Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Dezember 1997 – 24 A 4419/95 Schwerbehindertenausgleichsabgabe: Anrechnung des schwerbehinderten Geschäftsführers einer GmbH auf Pflichtplatz Ein GmbH-Geschäftsführer kann auch dann nicht auf einen Pflichtplatz i.S. des § 9 SchwbG angerechnet werden, wenn er keine Gesellschaftsanteile innehält oder gegenüber den Gesellschaftern weisungsgebunden ist.

April 3, 2019

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Dezember 1997 – 24 A 4419/95
Schwerbehindertenausgleichsabgabe: Anrechnung des schwerbehinderten Geschäftsführers einer GmbH auf Pflichtplatz
Ein GmbH-Geschäftsführer kann auch dann nicht auf einen Pflichtplatz i.S. des § 9 SchwbG angerechnet werden, wenn er keine Gesellschaftsanteile innehält oder gegenüber den Gesellschaftern weisungsgebunden ist.
Verfahrensgang
vorgehend VG Münster, 6. Juni 1995, 7 K 1922/93
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der schwerbehinderte Geschäftsführer der Klägerin bei der Ermittlung der Höhe der Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) auf die Zahl der besetzten Pflichtplätze anzurechnen ist.
Die Klägerin zeigte dem Arbeitsamt am 17. Januar 1992 für das Jahr 1991 die Zahl ihrer Arbeitsplätze einschließlich der Ausbildungsplätze, die Zahl der Pflichtplätze nach dem Schwerbehindertengesetz und die Zahl der besetzten Pflichtplätze an. Dabei berücksichtigte sie ihren Geschäftsführer als Schwerbehinderten, der einen Pflichtplatz besetzt. Danach ergab sich eine Abgabe von 4.400,00 DM abzüglich eines Betrags von 30 % des Auftragswerts von an Behindertenwerkstätten erteilten Aufträgen in Höhe von 4. 338,00 DM (1.301,00 DM), mithin insgesamt 3.099,00 DM. Die Klägerin entrichtete diesen Betrag. Die Anzeige reichte das Arbeitsamt an die Hauptfürsorgestelle bei dem Beklagten weiter. Durch Bescheid vom 13. August 1992 stellte die Hauptfürsorgestelle bei dem Beklagten die Höhe der Ausgleichsabgabe nach § 11 Abs. 2 Schwerbehindertengesetz auf 5.499,00 DM fest und zog die Klägerin in Höhe von 2.400,00 DM zur Zahlung eines rückständigen Betrages für 1991 heran. Dabei berücksichtigte sie im Gegensatz zur Selbstveranlagung der Klägerin deren Geschäftsführer nicht als Person, die einen Pflichtplatz besetzt.
Mit ihrem gegen die Entscheidung gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend: Ihr Geschäftsführer müsse nach § 9 Abs. 1 SchwbG als Schwerbehinderter auf die Zahl der besetzten Pflichtplätze angerechnet werden. Er sei als Fremdgeschäftsführer ohne Gesellschafterstellung und Kapitalbeteiligung sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer einzustufen. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen (Urteil vom 9. August 1990 – L 10 Ar 79/90 -). Zudem sei der Geschäftsführer nach dem Anstellungsvertrag in vielfacher Hinsicht weisungsgebunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 1993 wies der Widerspruchsausschuß bei der Hauptfürsorgestelle des Beklagten den Widerspruch aus folgenden Gründen zurück: Der Geschäftsführer der Klägerin sei zu Recht nicht bei der Ermittlung der Zahl der besetzten Pflichtplätze berücksichtigt worden. Ein Geschäftsführer einer GmbH sei deren vertretungsberechtigtes Organ und habe keinen Arbeitsplatz im Sinne des § 7 SchwbG inne. Dafür komme es nicht darauf an, ob Weisungsgebundenheit vorliege und ggf. nach sozialversicherungsrechtlichen Kriterien die Arbeitnehmereigenschaft bejaht werden müsse. Auch nach § 9 Abs. 4 SchwbG könne der Geschäftsführer nicht auf die Zahl der besetzten Pflichtplätze angerechnet werden. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift sei auf Arbeitgeber beschränkt, die natürliche Personen seien, dagegen sei die Klägerin eine juristische Person. Der Widerspruchsbescheid wurde am 8. April 1993 zugestellt.
