Oberlandesgericht Frankfurt am Main — Urt. v. 23.09.2015 Az.: 23 U 194/14 Keine Vorfälligkeitsentschädigung neben abstrakt berechneten Verzugszinsen bei wegen Zahlungsverzugs außerordentlich gekündigten Immobiliendarlehen.

März 28, 2019

Oberlandesgericht Frankfurt am Main — Urt. v. 23.09.2015
Az.: 23 U 194/14
Keine Vorfälligkeitsentschädigung neben abstrakt berechneten Verzugszinsen bei wegen Zahlungsverzugs außerordentlich gekündigten Immobiliendarlehen.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.10.2014 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main – Gesch.-Nr.: 2-19 O 374/13 -abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 5.296,31 € nebst 5% Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19.10.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil und – im Umfang der Zurückweisung der Berufung – auch das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert der II. Instanz wird auf 5.296,31€ festgesetzt.
Gründe

I.

Die Klägerin, zweitrangig besicherte Darlehensgeberin und Zessionarin eines Anspruchs der Grundstückseigentümer und Darlehensnehmer gegen die Beklagte u.a. auf Zuteilung und Verteilung eines etwaigen Übererlöses in der Pfandversteigerung, macht aus eigenem und aus abgetretenem Recht nach Durchführung der Zwangsversteigerung eines Grundstücks durch die Beklagte, die erstrangig besicherte Bank, einen Anspruch auf Herausgabe eines vermeintlichen Übererlöses geltend. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird zunächst auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen; darüber hinaus ist lediglich folgende Ergänzung veranlasst:

Die Klägerin stützt eigene Ansprüche auf eine von der Beklagten unterzeichnete „Bestätigung des Grundschuldgläubigers“ vom 16.11.2006 (Anlage K6; Bl.87 d.A.). Die Beklagte kündigte die Darlehensverträge zum 31.01.2009 und berechnete ihre offene Darlehensforderung einschließlich einer „Vorfälligkeitsentschädigung“ von 1.814,41 € bzw. 3.481,90 € auf diesen Zeitpunkt (Anlage B3, Bl.138 d.A.; vgl. auch Anlage K9, Bl.105f.d.A.).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin € 5.296,31 nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Auszahlung eines Übererlöses in Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung zu, der seinen Grund in der über den Sicherungszweck hinausgehenden dinglichen Belastung des Grundstücks habe und nach dem Sicherungsvertrag dem Sicherungsgeber gebühre. Der durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingte Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgewähr des nicht valutierten Teils der Grundschuld wandele sich nach deren Erlöschen in der Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks in einen Anspruch auf Herausgabe des Übererlöses um.

Ein solcher Übererlös bestehe, da die Beklagte nicht berechtigt sei, neben den abstrakt berechneten Verzugszinsen eine Vorfälligkeitsentschädigung geltend zu machen. Die Kammer folge in der in Literatur und Rechtsprechung streitigen Frage der Auffassung, dass der – hier anwendbare – § 497 Abs.1 S.1 und 3 BGB in der damaligen Fassung die Geltendmachung einer Vorfälligkeitsentschädigung neben dem abstrakt berechneten Verzugszins ausschließe. § 497 Abs.1 BGB sei hinsichtlich der Geltendmachung von Schadensersatz abschließend, wenn davon Gebrauch gemacht werde. Auch die Vorgängerregelung des Verbraucherkreditgesetzes sei in ihren Regelungen nach § 18 S.1 VerbrKrG abschließend gewesen, so dass dem Kreditgeber, der seinen Schaden habe abstrakt berechnen wollen, ausschließlich der Anspruch gemäß § 11 Abs.1 VerbrKrG auf Verzugszinsen zugestanden habe. Hierzu sei überwiegend die Ansicht vertreten worden, dass im Fall fristloser Kündigung des Darlehens bei einer abstrakten Schadensberechnung nur noch der Verzugszins, nicht aber der Vertragszins, der Gegenstand der Vorfälligkeitsentschädigung sei, verlangt werden könne, nachdem eine zunächst vorgesehene Regelung, wonach der Kreditgeber abweichend von der Verzugszinspauschale den Vertragszins verlangen könne, gerade nicht in das Verbraucherkreditgesetz aufgenommen worden sei.

