.1989, III ZR 122/88, juris Rn. 11; KG Berlin, Urt. v. 08.11. 2013, 9 U 24/12, juris Rn. 11). Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar (vgl. BGH, Urt. v. 06.02.2007, VI ZR 274/05, juris Rn. 15).

Soweit der Kläger der Ansicht ist, die Erkennbarkeit des Fahrbahnschadens als Gefahrenquelle sei in höchstem Maße eingeschränkt gewesen, weil dieser zunächst unscheinbar erscheine und der Zustand der Straße insgesamt einwandfrei und gepflegt gewesen sei und daher keinen Anlass zu besonderer Vorsicht geboten habe, kann er hiermit seiner Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.

Dem eigentlichen, jedenfalls nach dem schriftsätzlichen Vortrag zum Sturz des Klägers führenden Schlagloch ging nach den Angaben des Klägers eine rund 6,50 m lange Rille in der Fahrbahndecke voraus, die sich ausweislich der bei der Akte befindlichen Lichtbilder (Bl. 7 und 8 d. A.) etwa mittig auf der Straße befand und deutlich sichtbar war. Ist aber die Fahrbahndecke sichtbar beschädigt, liegt es nahe, dass sich dort weitere Unebenheiten gebildet haben, so dass ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer insgesamt von einem gefährlichen Bereich ausgehen und eine erheblich gesteigerte Aufmerksamkeit walten lassen muss (OLG Stuttgart, Urt. v. 10.07.2013, 4 U 26/13, juris Rn. 115). Ob die Straße im Übrigen gepflegt war, spielt keine Rolle. Der Beginn der Gefahrenstelle und das eigentliche Schlagloch lagen dabei so weit auseinander, dass der Kläger das Einfahren in das Schlagloch – und sei es, wenn ein Ausweichen infolge der Spurführung in der Rille nicht mehr möglich war, durch Bremsen – auch vermeiden konnte. Aufgrund des Sichtfahrgebots des § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO und des Gebots des § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO die Geschwindigkeit den Straßenverhältnissen anzupassen durfte der Kläger ohnehin nur mit einer Geschwindigkeit fahren, die es ihm erlaubte, notfalls vor einem Fahrbahnhindernis, mit dem stets zu rechnen ist, anzuhalten (OLG Jena, Urt. v. 24.06.2009, 4 U 67/09, juris Rn. 25). Das Landgericht hat überdies zu Recht ausgeführt, dass der Kläger die rechtzeitig erkennbare Gefahrenstelle im Streitfall auch problemlos vermeiden konnte, weil sie nur einen geringen Teil der Straßenfläche betraf.

II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 02.09.2016. Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer abschließenden Senatsentscheidung nach § 522 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist (zwei statt vier Gerichtsgebühren).

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