OLG Frankfurt am Main, 25.01.2016 – 19 U 160/15

März 23, 2019

OLG Frankfurt am Main, 25.01.2016 – 19 U 160/15
Tenor:

I.

Die Berufung der Kläger gegen das am 1. Juli 2015 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2-21 O 329/14) wird zurückgewiesen.
II.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des Vollstreckungsbetrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
IV.

Der Streitwert des Beruf ungsverfahrens beträgt 110.000,- €.

Gründe

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Beschlussentscheidung entgegensteht und dass schließlich auch aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 ZPO).

I.

Durch Verfügung vom 21. Dezember 2015 hat der Vorsitzende die Parteien auf die Absicht des Senats hingewiesen, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Er hat dabei den maßgeblichen Sach- und Streitstand geschildert sowie ausführlich begründet, weshalb die Berufung offensichtlich keinen Erfolg haben wird. Wegen des Inhalts der Verfügung im Einzelnen wird zur Meidung von Wiederholungen auf Bl. 282 ff. d. A. Bezug genommen.

Die Stellungnahme der Kläger in deren Schriftsätzen vom 18. Januar und 22. Januar 2016 rechtfertigt keine von dem erteilten Hinweis abweichende Beurteilung. Soweit die Kläger darauf verweisen, dass in zwei anderen Entscheidungen (Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 11. Juni 2015, 8 U 1760/14; Kammergericht, Beschluss vom 16. Oktober 2015, 4 W 16/15) der versehentliche Gebrauch des Wortes „Widerrufsbelehrung“ anstelle des Wortes „Widerrufserklärung“ als verwirrend angesehen worden ist, kann dies der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Denn die rechtliche Bewertung als verwirrend ist in den zitierten Entscheidungen mit keinem Argument unterlegt. Dagegen hat der Senat in seinen Hinweisen vom 21. Dezember 2015 eingehend dargelegt, dass und weshalb die Wortvertauschung ein für jeden unbefangenen Leser offenkundiges Schreibversehen darstellt, welches Zweifel über das eigentlich Gemeinte nicht aufkommen lässt. Mit diesen Erwägungen setzen die Kläger sich im Rahmen ihrer Stellungnahme jedoch nicht auseinander. Auch nach erneuter Beratung hält der Senat daher an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.

Die anderslautende Würdigung durch das Oberlandesgericht Dresden und das Kammergericht steht auch einer Entscheidung im Wege des § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen. Denn die betreffende Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Grundsätzliche Bedeutung ist nicht bereits dann zu bejahen, wenn das eine Berufungsgericht einen gleichartigen Tatbestand rechtlich anders würdigt als das andere. Vielmehr muss die Frage geeignet sein, das Interesse der Allgemeinheit zu berühren (vgl. BGHZ 2, 39; Zöller/Heßler, 31. Aufl., § 543 ZPO, Rn. 11). Daran fehlt es vorliegend, da es um die rechtliche Bewertung eines lediglich in Einzelfällen vorgekommenen Schreibversehens geht. Der Entscheidung über diesen speziellen Sachverhalt kommt auch kein Leitbildcharakter zu.

II.

1. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).

2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 709 S. 2, § 711 ZPO.

3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 48 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

Maßgeblich war insoweit das Interesse der Kläger an der Bescheidung des Klagantrages zu 2.). Mit diesem begehren sie Feststellung, dass der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag infolge des Widerrufs keine Rechte mehr zustehen. In derartigen Fällen ist für die Streitwertberechnung die ursprüngliche Nettovaluta des Darlehens anzusetzen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 27. Februar 2015, 19 W 60/14 und Beschluss vom 7. Oktober 2015, 19 W 58/15; ebenso OLG Hamburg, Beschluss vom 17. Juli 2015 Az. 6 W 25/15, unter Hinweis auf BGH VuR 2015, 306 zu einer ähnlichen Fallgestaltung – jeweils zitiert nach juris).

Die Nettodarlehenssumme betrug vorliegend 110.000,- €. Von diesem Betrag war ein Wertabschlag nicht vorzunehmen, da die Kläger nicht positive, sondern negative Feststellungsklage erhoben haben.

Vorausgegangen ist unter dem 21.12.2015 folgender Hinweis (die Red.):

In dem Rechtsstreit

wird auf die Absicht des Senats hingewiesen, die Berufung der Kläger durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg erkennen lässt, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgericht nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Gründe

I.

Die Kläger begehren die Rückabwicklung eines mit der Beklagten im Juni 2009 abgeschlossenen Verbraucherdarlehens, das sie im Jahre 2014 widerrufen haben. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 172 ff. d. A.) Bezug genommen. Ergänzend ist festzustellen, dass die Kläger unstreitig nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch fünf weitere Darlehensraten in Höhe von jeweils 517,93 € entrichteten; wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz vom 8. Oktober 2015, Bl. 228 d. A. Bezug genommen.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 1. Juli 2015 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass einem Widerruf jedenfalls der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehe.

