OLG Frankfurt am Main, 21.09.2015 – 3 U 120/15

März 28, 2019

OLG Frankfurt am Main, 21.09.2015 – 3 U 120/15
Tenor:

In dem Rechtsstreit

wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Kläger durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen.

Nach Vornahme der gemäß § 522 I und II ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.
Gründe

I.

Die Kläger verlangen Rückabwicklung zweier Darlehensverträge über insgesamt 252.000,6 €, die sie im Jahr 2005 mit der beklagten Bank abgeschlossen und im Jahr 2014 widerrufen haben.

Die Kläger waren der Ansicht, die Widerrufsfrist sei nicht in Gang gesetzt worden, weil die ihnen erteilten Widerrufsbelehrungen unwirksam gewesen seien, insbesondere nicht der gesetzlichen Musterbelehrung (Anlage 2 zu § 14 BGB6InfoV) entsprochen hätten.

Die Beklagte war der Ansicht, die Formulierungsabweichungen von der Musterbelehrung seien unschädlich. Zudem sei der Widerruf treuwidrig und verwirkt.

Mit Urteil vom, 29.05.2015, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Widerruf sei verfristet, da die Widerrufsbelehrung wegen der Schutzwirkung von § 14 I BGB6InfoV a.F. als wirksam anzusehen sei, nachdem sie im Wesentlichen der Musterbelehrung entspreche.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie ihr Klagebegehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterverfolgen.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Abänderung des am 29.05.2015 verkündeten Urteils des LG Hanau Az 1 0 600/14 wie folgt zu verurteilen:

I.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 115.433,54 EUR zu bezahlen Zug um Zug gegen Zahlung von 252.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 3,83 % aus 100.000 € vom 18.11.2005 bis zum 04.04.2014 und 4,29 % aus 152.000 EUR vom 18.11.2005 bis zum 04.04.2014.
II.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger als Nutzungsentschädigung Zinsen zu bezahlen für Zahlungen der Kläger an die Beklagte, die sie seit dem 01.12.2005 erbracht haben in Höhe von 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz und zwar nach Maßgabe der in der Anlage K46″Tilgungszahlungen für die Darlehensverträge Nummer X und Nummer Y“ der Jahre 2005 bis 2014 – ausgewiesenen Beträge der monatlichen Lastschriften und seit dem dort ausgewiesenen jeweiligen Last6schrift6Einzugsdatum bis zum letzten Tag der mündlichen Verhandlung in diesem Berufungsverfahren.
III.

Die Beklagte wird verurteilt, seine Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von Stadt1, Blatt …; lfd. Nr. …: Gemarkung Stadt1 Flur… Fist. …/… Gebäude- und Freifläche, …, zu seinen Gunsten eingetragenen Grundschuld im Nennwert von 309.000,00 € zu erklären.
IV.

Darüber hinaus an die Kläger als Gesamtgläubiger Gebühren (Kontoführungsgebühren) in Höhe von 210,00 Euro nebst Verzugszinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
V.

Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegen die Kläger keine weiteren Ansprüche aus den Darlehens6verträgen Nr. X und Nr. Y vom 18.11.2005 (Unterschriftsdatum im Vertrag) zustehen, ebenso aus der Urkunde Nummer … der UrkR für 2005 des Notars N, Stadt1 (Zwangsvollstreckungs6Unterwerfung, auch persönlich, Sicherungsvereinbarung).
VI.

Es wird festgestellt, dass Beklagte den Klägern als Gesamtgläubigern denjenigen – auch künftig entstehenden – Vermögensschaden zu ersetzen hat, der ihnen dadurch entsteht, dass sie aufgrund des Widerrufs der Kläger den Vertrag nicht rückabgewickelt, sondern den Anspruch der Kläger zurückgewiesen hat.

Hilfsweise,
VII.

festzustellen, dass die Darlehensverträge zwischen den Parteien Darlehensverträge Nr. X und Nr. Y durch Widerrufserklärung der Kläger vom 01.04.2014 wirksam widerrufen wurde.
VIII.

festzustellen, dass die Beklagte für sämtliche Zahlungen, die die Kläger auf das unter 1. bezeichnete Darlehen getätigt hat, seit dem jeweiligen Zahlungsdatum bis zum letzten Verhandlungstag in diesem Verfahren Nutzungsentschädigung in Form von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen hat und dass der sich hieraus ergebende Betrag im Rahmen der Rückabwicklung der Darlehensverträge zu Gunsten der Kläger in Ansatz zu bringen ist.
IX.

festzustellen, dass die Beklagte den Klägern denjenigen – auch künftig entstehenden – Vermögensschaden zu ersetzen hat, der letzteren dadurch entsteht, dass die Beklagte aufgrund des Widerrufs der Kläger vom 01.04.2014 den unter 1. bezeichneten Darlehensvertrag nicht rückabgewickelt, sondern den diesbezüglichen Anspruch der Kläger zurückgewiesen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache kann sie jedoch keinen Erfolg haben. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Weder die vorgebrachten Berufungsgründe noch die gemäß § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO von Amts wegen durchzuführende Prüfung lassen erkennen, dass diese Klageabweisung auf einer Rechtsverletzung beruht oder dem Berufungsverfahren zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO).

