OLG Frankfurt am Main, 23.05.2016 – 6 W 23/16

März 23, 2019

OLG Frankfurt am Main, 23.05.2016 – 6 W 23/16
Leitsatz:

Der Beklagte hat – auch ohne vorherige Abmahnung – Anlass zur Klageerhebung gegeben, wenn der Kläger aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass eine Abmahnung von vornherein aussichtslos sein würde. Hat der Beklagte vorprozessual die Übernahme der Kosten für die Verteidigung gegen eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung abgelehnt und beabsichtigt der Kläger mit der Klage nicht nur diese Kosten, sondern auch die weiteren Kosten für die Hinterlegung einer Schutzschrift geltend zu machen, ist wegen dieser weiteren Kosten eine vorherige Abmahnung entbehrlich, soweit der Kläger keine Anhaltspunkte dafür hat, dass der Beklagte seine ablehnende Einschätzung hinsichtlich der Ersatzpflicht geändert haben könnte.
Tenor:

Die Kostenentscheidung wird abgeändert.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Der Beschwerdewert entspricht dem Interesse der Klägerin an der Abänderung der angefochtenen Kostenentscheidung.
Gründe

I.

Die Klägerin beschäftigt sich mit dem Vertrieb von Ventilatoren, Heizstrahlern und Belüftungssystemen. Sie vertrieb u.a. Infrarotstrahler, die sie von der Firma A … GmbH, Stadt1 unter der Bezeichnung „B“ bezogen hatte. Deswegen erhielt sie von der Beklagten ein Abmahnschreiben vom 12. März 2015, in dem der Klägerin eine Verletzung mehrerer Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Beklagten vorgeworfen wurde (Anlage K 5).

Die Klägerin erbat Fristverlängerung zur Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung (Anlage K 6). Sie erfuhr von ihrer Lieferantin, dass diese bereits seit geraumer Zeit mit der Beklagten um die Rechte an den geltend gemachten Gemeinschaftsgeschmacksmustern stritt. Dabei war auch der Vorwurf erhoben worden, dass sich die Beklagte die Registrierung bösgläubig erschlichen hatte, weil sie Fotos des vermeintlichen Entwerfers (Herr C) mit den Musterheizstrahlern abfotografiert und als eigene Muster hinterlegt hatte. Bereits im Dezember 2014 hatte die Firma D … C vor dem Landgericht … Klage auf Übertragung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters … eingereicht (Anlage K 10).

Die Firma A … GmbH nahm die Mitteilung der Klägerin zum Anlass, die Beklagte mit Schreiben vom 16. 3. 2015 wegen unberechtigter Abnehmerverwarnung abzumahnen (Anlage K 11).

Ohne auf dieses Schreiben näher einzugehen, teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie stütze ihre vermeintlichen Unterlassungsansprüche auf diejenigen Gemeinschaftsgeschmacksmuster, die nicht Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung vor dem Landgericht … waren (Schreiben vom 19.03.2015 – Anlage K 12).

Die Klägerin ließ sodann durch ihren Prozessbevollmächtigten Schutzschriften beim zentralen Schutzschriftenregister wie auch bei den Landgericht … und … einreichen, wofür ihr Kosten in Höhe von 1.607,40 € entstanden sind. Sie forderte die Beklagte durch Schreiben vom 20. 3. 2015 auf, ihre Anspruchsberühmung aufzugeben und die Kosten der Inanspruchnahme ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.526,40 € zu übernehmen (Anlage K 16). Die Beklagte reagierte hierauf nicht.

Am 2. Juli 2015 erging durch das Landgericht … I ein Endurteil, durch das die Beklagte verpflichtet wurde, das eben genannte Gemeinschaftsgeschmacksmuster auf die Firma D … C zu übertragen (Anlage K 20). Im August 2015 verglich sich die Beklagte mit der Firma A … in Bezug auf die von dort aus geltend gemachten Ansprüche.

