OLG Frankfurt am Main, 09.06.2016 – 12 U 43/15

März 22, 2019

OLG Frankfurt am Main, 09.06.2016 – 12 U 43/15
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 25. Februar 2015 (Az. 4 O 248/14) teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2917,59 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 6. August 2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Kläger 61 % zu tragen, die Beklagte trägt 39 %.

Das Berufungsurteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen in Anspruch. Der Kläger beantragte bei der A-Versicherung, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, am 29.4.2001 einen fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag. Dieser wurde durch Versicherungsschein vom 20.9.2001 ab dem 1.10.2001 mit einem monatlichen Beitrag von anfänglich 52 € auf 47 Jahre policiert. Der Versicherungsschein enthält auf Seite eins einen Hinweis auf das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers, der auf Seite sieben ergänzt wird. In der Widerspruchsbelehrung wird unter anderem darauf hingewiesen, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung des ersten Beitrages erlösche.

Der Kläger nahm die Beitragszahlungen auf und trat die Ansprüche aus der Versicherung am 8.8.2006 zur Sicherung ab an die Bank1 GmbH. Die Abtretung wurde dem Versicherer am 14.8.2006 angezeigt. Die Rückabtretung an den Kläger erfolgte im Jahr 2009.

Mit Vereinbarung vom 20.1.2008 einigten sich die Parteien des Versicherungsvertrages über eine teilweise Stundung der Beiträge ab dem 1.2.2008; die Beiträge wurden dadurch für ein Jahr auf 15 € zurückgesetzt. Anschließend nahm der Kläger die regelmäßigen Beitragszahlungen wieder auf.

Am 28.8.2012 ließ der Kläger Widerspruch gegen den Abschluss des Versicherungsvertrage im Jahr 2001 einlegen und forderte die gezahlten Beiträge zuzüglich eines entgangenen Gewinns von der Beklagten zurück. Diese legte den nach ihrer Ansicht verfristeten Widerspruch als Kündigung aus, rechnete den Vertrag am 11.12.2012 ab und zahlte das Guthaben unter Offenlegung der Rückkaufswerte und Bewertungsreserven mit 4912,71 € (ohne Steueranteile; Stornogebühren wurden nicht gekürzt) an den Kläger aus.

Der Kläger hat behauptet, er habe die AGB bei Antragstellung zum Versicherungsvertrag nicht erhalten. Die Höhe der gezahlten Beiträge hat er mit 8635,62 € vorgetragen (Bl. 140 ff.). Ferner hat er behauptet, die Beklagte habe aus den gezahlten Versicherungsbeiträgen während der Laufzeit einen Ertrag in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz erzielt, den sie herauszugeben habe.

Er hat die Auffassung vertreten, dass ein Widerspruch gegen Abschluss des Versicherungsvertrages auch im Jahre 2012 noch möglich gewesen sei, weil er unzureichend über das Widerspruchsrecht belehrt worden sei und die in § 5a VVG alter Fassung normierte Jahresfrist europarechtlich unwirksam sei mit der Folge, dass der gesamte Versicherungsvertrag bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln sei. Er hat die ihm seiner Auffassung nach zustehende weitere Herauszahlung berechnet auf 7424,95 €.

Die Beklagte hat behauptet, die gezahlten Beiträge beliefen sich wegen der vorübergehenden Stundung nur auf 7830,30 €. Die Berechnung der Forderung in der Klageschrift hat die Beklagte als nicht nachvollziehbar gerügt. Der Kläger könne insbesondere keinen pauschalierten Nutzungsvorteil herausverlangen. Sie hat eingewandt, wegen teilweiser Verwendung der Prämie zur Gewährung von Versicherungsschutz entreichert zu sein.

Die Forderung stehe dem Kläger bereits dem Grunde nach nicht zu, weil das Widerspruchsrecht wegen der Bestätigung des Vertrages durch Abtretung und Vereinbarung über das Ruhen verwirkt sei. Im übrigen hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers hat die Beklagte nach Grund und Höhe bestritten.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 25.2.2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Widerspruch aus dem Jahr 2012 nach § 242 BGB unwirksam wegen Bestätigung durch Abtretung, Rückabtretung und Vereinbarung über das Ruhen sei gem. BGH IV ZR 73/13 vom 16.7.2014. Die Belehrung hat das Landgericht formal und inhaltlich für ausreichend erachtet. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, wiederholt die Argumente der fehlerhaften Belehrung über das Widerspruchsrecht, der Europarechtswidrigkeit von § 5a VVG alter Fassung und der Unbeachtlichkeit der jahrelangen Durchführung nach Treu und Glauben. Auf den Schriftsatz vom 4.6.2015 wird verwiesen.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7424,95 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2.

