OLG Frankfurt am Main, 24.11.2015 – 10 U 93/14

März 24, 2019

OLG Frankfurt am Main, 24.11.2015 – 10 U 93/14
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 12.04.2014 – Az.: 9 O 6/04 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der nach den Urteilen vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Kläger und die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % der jeweils zu vollstreckenden Beträge leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Kläger haben von dem Beklagten Vergütung für anwaltliche Tätigkeit verlangt, der Beklagte hat mit Schadenersatzansprüchen wegen Pflichtverletzungen der Kläger hilfsweise gegen die Vergütungsansprüche aufgerechnet und die darüber hinausgehenden Beträge im Wege der Widerklage geltend gemacht.

Soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse, liegt dem Rechtsstreit folgender unstreitiger Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger war bei der A mbH und Co. KG, Straße1, Stadt1 aufgrund eines Anstellungsvertrages vom 20.06.1996 (Bl. 326-331 d.A.) als … der Geschäftsstelle der Stadt2 Niederlassung beschäftigt. Er erhielt nach dem Anstellungsvertrag ein Jahresbruttogehalt von 170.000 DM und bei Erreichen der Zielvorstellungen seiner Arbeitgeberin zudem eine jährliche Tantieme in Höhe von zwei bis vier Bruttomonatsgehältern. Wegen einer vom Finanzamt Stadt3 durch Steuerbescheid festgesetzten Schenkungssteuerschuld ließ das Finanzamt am 30.07.1997 eine Gehaltspfändung des Beklagten bei seiner Arbeitgeberin durchführen. In dieser Zeit kam es ferner zu Unstimmigkeiten zwischen dem Beklagten und seiner Arbeitgeberin, die diese in einem Aktenvermerk vom 19.08.1997 niederlegte (Bl. 227, 228 d.A.). Nachdem der Beklagte dem Aktenvermerk und einer gegen ihn ausgesprochener Abmahnung (Bl. 224, 225 d.A.) widersprochen hatte (Bl. 321-325 d.A.), erklärte seine Arbeitgeberin mit Schreiben vom 19.09.1997 die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses, vorsorglich die Kündigung zum nächst möglichen Termin (Bl. 312, 891 d.A.). Zugleich ließ sie dem Beklagten den Entwurf eines Aufhebungsvertrages zukommen, der die Zahlung einer Abfindung gem. §§ 9,10 KSchG in Höhe von 50.175 DM brutto vorsah (Bl. 313, 314, 892, 893 d.A.). Mit Telefax vom gleichen Tag übersandte der Beklagte die Kündigungserklärung mit dem Entwurf des Aufhebungsvertrages an Rechtsanwalt B in Stadt4 zur Kenntnisnahme und mit der Ankündigung, er werde sich am Montagvormittag melden (Bl. 311 d.A.). In der Folgezeit fand eine Rücksprache des Beklagten mit Rechtsanwalt B statt. Der Beklagte unterzeichnete schließlich den Aufhebungsvertrag. Am 26.11.1997 erteilte Rechtsanwalt B dem Beklagten seine Kostennote über insgesamt 3.195,62 DM (Bl. 317, 318 d.A.), die der Beklagte jedoch nicht ausglich.

Am 14.06.1999 suchte der Beklagten das Rechtsanwaltbüro der Kläger in Stadt4 auf, um diese mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten zu beauftragen. Neben weiteren Schadensersatzforderungen gegenüber seinen zuvor tätig gewesenen Steuerberatern wollte der Beklagte Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwalt B wegen unzureichender und fehlerhafter Beratung in Bezug auf die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage gegen seine frühere Arbeitgeberin erheben und hierfür Deckung durch seine Rechtsschutzversicherung erhalten.

Mit Schreiben vom 17.02.2000 (Bl. 315, 316 d.A.) wandten sich die Kläger an die Rechtsschutzversicherung des Beklagten wegen einer Deckungszusage für die Abwehr der Honoraransprüche des Rechtsanwalts B. Die Versicherung teilte mit Schreiben vom 13.03.2000 mit, sie könne keinen Rechtsschutz für einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen Rechtsanwalt B bewilligen, weil nach § 4 Abs. 4 ARB 75 kein Versicherungsschutz für Versicherungsfälle bestehe, die dem Versicherer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betroffene Wagnis gemeldet würden (Bl. 300 d.A.). Der Versicherungsvertrag des Beklagten sei jedoch bereits zum 28.09.1997 beendet worden.

Wegen ausstehenden Honorars aus einer anderen Angelegenheit, betreffend Schadensersatzansprüche gegen die frühere Steuerberaterin des Beklagten, teilten die Kläger ihm am 17.03.2000 mit, sie seien nicht länger bereit, weiterhin tätig zu sein, solange nicht der Ausgleich des bereits entstandenen Honorars erfolge (Bl. 304-306 d.A.). Der Beklagte antwortete darauf unter dem 25.03.2000 und warf den Klägern vor, sie hätten ihn nicht rechtzeitig über die Sachlage aufgeklärt, sondern ihn stattdessen zu einer aussichtslosen Klage gegen die Steuerberaterin verleitet, anstelle einer erfolgversprechenden Klage gegen Rechtsanwalt B. Es sei offensichtlich, dass die Kläger ihn wegen des notwendigen Vorgehens gegen Rechtsanwalt B solange hingehalten hätten, bis die Vertragslaufzeit bei der Rechtsschutzversicherung abgelaufen bzw. der Eintritt der Verjährung eingetreten sei, um somit ein Vorgehen gegen Rechtsanwalt B zu vereiteln. Ferner kündigte der Beklagte die Geltendmachung von Schadenersatz an, der ihm aus der fehlerhaften Wahrnehmung der den Klägern erteilten Mandate entstanden sei (Bl. 292-295 d.A.).