Im Einzelnen führt das Landgericht aus, dass keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung bestünden, weil sie nicht mit dem Muster gemäß der Anlage zu § 14 BGB-InfoV übereinstimmte. Denn entscheidend sei nicht, ob sie dem Muster entspreche, sondern nur, ob sie den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Vorschriften genüge.

Ein Verstoß gegen diese Vorschriften liege insbesondere nicht darin, dass an einer Stelle statt des Begriffs „Widerrufsbelehrung“ das Wort „Widerrufserklärung“ verwendet werde. Denn hierdurch ergebe sich nicht die Gefahr einer Fehlvorstellung des Darlehensnehmers über die Voraussetzungen des Fristbeginns. Vielmehr sei aus den Umständen eindeutig ersichtlich, namentlich aus der Verwendung des Demonstrativpronomens „diese“, dass mit dem Begriff nur die eingerahmte Textpassage gemeint sein könne. Ein durchschnittlich verständiger Verbraucher habe hierdurch erkennen können, dass es auf die Belehrung angekommen sei, deren Erhalt er mit seiner Unterschrift bestätigt habe.

Dass an anderer Stelle der juristische Fachbegriff „Willenserklärung“ gebraucht werde, sei ebenfalls unschädlich. Dieser Terminus tauche auch in § 355 BGB auf. Die Beklagte sei aber lediglich verpflichtet gewesen, die Darlehensnehmer über deren Widerrufsrecht nach dem Gesetz zu belehren, nicht aber dazu, die gesetzlichen Vorschriften auslegend zu erläutern.

Ebenso wenig sei zu beanstanden, dass die von der Beklagten verwendete Belehrung für den Fristbeginn auf das Zur-Verfügung-Stellen „eines Exemplars“ der Widerrufsbelehrung abstelle, ohne die Formulierung „in Textform“ zu verwenden. Denn dem Verbraucher werde auch so verdeutlicht, dass es auf die ihm in Papierform vorliegende Belehrung ankomme und es für den Fristbeginn nicht genüge, wenn er diese lediglich zur Kenntnis genommen (aber nicht erhalten) habe. Ebenso hätten die Kläger erkennen können, dass die Frist erst zu laufen beginne, wenn sie neben der Widerrufsbelehrung die Vertragsurkunde erhalten hätten.

Die Widerrufsbelehrung genüge ferner auch dem Deutlichkeitsgebot nach § 355 Abs. 2 BGB, da der Text eingerahmt, die Zwischenüberschriften zudem fett gedruckt seien.

Offen bleiben könne, ob die Aufnahme des Gestaltungshinweises Nr. 6 des Musters zu Anlage 2 der BGB-InfoV bei einer Finanzierungsdienstleistung, die – wie vorliegend – kein Fernabsatzgeschäft darstelle, zu einer Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung führe. Denn jedenfalls stehe einem Widerruf in diesem Falle der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegen, und zwar sowohl unter dem Gesichtspunkt des missbräuchlichen Ausnutzens einer formalen Rechtsstellung zur Erreichung vertragsfremder Zwecke als auch unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung.

Missbräuchlich sei eine Rechtsausübung insbesondere bei Fehlen eines schutzwürdigen Eigeninteresses, d. h. bei der Berufung auf ein Recht, das tatsächlich nur als Vorwand für das Erreichen vertragsfremder Zwecke benutzt werde. Erforderlich sei jedoch stets eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen. Auch wenn die mit einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile grundsätzlich von dem Kreditgeber zu tragen seien, bedeute dies nicht, dass sich die Ausübung des Widerrufsrechts im konkreten Einzelfalle nicht als rechtsmissbräuchlich darstellen könnte. Hieran ändere es auch nichts, wenn das Widerrufsrecht wegen eines Belehrungsmangels zeitlich unbefristet fortgelte. In diesem Zusammenhange sei auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei Einführung des Widerrufsrechts davon ausgegangen sei, die Kreditwirtschaft werde hierdurch nicht über Gebühr belastet.

Anhand dieser Maßstäbe sei vorliegend von einer unzulässigen Rechtsausübung auszugehen.

Das Landgericht habe hierbei zunächst berücksichtigt, dass das Widerrufsrecht dem Verbraucher die Möglichkeit verschaffen solle, seine Entscheidung für einen Kredit noch einmal zu überdenken; er solle vor übereilten Bindungen geschützt werden. Eine solche schutzbedürftige Entscheidungssituation bestehe aber nicht, wenn es dem Verbraucher darum gehe, sich nach jahrelanger beanstandungsloser Erfüllung der Vertragspflichten und Inanspruchnahme der Gegenleistung den übernommenen Verpflichtungen zu entziehen. Übe der Verbraucher sein Widerrufsrecht erkennbar allein zu dem Zweck aus, sich günstigere Darlehenskonditionen zu sichern, und stehe der Widerruf in keinerlei Zusammenhang mehr mit der Vertragsabschlusssituation, so sei die Schutzbedürftigkeit, deretwegen das Widerrufsrecht geschaffen worden sei, nicht mehr anzunehmen.