Die Klägerin hat von der Beklagten Erstattung der oben aufgeführten Kosten verlangt. Die Beklagte hat die Klageforderung anerkannt, in Bezug auf die Kosten für die Schutzschriften jedoch unter Verwahrung gegen die Kostentragungslast. Sie hat dazu vorgetragen, sie habe von den Schutzschriften keine Kenntnis gehabt.

Das Landgericht hat in dem Anerkenntnisurteil der Klägerin 38,9% und der Beklagten 61,1% der Kosten auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe keine Veranlassung zur Klageerhebung in Bezug auf die Kostenerstattung für die Schutzschriften gegeben.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin, mit der sie im Einzelnen ausführt, warum ihres Erachtens ein vorgerichtliches Mahnschreiben in Bezug auf die Erstattung der Kosten für die Schutzschriften entbehrlich war.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg. Die Beklagte muss auf Grund ihres Anerkenntnisses gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits tragen und kann sich nicht darauf berufen, in Bezug auf die Erstattung der Kosten für die Schutzschrift keine Veranlassung zur Klage gegeben zu haben (§ 93 ZPO).

Die Beklagte hat Veranlassung zur Einreichung der Schutzschriften gegeben. In dem Schreiben der Beklagten vom 19. 3. 2015 kommt unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Beklagte unabhängig vom Ausgang der Auseinandersetzung mit der Lieferantin der Klägerin Schutzrechte an den Heizstrahlern reklamierte und dass sie diese auch umgehend gerichtlich durchsetzen werde.

Die Beklagte stellt daher auch nicht in Abrede, dass sie die Schutzschriften veranlasst hat. Sie verteidigt sich damit, vor der Klageerhebung von den Schutzschriften nichts gewusst zu haben und auch nicht erfolglos zur Erstattung der entsprechenden Kosten aufgefordert worden zu sein. Dieses Vorbringen ist aber unerheblich.

Ein Beklagter gibt dann Veranlassung zur Klage, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn aus Sicht des Klägers bei verständiger Betrachtung so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zum Erfolg kommen. Erforderlich ist für gewöhnlich eine erfolglose Abmahnung oder Zahlungsaufforderung (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl., Rn 6, Stichwort: Aufforderung zu § 93 ZPO).

Dies ist aber nicht zwingend, denn es gibt auch Fälle, in denen der Beklagte dem Kläger durch sein vorprozessuales Verhalten zeigt, dass er ohne eine Klage nicht von seiner Rechtsposition abgehen wird. Die Klägerin hat mit Recht darauf hingewiesen, dass bei einer negativen Feststellungsklage Klageveranlassung gegeben ist, wenn sich der Beklagte der Rechtsberühmung trotz entsprechender Einwendungen nicht begibt. Diese Überlegungen lassen sich auf den hiesigen Fall übertragen:

Die Beklagte hatte sich zunächst von der Abmahnung der Prozessbevollmächtigten der Lieferantin der Klägerin nicht von ihrer Anspruchsberühmung abbringen lassen und der Klägerin gegenüber Klageerhebung angedroht. Das galt auch – nachrangig – für das vor dem Landgericht … im Streit stehende Gemeinschaftsgeschmacksmuster.

Nun hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 20. 3. 2016 nochmals „nachgelegt“ und die Beklagte zur Aufgabe ihrer Rechtsposition bezüglich sämtlicher Schutzrechte und der Erstattung der Kosten aufgefordert. Nachdem darauf keine Reaktion erfolgte, musste die Klägerin annehmen, dass die Beklagte ihre Ansprüche aus den Gemeinschaftsgeschmacksmustern nicht fallen lassen und dementsprechend weder die Kosten für die Abmahnung zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung noch die Kosten der Schutzschriften ausgleichen würde.

Es ist unerheblich, dass durch den späteren Vergleich der Beklagten mit der Lieferantin der Klägerin eine neue Sachlage eingetreten war, die zu einer Neubewertung auf Seiten der Beklagten führen konnte. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin von diesem Vergleich vor Klageerhebung Kenntnis erlangt hat. Etwaige Zweifel gehen zu Lasten der Beklagten (Zöller-Herget aaO., Stichwort: Beweislast).

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens muss die Beklagte tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

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