OLG Frankfurt am Main, 05.07.2016 – 15 W 43/16

März 22, 2019

OLG Frankfurt am Main, 05.07.2016 – 15 W 43/16
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Kassel vom 8. Oktober 2015 aufgehoben.

Der Antrag der Beklagten auf weitere Kostenfestsetzung in Höhe von 246 € wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 246 € zu tragen.
Gründe

I.

Aufgrund des Beweisbeschlusses des Landgerichts wurde unter anderem die Ladung des Zeugen X, des Sohnes der Beklagten, angeordnet und die Ladung des Zeugen davon abhängig gemacht, dass die Beklagte einen Auslagenvorschuss in Höhe von 150 € einzahlt. Der Zeuge unterzeichnete eine Gebührenverzichtserklärung, die dem Landgericht vorgelegt wurde, woraufhin die Ladung des Zeugen auch ohne Vorschusszahlung angeordnet wurde. Nach seiner Vernehmung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2013 ließ sich der Zeuge gleichwohl am selben Tag für Auslagen und Verdienstausfall in Höhe von 246 € entschädigen.

Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts wurden der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Zeuge wurde zur Rückzahlung des erhaltenen Betrages aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2015 beantragte die Beklagte eine weitere Kostenfestsetzung gegen die Klägerin in Höhe von 246 €, weil sie diesen Betrag für den von ihr benannten Zeugen aufbringen müsse. Der Zeuge habe „wohl“ seine Gebührenverzichtserklärung nicht als endgültigen Verzicht verstanden, sondern nur auf die Zahlung eines Vorschusses. Jedenfalls beharre er nunmehr darauf, den erhaltenen Betrag zu behalten. Außerdem sei es zunächst natürlich auch ein Akt der Großzügigkeit gegenüber seiner Mutter, nicht aber gegenüber der Klägerin, die ja letztendlich die Prozesskosten zu tragen habe, gewesen. Am 10. Juli 2015 wurde der Betrag zurückgezahlt, nach Behauptung der Beklagten durch sie persönlich, weil sie das Rückforderungsschreiben des Gerichts als an sich selbst gerichtet verstanden habe.

Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin des Landgerichts die zu erstattenden weiteren Kosten auf 246 € festgesetzt, weil die Auslagen der Beklagten für den Zeugen als notwendige Auslagen erstattungsfähig seien. Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 12. Oktober 2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 20. Oktober 2015 eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin, der das Landgericht durch Beschluss vom 20. Mai 2016 nicht abgeholfen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach den §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere binnen der Notfrist des § 569 ZPO eingelegt worden. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt auch 200 € (§ 567 Abs. 2 ZPO). Der Senat ist zur Entscheidung berufen, nachdem die Rechtspflegerin dem Rechtsmittel nicht abgeholfen hat (§ 572 Abs. 1 ZPO).