Auch solle das Widerrufsrecht dem Verbraucher nicht die Gelegenheit verschaffen, das wirtschaftliche Risiko gefallener Zinsen an den Darlehensgeber weiterzureichen, obgleich der Darlehensnehmer sich der wirtschaftlichen Tragweite seiner Vertragsentscheidung voll und ganz bewusst gewesen sei. Durch die Vereinbarung eines festen Zinssatzes für eine bestimmte Zeit sichere der Darlehensnehmer sich gegen das Risiko steigender Zinsen ab, wodurch er Planungssicherheit erlange. Im Gegenzuge verzichte der Darlehensgeber auf die Möglichkeit, von einem fallenden Zinssatz zu profitieren. Ein einseitiges Aushebeln dieser vertraglich vereinbarten Risikoverteilung lasse sich mit Sinn und Zweck des Widerrufsrechts nicht in Einklang bringen.

Die Kläger hätten vorliegend eine formal bestehende Widerrufsmöglichkeit lediglich zu dem vertragsfremden Ziel der Ersparnis einer Vorfälligkeitsentschädigung sowie zum Profitieren von gesunkenen Zinssätzen ausgenutzt. Das zeige sich unter anderem auch dadurch, dass sie nach Widerruf des Darlehens durch Schreiben vom 12. August 2014 die Ablösung des Darlehens ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung gefordert hätten.

Bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen sei darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Kläger das Darlehen in Anspruch genommen und während der eingeräumten Bedenkzeit gar nicht die Absicht gehabt hätten, von dem Darlehensvertrag Abstand zu nehmen. Auch nach Ablauf der Bedenkzeit habe für die Kläger kein Anlass zum Widerruf bestanden. Vielmehr seien sie sich der wirtschaftlichen Tragweite des Vertragsschlusses bewusst gewesen und hätten jahrelang die geschuldeten Raten zurückgezahlt. Nachdem sie längere Zeit die Vorteile aus dem Darlehensvertrag in Anspruch genommen hätten, erscheine ihr späteres Verhalten widersprüchlich und treuwidrig. Auch müsse bedacht werden, dass die Kläger eine Widerrufsbelehrung erhalten hätten, der sich zumindest habe entnehmen lassen, dass ihnen innerhalb einer zweiwöchigen Bedenkzeit ein Widerrufsrecht zugestanden habe.

Zugunsten der Beklagten sei ferner zu berücksichtigen, dass selbst der Verordnungsgeber anfänglich nicht zu der Anfertigung einer Musterbelehrung imstande gewesen sei, die den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hätte. Hierdurch zeigten sich die besonderen Schwierigkeiten, die für die Beklagte mit der Erfüllung der Gesetzesvorgaben verbunden gewesen seien. Es widerspräche den Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn auf der einen Seite dem Unternehmer das Erfüllen formaler Anforderungen ersichtlich schwer gemacht werde, auf der anderen Seite dagegen das Ausnutzen solcher formaler Fehler zu vertragsfremden Zwecken möglich wäre und der Verbraucher unabhängig von Besonderheiten des Einzelfalles stets die zwischen den Parteien vereinbarte Risikoverteilung aufgrund einer bloß formalen Rechtsposition aushebeln könnte.

Im Übrigen stehe einer Ausübung des Widerrufsrechts auch der Einwand der Verwirkung entgegen. Bei der Verwirkung handele es sich um einen Fall unzulässiger Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens, die ein Zeit- und ein Umstandsmoment voraussetze. Verwirkung setze daher neben längerem Zeitablauf seit der ersten Möglichkeit zur Geltendmachung eines Rechts voraus, dass der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung dem Verhalten des Berechtigten habe entnehmen dürfen, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen; im Vertrauen hierauf müsse sich der Verpflichtete außerdem so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde.

Das Zeitmoment sei in Anbetracht eines mehr als fünfjährigen Zeitraums zwischen Widerrufsbelehrung und Ausübung des Widerrufsrechts erfüllt. Aber auch das Umstandsmoment liege vor. Denn die Kläger seien im Kern zutreffend über ein zeitlich befristetes Widerrufsrecht und dessen Voraussetzungen informiert worden und hätten über mehr als fünf Jahre hinweg die Darlehensraten bedient; auch hätten sie das Widerrufsrecht zu vertragsfremden Zwecken ausgeübt. Umgekehrt habe die Widerrufsbelehrung allenfalls einen formalen Bagatellfehler enthalten und sei ansonsten völlig ordnungsgemäß gewesen. Weiter liege ein vertrauensschaffender Tatbestand bereits in der über Jahre hinweg erfolgten pünktlichen Bedienung des Darlehens.