Dem könne nicht entgegen gehalten werden, dass der bis zur Darlehensrückführung zu zahlende Verzugszins und die Vorfälligkeitsentschädigung an sich völlig unterschiedliche Schadenspositionen seien. Nach der Gesetzesbegründung zu § 10 VerbrKrG habe der Verzugszins die gewöhnlich anfallenden Refinanzierungskosten sowie den Bearbeitungsaufwand der Bank ausgleichen sollen; es sei nicht ersichtlich, dass sich hieran durch die Beschränkung des Verzugszinssatzes auf 2,5% über dem Basiszinssatz für Immobiliendarlehen (§§ 497 Abs.1 S.2, 503 Abs.2 BGB) etwas geändert habe, zumal die Refinanzierungskosten bei Immobiliarkrediten niedriger seien. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum § 497 BGB i.d.F vom 01.01.2002 habe die gesetzliche Festsetzung eines Verzugszinses gerade auch der Vereinfachung der Schadensberechnung und damit der Planungssicherheit dienen sollen. Die Bank behalte gemäß § 497 Abs.1 S.3 BGB a.F. das Recht, ihren vollen Schaden im Fall fristloser Kündigung wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers zu liquidieren, müsse diesen jedoch dann konkret berechnen.

Gegen das Ergebnis sei auch nicht anzuführen, dass der vertragsuntreue Darlehensnehmer hierdurch privilegiert werde, nachdem der Gesetzgeber dies in seine Erwägungen einbezogen habe, die Gefahr einer zweckgerichteten Vertragsuntreue aber als nicht gegeben erachtet habe, weil eine solche Vertragsuntreue sich im Hinblick auf die damit verbundene Gefährdung der Kreditwürdigkeit, die unverzügliche Gesamtfälligstellung des Kredits und die durch die Titulierung und Vollstreckung bedingten Kosten nicht lohne.

Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte, die ihren Antrag auf Klageabweisung in der Berufungsinstanz weiterverfolgt. Zur Begründung der Berufung wird ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Auskehrung des Übererlöses zu, nachdem die Beklagte in dem Zwangsversteigerungsverfahren zu Recht sowohl die entstandenen Verzugszinsen als auch eine Vorfälligkeitsentschädigung geltend gemacht und erhalten habe.

Auch das Landgericht erkenne, dass es sich bei dem Verzugszins und der Vorfälligkeitsentschädigung um völlig unterschiedliche, vom Schädiger aber grundsätzlich zu ersetzende Schadensfolgen handele: Der Verzugsschaden decke den finanziellen Nachteil ab, den der Darlehensgeber aufgrund der ausbleibenden Zahlung des Darlehensnehmers erleide, während es sich bei der Vorfälligkeitsentschädigung um den entgangenen Gewinn handele, den die darlehensgebende Bank bei ordnungsgemäßer Fortsetzung des Kreditvertrages hätte erwirtschaften können. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die den Schadensersatzanspruch des Darlehensgebers bei einer vom Darlehensnehmer zu vertretenden Kündigung auf den reinen Verzugsschaden begrenze, bestehe jedoch nicht. Vielmehr bestimme § 490 Abs.3 BGB sogar, dass die Vorschriften der §§ 313, 314 BGB „unberührt“ blieben; § 314 Abs.4 BGB stelle aber gerade klar, dass durch die Kündigung die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, nicht ausgeschlossen werde. Unzutreffend sei, dass § 490 Abs.3 BGB nur im Fall der Kündigung durch die Darlehensnehmerseite gelte. Im Gegensatz zu § 11 VerbrKrG und den damaligen Kündigungsvorschriften in §§ 609, 609a und 610 BGB enthalte die im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung eingeführte Vorschrift in § 490 Abs.3 BGB nunmehr eine klare und nicht mehr auslegungsfähige gesetzliche Regelung im Hinblick auf den zu erstattenden Schaden.