Die Klägerin hat am 7. Mai 1993 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt und vertieft: Daß der Geschäftsführer Dr. F. als Arbeitnehmer zu betrachten sei, ergebe sich auch aus der Stellungnahme der Kaufmännischen Krankenkasse Halle vom 22. August 1991, die die Versicherungspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit bejahe, zur gesetzlichen Krankenversicherung bestehe nur deswegen keine Versicherungspflicht, weil Dr. F. nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SGB V versicherungsfrei sei. Auch die Rentenversicherungspflicht fehle lediglich im Hinblick auf Art. 2 § 1 AnVNG.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Hauptfürsorgestelle des Beklagten vom 13. August 1992 und den Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses der Hauptfürsorgestelle des Beklagten aufzuheben, soweit die Klägerin für das Jahr 1991 zu einer Ausgleichsabgabe in Höhe von 2.400,00 DM herangezogen wird.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er sich im wesentlichen auf die Gründe des Widerspruchsbescheides bezogen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 6. Juni 1995 abgewiesen, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten Berufung nimmt die Klägerin zunächst auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug. Ergänzend trägt sie vor, die angefochtene Entscheidung gehe von einer falschen Bewertung der Stellung eines sogenannten Fremdgeschäftsführers aus. Seine auf § 35 GmbHG beruhende umfassende und nach § 37 GmbHG nur in engen Grenzen einschränkbare Vertretungsbefugnis nach außen sei für die arbeitsrechtliche Einordnung irrelevant. Hierfür komme es entscheidend auf die soziologischen Gegebenheiten innerhalb der Gesellschaft an. Nach § 37 Abs. 1 GmbHG sei der Geschäftsführer einer GmbH an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden, auf die ein Fremdgeschäftsführer wegen fehlender Beteiligung an der Gesellschaft keinen maßgeblichen Einfluß ausüben könne. Weitere Beschränkungen ergäben sich aus dem Anstellungsvertrag. Letztlich sei ein Fremdgeschäftsführer arbeitsrechtlich als oberster leitender Angestellter zu betrachten, der dem Anwendungsbereich der §§ 7, 9 SchwbG unterfalle. Auch Sinn und Zweck der Beschäftigungspflicht für Schwerbehinderte sprächen für dieses Ergebnis. Komme eine Arbeitgeberin ihrer Beschäftigungspflicht dadurch nach, daß sie eine schwerbehinderte Person in der besonders hervorgehobenen Stellung eines Geschäftsführers beschäftige, so komme sie damit auch in besonderer Weise dem gesetzgeberischen Anliegen der Schwerbehindertenförderung nach.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen,
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 101 Abs.2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klage ist zulässig, aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides, auf die Bezug genommen wird, jedoch unbegründet. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt kein anderes Ergebnis.
Der Geschäftsführer der Klägerin ist nicht auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 SchwbG beschäftigt.
Arbeitsplätze im Sinne des Schwerbehindertengesetzes sind gemäß § 7 Abs. 1 SchwbG alle Stellen, auf denen Arbeiter, Angestellte, Beamte und Richter sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden.
Erfaßt sind damit nur abhängig Beschäftigte. Soweit es um eine Beschäftigung als Arbeiter oder Angestellter in der privaten Wirtschaft geht, kommt es darauf an, ob die betreffende Stelle von einem Arbeitnehmer eingenommen wird.
So schon zu § 5 des Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (Schwerbeschädigtengesetz) vom 16. Juni 1953 (BGBl. I S. 389): Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16. Dezember 1959 – V C 138.57 -, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 10, 70.
Keinen Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 SchwbG inne hat danach der Arbeitgeber selbst,
vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1987 – 5 C 42.84 -, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 436.61 § 6 SchwbG Nr. 1.
mit der insoweit für ihn günstigen Rechtsfolge, daß sich die für die Errechnung der Zahl der Pflichtplätze nach § 5 Abs. 1 SchwbG maßgebliche Zahl der Arbeitsplätze nicht um einen weiteren in Ansehung des Arbeitgebers selbst erhöht und etwa bei insgesamt nur 15 Beschäftigten eine Beschäftigungspflicht gar nicht zur Entstehung gelangt bzw. sonst sich auf der Basis der 6 v.H.-Quote des § 5 Abs.1 SchwbG nur eine geringere Zahl von Pflichtplätzen errechnet.
Die Frage, ob der Geschäftsführer einer GmbH auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 SchwbG beschäftigt wird, läßt sich mit Hilfe des Kriteriums seiner Arbeitnehmereigenschaft deshalb nicht ohne weiteres beantworten, weil die Klassifizierung des Geschäftsführers einer GmbH je nach Rechtsgebiet unterschiedlich erfolgt. Während auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als Arbeitnehmer bzw eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit angenommen werden, es sei denn, daß der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist und als Gesellschafter auf Grund seiner kapitalmäßigen Beteiligung oder seiner vertragsrechtlichen Stellung einen maßgeblichen Einfluß auf die Entschließungen der Gesellschaft hat,
vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 13. Dezember 1960 – 3 RK 2/56 -, Neue Juristische Wochenschrift (NJW), 1961, 1134; Urteil vom 30. April 1976 – 8 RU 78/75 -, Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSGE) 42, 1; Urteil vom 30. September 1992 – 11 RAr 79/91 – Behindertenrecht 1993, 170; sowie die Nachweise bei Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 14 I 2. b,
betrachtet die herrschende Meinung zum Arbeitsrecht den Geschäftsführer einer GmbH nicht als Arbeitnehmer.