Die Klage ist unbegründet. Die Kläger können Rückabwicklung der beiden Darlehensverträge aufgrund des erklärten Widerrufs weder in Form der Hauptnoch in Form der in zweiter Instanz neu gestellten Hilfsanträge verlangen. Der Widerruf der beiden Darlehensverträge nach §§ 495 I, 355 BGB a.F. durch die Kläger mit Anwaltsschreiben vom 01.04.2014 ist verfristet, weil die zweiwöchige Widerrufsfrist durch die von der Beklagten auf den jeweiligen Vertragsangebotenen gegebene Widerrufsbelehrung schon 2005 in Gang gesetzt worden ist.

Insoweit folgt der Senat den Gründen der angefochtenen Entscheidung und nimmt auf diese in vollem Umfang Bezug.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich ein Unternehmer, der sich bei der Widerrufsbelehrung des Musters aus Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. bedient, auf deren Wirksamkeit berufen kann, weil auch der Verordnungsgeber, dem der Gesetzgeber den Auftrag erteilt hat, Unternehmern aufzuzeigen, wie eine hinreichende Belehrung aussehen kann, davon ausgegangen ist, eine solche Gestaltung und Formulierung genüge den Anforderungen an eine gesetzlich ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung (Gesetzlichkeitsfiktion; vgl. BGH, Urteil vom 15.08.2012, VIII ZR 378/11).

Damit können die Kläger sich nicht darauf berufen, dass die im vorliegenden Fall konkrete verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft über den Beginn der Widerrufsfrist informierte, indem es diesen nur unbestimmt mit „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ beschrieb, so dass der Verbraucher zwar erkennen kann, dass der Beginn der Frist noch von weiteren Voraussetzungen abhängt, er jedoch darüber im Unklaren gelassen wird, um welche Voraussetzungen es sich dabei handelt (vgl. BGH, Urteil vom 1.12.2010, VIII ZR 82/10).

Durch die von den Klägern gerügten Abweichungen der verwendeten Belehrung von der Musterbelehrung wird diese Gesetzlichkeitsfiktion nicht beseitigt. Entgegen der Ansicht der Kläger ist es für das Eingreifen dieser Fiktion nicht erforderlich, dass die verwendete Belehrung dem Muster „vollständig“ entspricht, es mit diesem in jedem Detail identisch ist. Schon die Musterbelehrung lässt durch die in ihr enthaltenen, für unterschiedliche Sachverhalte geltenden und daher im Einzelfall vom Verwender herauszulassenden oder einzufügenden Klammerzusätze erkennen, dass der Verordnungsgeber selbst eine vollständig unveränderte Verwendung des Musters nicht erzwingen wollte (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 7.07.2014, 23 U 172/13). Deswegen kann der Vertrauensschutz für den Unternehmer nur dann entfallen, wenn er das Muster einer eigenen Bearbeitung unterzogen hat, die von ihm verwendete Belehrung dem Muster inhaltlich oder der äußeren Gestaltung nach nicht mehr entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2009, XI ZR 156/08; BGH, Beschluss vom 28.06.2011, Xl ZR 349/10; BGH, Beschluss vom 20.11.2012, Il ZR 264/10; BGH, Urteil vom 18.03.2014, II ZR 109/13 m.w.N. ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, zuletzt Beschluss vom 09.09. 2015 – 3 U 79/15).

Eine solche, die Gesetzlichkeitsfiktion beseitigende „inhaltliche Bearbeitung“ liegt im vorliegenden Fall nicht vor.

Entgegen der mit der Berufung erstmalig vorgetragenen Ansicht der Kläger kann sie nicht im Fehlen eines Hinweises auf die Fristwahrung durch rechtzeitige Absendung gesehen werden. Die verwendete Belehrung enthält den Satz „Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs“ und entspricht damit dem Muster vollständig.

Dass eine unzulässige Bearbeitung nicht – wie die Kläger meinen – in „im Vergleich zum Muster verkürzten und veränderten Widerrufsfolgen“ gesehen werden kann, hat das Landgericht ausführlich dargelegt. Hierauf kann schon deswegen abschließend Bezug genommen werden, weil die Kläger sich insoweit mit dem angefochtenen Urteil nicht auseinandersetzen.

Dies gilt auch für den Vorwurf, das Einfügen von Fußnoten stelle einen unzulässigen Eingriff in den Mustertext dar. Für den durchschnittlichen Verbraucher ist klar zu erkennen, dass diese Fußnoten, die außerhalb der räumlich hervorgehobenen Widerrufsbelehrung selbst abgedruckt sind (im Text selbst finden sich lediglich die Fußnotenzeichen), sich nicht an ihn, sondern an den Mitarbeiter der Bank, richten und dazu dienen, die Richtigkeit der Belehrung im Einzelfall sicherzustellen.

Keine Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass der Gestaltungshinweis Nr. 6 aus dem Muster weggelassen wurde, da dieser sich auf eine Fallgestaltung bezieht, die hier nicht vorlag und das Unterlassen einer überflüssigen Belehrung nicht als inhaltliche Bearbeitung einer gebotenen Belehrung angesehen werden kann.

Auch in ihrer Gesamtheit stellen die vorgenannten Änderungen keine unzulässige, die Schutzwirkung des Musters aufhebende Abweichung dar.

III.

Den Klägern bleibt nachgelassen, zum beabsichtigten Vorgehen binnen zweier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Es wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren in nicht unerheblicher Höhe vermieden werden können.

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