Dessen ungeachtet bleibe es dabei, dass § 497 Abs.1 BGB – ebenso wie zuvor § 11 VerbrKrG – ausschließlich den Verzugsschaden, nicht jedoch den darüber hinausgehenden Nichterfüllungsschaden regele. Der vom Landgericht in Bezug genommenen Gesetzeshistorie sei jedoch gerade zu entnehmen, dass der Gesetzgeber in § 10 VerbrKrG allenfalls den Verzugsschaden habe regeln wollen. Dass der geplante § 11 Abs.3 VerbrKrG in diesem Zusammenhang nicht umgesetzt worden sei, habe allein auf einem Urteil des BGH (NJW 1988, 1967 [BGH 28.04.1988 – III ZR 57/87]) beruht, wonach eine Fortzahlung des Vertragszinses als Verzugsschaden nach einer Kündigung grundsätzlich nicht in Betracht komme. Auch die Erwägungen zur „Vereinfachung der Schadensberechnung“ beträfen nur den Verzugsschaden und gerade nicht einen darüber hinausgehenden Schadensersatzanspruch auf Erstattung des Nichterfüllungsschadens. Entsprechendes gelte für die vom Landgericht angeführte Regelung des § 497 Abs.1 S.3 BGB a.F.; auch die eröffnete Möglichkeit, den „vollen Schaden im Fall fristloser Kündigung wegen Zahlungsverzug des Darlehensnehmers zu liquidieren“, beziehe sich nur auf die Verzugsfolgen. Vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte im vorliegenden Fall die Vorfälligkeitsentschädigung konkret – also für die fraglichen Kreditverträge – berechnet habe. Auch das OLG Frankfurt habe ohne weiteres beide Schadenskomponenten als ersatzfähig angesehen (Urt.v. 23.11.2011 – 9 U 76/10 -; BKR 2012, 18; Urt.v. 13.04.2011 – 23 U 386/09 -; BKR 2012, 66).

Die vom Landgericht vertretene Auslegung führe im Ergebnis dazu, dass der vertragstreue Kunde schlechter behandelt werde als der vertragsbrüchige. Der Verweis auf die Möglichkeit konkreter Schadensberechnung verfange nicht, weil sich diese auf den Verzugsschaden beziehe und zum anderen die Vorfälligkeitsentschädigung ohnehin stets „konkret“ nach den Konditionen des jeweiligen Darlehensvertrages zu berechnen sei. Nicht ersichtlich sei, dass der Gesetzgeber die Frage der Schlechterstellung des vertragstreuen Kunden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens thematisiert und bewusst von einer entsprechenden Regelung abgesehen hätte.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (Bl.270 ff.d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Die Berufung vermeide eine Auseinandersetzung mit dem bereits in erster Instanz eingeführten Anerkenntnisurteil des BGH vom 17.01.2013 – XI ZR 512/11 -, mit dem das Urteil des OLG Frankfurt vom 23.11.2011 – 9 U 76/10 -, auf das die Beklagte sich stütze, aufgehoben worden sei. Danach sei der Schadensersatzanspruch einer Bank nach einer Eigenkündigung wegen Verzugs auf die Verzugszinsen in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz beschränkt. Der BGH habe in der mündlichen Verhandlung die Rechtsauffassung geäußert, dass dem Darlehensgeber nach einer Eigenkündigung wegen Zahlungsverzugs eine Vorfälligkeitsentschädigung gerade nicht zustehe, weil die zusätzliche Geltendmachung eines Erfüllungsschadens entsprechend einer Vorfälligkeitsentschädigung im Widerspruch zum Sinn der gesetzlichen Regelungen bei Verbraucherkrediten stehe. Nur wenn die Bank einen konkret auf das Darlehen bezogenen höheren Schaden, etwa durch Refinanzierungskosten, konkret nachweise, könne sie auch einen höheren Schaden verlangen. Dem folge die Instanzrechtsprechung inzwischen, zuletzt bestätigt durch das OLG Düsseldorf, Beschl.v. 12.02.2015 – 1-6 U 175/14 – (Anlage BE6).

Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung werde dem Sonderrecht für Verbraucherkredite nicht gerecht. So habe § 11 Abs.1 VerbrKrG a.F. es dem Darlehensgeber im Falle einer Eigenkündigung wegen Verzugs ermöglicht, seinen Schaden abstrakt nach der Formel „Diskontsatz + 5“ zu berechnen, andererseits aber eine konkrete Schadensberechnung zugelassen. Damit hätten die Rechtsfolgen des Verzugs des Verbrauchers abschließend geregelt sein sollen. Entgegen der Berufungsbegründung folge aus §§ 490 Abs.2 S.3, 497 BGB, dass ein Rückgriff auf allgemeines Schadensersatzrecht im Anwendungsbereich dieser Sondervorschriften nicht in Betracht komme. Der Begriff der „Vorfälligkeitsentschädigung“ sei in § 490 Abs.2 S.3 BGB legal definiert als der Schaden, der dem Darlehensgeber aus der vorzeitigen Kündigung des Darlehens durch den Darlehensnehmer entstehe. Damit sei eine Vorfälligkeitsentschädigung im Falle einer Kündigung durch den Darlehensgeber wegen Verzugs gerade nicht geregelt. Zwar ordne § 497 BGB nicht ausdrücklich an, dass die Geltendmachung eines weiteren Schadens durch den Darlehensgeber ausgeschlossen sei; dies folge aber aus einer Auslegung nach dem Sinn und Zweck des § 497 BGB, der inhaltlich die Fortführung von § 11 VerbKrG a.F. darstelle. Aus der Gesetzesbegründung zu § 11 VerbrKrG a.F. ergebe sich, dass der Gesetzgeber bewusst ein Sonderkreditrecht für Verbraucher habe schaffen wollen, wobei es ihm darauf angekommen sei, die Problematik der Verschuldung von Verbrauchern u.a. durch eine teilweise Beschränkung von Ansprüchen des Darlehensgebers zu lösen. Auch sei unmissverständlich, dass der Gesetzgeber überschuldeten Verbrauchern gerade einen Anreiz dazu habe setzen wollen, Schulden zurückzuführen. Hierzu sei es freilich erforderlich gewesen, Ansprüche des Darlehensgebers der Höhe nach zu beschneiden. Der Darlehensnehmer, der aufgrund einer finanziellen Notlage nicht in der Lage sei, den Darlehensrückzahlungsanspruch weiter zu bedienen, habe vor der Anhäufung eines „modernen Schuldturms“ geschützt werden sollen, indem u.a. habe sichergestellt werden sollen, dass der Kreditgeber nach Kündigung gerade nicht mehr den Vertragszins – auch nicht mittelbar über eine Vorfälligkeitsentschädigung – habe verlangen dürfen.

Eine andere Sichtweise lasse sich auch nicht auf § 314 BGB stützen. Zwar stelle § 314 Abs.4 BGB klar, dass die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, durch „die Kündigung“ nicht ausgeschlossen werde; mit „die Kündigung“ sei allerdings aufgrund der systematischen Stellung des § 314 Abs.4 BGB eine solche i.S.v. § 314 Abs.1,2 BGB gemeint. Vorliegend sei die Kündigung allerdings gerade nicht auf den subsidiären Auffangtatbestand des § 314 Abs.1, 2 BGB gestützt worden, sondern auf die speziellere Vorschrift des § 490 BGB, so dass § 314 BGB insgesamt nicht zum Zuge komme. § 314 Abs.4 BGB habe ohnehin nur klarstellende Bedeutung und verweise für die auf § 314 Abs.1 bis 3 BGB gestützte außerordentliche Kündigung auf die allgemeinen Vorschriften des Schadensrechts, die vorliegend gerade durch die §§ 490, 497 BGB als leges speciales ausgeschlossen seien.