Der Beklagte hat behauptet, die Kläger seien beauftragt gewesen, die ihm gegen Rechtsanwalt B zustehenden Ansprüche geltend zu machen. Sie hätten jedoch nichts unternommen und ihn auf seine Hinweise, die Angelegenheit weiter zu verfolgen, hingehalten. Die fristlose Kündigung seines früheren Beschäftigungsverhältnisses habe ausschließlich auf den Gehaltspfändungen des Finanzamts wegen der – von ihm bestrittenen – Steuerschuld beruht. Er sei von Rechtsanwalt B nicht darüber aufgeklärt worden, dass die Kündigung durch seinen früheren Arbeitgeber wegen dieser Gehaltspfändungen rechtswidrig gewesen sei. Die anwaltliche Beratung durch Rechtsanwalt B sei fehlerhaft gewesen, weil er ihm zum Abschluss des Aufhebungsvertrages geraten habe, ohne ihn über die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage aufzuklären.

Der Beklagte hat gemeint, da die Kläger es versäumt hätten, rechtzeitig Ansprüche gegen Rechtsanwalt B geltend zu machen, sei ein möglicher Schadensersatzanspruch wegen dessen fehlerhafter und unzureichender Beratung mittlerweile verjährt, so dass davon auszugehen sei, dass sich Rechtsanwalt B auf die Einrede der Verjährung berufen werde. Deshalb müssten die Kläger für den Schadensersatzanspruch, der ihm gegen Rechtsanwalt B zugestanden habe, einstehen. Dieser Schaden bestehe im Verlust seines Arbeitsplatzes, zu dem es nicht gekommen wäre, wenn er rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben hätte. Hierdurch sei es zum Verlust der Tantiemen von (jeweils) drei Monatsgehältern à 13.100 DM für 1996 und 1997, insgesamt 78.600 DM (= 40.187,54 €) sowie dem Verlust von Gehalt und Tantieme für das Jahr 1998 in Höhe von (13 + 3 =) 16 x 13.100 DM, insgesamt 209.600 DM (= 107.166,78 €) gekommen. Ferner seien ihm Bewerbungskosten von 10.500 DM (= 5.368,46 €) entstanden.

Die Kläger haben behauptet, Anlass und Gründe für die außerordentliche Kündigung des Beklagten durch seinen früheren Arbeitgeber seien nicht die Gehaltspfändung gewesen, sondern dessen Verhalten, weshalb er auch bereits am 20.08.1997 abgemahnt worden sei. Der Beklagte sei von Rechtsanwalt B ausführlich und eingehend über die Möglichkeiten einer Kündigungsschutzklage beraten worden, weshalb es keine anwaltliche Falschberatung gegeben habe.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 04.03.2005 der Klage der Kläger wegen ihrer Honoraransprüche in Höhe von 3.146,74 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen sowie die Widerklage abgewiesen (Bl. 380-407 d.A.).

Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Der Senat hat mit Urteil vom 15.01.2008 die Entscheidung des Landgerichts teilweise abgeändert und den Beklagten auf die im Übrigen abgewiesene Klage der Kläger unter Vorbehalt der Entscheidung über die seitens des Beklagten erklärte Aufrechnung zur Zahlung von 2.559,59 € nebst Zinsen verurteilt. Hinsichtlich der Widerklage hat das Berufungsurteil die Berufung des Beklagten in Höhe eines Teilbetrages von 59.784,11 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (04.11.2003, Bl. 162, 170 d.A.) zurückgewiesen. Im Übrigen hat es die Widerklageforderung auf der Grundlage einer Haftung des Klägers auf 3/4 des mit der Widerklage geltend gemachten Schadens für begründet erklärt. Hinsichtlich der Begründetheit der Aufrechnung des Beklagten und der Höhe der Widerklage insoweit, als diese nicht teilweise zurückgewiesen worden ist, ist das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen worden. Zu Schadensersatzansprüchen des Beklagten gegenüber dem Klägern wegen angeblich fehlerhafter Behandlung des Mandats zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegenüber Rechtsanwalt B hat der Senat ausgeführt: Solche Ansprüche würden zunächst voraussetzen, dass überhaupt Ansprüche gegenüber Rechtsanwalt B bestehen, deren Durchsetzung durch fehlerhaftes Verhalten der Kläger habe beeinträchtigt werden können. Da das beanstandete Verhalten von Rechtsanwalt B darin bestanden habe, dem Beklagten zur Unterzeichnung der Abfindungsvereinbarung zu raten, habe ein Ersatzanspruch bestanden, wenn der Beklagte ohne die Unterzeichnung der Vereinbarung im Falle der Erhebung einer Kündigungsschutzklage besser gestanden hätte und wenn deshalb das Zuraten von Rechtsanwalt B, die Aufhebungsvereinbarung zu unterzeichnen, als anwaltliches Fehlverhalten zu werten wäre. Eine schadensersatzpflichtige Verhaltensweise wäre auch dann zu bejahen, wenn Rechtsanwalt B den Beklagten nicht hinreichend auf die in beiden Richtungen bestehenden Vorteile und Risiken hingewiesen habe. Insofern spreche bereits einiges für eine Haftung von Rechtsanwalt B unter dem Gesichtspunkt einer nicht hinreichend Aufklärung des Beklagten. Soweit das Landgericht davon ausgegangen sei, dass in einem Kündigungsschutzprozess auf Antrag der Arbeitgeberin des Beklagten das Arbeitsverhältnis ohnehin gegen Abfindung aufzulösen gewesen wäre und die Abfindung vermutlich nur zwei Monatsgehälter und damit weniger als die Abfindung nach der Aufhebungsvereinbarung betragen hätte, sei diese Entscheidungsfindung des Landgerichts grob verfahrensfehlerhaft und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten zustande gekommen. Das Landgericht hätte den Beklagten auf diese Überlegungen hinweisen müssen, damit dieser so, wie er es in der Berufungsinstanz nachgeholt habe, hätte Stellung nehmen können, nämlich dass ein entsprechender Auflösungsantrag ohne Vortrag der Parteien nicht einfach unterstellt werden könne, dass er kein leitender Angestellter gewesen sei und dass der Abfindungsbetrag gemäß der Aufhebungsvereinbarung nicht über die vom Beklagten bislang ohnehin verdienten Ansprüche hinausgegangen wäre, während er bei einer Auflösung des Vertrages durch das Arbeitsgericht eine zusätzliche Abfindung zu erwarten gehabt hätte. Eine Haftung des Rechtsanwalts B wäre auch dann nicht gegeben, wenn eine mögliche Kündigungsschutzklage des Beklagten deshalb nicht erfolgreich hätte sein können, weil inhaltliche Gründe die ausgesprochene Kündigung gerechtfertigt hätten. Ob dies der Fall gewesen sei, könne nur im Wege einer Beweisaufnahme geklärt werden, die je nach dem Ergebnis der nunmehr vom Landgericht nachzuholenden Aufklärungen noch erforderlich werden könne. Bezüglich der Frage, ob den Klägern bei der Verfolgung und Sicherung der Ansprüche gegenüber Rechtsanwalt B Fehler unterlaufen seien, sei festzustellen, dass sich die Kläger pflichtwidrig verhalten hätten. Dies folge bereits daraus, dass sie in dem gegen die Steuerberaterin C geführten Rechtsstreit Rechtsanwalt B nicht den Streit verkündet haben, was neben der damit verbundenen Interventionswirkung vor allem das Verjährungsrisiko für Ansprüche gegenüber Rechtsanwalt B deutlich verringert hätte. Zusätzlich hätten die Kläger ihre Verpflichtungen dadurch verletzt, dass sie den Beklagten bei Beendigung ihrer Tätigkeit im März 2000 nicht darauf hingewiesen habe, dass Verjährung der Ansprüche zwar noch nicht eingetreten sei, allerdings ein halbes Jahr später (10.10.2000) drohe. Es sei zwar bereits zweifelhaft, ob in dem Zeitpunkt, in dem die Forderung gegenüber Rechtsanwalt B verjährte, das ihn betreffende Mandatsverhältnis zwischen dem Klägern und dem Beklagten bereits beendet gewesen sei. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen sei, würde es an der Hinweispflicht der Kläger nichts ändern. Allerdings treffe den Beklagten ein Mitverschulden hinsichtlich der Pflichtverletzung der Kläger, den Beklagten nicht auf die drohende Verjährung hingewiesen zu haben. Der Beklagte sei ungeprüft auf Grund einer für ihn in ihrer Qualifikation nicht nachvollziehbaren Fremdinformation davon ausgegangen, dass seine Forderung gegen Rechtsanwalt B zwischenzeitlich verjährt sei. Der Beklagte hätte sich nicht auf eine solche Fremdinformation verlassen dürfen, sondern diese Frage anwaltlich prüfen lassen müssen. Da dem Beklagten ein Schaden durch unsorgfältige Handhabung des Mandats B nur entstanden sein könne, wenn dieser die Einrede der Verjährung erhebe, werde das Landgericht diese zwischen den Parteien streitige Frage aufzuklären haben, wenn die von ihm nachzuholenden Aufklärungen zur Annahme eines fehlerhaften Verhaltens von Rechtsanwalt B führen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen (Bl. 723-753 d.A.).

Gegen das Urteil haben die Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erhoben. Der Bundesgerichtshof hat das Rechtsmittel zurückgewiesen und ausgeführt, ein bejahendes Grundurteil habe zwar nicht ergehen dürfen, weil das Berufungsgericht es für möglich gehalten hat, dass die Widerklage im Übrigen insgesamt unbegründet sei, wenn ein Fehler von Rechtsanwalt B nicht festzustellen sein sollte. Der von der Beschwerde insoweit geltend gemachte Gehörsverstoß liege jedoch nicht vor, da das Grundurteil für die wiedereröffnete erste Instanz keine Bindungswirkung habe. Das Berufungsgericht habe die Bindungswirkung ausdrücklich ausgeschlossen, weil es dem Erstgericht aufgegeben habe zu prüfen, ob Rechtsanwalt B überhaupt einen Fehler begangen habe. Zudem verhindere eine Bindungswirkung nicht die Abweisung der Klage, wenn sich erst im Betragsverfahren herausstelle, dass es an einem Schaden fehle (Beschluss vom 08.06.2010 – IX ZR 99/08).