In Abwägung all dieser Umstände sowie der weiteren Interessen der Parteien sei von Verwirkung auszugehen. Einer überwiegenden Schutzbedürftigkeit der Beklagten stehe nicht entgegen, dass diese über die Möglichkeit einer Nachbelehrung verfügt habe, denn nach über fünfjähriger Inanspruchnahme des Darlehens durch die Kläger habe die Beklagte nicht mehr mit einem Widerruf (schon gar nicht zur Einreichung vertragsfremder Zwecke) rechnen müssen. Sie habe daher keine Veranlassung für eine erneute Widerrufsbelehrung gehabt.

Auch Unionsrecht gebiete keine andere Bewertung. Für die Zeit vor 2010 habe das europäische Recht ein Widerrufsrecht des Verbrauchers für Darlehensverträge (abgesehen von Fernabsatzfällen) überhaupt nicht gefordert. Abgesehen davon stünden auch europäische Rechtsinstitute unter dem Vorbehalt, dass sie nicht rechtsmissbräuchlich eingesetzt werden dürften.

Gegen das ihnen am 8. Juli 2015 (Bl. 187 d. A.) zugestellte Urteil haben die Kläger am 5. August 2015 Berufung eingelegt (Bl. 199 f.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 8. Oktober 2015 an jenem Tage begründet (Bl. 211 ff. d. A.).

Die Kläger verfolgen ihre in erster Instanz gestellten Anträge – unter Anpassung an die zwischenzeitlich erfolgten weiteren Ratenzahlungen – fort und begründen die Berufung damit, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung materiellen Rechts beruhe (§ 529 ZPO). Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Ausübung des Widerrufsrechts nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen gewesen. Denn der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, dass bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung das Widerrufsrecht grundsätzlich unbefristet ausgeübt werden könne. Eine Verwirkung des Widerrufsrechts sei daher nur unter sehr hohen Anforderungen denkbar.

Das Umstandsmoment im Sinne der von dem Landgericht zitierten Rechtsprechung könne deshalb nur dann gegeben sein, wenn der Verbraucher nach unrichtiger Belehrung über sein Widerrufsrecht Kenntnis von dessen Fortbestand erlangt habe, es aber gleichwohl längere Zeit nicht ausübe, und wenn der Unternehmer darauf habe vertrauen dürfen, dass es hierbei bleiben werde. Da die Kläger von einem Fortbestehen ihres Widerrufsrechts aber nicht gewusst hätten, stelle das ordnungsgemäße Bedienen der Darlehensraten keinen vertrauensschaffenden Umstand dar, auf den die Beklagte sich berufen könnte.

Nur unter ganz besonderen Umständen könne eine Verwirkung auch dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von der Fortdauer des (Widerrufs-)Rechts besitze. Aber auch dann wäre es erforderlich, dass die Beklagte sich darauf eingerichtet hätte, dass das Widerrufsrecht nicht mehr ausgeübt werde. Indessen fehle es an Vortrag zu konkreten Maßnahmen, durch welche die Beklagte sich entsprechend eingerichtet habe.

Die Widerrufserklärung stelle sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtsmissbräuchlich dar. Für die Rechtmäßigkeit der Ausübung des Widerrufsrechts komme es weder auf die Motive des Verbrauchers noch auf Kausalitätsfragen an. Daher dürfe es auch keine Rolle spielen, ob im Einzelfall tatsächlich ein dem Zweck des Widerrufsrechts zuwiderlaufender Grund für die Ausübung benannt wird. Ansonsten müsste die Motivation des Verbrauchers konsequenterweise auch für jeden Widerruf überprüft werden, der innerhalb der gesetzlichen Frist erfolge. Belastbare Kriterien dafür, ab wann ein zu beanstandendes Motiv zur Ausübung des Widerrufsrechts zum Rechtsmissbrauch führe, seien kaum bestimmbar. Im Übrigen unterstelle das Landgericht das von ihm angenommene Widerrufsmotiv den Klägern auch lediglich.

Ferner müsse berücksichtigt werden, dass die von dem Gesetzgeber bewusst vorgenommene Entfristung des Widerrufsrechts für den Fall fehlender oder unzureichender Widerrufsbelehrungen auch Sanktionswirkung gegenüber dem Unternehmer habe entfalten und eine entsprechende Disziplinierung habe bewirken sollen. Angesichts dessen könne man die zeitlich späte Ausübung des Widerrufsrechts auch nicht als Ausnutzen einer bloß formalen Rechtsposition verstehen. Dies würde nämlich eine Verletzung eigener Vertragstreuepflichten des Verbrauchers voraussetzen, während es sich tatsächlich umgekehrt so verhalte, dass dessen Rechtsposition durch ein Fehlverhalten des Unternehmers entstanden sei. Daran ändere es auch nichts, dass sich die Vorgaben des Gesetzgebers offenbar nur sehr schwierig korrekt umsetzen ließen.