Auch der Einwand nicht hinnehmbarer Wertungswidersprüche greife nicht. Es sei nämlich nicht gerechtfertigt anzunehmen, dass Darlehensnehmer sich einer Eigenkündigung gemäß § 490 Abs.2 S.3 BGB mit der Folge der Vorfälligkeitsentschädigung ohne Weiteres dadurch entziehen könnten, dass sie sich in Verzug setzen ließen und so eine Kündigung durch den Darlehensgeber provozierten. Dem Darlehensgeber stehe es in diesen Fällen vielmehr frei, eine derartige Kündigung auszusprechen oder nicht; gerade wenn es sich um einen liquiden Schuldner handele, der lediglich die Kündigung durch den Darlehensgeber provozieren wolle, könne das Kreditinstitut an dem Darlehensvertrag unverändert festhalten und die Zahlung der monatlich vereinbarten Annuitäten gerichtlich geltend machen. Unabhängig davon habe sich der Gesetzgeber mit dieser Konsequenz ausdrücklich auseinandergesetzt und in der Gesetzesbegründung das denkbare Missbrauchsrisiko ausdrücklich in Kauf genommen, zugleich aber darauf hingewiesen, dass es ohnehin zweifelhaft sei, ob ein Darlehensnehmer auf eine derartige Verzugskündigung spekulieren werde, da hierdurch auch die eigene Kreditwürdigkeit gefährdet wäre.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung (Bl.295ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen nicht begründet.

Denn die Entscheidung des Landgerichts ist im Hinblick auf die Hauptforderung insgesamt zutreffend, so dass auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug genommen werden kann.

Zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht auf Herausgabe des im Zuge der Zwangsversteigerung des Grundstücks der Zedenten erzielten Übererlöses bejaht. Dieser ergibt sich als vertraglicher Anspruch bereits aus der der Grundschuldbestellung zugrunde liegenden Sicherungsvereinbarung und ist der Klägerin von den Zedenten / Sicherungsgebern abgetreten worden. Der Sicherungsgeber hat einen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten vertraglichen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld, der sich in der Zwangsversteigerung bei einer teilweise nicht mehr valutierenden Grundschuld am Übererlös fortsetzt (BGH NJW-RR 1996, 234 [BGH 11.10.1995 – XII ZR 62/94]; NJW 1992, 1620; OLG Frankfurt am Main WM 2012, 2280). Ob der Klägerin aus der vorgelegten, von der Beklagten gegengezeichneten „Bestätigung des Grundschuldgläubigers“ vom 16.11.2006 (Anlage K6; Bl.87 d.A.) daneben auch ein eigener Anspruch zusteht, kann hier dahinstehen.

Zutreffend hat das Landgericht einen herauszugebenden Übererlös der Beklagten in Höhe von insgesamt 5.296,31 € festgestellt. Denn insoweit hat die Beklagte zu Unrecht neben der Geltendmachung eines abstrakt berechneten Verzugsschadens nach § 497 Abs.1 S.1,2 BGB a.F. auch einen konkret berechneten entgangenen Gewinn abgerechnet, dessen Höhe sie wie eine Vorfälligkeitsentschädigung im Sinne von § 490 Abs.2 S.3 BGB a.F. ermittelt hat. Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass der hier gemäß Art.229 § 22 EGBGB anwendbare § 497 Abs.1 BGB a.F. als Sondervorschrift für die Schadensberechnung bei Krediten, die wegen Zahlungsverzugs gekündigt werden, neben dem gesetzlichen Anspruch auf Verzugszinsen keinen Anspruch auf eine abstrakt zu berechnende Vorfälligkeitsentschädigung zulässt (str., wie hier: OLG Düsseldorf, Beschl.v. 12.02.2015 – 6 U 175/14 -; OLG Frankfurt am Main, Urt.v. 03.12.2014 – 17 U 130/14 -; OLG Hamburg, Urt.v. 07.11.2007 – 10 U 5/07 -; vgl. OLG Zweibrücken WM 2001, 24 zu § 11 Abs.1 VerbrKrG; vgl. zumindest i.E. auch BGH, Anerkenntnisurteil vom 17.01.2013 – 23 U 512/11 -). In früheren Entscheidungen (Urt.v. 13.04.2011 – 23 U 386/09 -; auch Beschl.v. 11.06.2014 – 23 W 27/14 -) hat der Senat bereits entschieden, dass der Schuldner des wegen Zahlungsverzugs gekündigten Kredits, solange er sich in Verzug befindet, nur Verzugszinsen und keine auf den Zeitpunkt der Gesamtfälligstellung berechnete Vorfälligkeitsentschädigung zu bezahlen hat (so auch OLG München WM 2014, 1341). Soweit der Senat damit allerdings für den Fall der Beendigung des Verzugs vor Ablauf der vertraglichen Zinsbindungsfrist die Geltendmachung einer auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung berechneten Vorfälligkeitsentschädigung für möglich erachtet hat, wird daran nicht mehr festgehalten.