In dem Verfahren vor dem Landgericht nach der Zurückverweisung hat der Beklagte zunächst seine Schadensberechnung dahin korrigiert, dass er bei seiner Arbeitgeberin ein monatliches Fixgehalt sowie im November 1990 ein 13. Monatsgehalt jeweils von 13.077,00 bezogen hätte. Daneben wäre ihm in den Jahren 1996-2001 eine jährliche Tantieme in Höhe von jeweils vier Bruttomonatsgehältern zugeflossen. Außerdem hätte er von Oktober 1997 bis Dezember 2001 einen Dienstwagen nutzen können, weshalb ihm Nutzungen für 50 Monate zu je 712,00 DM entgangen seien. Ebenfalls seien ihm in diesem Zeitraum vermögenswirksame Leistungen entgangen. Ferner habe er bis zum Jahr 1999 einschließlich Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe bezogen. Im Jahr 2000 habe er einen Reingewinn aus selbstständiger Tätigkeit von 28.014,19 DM erzielt, im Jahr 2001 dagegen einen Verlust von 30.242,67 DM hinnehmen müssen (Bl. 830-836 d.A.). Insgesamt habe er in den Jahren 2002-2005 einen Schaden von insgesamt 394.024,72 € erlitten, den die Kläger wegen ihrer Versäumnisse nunmehr ebenfalls zu ersetzen hätten. Hierfür sei die Schlechtleistungen des Rechtsanwalts B ursächlich. Dieser habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass er binnen drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben könne und müsse, desgleichen sei er nicht darüber aufgeklärt worden, dass es keine Kündigungsgründe gebe, insbesondere eine Gehaltspfändung keinen Kündigungsgrund abgebe. Ferner habe Rechtsanwalt B verabsäumt, den Sperrzeitbescheid sowie den Ruhenstatbestand zu vermeiden (Bl. 835 d.A.). Wegen der ungerechtfertigten Abmahnung habe er mit Rechtsanwalt B am 15.09.1997 eine persönliche Unterredung in dessen Kanzlei und am 16.09.1997 ein Telefonat geführt. Nachdem dieser wegen der Abmahnung ein Schreiben verfasst gehabt habe, habe die Arbeitgeberin postwendend am 19.09.1997 mit der fristlosen Kündigung geantwortet. Nachdem er die Kündigung am selben Tag erhalten habe, habe er diese ebenfalls an diesem Tag dem Rechtsanwalt ein Schreiben, die Kündigung sowie den Entwurf eines Aufhebungsvertrages zugefaxt. Bei einem Telefonat am selben Tag sei er mit dem Rechtsanwalt so verblieben, die Sache am folgenden Montag (22.09.1997) telefonisch zu besprechen. Dieses Telefonat habe eine halbe Stunde gedauert. Rechtsanwalt B habe ihm mitgeteilt, dass er in der Firma ohnehin nicht mehr glücklich werde, und geraten, einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Wörtlich habe der Rechtsanwalt gesagt, nachdem, wie sich die Firma ihm (Beklagten) gegenüber bisher schon bei der Abmahnung und jetzt der fristlosen Kündigung verhalten habe, könne er ihm für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung keine Erfolgsaussichten garantieren (Bl. 884, 1150 d.A.). Am 24.09.1997, vor der Unterzeichnung des Abfindungsvertrages am 25.09.1997, habe er Rechtsanwalt B noch gefragt, ob man etwas tun könne (Bl. 1151 d.A.). Rechtsanwalt B habe also nur angerissen, dass eine gerichtliche Auseinandersetzung möglich sei, diese aber zugleich verworfen und zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages geraten. Er habe ihm keine Alternativen aufgezeigt, insbesondere nicht auf die Möglichkeit hingewiesen, binnen einer Dreiwochenfrist eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Ferner habe er ihn nicht darauf hingewiesen, dass er (Beklagter) im Falle der Unterzeichnung einer Aufhebungsvereinbarung wegen der vorausgegangenen fristlosen Kündigung mit einer Sperrzeit und aufgrund der nicht eingehaltenen ordentlichen Kündigungsfrist mit einem Ruhenstatbestand bei der Agentur für Arbeit rechnen müsse. Das Mandatsverhältnis habe nach Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages geendet. Anfang November 1997 habe er (Beklagter) sich wegen des inzwischen vorliegenden Zeugnisentwurfes von Rechtsanwalt D beraten lassen (Bl. 885 d.A.). Bei einer Besprechung am 04.11.1997 mit Rechtsanwalt D sei es um seine Ansprüche gegen die Arbeitgeberin gegangen. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass er wegen der Kündigung nichts mehr für ihn tun könne, weil die Dreiwochenfrist nach dem KSchG abgelaufen sei. Er habe gefragt, von welcher Dreiwochenfrist denn Rechtsanwalt D spreche. Der Rechtsanwalt habe ferner hinzugefügt, dass er aus den Unterlagen keine Kündigungsgründe erkennen könne (Bl. 886, 1150 d.A.). Auf dem Rückweg habe er im Beisein der Zeugin E Rechtsanwalt B angerufen und ihn gefragt, warum er ihm nichts von einer Dreiwochenfrist berichtet habe. Dieser habe sinngemäß erwidert, warum er ihm das hätte sagen sollen, er sei doch Geschäftsmann, er wisse doch, dass es solche Fristen gebe (Bl. 887, 1177 d.A.). Ferner hat der Beklagte behauptet, dass sich Rechtsanwalt B auf die Einrede der Verjährung berufen werde (Bl. 887 d.A.). In Kenntnis der Dreiwochenfrist hätte er (Beklagter) die Abfindungsvereinbarung niemals unterschrieben, weil er damals in dem Glauben gewesen sei, dass er auch noch später gegen die fristlose Kündigung etwas unternehmen könne (Bl. 1151 d.A.).

Darauf, ob der Rechtsanwalt daneben auch die Einrede der Verjährung erhebe, kommt es nicht an. Eine Einstandspflicht der Kläger sei nur zu verneinen, wenn Rechtsanwalt B endgültig darauf verzichtete, sich auf Verjährung zu berufen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Kläger gesamtschuldnerisch zu verurteilen,

1.

an ihn 449.749,12 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2.

an die Rechtsanwaltskanzlei F, Rechtsanwalt G, Straße2 in Stadt5, 18.000,00 € zu bezahlen;

hilfsweise für den Fall, dass sich Rechtsanwalt B nicht auf den Einwand der Verjährung beruft,

festzustellen, dass die Kläger verpflichtet sind, ihm einen späteren Schaden, welcher auf die fehlerhafte anwaltliche Beratung der Kläger ihm gegenüber im Hinblick auf die unterlassene rechtzeitige Geltendmachung der Ansprüche des Beklagten gegenüber B zurückzuführen ist, unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens seinerseits von einem Viertel zu ersetzen.

