OLG Frankfurt am Main, 23.06.2016 – 22 W 3/16

März 22, 2019

OLG Frankfurt am Main, 23.06.2016 – 22 W 3/16
Leitsatz:

Nach einseitiger Erledigungserklärung bemisst sich der Streitwert grundsätzlich nach den bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten, soweit nicht das Interesse der Parteien an einer Rechtfertigung des jeweiligen Standpunktes deutlich im Vordergrund steht.
Tenor:

Die Streitwertbeschwerde des Beklagtenvertreters Rechtsanwalt … gegen den Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 27.05.2015 wird, soweit ihr das Landgericht nicht abgeholfen hat, zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist nach der Abhilfeentscheidung des Landgerichts nur noch von Bedeutung, wie der Streitwert nach der einseitigen Erledigungserklärung der Klägerseite vom 05.03.2014 zu bestimmen ist.

Die dem Beschwerdeverfahren zugrunde liegende Klage richtete sich auf Zustimmung zu einer Erbauseinandersetzung und einem entsprechenden Teilungsplan. Hauptstreitpunkt war, ob die von der Klägerin im Rahmen des Teilungsplans vorgelegte Teilungserklärung bei Bildung von Wohnungseigentum zu den von der Klägerin behaupteten Quoten führen würde. Die Parteien haben sich sodann außergerichtlich auf einen Teilerbauseinandersetzungsvertrag geeinigt, welcher hinsichtlich der neu gebildeten Miteigentumsanteile der von der Klägerin zuvor genannten Aufteilung entsprach.

Infolge dessen hat die Klägerin am 05.03.2014 die Hauptsache für erledigt erklärt. Dem hat der Beklagte nicht zugestimmt. Sodann wurde zur Klärung der Frage, ob die Klage vor Erledigungserklärung begründet war, ein Sachverständigengutachten eingeholt, durch welches die im Wege des Vergleiches vorgenommene Aufteilung unter Berücksichtigung des Wertes des Grundstückes überprüft wurde. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin im Klagewege geltend gemachte Quote der jeweiligen Wohnungseigentumsanteile nicht zutreffend gewesen ist.

Die Klägerin hat am 17.04.2015 beantragt, festzustellen, dass die Hauptsache erledigt sei, sowie hilfsweise die Zustimmung zu einer Änderung des Grundbuches hinsichtlich der Höhe der Quoten entsprechend dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens begehrt. Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

Mit Urteil vom 27.05.2015 hat das Landgericht dem Hilfsantrag unter Abweisung der Klage im Übrigen stattgegeben.

Mit Beschluss vom 27.05.2015 hat es den Streitwert wie folgt festgesetzt:

Streitwert bis 05.03.2014: 50.000,- €

Streitwert ab 06.03.2014: 9.000,- €

Streitwert ab 17.04.2015 10.000,- €

Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, der Streitwert bis zur Erledigungserklärung sei nach dem Interesse der Klägerin, vorliegend mithin deren Erbteil, festzusetzen. Insoweit habe die Klägerin den Wert ihres Erbteils mit 50.000,- € angegeben, Anhaltspunkte für einen höheren Streitwert seien nicht gegeben. Bezüglich der Streitwerte nach der Erledigungserklärung seien die bis zu dieser entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten maßgeblich. Bezüglich des Streitwertes ab dem 17.04.2015 sei noch der Hilfsantrag hinzuzurechnen, dessen Wert das Landgericht mit 1.000,- € beziffert hat.

Der Beklagtenvertreter hat im Namen und Auftrag des Beklagten mit Schriftsatz vom 11.06.2015 Streitwertbeschwerde erhoben, welcher das Landgericht teilweise abgeholfen und den Streitwert wie folgt festgesetzt hat:

Streitwert bis 05.03.2014: 120.000,- €

Streitwert ab 06.03.2014: 13.000,- €

Streitwert ab 17.04.2015: 14.000,- €

Bezüglich des Streitwertes bis zum 05.03.2014 hat das Landgericht unter Zugrundelegung eines höheren Wertes des Erbteils der Klägerin diesen entsprechend dem Beschwerdevorbringen erhöht. Die die Abänderung der Streitwerte ab dem 06.03.2014 bzw. ab dem 17.04.2015 war dadurch bedingt, dass das Landgericht den Streitwert bis zum 05.03.2014 erhöht hat und sich hieraus höhere Gerichts- und Anwaltskosten ergaben, welche das Landgericht ebenso wie in seiner ursprünglichen Streitwertfestsetzung bei der Bemessung des Streitwertes nach Erledigung zugrunde gelegt hat.

Nachdem der Beklagte sodann seine Beschwerde zurückgenommen hat, hat der Beklagtenvertreter im eigenen Namen Streitwertbeschwerde im Hinblick auf die Streitwerte ab dem 06.03.2014 und dem 17.04.2015 erhoben.

Er beantragt,

den Streitwert ab dem 06.03.2014 auf 60.000,- € festzusetzen.

Dazu nimmt er auf eine Entscheidung des erkennenden Senates vom 29.11.1994 (22 W 41/94) Bezug. Der Senat hat in dieser Entscheidung wie auch in Entscheidungen in der Folgezeit die Auffassung vertreten, der Streitwert bei der einseitigen Erledigungserklärung bestimme sich wie bei einer positiven Feststellungsklage. Daher sei von dem Wert des ursprünglichen Begehrens auszugehen, von diesem sei aber im Hinblick auf die nur noch begehrte Feststellung ein Abschlag in Höhe von 50% vorzunehmen.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung seiner Rechtsauffassung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist gem. § 32 Abs. 2 RVG zulässig, die Beschwerdefrist gem. § 68 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG wurde eingehalten.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet; das Landgericht hat bei der Bestimmung des Streitwertes nach einseitiger Erledigungserklärung zutreffend die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten zugrunde gelegt.