Im Übrigen sei in der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt inzwischen anerkannt, dass selbst mehrere Jahre nach vollständiger Abwicklung des Darlehensvertrages § 242 BGB einer Ausübung des Widerrufsrechts nicht entgegenstehe. Erst recht müsse dies für Fälle wie den vorliegenden gelten, in denen die Valuta noch gar nicht vollständig zurückgeführt sei.

Das angefochtene Urteil stelle sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Insbesondere könne die Beklagte sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion nach § 14 Abs. 1, Abs. 3 BGB-InfoV berufen, da sie das seinerzeit geltende Belehrungsmuster unstreitig nicht verwendet habe. Die Belehrung sei auch nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 355 BGB a. F.; auf ihr diesbezügliches Vorbringen erster Instanz nehmen die Kläger ausdrücklich Bezug.

Sie unterstreichen in diesem Zusammenhange, dass die Verwendung des Begriffs „Widerrufserklärung“ anstelle von „Widerrufsbelehrung“ entgegen der Auffassung des Landgerichts sehr wohl verwirrend sei und damit einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung entgegenstehe. Unklarheiten im Belehrungstext gingen zu Lasten des Verwenders. Es sei nicht Aufgabe des Verbrauchers, Belehrungsfehler des Unternehmers zu erkennen und sich um eine korrigierende Auslegung der unrichtigen Belehrung zu bemühen. Alles andere liefe darauf hinaus, dass der Verbraucher mehr wissen müsste als der belehrende Unternehmer, sowie darauf, dass der Verbraucher sich selbst zu belehren hätte. Solches wäre jedoch ersichtlich abwegig.

Die Kläger beantragen,

1.

unter Abänderung des am 01.07.2015 verkündeten Urteils des LG Frankfurt am Main, Az. 221 O 329/14 die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 37.571,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einmalig 5,11 € seit dem 09.11.2009, aus einmalig 293,49 € seit dem 09.11.2009, aus jeweils 517,93 € seit dem 16.11.2009, dem 15.12.2009, dem 15.01.2010, dem 15.02.2010, dem 15.03.2010, dem 15.04.2010, dem 17.05.2010, dem 15.06.2010, dem 15.07.2010, dem 16.08.2010, dem 15.09.2010, dem 15.10.2010, dem 15.11.2010, dem 15.12.2010, dem 17.01.2011, dem 15.02.2011, dem 15.03.2011, dem 15.04.2011, dem 16.05.2011, dem 15.06.2011, dem 15.07.2011, dem 15.08.2011, dem 15.09.2011, dem 17.10.2011, dem 15.11.2011, dem 15.12.2011, dem 16.01.2012, dem 15.02.2012, dem 15.03.2012, dem 16.04.2012, dem 15.05.2012, dem 15.06.2012, dem 16.07.2012, dem 15.08.2012, dem 17.09.2012, dem 15.10.2012, dem 15.11.2012, dem 17.12.2012, dem 15.01.2013, dem 15.02.2013, dem 15.03.2013, dem 15.04.2013, dem 15.05.2013, dem 17.06.2013, dem 15.07.2013, dem 15.08.2013, dem 16.09.2013, dem 15.10.2013, dem 15.11.2013, dem 16.12.2013, dem 15.01.2014, dem 17.02.2014, dem 17.03.2014, dem 15.04.2014, dem 15.05.2014, dem 16.06.2014, dem 15.07.2014, dem 15.08.2014, dem 15.09.2014, dem 15.10.2014, dem 17.11.2014, dem 15.12.2014, dem 15.01.2015, dem 16.02.2015, dem 16.03.2015, dem 15.04.2015, dem 15.05.2015, dem 15.06.2015, dem 15.07.2015, dem 17.08.2015 und dem 15.09.2015 sowie aus jeweils 100,00 € seit dem 02.09.2011, dem 05.10.2011, dem 02.11.2011, dem 02.12.2011 und dem 03.01.2012 zu zahlen,

Zug um Zug gegen Zahlung von 110.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4,3041 % p. a. seit dem 28.09.2009 bis zum 07.07.2014.
2.

Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag Nr. … infolge Widerrufs keine Ansprüche mehr zustehen, insbesondere dass ihr gestützt auf § 488 Abs. 1 S. 2 BGB weder Zins- noch Tilgungsansprüche zustehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint, dass es auf eine Anwendbarkeit von § 242 BGB auf den vorliegenden Sachverhalt nicht ankomme. Der Widerruf sei jedenfalls deshalb unwirksam, weil die Widerrufsfrist durch die Belehrung vom Juni 2009 in Gang gesetzt worden und mithin bei Ausübung des Widerrufsrechts im Jahre 2014 längst verstrichen gewesen sei. Denn die Widerrufsbelehrung sei ordnungsgemäß erfolgt.

Was den Fristbeginn betreffe, so kläre die verwendete Belehrung zutreffend darüber auf, dass maßgebend der Tag nach Erhalt der Vertragsurkunde (oder einer Abschrift derselben) sei. Das entspreche dem Gesetzeswortlaut. Alternativ habe § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. auch die Aushändigung einer Abschrift des Darlehensantrags des Verbrauchers genügen lassen; dass die Widerrufsbelehrung sich hierzu nicht verhalte, sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unschädlich, da dies allein ein – zulässiges – Hinausschieben des Fristlaufbeginns zugunsten des Verbrauchers bewirke.

Aus der Entscheidung BGH NJW 2009, 3572 [BGH 10.03.2009 – XI ZR 33/08] ergebe sich nichts anderes, da dort nicht etwa der Begriff „Vertragsurkunde“, sondern die Wortfolge „der schriftliche Darlehensantrag“ als missverständlich angesehen worden sei. Den letzteren Terminus verwende die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung jedoch nicht. Dass der die Widerrufsbelehrung enthaltende Vordruck bereits vor Unterzeichnung mit der Überschrift „Darlehensvertrag“ versehen gewesen sei, schaffe ebenfalls keine Verwechselungsmöglichkeit. Denn für jeden durchschnittlich verständigen Verbraucher sei erkennbar, dass eine rechtsgültige, fristauslösende Vertragsurkunde vor Unterzeichnung durch irgendeine Partei ebenso wenig existiere wie eine Willenserklärung, die widerrufen werden könnte.

Ebenfalls ergebe sich für den durchschnittlich verständigen Verbraucher, dass die Widerrufsfrist erst beginne, wenn ihm ein Exemplar der Widerrufsbelehrung zur Verfügung gestellt worden sei. Dass die Belehrung stattdessen von einem „Exemplar dieser Widerrufserklärung“ spreche, sei unschädlich. Die Verwendung des Demonstrativpronomens lasse eindeutig erkennen, dass mit „dieser Widerrufserklärung“ nur die eingerahmte, mit den Worten „Widerrufsbelehrung für jeden einzelnen Darlehensnehmer“ überschriebene Textpassage gemeint sein könne. Abgesehen davon sei der Begriff „Erklärung“ bedeutungsgleich mit „Belehrung“, so dass auch obergerichtliche Urteile mitunter von einer „Widerrufserklärung“ sprächen, wenn eine Widerrufsbelehrung gemeint sei.

II.

1. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Es liegt kein Berufungsgrund im Sinne von § 513 ZPO vor, da das Landgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. Auf die Frage einer Verwirkung oder einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Widerrufsrechts kommt es hierbei nicht an, da dessen Ausübung jedenfalls verfristet geschah.

a) Maßgeblich ist für die Berechnung der Widerrufsfrist vorliegend § 355 BGB in der Fassung vom 2. Dezember 2004. Hiernach betrug die Frist zwei Wochen; sie begann nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher nicht eine Widerrufsbelehrung in Textform ausgehändigt sowie entweder die Vertragsurkunde oder seine Vertragserklärung (beziehungsweise deren Abschrift) zur Verfügung gestellt wurden.

b) Die Aushändigung dieser Unterlagen in zeitlicher Nähe zu dem Darlehensvertragsschluss steht zwischen den Parteien nicht im Streit; die Kläger knüpfen ihre Auffassung, der Fristlauf sei seinerzeit nicht in Gang gesetzt worden, vielmehr allein an die Rechtsmeinung, dass die Widerrufsbelehrung fehlerhaft sei. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr wahrt die verwendete Belehrung die Voraussetzungen des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a. F.

aa) Die Rüge der Kläger, das Deutlichkeitsgebot sei wegen des Gebrauchs juristischer Fachbegriffe in dem Belehrungstext nicht gewahrt, dringt nicht durch. Insbesondere ist nichts gegen die von ihnen beanstandete Verwendung des Terminus „Willenserklärung zum Abschluss eines Darlehensvertrages“ zu erinnern. Denn der Begriff der Willenserklärung knüpft an den Wortlaut von § 355 BGB an. Von Gesetzes wegen war die Beklagte aber lediglich gehalten, den Klägern den Inhalt dieser Vorschrift mitzuteilen; eine erläuternde Auslegung der Norm schuldete sie dagegen nicht (vgl. OLG München NJW-RR 2005, 573, 574 [OLG München 22.06.2004 – 13 U 2315/04]). Die Verwendung des Wortes „Willenserklärung“ in einer Belehrung nach § 355 BGB a. F. hat auch der Bundesgerichtshof daher unbeanstandet gelassen (BGH XI ZR 509/07, Urteil vom 13. Januar 2009, juris).