Die Kläger haben beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie haben die Aktivlegitimation des Klägers bis zur Höhe eines Betrages von 18.000,00 € wegen einer Abtretung an den früheren Prozessbevollmächtigten des Beklagten bestritten (Bl. 992, 995 f. d.A.). Sie berufen sich ferner darauf, dass die erst im Wege der Klageerweiterung in den Rechtsstreit eingeführten Ansprüche jedenfalls verjährt seien (Bl. 993 d.A.).

Die Streithelferin ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Kläger beigetreten (Bl. 1106 d.A.). Der Beklagte hat dem Beitritt widersprochen (Bl. 1138 d.A.).

Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugen B (Bl. 1152 ff., 1312 ff. d.A.) und E (Bl. 1317 ff. d.A.) das Vorbehaltsurteil des Senats vom 15.01.2008 für vorbehaltlos erklärt und die Widerklage abgewiesen. Dem Beklagten stehe keine Gegenforderung zu, weil den Klägern nicht anzulasten sei, es verabsäumt zu haben, Schadensersatzansprüchen aus dem Mandatsverhältnis des Beklagten zu Rechtsanwalt B in unverjährter Zeit geltend zu machen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe vielmehr fest, dass Rechtsanwalt B kein Pflichtverstoß anzulasten sei. Zwar habe die Zeugin E geradezu ostentativ betont, Ohrenzeugin von Telefonaten geworden zu sein, bei welchen der Rechtsanwalt dem Beklagten nicht auf die Existenz und die Folgen der Versäumung der Dreiwochenfrist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage aufgeklärt habe. Die Zeugin sei jedoch unglaubwürdig und ihre Bekundungen seien wenig glaubhaft. Dies folge zunächst einmal daraus, dass die Bekundungen des Rechtsanwalts B in die entgegengesetzte Richtung wiesen. Dieser habe aufgrund seiner Handakte und dortigen Notizen rekonstruieren können, mit dem Beklagten insbesondere auch über die einzuhaltende Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage gesprochen zu haben, da andernfalls nicht verständlich wäre, wieso sich in seiner Handakte entsprechende Vermerke finden. Auch habe er berichtet, dass der Beklagte noch vor Ablauf der Frist aus eigenem Antrieb die Abfindungsvereinbarung unterzeichnet habe obwohl er (Rechtsanwalt B) ihm dazu geraten habe, eine höhere als die angebotene Abfindungssumme zu verhandeln. Schließlich habe der Zeuge unter Bezugnahme auf das Schreiben des Beklagten vom 03.12.1997 berichtet, dass der Beklagten selbst darauf beharrt habe, die Abfindungsvereinbarung selbstständig verhandelt und unterzeichnet zu haben, wohingegen der Beklagte dem Zeugen insoweit noch nicht einmal einen Auftrag erteilt haben will. Diese Bekundungen des Zeugen B seien ohne weiteres nachvollziehbar und fänden sich in dem genannten Schreiben eindrucksvoll bestätigt. Demgegenüber seien die Bekundungen der Zeugin E ersichtlich davon geprägt, das Gericht um jeden Preis davon zu überzeugen, dass der Zeuge B es versäumt habe, den Beklagten über die Existenz und die Folgen der Versäumung der Frist für eine Kündigungsschutzklage aufzuklären. Dass sich ein Mensch nach mehr als sechzehn Jahren ausgerechnet daran erinnern wolle, was Anlass eines Telefonats den raumabwesenden Gesprächsteilnehmer begrüßt zu haben, erscheine nicht plausibel. Im Übrigen sei das Erinnerungsvermögen der Zeugin E auffallend selektiv, da sich die Zeugin ausgerechnet an Umstände zu erinnern glaube, die aus Sicht des Beklagten für den Ausgang des Rechtsstreits von Bedeutung seien, im Übrigen aber hinsichtlich der hier interessierenden Unterredungen über keine abrufbaren Gedächtnisinhalte zu verfügen scheine. Es sei zwar verständlich, dass der Beklagte nunmehr von dem Schreiben vom 03.12.1997 nichts mehr wissen wolle, dies ändere indessen nichts daran, dass der Beklagte lediglich wenige Wochen nach den hier interessierenden Unterredungen im Zweifel genau das zu Papier gebracht haben werde. Dem Schreiben selbst könne zwanglos entnommen werden, dass der Beklagte damals ohne weiteres zwischen Abrechnung auf Grundlage einer einschlägigen Honorarordnung bzw. einer Honorarvereinbarung einerseits und der fehlenden Vergütungspflicht mangels eines Auftrags andererseits habe unterscheiden können. Es sei deshalb wenig glaubhaft, dass der Beklagte seinerzeit nur aus gebührenrechtlichen Erwägungen die Erteilung eines Auftrags allein zu dem Zweck geleugnet haben könnte, der Honorarforderung des Rechtsanwalt B zu entgehen. Habe der Beklagte die Abfindungsvereinbarung aus eigenem Antrieb und unter Übergehung des Rechtsanwalts B eigenständig verhandelt und unterzeichnet, sei für die Annahme einer Pflichtverletzung des Rechtsanwalts kein Raum. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, der vom Landgericht festgestellten Tatsachen sowie der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidung verwiesen (Bl.1353-1363 d.A.).