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist auch begründet. Die von der Beklagten geltend gemachten Kosten für die Entschädigung ihres Sohnes zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht sind nicht erstattungsfähig. Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen die durch die Partei einem Zeugen geleistete Zahlung erstattungsfähig ist (vgl. zum Streitstand im Einzelnen die ausführliche Darstellung im angefochtenen Beschluss sowie in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl., § 91 Rdn. 297 ff.; aus neuerer Zeit auch OLG Nürnberg MDR 2011, 889). Der Senat neigt dazu, Aufwendungen für Zeugen, die gegenüber dem Gericht auf Zeugengebühren verzichtet haben, als nach § 91 ZPO erstattungsfähig anzusehen, wenn die Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, was bei den Auslagen eines vom Gericht vernommenen Zeugen nicht zweifelhaft sein kann, und wenn die Aufwendungen der Partei „erwachsen“, d. h. entstanden sind. Die Gebührenverzichtserklärung ist dafür ohne Bedeutung, weil sie nur Auswirkungen gegenüber dem Gericht hat, das Verhältnis des Zeugen zu der Partei, die ihn benannt hat, dagegen unberührt lässt. Die Gebührenverzichtserklärung hat lediglich zur Folge, dass das Gericht für die Ladung des Zeugen auf die Einzahlung des Auslagenvorschusses verzichtet und der Zeuge seinen Anspruch auf Entschädigung nach dem JVEG gegenüber der Staatskasse verliert. Das bedeutet indes nicht, dass seine Auslagen und sein Verdienstausfall nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der ihn benennenden Partei notwendig waren. Anderenfalls hätte das Gericht den Zeugen nämlich nicht vernehmen brauchen. Warum der Zeuge gegenüber dem Gericht auf Erstattung seiner Auslagen verzichtet, ist für die Notwendigkeit seines Erscheinens vor Gericht und die damit verbundenen Aufwendungen unerheblich. Ob es eine nachvollziehbare Veranlassung für die Partei gibt, für die Staatskasse „auslagenerstattend einzuspringen“ und eine eigene – einen Anspruch erst begründende – Erstattungszusage an den Zeugen abzugeben (vgl. hierzu OLG Koblenz OLGR 1997, 231), berührt die Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ebenfalls nicht. Nur bei Aufwendungen, die die Entschädigung nach dem JVEG übersteigen, fehlt diese Notwendigkeit, weil der Zeuge verpflichtet ist, zu den Entschädigungsregelungen des JVEG vor Gericht zu erscheinen.

In jedem Fall ist aber zusätzlich erforderlich, dass die Kosten der Partei „erwachsen“ sind, d. h. dass die Partei diese Kosten aufwenden musste. Denn nur dann waren diese Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig. Das folgt nicht zuletzt aus dem auch das Prozessrechtsverhältnis beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben, nach dem die Partei die Obliegenheit trifft, die Kosten möglichst niedrig zu halten (vgl. BGH NJW 2014, 557 [BGH 15.10.2013 – XI ZB 2/13] mit weiteren Nachweisen). Freigiebige Leistungen der Partei, zu denen sie nicht verpflichtet ist, sind demnach nicht erstattungsfähig. So liegen die Dinge hier. Nach den Darlegungen der Beklagten im Schriftsatz vom 3. Juli 2015 hat der Zeuge den Gebührenverzicht aus freien Stücken erklärt, wobei unerheblich ist, ob er den Verzicht als einen endgültigen Verzicht verstanden hat oder nur als einen solchen auf die Zahlung eines Vorschusses. Es fehlt jedenfalls daran, dass der Zeuge von der Beklagten verlangt hat, dass diese ihm die Kosten erstattet, wenn er schon keine Entschädigung aus der Staatskasse erhält und sich die Beklagte auf dieses Verlangen eingelassen hat. Im Gegenteil soll die Abgabe der Gebührenverzichtserklärung ein „Akt der Großzügigkeit gegenüber seiner Mutter“ gewesen sein, was gerade dagegen spricht, dass sich die Beklagte verpflichtet hätte, dem Zeugen seine Auslagen zu erstatten. Dass der Zeuge nicht auch zugunsten der Klägerin, die „letztendlich“ die Prozesskosten zu tragen hat, verzichten wollte, ist dafür unerheblich, weil es die fehlende Verpflichtung der Beklagten zur Kostenerstattung unberührt lässt. Ob die Vereinbarung einer Partei mit einem von ihr benannten Zeugen, der eine Gebührenverzichtserklärung abgibt, ihm seine Auslagen nur zu erstatten, wenn die Gegenpartei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, wirksam getroffen werden kann, kann vorliegend dahinstehen, weil eine solche Vereinbarung nicht vorgetragen ist.

Fehlt es nach alledem an einer Verpflichtung der Beklagten, ihrem Sohn dessen Auslagen und Verdienstausfall wegen der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht zu erstatten, handelt es sich um eine freiwillige Leistung der Beklagten, wenn sie diese Kosten gleichwohl übernimmt. Diese kann sie nach § 91 ZPO von der Klägerin nicht erstattet verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Wert des Beschwerdegegenstandes entspricht der Höhe der zur Festsetzung angemeldeten Kosten.

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