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 881,64 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung der erstinstanzlich vorgetragenen Argumente zur Widerspruchsbelehrung und zur Abrechnung. Sie hält den geltend gemachten Bereicherungsanspruch weiterhin für verwirkt und verjährt. Auf den Schriftsatz vom 15.9.2015 wird Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat die Parteien durch Verfügung vom 1.6.2016 (Bl. 334) auf Bedenken gegen die Wirksamkeit der Widerspruchsbelehrung sowie darauf hingewiesen, dass die vom Kläger darzulegenden Nutzungen des Versicherers während der Vertragslaufzeit nicht pauschaliert beansprucht werden können und nicht hinreichend dargelegt sind.

II.

1. Die Berufung ist unbedenklich zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und rechtzeitig ausreichend begründet worden.

2. Die Berufung hat teilweise Erfolg. Die angefochtene Entscheidung ist zwar vertretbar und ausführlich begründet, steht aber im Gegensatz zu der danach ergangenen Rechtsprechung des BGH. Demnach kann bei fehlerhafter Widerspruchsbelehrung das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers auch nach jahrelanger Durchführung des Vertrages und bestätigenden Rechtshandlungen regelmäßig nicht als verwirkt angesehen werden.

Das angefochtene Urteil war daher teilweise abzuändern und die Beklagte zur Rückzahlung der nachvollziehbar dargelegten ohne Rechtsgrundlage erfolgten ungerechtfertigten Bereicherung zu verurteilen.

Unbegründet war die Berufung hingegen hinsichtlich der gezogenen Nutzungsvorteile auf Beklagtenseite sowie der vorgerichtlichen Anwaltskosten des Klägers.

3. Der geltend gemachte Anspruch ist dem Grunde nach aus § 812 Absatz 1 S. 1 erste Alternative BGB (Leistungskondiktion) begründet, weil der Kläger Zahlungen auf die vertragliche Vereinbarung über die fondsgebundene Rentenversicherung erbracht hat, für die kein Rechtsgrund bestand. Denn der Vertrag ist durch den noch rechtzeitigen und auch im Übrigen wirksamen Widerspruch ex nunc beseitigt worden.

a) Das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1, 2 VVG alter Fassung besteht nach der inzwischen gesicherten Rechtsprechung des BGH und des EuGH „ewig“, wenn der Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht nicht spätestens bei Erhalt des Versicherungsscheines, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation gemäß Abs. 1 schriftlich (bzw. in Textform bei der hier nicht einschlägigen, späteren Fassung) in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist, § 5 Abs. 2 S. 1 VVG alter Fassung (BGH vom 7.5.2014 IV ZR 76/11 VersR 2014, 817). § 5 Abs. 2 S. 4 VVG, wonach das Recht zum Widerspruch spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, ist europarechtswidrig (EuGH vom 19.12.2013, VersR 2014, 225).

Wurde der Versicherungsnehmer hingegen den Anforderungen von § 5a Abs. 2 VVG entsprechend belehrt und hat er danach jahrelang die Prämien gezahlt bzw. seinen Willen zum Vertragsschluss auf andere Weise (z.B. durch Ergänzung, Abtretung oder Ruhen des Vertrages) bestätigt, so kann die Jahre später erfolgende rückwirkende Beseitigung des Vertrages durch Widerspruch treuwidrig sein, wenn sich die Versicherungsgesellschaft angesichts des Verhaltens des Versicherungsnehmers (Zahlungen, rechtsbestätigende Handlungen) erkennbar auf den Bestand des Vertrages einrichten konnte und eingerichtet hat (vgl. BGH vom 16.7.2014, IV ZR 73/13, VersR 2014,1065). Diese Entscheidung ist zwar mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen worden und das BVerfG hat mit Urteil vom 2.2.2015 (2 BvR 2437/14, VersR 2015,693) die Nichtvorlage an den EuGH durch den BGH als Verletzung rechtlichen Gehörs gewertet, das Abstellen auf Treuwidrigkeit gemäß § 242 BGB in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise bestehen lassen, weil das Urteil nicht auf der Gehörsverletzung beruht.