Gegen das am 15.05.2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 13.06.2014 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 14.07.2014 begründet. Er rügt, dass das Landgericht die Streithelferin zugelassen habe, und bestreitet weiterhin die Zulässigkeit des Beitritts (Bl. 1408 f. d.A.). Zu Unrecht habe ferner das Landgericht gemeint, dass Ansprüche seinerseits schon deshalb nicht bestünden, weil sich der Zeuge B noch nicht auf die Einrede der Verjährung berufen habe. Darauf komme es aber nicht an, da zwischen den Klägern und dem Zeugen ein Gesamtschuldverhältnis bestehe (Bl. 1410 d.A.). Auch sei der Schaden auf seiner Seite ohne Rücksicht darauf entstanden, ob Rechtsanwalt B sich auf die Verjährung berufe. Entscheidend sei, dass der Anspruch gegen ihn wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar sei (Bl. 1411 d.A.). Insoweit sei das Landgericht auch nicht an die Ausführungen im Berufungsurteil vom 15.01.2008 gebunden (Bl. 1412 d.A.). Es sei auch berechtigt, den nur sicherungshalber an die Rechtsanwaltskanzlei F abgetretenen Teilbetrag von 18.000 € selbst geltend zu machen, da er insoweit zur Einziehung befugt sei (Bl. 1422 d.A.).

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 12.05.2014, Az. 9 O 6/04,

1.

die Klage abzuweisen;
2.

die Kläger gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 467.779,12 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen;
3.

hilfsweise für den Fall, dass sich Rechtsanwalt B nicht auf den Einwand der Verjährung beruft,

festzustellen, dass die Kläger verpflichtet sind, ihm einen späteren Schaden, welcher auf die fehlerhafte anwaltliche Beratung der Kläger ihm gegenüber im Hinblick auf die unterlassene rechtzeitige Geltendmachung der Ansprüche des Beklagten gegenüber B zurückzuführen ist, unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens seinerseits von einem Viertel zu ersetzen.

Die Kläger beantragen,

zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht das Vorbehaltsurteil für vorbehaltslos erklärt und die Widerklage abgewiesen.

Dem Beklagten steht gegenüber den Klägern kein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Anwaltsvertrages zu, weil diese ihn nicht rechtzeitig über die drohende Verjährung eines Schadensersatzanspruchs gegenüber Rechtsanwalt B unterrichtet hätten.

Es fehlt an einem solchen Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen Rechtsanwalt B wegen Verletzung seiner Pflichten aus einem Anwaltsvertrag. Mit dieser Begründung kann der Schadensersatzanspruch als zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung sowie als Grundlage der Widerklage verneint werden, obwohl der Senat die Widerklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat. Wie der Bundegerichtshof in dem Beschluss vom 08.06.2010 entschieden hat, besteht eine Bindung des Landgerichts – und damit auch eine Selbstbindung des Berufungsgerichts – zu der Haftungsvoraussetzung nicht, dass es schon an einem Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen Rechtsanwalt B mangelt.

Steht die Frage an, ob der Mandant einen Abfindungsvergleich schließen soll, hat der Rechtsanwalt ihn gründlich und umfassend über die Vor- und Nachteile, das „Für und Wider“ zu belehren (z.B. BGH NJW 2002, 292 [BGH 08.11.2001 – IX ZR 64/01]; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 280 Rdn. 72). Das gilt zwar auch für die hier in Rede stehende arbeitsvertragliche Abfindungsvereinbarung. Der Beklagte, den dafür die Darlegungs- und Beweislast trifft (BGH NJW 2008, 371, 372 [BGH 11.10.2007 – IX ZR 105/06]; Palandt/Grüneberg, Rdn. 36), hat jedoch nicht dargelegt bzw. bewiesen, dass Rechtsanwalt B dem nicht nachgekommen sei.

Der Beklagte leitet eine Pflichtverletzung des Rechtsanwalts zum einen daraus her, dass dieser ihn in den Gesprächen ab dem 19.09.1997 und insbesondere in dem Telefonat am 22.09.1997 nicht auf die dreiwöchige Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage hingewiesen habe. Es kann offenbleiben, ob Rechtsanwalt B den Kläger auf die Frist hingewiesen hat. Denn das Unterlassen einer solchen Aufklärung hat den angeblichen Schaden, das heißt die durch die Kündigung des Anstellungsverhältnisses entgangenen Vergütungen und Vorteile sowie die weiteren Aufwendungen des Beklagten nicht verursacht.

Es ist unstreitig, dass Rechtsanwalt B die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage angesprochen hatte (Anhörung des Beklagten vor dem Landgericht am 04.03.2013, Bl. 1150 d.A.; ebenso die Aussage der Zeugin E, Bl. 1320 d.A.; insoweit unrichtig vorgetragen Bl. 49, 97 d.A.). Die Beratung hatte also allein die Frage zum Gegenstand, ob der Beklagte den Aufhebungsvertrag (gemäß dem ihm am 19.09.1997 übergebenen Entwurf) unterzeichnen und sich mit dem dort vorgesehenen Betrag von 50.175 DM zufrieden geben oder gegen die Kündigung vorgehen sollte. Da es zu diesem Zeitpunkt, d.h. bis zur Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung am 25.09.1997 um die Frage ging, ob der Beklagte das Angebot der Arbeitgeberin annehmen oder sich gegen die Kündigung zur Wehr setzen sollte, spielte die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage noch keine Rolle. Dafür stand noch genügend Zeit, nämlich bis zum 10.10.1997 zur Verfügung. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Arbeitgeberin dem Beklagten nur wenig Zeit für seine Entscheidung gelassen hatte (Bl. 249, 1151 d.A.), also zunächst nur die grundsätzliche Frage, ob der Beklagte die Kündigung rechtlich bekämpfen sollte, anstand. Dabei war der Entscheidungsdruck nicht von dem drohenden Ablauf der Klagefrist – die dem Beklagten nach seinem Vortrag nicht bekannt war – , sondern von der zeitlich begrenzten Abschlusswilligkeit seitens der Arbeitgeberin erzeugt worden. Daher kann die angeblich unterbliebene anwaltliche Aufklärung über die Klagefrist nicht die Entscheidung des Beklagten für die Annahme des Abfindungsangebots beeinflusst haben. Gerade weil der Beklagte nach seinem Vortrag nicht wusste, dass eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen zu erheben wäre, hat die Frist ihn nicht unter Entscheidungsdruck gesetzt.