Nichts anderes ergibt sich aus der von den Klägern zitierten Entscheidung BGH NJW 2002, 3396 [BGH 04.07.2002 – I ZR 55/00]. Dort hielt der Bundesgerichtshof nicht etwa den Begriff der Willenserklärung aus Sicht eines Rechtsunkundigen für zu fachspezifisch. Vielmehr führt das genannte Urteil aus, dass eine Widerrufsbelehrung unrichtig sei, die für den Fristbeginn auch auf die Abgabe der auf einen Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung abstelle, da es tatsächlich auf die Aushändigung der Vertragsurkunde ankomme. Ein solcher Zusatz sei für die meisten Fälle ohne sachliche Bedeutung. Zudem könne von einem Verbraucher nicht erwartet werden, dass er zutreffend verstehe, wann eine Willenserklärung abgegeben sei. Problematisch war aus Sicht des Bundesgerichtshofs hiernach nicht der Begriff der Willenserklärung, sondern dass sich einer juristisch ungeschulten Person nicht erschließt, wann eine Willenserklärung als abgegeben gilt.

bb) Ebenso wenig ist die Belehrung deshalb unwirksam, weil sie an einer Stelle anstatt des richtigen Begriffs „Widerrufsbelehrung“ das Wort „Widerrufserklärung“ enthält.

Nicht gefolgt werden kann allerdings der Auffassung der Beklagten, diese Verwechselung sei bereits deshalb unbeachtlich, weil „Belehrung“ und „Erklärung“ Synonyme darstellten. Richtig ist zwar, dass das Wort „Erklären“ nicht nur im Sinne von „Äußern“, sondern auch bedeutungsgleich mit „Belehren“, „Erläutern“ verwendet werden kann; eine „Widerrufserklärung“ ist jedoch nicht das Erläutern eines Widerrufs, sondern meint ausschließlich das Äußern desselben. Soweit in dem streitgegenständlichen Belehrungstext, aber auch in den von der Beklagten als Beleg für ihre Meinung vorgelegten Judikaten der Begriff „Widerrufserklärung“ verwendet wird, handelt es sich durchgehend um bloße Fehlschreibungen.

Dieses auch der Beklagten unterlaufene Schreibversehen ist indes für jeden unbefangenen Leser des Belehrungstexts offenkundig. Legte man nämlich den (fehlerhaften) Wortlaut des betreffenden Satzes zugrunde, so würde der Darlehensnehmer dahin belehrt, dass die Frist für die Abgabe der Widerrufserklärung einen Tag nach Erhalt der Widerrufserklärung beginne. Es bedarf keiner juristischen Fachkenntnisse, um den hierin enthaltenen Zirkelbezug zu erkennen; dieser springt vielmehr ins Auge.

Gleiches gilt für das von der Beklagten an dieser Stelle eigentlich Gemeinte. Dass dort statt „Widerrufserklärung“ richtig das Wort „Widerrufsbelehrung“ hätte stehen müssen, ergibt sich unmissverständlich aus dem Gesamtzusammenhang. Zum einen enthält der Text die Angabe, dass der Fristlauf von dem Erhalt eines Exemplars „dieser“ Widerrufserklärung abhänge. Bereits der Gebrauch des Demonstrativpronomens zeigt dem Leser auf, dass es sich um den ihm vorliegenden Text handelt. Unterstrichen und bestätigt wird dies dadurch, dass der Passus, der auch den fehlgeschriebenen Hinweis enthält, in der Überschrift ausdrücklich als „Widerrufsbelehrung“ bezeichnet wird und mit den Worten „Ende der Widerrufsbelehrung“ schließt. Zudem bestätigen die Darlehensnehmer unmittelbar anschließend den Erhalt sowohl der Widerrufsbelehrung als auch ihres Darlehensantrags. Aus alledem geht unschwer hervor, dass es tatsächlich auf die Aushändigung der Widerrufsbelehrung ankam und es sich bei dem Wort „Widerrufserklärung“ um eine Fehlschreibung gerade jenes Begriffs handelte. Dass ein Missverständnis in irgendeinem anderen Sinne möglich sein sollte, vermag der Senat nicht zu erkennen.