In der Folgezeit hat der BGH die Anforderungen an eine Widerspruchsbelehrung fortentwickelt:

– eine Widerrufsbelehrung, die den Beginn der Frist an den Erhalt der im Gesetz genannten Unterlagen anknüpft, ist nicht zu beanstanden; unschädlich ist ein fehlender Hinweis auf die Berechnung der Frist (BGH 8.4.2015, IV ZR 103/15, VersR 2015,700 zu § 8 Abs. 2 VVG)

– der Begriff Widerspruch in „Textform“ ist nicht erläuterungsbedürftig (BGH vom 10.6.2015, IV ZR 105/13, VersR 2015,876)

– das Fehlen einer Adressatenangabe für den Widerspruch ist unschädlich, da dieser aus dem Versicherungsschein zu entnehmen ist (BGH vom 14.10.2015, IV ZR 155/14 r+s 2015,594)

– eine Widerspruchsbelehrung ist unvollständig, wenn sie den Beginn der Widerspruchsfrist nur vom Erhalt des Versicherungsscheins abhängig macht; sie ist zudem inhaltlich falsch, wenn sie darauf abstellt, dass der Versicherungsnehmer mit den Versicherungsbedingungen und Tarifbestimmungen nicht einverstanden ist; es reicht nicht aus, dass lediglich der erste Satz der Widerspruchsbelehrung in Fettdruck gehalten ist, wenn die nicht hervorgehobenen Teile für das Verständnis des Versicherungsnehmers maßgeblich sind (BGH vom 14.10.2015, IV ZR 284/12, r+s 2015,597)

– eine Widerspruchsbelehrung genügt nicht den Anforderungen, wenn der Beginn der Widerspruchsfrist lediglich vom Erhalt des Versicherungsscheins abhängig gemacht wird; eine Widerspruchsbelehrung ist fehlerhaft, wenn dabei nicht auf die notwendige Absendung des Widerspruchs in Textform hingewiesen wird (BGH vom 28.10.2015, IV ZR 164/15, r+s 2016,19).

Dieser, nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht die streitgegenständliche Widerspruchsbelehrung in mehrfacher Hinsicht nicht. Dies entnimmt der Senat insbesondere der Entscheidung BGH IV ZR 284/12, die nach dem mitgeteilten Sachverhalt einen gleichartig aufgebauten oder möglicherweise vom selben Versicherer stammenden Versicherungsschein betrifft.

Folgende Merkmale sprechen gegen eine ausreichende Widerspruchsbelehrung:

– auf Seite eins des Versicherungsscheins ist das Widerspruchsrecht drucktechnisch nicht hervorgehoben, sondern tritt gegenüber zahlreichen Unterstreichungen als Textblock sogar hinter ihr zurück; es kann an dieser Stelle leicht überlesen werden;

– die Belehrung auf Seite eins ist inhaltlich falsch, weil sie das Widerspruchsrecht lediglich an den Erhalt des Versicherungsscheins und nicht auch an den Erhalt der weiteren Unterlagen anknüpft;

– sie ist außerdem inhaltlich falsch, weil sie die Einschränkung enthält, dass Widerspruch fehlendes Einverständnis voraussetzt; der Widerspruch konnte hingegen nach der gesetzlichen Konstruktion ohne Angaben von Gründen erhoben werden;

– die ergänzende Widerspruchsbelehrung auf Seite sieben des Versicherungsscheins – zu der sich der Versicherungsnehmer erst einmal durchblättern muss, was an sich schon fraglich erscheint im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „deutlich hervorgehoben“ – ist formal unzureichend, weil nur der erste Satz in Fettdruck enthalten ist und der Versicherungsnehmer sowohl den Fristbeginn, als auch die Fristwahrung durch rechtzeitige Absendung überlesen kann, wobei hier erneut der Hinweis fehlt, dass der Widerspruch schriftlich oder im Textform erklärt werden muss;

Aus diesen Gründen fehlt es an einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung; die vorliegende Widerspruchsbelehrung ist vielmehr inhaltlich und formal massiv fehlerbehaftet. Die vom Landgericht gewählte Lösung über Treu und Glauben und Vertragsbestätigung ist daher im Ergebnis nicht zutreffend, weil sich die Versicherungsgesellschaft mit der fehlerhaften Belehrung selber nicht gesetzes- und vertragstreu verhalten hat und damit kein schutzwürdiges Vertrauen ihrerseits auf den Bestand des Vertrages entstehen konnte.