Die Frage, wie sich die einseitige Erledigungserklärung der Klägerseite auf den Streitwert auswirkt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Insoweit werden verschiedene Lösungsansätze vertreten:

Der Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung regelmäßig von einer Streitwertbemessung nach einseitiger Erledigungserklärung nach den bis zur Erledigungserklärung anfallenden Kosten aus. Eine andere rechtliche Beurteilung komme nur ausnahmsweise in Betracht, wenn auch nach tatsächlicher Erledigung das Interesse der Parteien an einer mittelbaren Rechtfertigung des Standpunktes deutlich im Vordergrund stehe (so zuletzt BGH, Beschluss vom 15.07.2015 – Az. IV ZR 256/14; Beschluss vom 15.11.2007, Az. V ZB 72/07). Dieser Auffassung haben sich zwischenzeitlich zahlreiche Senate der Oberlandesgerichte und Teile der Literatur angeschlossen (so beispielsweise OLG Frankfurt, 9. Zivilsenat, Beschluss vom 30.06.2000 – Az. 9 W 19/00; OLG Naumburg, Beschluss vom 30.07.2001 – Az. 14 WF 128/01; OLG München, Beschluss vom 04.03.2003 – Az. 7 W 1804/03, Lindacher in MüKO ZPO § 91a, Rdnr. 90).

Ein Teil der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ist hingegen der Auffassung, es verbleibe auch nach einseitiger Erledigungserklärung beim unveränderten Hauptsachestreitwert (so beispielsweise OLG Schleswig, Beschluss vom 02. Februar 2004 – Az. 4 U 47/03; OLG München, Beschluss vom 28.02.1996 – Az. 28 W 676/96).

Nach einer weiteren in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Meinung ist ein prozentual verminderter Feststellungswert, der überwiegend mit 50 Prozent des Hauptsachestreitwertes bemessen wird, anzusetzen (so der erkennende Senat, Beschluss vom 29.11.1994 – Az. 22 W 41/94; Beschluss vom 21.09.2011 – Az. 22 W 29/11; OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2000, Az. 4 W 4/00; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. § 91a, Rdnr.56).

Gegen die Auffassung, wonach die einseitige Erledigungserklärung bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt bleibt, spricht, dass der gem. § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage eine Beschränkung des ursprünglichen Klageantrages darstellt, welche auch in der Verminderung des Streitwertes zum Ausdruck kommen muss.

Allerdings trägt auch ein prozentualer Abschlag, wie er bei der positiven Feststellungsklage üblich ist, im Regelfall dem verminderten Interesse des Klägers nach einseitiger Erledigungserklärung nicht ausreichend Rechnung. Der klagenden Partei kommt es bei einer Erledigungserklärung grundsätzlich darauf an, nicht mit den Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden. Die zunächst geltend gemachten Ansprüche treten in den Hintergrund. Hinzu kommt, dass die Streitgegenstände im ursprünglichen Verfahren und im Streit um die Erledigung nicht identisch sind und somit auch eine Abhängigkeit des Wertes des Erledigungsstreites vom Hauptsachestreit im Sinne einer prozentualen Reduzierung nicht zwingend ist. Im Erfolgsfall hat die Feststellung der Erledigung nur zur Folge, dass die Beklagtenseite mit den Kosten des Rechtsstreits belastet wird. Zwar findet bei der einseitigen Erledigungserklärung noch eine Prüfung der Begründetheit des ursprünglichen Klagebegehrens statt, allerdings handelt es sich insoweit nur noch um die Prüfung einer Vorfrage, so dass keine dogmatischen Bedenken dagegen bestehen, die einseitige Erledigungserklärung insoweit kostenmäßig gleich zu behandeln wie die übereinstimmende Erledigungserklärung, bei der summarisch ebenfalls die Begründetheit der ursprünglichen Klage zu prüfen ist.

Der Senat gibt deshalb seine den Beschlüssen vom 29.11.1994 (22 W 41/94) und 21.09.2011 (22 W 29/11) vertretene Rechtsauffassung auf und schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung an, wonach der Streitwert nach einer einseitigen Erledigungserklärung sich in der Regel nach der Summe der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten richtet.

Es besteht im vorliegenden Fall auch kein Anlass, von dieser Regel, wonach die bisherigen Kosten maßgeblich sind, abzuweichen. In Ausnahmefällen ist – was auch höchstrichterlich anerkannt ist (vergl. BGH, Beschluss vom 08.12.1981 – VI ZR 161/80) – das Feststellungsinteresse höher zu bemessen, wenn auch nach tatsächlicher Erledigung das Interesse der Parteien an einer mittelbaren Rechtfertigung des jeweiligen Standpunktes deutlich im Vordergrund steht. Dies wurde bei ehrverletzenden Äußerungen angenommen.

Dem entspricht auch der der Entscheidung des Senates vom 21.09.2011 (Az. 22 W 29/11) zugrunde liegende Sachverhalt, bei der der Senat ein Interesse des dortigen Klägers festgestellt hat, welches über die Kostentragungspflicht hinausging.

Es ist nicht ersichtlich, dass es den Parteien – insbesondere der Klägerseite, deren Interesse bei der Streitwertbemessung grundsätzlich im Gegensatz zum Interesse des Beklagten beachtlich ist – vorliegend um mehr als die Frage der Kostentragung geht. Die Klägerseite hat das Ziel ihrer ursprünglichen Klage – Zustimmung zu einer Erbauseinandersetzung – erreicht, insoweit ist durch die notarielle Vereinbarung der Parteien Erfüllung eingetreten.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 68 Abs. 3 GKG i.V.m. § 32 Abs. 1 RVG.

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