cc) Als unbedenklich erweist sich vorliegend auch, dass die Belehrung nicht darüber aufklärt, dass sie dem Verbraucher „in Textform“ erteilt werden müsse. Es reicht vielmehr die Formulierung aus, dass ihm ein „Exemplar“ der Belehrung zur Verfügung gestellt werden müsse. Denn auch hieraus ergibt sich, dass eine bloße Kenntnisnahme durch den Verbraucher nicht genügt, sondern dass er eine Verschriftlichung der Belehrung (sei es auf Papier oder in elektronischer Form) erhalten muss. Insoweit dürfte die Verwendung des allgemeinverständlichen Wortes „Exemplar“ sogar noch besser verständlich sein als die des gesetzessprachlichen Terminus „Textform“.

dd) Dass die Belehrung auch ihrer äußeren Gestaltung nach dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a. F. entspricht, ergibt sich aus den von dem Landgericht näher dargelegten, mit der Berufung nicht angegriffenen Gründen.

ee) Die in dem angefochtenen Urteil offengelassene Frage, ob die Aufnahme des Gestaltungshinweises Nr. 6 des Musters zur Anlage 2 der BGB-InfoV bei einer nicht im Wege des Fernabsatzes vereinbarten Finanzierungsdienstleistung irreführend wirken kann, ist verneinend zu beantworten. Denn der in dem Gestaltungshinweis wiedergegebene Rechtssatz trifft auch auf Fälle zu, in denen ein Fernabsatzgeschäft nicht vorliegt; er ist dann lediglich nicht aufklärungspflichtig.

Der in die streitgegenständliche Belehrung aufgenommene Gestaltungshinweis Nr. 6 stellt den Umfang der Wertersatzpflicht für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts klar: Dem Verbraucher wird erläutert, dass er trotz seines Widerrufs verpflichtet bleiben kann, seine bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dieser Hinweis war auch im vorliegenden Falle sachlich korrekt. Denn § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. verwies wegen der Rechtsfolgen des Widerrufs auf die gesetzlichen Bestimmungen zum Rücktritt gemäß den §§ 346 ff. BGB.

§ 346 Abs. 1, § 347 Abs. 1 BGB aber sehen vor, dass im Falle des Rücktritts die Pflicht zum Wertersatz neben der empfangenen Leistung auch gezogene oder schuldhaft nicht gezogene Nutzungen derselben umfasst. Handelt es sich bei der zu erstattenden Hauptleistung um ein Darlehen, so bestehen die Nutzungen aus den Kapitalzinsen (vgl. Palandt-Ellenberger, 74. Aufl., § 100 BGB, Rn. 1, m. w. N.), d. h. aus demjenigen, was der Darlehensnehmer gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB auch vertraglich zu zahlen verpflichtet ist.

Für das Fernabsatzrecht ergeben sich dabei keine materiellen Besonderheiten. Dass eine Belehrung über die mögliche Pflicht des Darlehensnehmers, der kreditgebenden Bank die Zinsen zu ersetzen, gleichwohl nur im Fernabsatzrecht erforderlich war, folgt für den streitgegenständlichen Zeitraum aus § 312d Abs. 6 BGB a. F. Denn diese Bestimmung erklärte die Vorschriften zur Zahlung von Wertersatz gemäß den §§ 346 ff. BGB (abweichend von § 357 BGB) bei Fernabsatzverträgen nur unter der Voraussetzung für anwendbar, dass der Verbraucher hierüber rechtzeitig förmlich belehrt wurde. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass eine solche Belehrung über dieselbe Rechtsfolge in allen anderen Fällen des Widerrufs unnötig war (nicht aber etwa fehlerhaft).

ff) Auf andere Mängel der Widerrufsbelehrung haben sich die Kläger weder berufen, noch bestehen sonst Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit des Textes.

2. Einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO steht nicht entgegen, dass der Senat die Berufung mit einer anderen Begründung für offensichtlich unbegründet erachtet, als sie das Landgericht der Klageabweisung unterlegt hat. Grundsätzlich darf auch in einem nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO zu entscheidenden Fall die rechtliche Begründung ausgewechselt werden, ebenso wie dies in einer Entscheidung des Berufungsgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung möglich ist. Die Entscheidung des Erstgerichts beruht nämlich nur dann auf einem Rechtsfehler (§ 513, § 546 ZPO), wenn bei der Verletzung des materiellen Rechts die richtige Anwendung zu einem dem Berufungsführer günstigen Ergebnis führen würde. Dies ist nicht der Fall, wenn sich die Entscheidung des Erstgerichts im Ergebnis als richtig darstellt (OLG Rostock MDR 2003, 1073 [OLG Rostock 11.03.2003 – 3 U 28/03]; OLG Hamburg NJW 2006, 71 [OLG Hamburg 10.05.2005 – 14 U 154/04]; KG MDR 2008, 1062; Zöller/Heßler, 30. Aufl., § 522 ZPO, Rn. 36). So aber verhält es sich hier.

III.

Die Kläger erhalten Gelegenheit, zu diesen Hinweisen bis zum

25.01.2016

Stellung zu nehmen.

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