Die vom Landgericht zutreffend zitierte Gegenansicht kann sich zwar auf gewichtige systematische Argumente stützen. So ist nicht zu verkennen, dass der durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten zur Kündigung des Dauerschuldverhältnisses veranlasste Vertragspartner grundsätzlich Schadensersatz nach dem Erfüllungsinteresse verlangen kann (vgl. Rechtsgedanke des § 628 Abs.2 BGB). Dies beinhaltet auch die Berechnung eines entgangenen Gewinns nach § 252 BGB, im Falle des Darlehensgebers in Höhe der abzuzinsenden und um ersparte Aufwendungen zu kürzenden Vertragszinsen für die restliche Vertragslaufzeit. Dieser entgangene Gewinn ist im schadensrechtlichen Grundsatz an sich auch etwas anderes als der aus der Nichtzahlung des Rückstandes einschließlich des gesamt fällig gestellten Darlehenskapitals resultierende Verzögerungsschaden (vgl. OLG Stuttgart, Urt.v. 11.02.2015 – 9 U 153/14 -; OLG Hamm, Beschl.v. 18.06.2014 – 31 U 82/14 -; vgl. i.E. auch OLG Frankfurt am Main, Urt.v. 23.11.2011 – 9 U 76/10 -, aufgehoben durch Anerkenntnisurteil des BGH vom 17.01.2013 – 23 U 512/11; Edelmann/Hölldampf BB 2014, 202 [Anlage B6; Bl.153ff.d.A.]; Freckmann/Rösler/ Wimmer BankPraktiker 2013, 308 [Anlage B7; Bl.182ff.d.A.]). Diese allgemeinen Erwägungen stehen und fallen aber mit der Prämisse, dass § 497 Abs.1 BGB a.F. lediglich einen (reinen) Verzugsschaden regeln und einen Nichterfüllungsschaden unberührt lassen sollte. Dies ist im Ergebnis mit den zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Urteils abzulehnen. Die für die Gegenansicht ins Feld geführte These, dass es sich bei dem Nichterfüllungsschaden und dem Verzögerungsschaden um strikt zu trennende Gegenstände handele, ist vor dem Hintergrund der BGH-Rechtsprechung (grundlegend Urt.v. 28.04.1988 – III ZR 57/87 -, NJW 1988, 1967) für den Darlehensvertrag so nicht aufrecht zu erhalten; auch die Gegenansicht kann nicht umhin zu erkennen, dass der BGH (a.a.O.; Rn.21, 24) im Hinblick auf den Zinsschaden, der aus der Vorenthaltung des nach Gesamtfälligstellung geschuldeten Betrages einschließlich des Darlehenskapitals resultiert, ein Alternativverhältnis zwischen dem Nichterfüllungsschaden nach dem Rechtsgedanken des § 628 Abs.2 BGB und dem Verzugsschaden sieht (vgl. bei Edelmann/Hölldampf, a.a.O., etwas versteckt in Fußnote 12). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat aber der Gesetzgeber die Regeln des Verbraucherkreditgesetzes und der hier einschlägigen Nachfolgernormen geschaffen. Die Materialien (BT-Drucks. 14/6040, S.256; BT-Drucks. 11/5462, S.25-27, zum späteren § 11 VerbrKrG) sprechen zwar jeweils nur von „Verzug“, geben aber sprachlich letztlich wenig zu der Frage her, ob der Gesetzgeber von einer abschließenden Regelung des Schadens ausgehen wollte oder nicht. Festzustellen ist jedoch, dass der Gesetzgeber sich bei der Schaffung des VerbrKrG ausdrücklich auf die Entscheidung des BGH vom 28.04.1988 – III ZR 57/87 – (NJW 1988, 1967) bezogen hat. Vordergründig hat der BGH (a.a.O.) dort zwar nur bekräftigt, dass im Verzugsfall kein Verzugs(zins)schaden in Höhe des Vertragszinses verlangt werden kann; dem folgend hat der Gesetzgeber den solches regelnden § 11 Abs.3 VerbrKrG im Entwurfsstadium gestrichen. Der BGH (a.a.O.; Rn.21, 24) geht dabei allerdings ausdrücklich davon aus, dass entweder der Schadensersatz nach dem Rechtsgedanken des § 628 Abs.2 BGB, der einen Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe des entgangenen Gewinns (= Vertragszinses) beinhaltet, oder der Verzögerungsschaden verlangt werden kann. Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der Gesetzgeber des VerbrKrG wegen der im angefochtenen Urteil genannten Schuldnerschutzaspekte sowie zur Schaffung von Rechtssicherheit die abstrakte Berechnung eines Zinsschadens auf einen Verzögerungsschaden begrenzt.