Rechtsanwalt B hat die Pflichten aus dem Anwaltsvertrag auch nicht dadurch verletzt, dass er den Beklagten nicht über das Erlöschen etwaiger arbeitsvertraglicher Ansprüche durch Abschluss des Aufhebungsvertrages aufgeklärt habe. Einer solchen Beratung bedurfte der Beklagte nicht. Dass mit der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages keine weiteren Ansprüche mehr gegen die Arbeitgeberin bestehen würden, besagte bereits deutlich der Text des Vertragsentwurfes, in dem es unter Nr. 10 Abs. 3 hieß: „Mit dieser Vereinbarung soll das ehemals zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis … und die sich aus dem Anstellungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten endgültig und abschließend für beide Seiten geregelt werden“. Weiter ergab sich dies aus dem Wortlaut der Nr. 3, dass die Arbeitgeberin an den Beklagten „eine einmalige Abfindung“ zahlen sollte. Der Beklagte sollte somit außer dem Restgehalt für September 1997 nur noch eine, nämlich eine „einmalige“ Zahlung von 50.175,00 DM erhalten. Daraus folgte ausreichend deutlich, dass weitere Zahlungen vom Beklagten nicht mehr verlangt werden können. Aus Sicht des Rechtsanwalts B gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte der Annahme sei, er könne auch nach Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung weitergehende Ansprüche wegen einer ungerechtfertigten Kündigung geltend machen. Bei dem Beklagten, der als Filialleiter eine herausgehobene Stellung hatte, auch wenn er nicht Geschäftsführer war und keine Personalbefugnisse hatte, konnte ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass er diesen rechtlichen Zusammenhang erfasst hatte. Unabhängig davon war dem Beklagten das Erlöschen etwaiger weiterer Ansprüche auch aus seinen Verhandlungen mit der Arbeitgeberin bekannt. Gemäß seiner Aktennotiz vom 03.11.1997 (Bl. 247-249 d.A.) hatte er am 22.09.1997 eine Besprechung mit dem Mitarbeiter H der Arbeitgeberin. In dem Gespräch bot der Beklagte seine Arbeitskraft an, was Herr H jedoch „verneint“ (d.h. zurückgewiesen) habe. Darauf habe er (Beklagter) erklärt, dass er gemäß Anstellungsvertrag auf jeden Fall noch einen Anspruch auf die Tantiemen für die Jahre 1996 und 1997 habe. Wie daraus deutlich wird, war dem Beklagten sehr wohl bewusst, dass er außer dem in der Aufhebungsvereinbarung vorgesehenen Abfindungsbetrag keine weiteren Zahlungen würde beanspruchen können, also die Tantiemen in dem Einmalbetrag berücksichtigt werden müssten. Das gleiche ergab sich aus dem Gespräch am selben Tag mit dem Geschäftsführer J, der lediglich zu einer Erhöhung der Abfindungssumme um weitere 7.000,00 DM bereit gewesen sei, obwohl er (Beklagter) darauf hingewiesen habe, dass die jetzige Abfindung lediglich eine weitere Zahlung der Gehälter bis Ende des Jahres bedeuten würde und er noch Anspruch auf die Tantiemen habe. Am 24.09.1997 hatte der Beklagte ein weiteres Telefonat mit Herrn J, in dem er nochmals eine Erhöhung der Abfindung durch Berücksichtigung der Tantiemen erreichen wollte, was Herr J jedoch strikt abgelehnt habe. In der Berufungsinstanz bestreitet der Beklagte auch nicht mehr, dass er sich bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages bewusst war, durch die Unterschrift unter die Vereinbarung gegen die ausgesprochene fristlose Kündigung nicht mehr vorgehen zu können und sich sämtlicher Ansprüche bezüglich der noch offenen Tantiemen „beraubt“ zu haben (Bl. 1416 d.A.).

Eines Hinweises des Rechtsanwalts auf die nach Abschluss der Aufhebungsvereinbarung drohende Sperrzeit bezüglich des Arbeitslosengeldes (§§ 119 f. AFG, 144 SGB III) bedurfte es nicht. Zum einen war der davon betroffene Betrag (ca. 6.000 DM, vergleiche das vom 24.12.1997 bis 01.05.1998 bezogene Arbeitslosengeld von 8.471,40 DM, Bl. 834 d.A.) im Verhältnis zu den von dem Beklagten ansonsten beanspruchten Beträgen relativ geringfügig, zum anderen hätte die Sperrzeit auch nur vermieden werden können, wenn die Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche Kündigung erfolgreich gewesen wäre.

