OLG Frankfurt am Main, 11.01.2016 – 10 W 57/15

März 23, 2019

OLG Frankfurt am Main, 11.01.2016 – 10 W 57/15
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 08.10.2015 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die A GmbH hat als Prozessbevollmächtigte der Kläger am 18.09.2013 einen Mahnbescheid über einen Betrag in Höhe von 22.782,30 € gegen den Beklagten beantragt. Nach Zustellung des Mahnbescheids hat der Beklagte gegen diesen Widerspruch eingelegt und Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt. Nach Fristsetzung zur Anspruchsbegründung (§ 697 Abs. 1 ZPO) haben die Kläger die Rücknahme des Mahnantrags und der Klage erklärt. Auf Antrag des Beklagten hat das Landgericht durch Beschluss vom 08.10.2015 die Kosten des Rechtsstreits den Klägern nach § 269 Abs. 3 ZPO auferlegt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Kläger, die sie damit begründet haben, die A GmbH habe den Mahnbescheid als vollmachtlose Vertreterin beantragt. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß §§ 269 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß § 569 ZPO form- und auch fristgerecht begründet worden.

In der Sache hat die Beschwerde allerdings keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Klägern zu Recht nach Klagerücknahme die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 S. 2 Halbs. 1 ZPO auferlegt.

Die Regelung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO ist eine Ausprägung des allgemeinen, den §§ 91, 97 ZPO zu Grunde liegenden Prinzips, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Nimmt der Kläger seine Klage zurück, begibt er sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen. Ob dieses Ergebnis mit dem materiellen Recht übereinstimmt, ist ohne Bedeutung. Letzteres betrifft allein den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, nicht aber die davon zu unterscheidende prozessuale Kostenlast (BGH, Beschluss vom 6.7.2005, IV ZB 6/05, NJW-RR 2005, 1662).

Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls nach § 269 Absatz 3 S. 2 Halbs. 2 ZPO liegen nicht vor. Über die Kosten des Rechtsstreits ist weder bereits rechtskräftig entschieden noch sind sie der A GmbH „aus einem anderen Grund aufzuerlegen“. Insbesondere kann aus dem Rechtsgedanken des § 89 ZPO keine schützenswerte Stellung der Kläger hergeleitet werden. Zwar kann der Veranlasser eines Rechtsstreits mit Kosten belastet werden, wenn er als vollmachtloser Vertreter aufgetreten ist (OLG Koblenz, Beschluss vom 14.5.2009, 5 W 286/09, JurBüro 2010, 154; OLG Stuttgart, Urteil vom 12.7.2010, 5 U 33/10, MDR 2010, 1427; Wert in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 88 Rdn. 14). Die Kläger haben aber der A GmbH eine umfassende Inkassovollmacht erteilt, die diese berechtigte, alle Maßnahmen zum Einzug der Forderung zu ergreifen. Zu diesen Maßnahmen gehörten auch die Erwirkung eines Titels und die Einleitung eines Mahnverfahrens. Dass die A GmbH nach der Vollmacht berechtigt war, im Namen der Kläger Rechtsanwälte mit der gerichtlichen Beitreibung zu beauftragen, hinderte sie nicht, zunächst selbst als Bevollmächtigte der Kläger das kostengünstigere Mahnverfahren einzuleiten (vgl. § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO). Der Passus in der Vollmachtsurkunde bestimmt insoweit lediglich eine Erweiterung der Kompetenzen für den Fall der Überleitung in das Streitverfahren oder aber der Einleitung eines Streitverfahrens.

Die Vollmacht ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Kläger zugleich ein Abtretungsformular für die A GmbH unterzeichnet haben. Ein Abtretungsvertrag ist nicht nachweislich zustande gekommen. Die Abtretungserklärung vom 01.08.2013 trägt eine Unterschrift der A GmbH nicht. Der Umstand, dass die A GmbH sich sowohl die Abtretungserklärung als auch die Inkassovollmacht hat unterzeichnen lassen, spricht dafür, dass ihr die Entscheidung, ob sie die Forderung in eigenem oder fremdem Namen geltend macht, vorbehalten bleiben sollte.

Der Umstand, dass die A GmbH im Innenverhältnis möglicherweise nicht zur Einleitung eines Mahnverfahrens im Namen der Kläger berechtigt gewesen sein mag, rechtfertigt keine im Rahmen des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO zu deren Lasten zu treffende Kostenentscheidung. Denn die Vorschrift dient allein dazu, prozessualen Besonderheiten Rechnung zu tragen und insoweit Ausnahmen von dem in § 269 Abs. 3 S. 2 Halbs. 1 ZPO normierten Veranlassungsprinzip zuzulassen, ohne dass dadurch die Prüfung materiell-rechtlicher Fragen zum Gegenstand der prozessualen Kostenentscheidung gemacht werden könnte (BGH, Beschluss vom 6.7.2005, IV ZB 6/05, NJW-RR 2005, 1662). Ob materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche der Kläger gegen die A GmbH bestehen, hat daher im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO außer Betracht zu bleiben. Das prozessuale Kostenrisiko des Missbrauchs der erteilten Vollmacht trägt grundsätzlich der Vollmachtgeber.

Eine Auferlegung der Kosten des (Streit-)Verfahrens auf den Beklagten rechtfertigt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung. Zwar ist als Ausfluss des aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbots auch im Kostenrecht die Verpflichtung jeder Prozesspartei anerkannt, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (BGH, Beschluss vom 20.11.2012, VI ZB 3/12, NJW-RR 2013, 442, 443). Vorliegend entsprach allerdings die Einschaltung eines Rechtsanwaltes dem berechtigten Interesse des Beklagten, der sich einer Vielzahl von gegen ihn angestrengten Mahnverfahren ausgesetzt sah und dabei infolge seiner Inhaftierung in seinem Handlungsspielraum begrenzt war. Nach dem klaren Wortlaut des § 696 ZPO war der Beklagte nach Erlass des Mahnbescheides als Antragsgegner auch in gleicher Weise wie die Antragsteller berechtigt, den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zu stellen. Dieses Recht konnte ihm nicht mit der Begründung verwehrt werden, dass seine Rechtsverteidigung von vornherein aussichtslos sei. Vielmehr wird diesem allgemeinen Prozessrisiko im Rahmen des Streitverfahrens durch die Kostenregelungen der §§ 91, 97 ZPO Rechnung getragen. Die Stellung des Streitantrages durch einen prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt war unter den Umständen des vorliegenden Falles auch nicht rechtsmissbräuchlich. Denn der Prozess war für den Beklagten mit einer auf Dauer nicht hinnehmbaren Unsicherheit belastet. Die Kläger hatten nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid weder Abgabe an das Streitgericht beantragt noch ihren Mahnantrag zurückgenommen. Das Verfahren blieb danach mehr als ein Jahr in der Schwebe, so dass der Beklagte berechtigterweise daran interessiert war, seinerseits für Klarheit zu sorgen und den Fortgang des Verfahrens zu betreiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO liegen nicht vor.

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