Dem steht auch die von der Beklagten angeführte Entscheidung vom 22.3.2016, BGH IV ZR 130/15 (r+s 2016, 231 [BGH 22.03.2016 – IV ZR 130/15]) nicht entgegen. Denn der BGH hat in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt und fortgeführt, dass eine Verwirkung des Widerspruchsrechts grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn der Versicherungsnehmer entweder bei Antragstellung oder bei Übersendung des Versicherungsscheins und der vollständigen Versicherungsunterlagen in drucktechnisch deutlich hervorgehobener Form und inhaltlich zutreffend über sein Widerspruchsrecht belehrt wurde. Hieran hat der BGH nach Auffassung des Berufungsgerichts auch durch den Beschluss vom 22.3.2016 im Grundsatz festgehalten und ausgeführt, dass eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung ausnahmsweise dann nicht entscheidungserheblich ist, wenn der Versicherungsnehmer durch mehrfachen Einsatz des Versicherungsvertrages zur Sicherung eines Kredits den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen (IV ZR 130/15, Juris Rn. vier).

Der Ausnahmecharakter dieser Entscheidung und nicht – wie die Beklagte meint – eine grundlegende Abkehr der Rspr. des BGH vom Gebot der beiderseitigen Vertragstreue bei der Anwendung von § 242 BGB ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts sowohl materiell-rechtlich dogmatisch, als auch prozessual begründet. Denn der BGH hat in seiner vorliegend zitierten Rechtsprechung über Jahre hinweg und im Anschluss an die Entscheidung des EuGH vom 19.12.2013 über die Europarechtswidrigkeit der Jahresfrist aus § 5a VVG alter Fassung für Versicherungsverträge der vorliegenden Art kontinuierlich und konsequent die Auffassung vertreten, dass sich der Versicherer wegen rechtsbestätigender Handlungen des Versicherungsnehmers vor Erklärung des Widerspruchs nur dann auf die Wirksamkeit des Vertrages stützen kann, wenn er sich selber zuvor vertragstreu verhalten hat und dazu gerade auch die den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Widerspruchsbelehrung erteilt hat. Demnach setzt der Einwand der Verwirkung regelmäßig eine zutreffende Widerspruchsbelehrung voraus. Die Entscheidung vom 22.3.2016 bietet keinen Anlass zu der Annahme, dass der BGH hiervon nunmehr habe abrücken wollen, weil er einerseits den Ausnahmecharakter aufgrund einer besonderen tatsächlichen Konstellation betont und andererseits nicht – wie es im Falle einer grundsätzlichen Änderung der Rechtsprechung zu erwarten gewesen wäre – durch Revisionsurteil im Falle der dort zugelassenen Revision, sondern durch Zurückweisungsbeschluss entschieden hat.

Für den vorliegenden Sachverhalt folgt daraus, dass eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung Voraussetzung für einen erfolgreichen Einwand der Verwirkung des Widerspruchsrechts durch die Beklagte ist, weil der hier zur Entscheidung anstehende Sachverhalt nicht im gleichen Maße durch tatbestandliche Besonderheiten geprägt war, wie das in dem der Entscheidung vom 22.3.2016 zu Grunde liegenden Sachverhalt der Fall war. Denn der Kläger hat den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag vorliegend nicht zweimalig, sondern nur einmal zur Sicherheit abgetreten, ohne dass die Versicherungsleistung verwertet worden wäre; sie ist vielmehr nach Ablauf des Sicherungszwecks an den Versicherungsnehmer zurückgefallen. Die vorübergehende Stundung eines Teils des Beitrags für die Dauer von einem Jahr bei einer Vertragsdurchführung über 11 Jahre hinweg stellt auch in der Gesamtschau mit einer einmaligen Sicherungsabtretung keinen Umstand dar, der im Falle einer massiv fehlerhaften Widerspruchsbelehrung den Einwand der Verwirkung des Widerspruchsrechts begründen würde. In einer „konkludenten Zustimmung“ des Klägers zu einer Dynamisierung der Beiträge vermag das Berufungsgericht keine Bestätigung des Vertragsschlusses zu erkennen, weil die Fortschreibung der Beitragshöhe bereits vertragsgemäß vorgesehen war und ohne Willensentschluss des Klägers eintrat. Der Vertragsentschluss an sich kann nicht gleichsam ergänzend ein zweites Mal als Bestätigungswillen herangezogen werden.

b) Damit ist der Anwendungsbereich für eine Abrechnung und Abwicklung nach Bereicherungsrecht eröffnet, weil der Widerspruch die auf Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung auch noch im Jahre 2012 beseitigen konnte.