Der Beklagte hat auch nicht bewiesen, dass Rechtsanwalt B ihn nicht ausreichend über die Aussichten einer Kündigungsschutzklage beraten habe. Der Beklagte behauptet zwar, der Rechtsanwalt habe ihm nicht mitgeteilt, dass die von der Arbeitgeberin angeführte Begründung – die Gehaltspfändungen – als Kündigungsgrund nicht ausreiche. Es fehlt jedoch dafür an einem Beweis. Im Gegenteil spricht der weitere, vom Beklagten angeführte Verlauf der Gespräche gerade dafür, dass diese Problematik angesprochen wurde. Nach dem Vortrag des Beklagten hat Rechtsanwalt B ihm erklärt, eine Kündigungsschutzklage habe deshalb schlechte Aussichten, weil man nicht wisse, „was sich die Firma noch alles einfallen lassen würde“ (Bl. 1150 d.A.). Ähnlich lautet die Aussage der Zeugin E („…, weil man nicht wüsste, was der Dienstgeber noch alles hervortun würde“, Bl. 1231 d.A.). Eine solche Äußerung ist indes nur dann sinnvoll, wenn der bereits vom Beklagten in dem Anwaltsgespräch berichtete Kündigungsgrund einer Gehaltspfändung von dem Rechtsanwalt als zumindest sehr zweifelhafter Kündigungsgrund (siehe dazu BAG Betriebsberater 1982, 556) qualifiziert worden war. Denn nur dann stellte sich die Frage, ob die Arbeitgeberin andere Kündigungsgründe („…was…noch alles“) nachschieben würde. Nach der eigenen Darstellung des Beklagten hat Rechtsanwalt B ferner geäußert, dass der Betrag von rund 50.000,00 DM dem entsprechen würde, was er (Beklagter) bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist als Gehalt zu erwarten hätte (Bl. 1149 d.A.). Dies muss, auch wenn der Beklagte diesen anwaltlichen Hinweis in ein „späteres Gespräch“ datiert, vor der Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung durch den Beklagten gewesen sein, ohne weiteres also entweder in der Unterredung vom 22.09.1997 oder derjenigen vom 24.09.1997 (dazu Bl. 1151, 1313 d.A.). Rechtsanwalt B sprach damit einen wichtigen, im Vortrag des Beklagten allerdings nicht näher berücksichtigten Umstand an, dass die Kündigung vorsorglich zum „nächst möglichen Termin“ erklärt worden war (Bl. 312 d.A.). Es handelte sich somit um eine zulässige hilfsweise ordentliche Kündigung, die gemäß § 6 des Anstellungsvertrages ab dem siebten Monat der Betriebszugehörigkeit mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende möglich war. Danach wäre ohnehin das Anstellungsverhältnis ordentlich zum 31.12.1997 gekündigt worden. Zwar hätte der Beklagte auch gegen eine ordentliche Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage vorgehen können. Es war jedoch nicht ersichtlich, mit welcher Begründung eine Kündigungsschutzklage gegenüber einer ordentlichen Kündigung hätte Erfolg haben können.

Eine Pflichtverletzung des Rechtsanwalts B ist schließlich nicht darin zu sehen, dass er dem Beklagten gemäß dessen Behauptung zur Unterzeichnung des Abfindungsvertrages geraten habe. Selbst wenn der Rechtsanwalt zum Abschluss der Vereinbarung geraten habe, begründete dies keine Pflichtverletzung. Bei einer vertraglichen Verpflichtung zur Beratung besteht die zu erbringende Leistung darin, zum einen dem Berechtigten die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte darzulegen, zum anderen sie fachkundig zu bewerten. Im Streitfall sollen sie noch mit einer Empfehlung (dem „Rat“ im engeren Sinne) verbunden gewesen sein, also mit einem Vorschlag zu einem bestimmten Verhalten, das im Interesse des Mandanten liegt (vgl. Palandt/Sprau, § 675 Rn. 32). Im Falle der anwaltlichen Beratung dient die rechtliche Aufklärung dazu, den Mandanten für eine eigene freie Entscheidung zu informieren (BGH NJW-RR 2006, 195,196 [BGH 22.09.2005 – IX ZR 205/01]). Rechtsanwalt B hatte dem Beklagten jedoch die maßgeblichen Gesichtspunkte dargestellt. Der angebliche Rat des Rechtsanwalts, den Abfindungsvertrag zu schließen, war jedenfalls eine vertretbare Folgerung. Dem steht nicht entgegen, dass Rechtsanwalt B bei seiner Vernehmung bekundet hat, er habe unter den konkreten Umständen des Falles gerade nicht zu einer Unterzeichnung der Vereinbarung geraten (Bl. 1314 ff. d.A.), denn auch der beklagtenseits behauptete Rat wäre nicht entgegen den anwaltlichen Verpflichtungen erfolgt. Durch den Abfindungsvertrag hatte der Beklagte den Abfindungsbetrag sicher. Ob er weitergehende Ansprüche würde geltend machen können, wäre davon abhängig gewesen, ob die Kündigung erfolgreich gerichtlich hätte angegriffen werden können. Dazu hatte der Rechtsanwalt dem Beklagten zu bedenken gegeben, dass die Arbeitgeberin möglicherweise noch weitere Kündigungsgründe anführen würde („was sich die Firma noch alles einfallen lassen würde“). Diese Möglichkeit war zwar sehr vage und ohne greifbare Grundlage. Dies wiederum war jedoch für den Beklagten ebenso deutlich wie für den Rechtsanwalt. Trotz des ungewissen Risikos war es ohne weiteres vertretbar, die angebotene Abfindung nicht „aufs Spiel zu setzen“, auch wenn eine Kündigungsschutzklage hinsichtlich der konkreten Begründung für die außerordentliche Kündigung, die Gehaltspfändungen, eine erhebliche Erfolgsaussicht gehabt hätte. Für den Beklagten war ersichtlich, dass der Rechtsanwalt, obwohl er gemäß der Behauptung des Beklagten selbst den Verzicht auf eine Anfechtung der Kündigung befürwortete, die Entscheidung der eigenen Würdigung des Beklagten überlassen wollte.

Über den Hilfsantrag ist nicht zu entscheiden. Auf die Bedingung, ob sich Rechtsanwalts B auf die Einrede der Verjährung beruft, kommt es nach dem Vorstehenden für die Haftung der Kläger nicht an.

Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

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