Der Gesetzgeber hatte – wie der im Entwurf des VerbrKrG noch vorgesehene § 11 Abs.3 VerbrKrG zeigt – dabei durchaus auch die Situation des vorzeitig fällig gestellten Kredits im Blick (BT-Drucks. 11/5462, S.27; wie hier: OLG Düsseldorf a.a.O.); dass der Absatz, der der Verhinderung der Besserstellung des vertragsbrüchigen Kreditnehmers entgegen wirken sollte, in der Folge gestrichen wurde, weil die Regelung im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH (NJW 1988, 1967 [BGH 28.04.1988 – III ZR 57/87]) „überholt“ (vgl. BT-Drucks. 11/8274, S.22) sei, zeigt zum einen, dass der Gesetzgeber der Ansicht war, dass diese Besserstellung hinzunehmen sei, zum anderen, dass der Gesetzgeber dem BGH (NJW 1988, 1967 [BGH 28.04.1988 – III ZR 57/87]) hat folgen und damit das dort entwickelte Alternativverhältnis zwischen Nichterfüllungs- und Verzögerungsschaden hat übernehmen wollen. Für eine abstrakte Berechnung des Zinsschadens – sei er unter dem Gesichtspunkt der Nichterfüllung geschuldet oder unter dem Gesichtspunkt der Verzögerung – verbleibt danach im Ergebnis nur Raum nach § 497 Abs.1 S.1,2 BGB. Auch wenn man davon ausgeht, dass der BGH (a.a.O.) einen Nichterfüllungsschaden wegen des entgangenen Vertragszinses nach dem Rechtsgedanken des § 628 Abs.2 BGB gerade für möglich gehalten hat, folgt daraus lediglich die Möglichkeit, diesen Schaden insgesamt konkret zu berechnen, wie dies § 497 Abs.1 S.3 BGB für den Vorenthaltungsschaden ausdrücklich vorsieht. Nicht etwa kann ein abstrakt berechneter Verzögerungsschaden neben einen konkret oder abstrakt berechneten weiteren Schaden verlangt werden.

Das Urteil ist allerdings in dem auf §§ 286, 288 BGB gestützten Zinsausspruch abzuändern; in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang unterliegt die Klage der Abweisung, nachdem sie nicht aufgezeigt hat, unter welchem Gesichtspunkt ein erhöhte Verzugszinssatz geschuldet wäre. Der Zinssatz des § 288 Abs.2 BGB (a.F.) gilt nur für Entgeltforderungen aus Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt gewesen ist. Gemessen an dem gesetzgeberischen Ziel der Umsetzung der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.06.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr sind von § 288 Abs.2 BGB (a.F.) alle Zahlungen betroffen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, also bei allen Geschäftsvorgängen zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen (BGH NJW 2010, 1872 [BGH 21.04.2010 – XII ZR 10/08]). Eine solche Zahlung steht hier nicht in Rede. Die abgetretene Forderung ist eine solche eines Verbrauchers und betrifft auch keine Entgeltleistung. Auch der – einmal unterstellte – eigene Anspruch der Klägerin aus der vorgelegten, von der Beklagten gegengezeichneten „Bestätigung des Grundschuldgläubigers“ vom 16.11.2006 wäre nicht nach § 288 Abs.2 BGB (a.F.) privilegiert.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 92 Abs.2 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10 und 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

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