Für die Abrechnung nach Bereicherungsrecht hat der BGH mit den Urteilen vom 29.7.2015 (IV ZR 384/14, VersR 2015,1101 und IV ZR 448/14, VersR 2015,1104 [BGH 29.07.2015 – IV ZR 448/14]) fortgeltende Grundsätze aufgestellt, wonach der Rückgewähranspruch auf Prämienrückzahlung unter Berücksichtigung des bis zum Widerspruch genossenen Versicherungsschutzes, nicht aber unter Abzug von Abschlusskosten und Stornogebühren zu berechnen ist. Die bei Auszahlung des Rückkaufswerts durch den Versicherer einbehaltene und an das Finanzamt abgeführte Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag muss sich der Versicherungsnehmer als Vermögensvorteil anrechnen lassen. Herausverlangen kann der Versicherungsnehmer darüber hinaus nur die vom Versicherer tatsächlich gezogenen Nutzungen, wofür er die Darlegungs- und Beweislast trägt und nicht auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe zurückgreifen kann (BGH IV ZR 513/14, VersR 2016,33 [BGH 11.11.2015 – IV ZR 513/14]).

Da die Abrechnung durch die Parteien im Rechtsstreit auch nach dem Hinweis des Berufungsgerichts nicht alle für eine Berechnung des Rückgewähranspruchs notwendigen Parameter erkennen lässt, war die Berechnung nur auf der Grundlage der ausreichend vorgetragenen Werte vorzunehmen:

aa) Ermittlung der Einzahlungen

Die Zahlungsaufstellung des Klägers Bl. 140 ff. ist fehlerhaft, weil sie die Stundung nicht berücksichtigt. Diese dauerte nach der Mitteilung vom 28.12.2007 ab dem 1.2.2008 für ein Jahr an und Beiträge in Höhe von 616,80 € wurden nicht gezahlt. Darüber hinaus erlitt der Kläger infolge der Stundung auch Zinsverluste und nahm nicht an der auch für dieses Jahr vorgesehenen Dynamisierung der Beiträge teil.

Da die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe der Einzahlungen beim Kläger liegt und er dazu außer der Tabelle Bl. 140 ff. weder Vortrag gehalten, noch Beweis angeboten hat, waren nur die von der Beklagten zugestandenen Zahlungen in Höhe von 7830,30 € zur Grundlage der Berechnung zu machen.

bb) Abrechnung

Die Abrechnung des Rückkaufswerts durch die Klägerin vom 11.12.2012 (Bl. 77) enthält keine Kürzungen um Beträge, die zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen wären. Der Kläger erhebt insoweit auch keine Rügen, sondern lässt sich den ausgezahlten Rückkaufswert in Höhe von 4912,71 € bei seiner Abrechnung der Klageforderung (Bl. 3) anrechnen.

Es ergibt sich daher folgende Abrechnung:
Summe der gezahlten Prämien 7830,30 €
ausgezahlter Rückkaufswert 4912,71 €
gezogene Nutzungen 0,00 €
Bereicherungsanspruch 2917,59 €

Die weitergehende Hauptforderung blieb auch im Berufungsrechtszug erfolglos.

Hinzu zu setzen sind Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit wie beantragt (6.8.2014), §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht weder unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, noch gem. § 280 Abs. 1 BGB. Eine außergerichtliche Mahnung oder vorgerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist – mit Ausnahme des Widerrufs – nicht vorgetragen. Im Hinblick auf § 280 Abs. 1 BGB fehlt es an einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten durch Erteilung der Abrechnung der Beklagten aus dem Jahr 2012. Denn nach dem damaligen Stand der Rechtsprechung musste die Beklagte nicht erkennen, dass der Widerruf eines im Jahre 2001 geschlossenen und jahrelang bedienten Versicherungsvertrages auch im Jahre 2012 noch möglich sein und bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche auslösen würde, deren Umfang zum damaligen Zeitpunkt in der Rechtsprechung ebenfalls noch nicht geklärt war.

c) Die Einrede der Verjährung durch die Beklagte ist unbegründet.

Der Rückforderungsanspruch ist erst mit Erklärung des Widerspruchs im Laufe des Jahres 2012 fällig geworden, so dass Verjährungsbeginn der 31.12.2012 war (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gem. § 195 BGB durch die Klageerhebung vom Juli 2014 rechtzeitig gehemmt wurde, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß der §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vor.

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