Vgl. Schaub, a.a.O., § 14 II 1.
Der Bundesgerichtshof (BGH) verneint die Arbeitnehmereigenschaft eines Geschäftsführers einer GmbH in ständiger Rechtsprechung,
vgl. Schwerdtner in: Münchener Kommentar zum BGB, 2. Auflage, § 622 Rdnr. 3,
unabhängig davon, ob er als Mehrheitsgesellschafter,
vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1987 – II ZR 132/86 -, Der Betrieb (DB) 1987, 1084,
oder mit einem geringeren Anteil,
vgl. BGH, Urteil vom 26. März 1984 – II ZR 120/83 -, BGHZ 91, 217 = DB 1984, 2238,
oder überhaupt nicht am Stammkapital der GmbH beteiligt ist.
Vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1981 – II ZR 92/80 -, BGHZ 79, 291.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich bisher nicht festlegen müssen, welche Betrachtung im Rahmen des § 7 Abs. 1 SchwbG maßgeblich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird ein schwerbehinderter Geschäftsführer einer GmbH jedenfalls dann nicht auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 SchwbG beschäftigt, wenn er zugleich Mehrheitsgesellschafter der GmbH ,
vgl. Urteil vom 24. Februar 1994 – 5 C 44.92 -, DVBl 1994, 1300 = Behindertenrecht 1994, 164,
oder Gesellschafter der GmbH mit einem Anteil von 50 v.H. ist.
Vgl. Urteil vom 25. Juli 1997 – 5 C 16.96 -.
Ausdrücklich offengelassen worden ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher insbesondere,
vgl. Urteil vom 24. Februar 1994, a.a.O., und Urteil vom 25. Juli 1997 – 5 C 16.96 -,
ob ein schwerbehinderter sogenannter Fremdgeschäftsführer (ohne eigene Gesellschafterstellung) einen Arbeitsplatz nach § 7 Abs. 1 SchwbG einnimmt,
bejahend offenbar LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Dezember 1995- L 3 Ar 2276/93 – (zitiert im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 1997, a.a.O.); differenzierend: Dörner, SchwbG, § 9 Anm. IV,
und ob eine entsprechende Beurteilung bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer mit geringer Beteiligung und ohne maßgeblichen Einfluß in Betracht kommen könnte.
vgl. HessVGH, Urteil vom 19. September 1996 – 9 UE 3009/94 -, ZfSH/SGB 1997, 226.
Nach Auffassung des Senats nimmt ein Fremdgeschäftsführer einer GmbH ohne eigene Gesellschafterstellung keinen Arbeitsplatz nach § 7 Abs. 1 SchwbG ein. Ob der schwerbehinderte Geschäftsführer einer GmbH als Arbeitnehmer anzusehen ist, hat Bedeutung nicht nur im Rahmen des § 7 Abs. 1 SchwbG, sondern insbesondere auch bei der Prüfung, ob der Sonderkündigungsschutz nach §§ 15 ff SchwbG eingreift. Es spricht nichts dafür, im Rahmen der verschiedenen Vorschriften desselben Gesetzes unterschiedliche Maßstäbe anzuhalten. Bei der Anwendung der §§ 15 ff SchwbG liegt es indes schon wegen des systematischen Zusammenhangs mit dem Kündigungsschutzrecht nahe, arbeitsrechtliche Grundsätze zugrunde zu legen und insbesondere die Regelung des § 14 des Kündigungsschutzgesetzes zu beachten. Nach dessen Abs. 1 Nr. 1 gelten die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes über den allgemeinen Kündigungsschutz nicht in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das für die gesetzliche Vertretung der juristischen Person berufen ist, und damit nicht für den Geschäftsführer einer GmbH, weil dieser die Gesellschaft nach § 35 Abs. 1 GmbHG gerichtlich und außergerichtlich vertritt.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Auffassung vertreten, daß es eine unverhältnismäßige Beschränkung der grundgesetzlich geschützten unternehmerischen Direktionsbefugnisse bedeutete, wenn Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH für die Kündigung eines Arbeitgeberfunktionen wahrnehmenden schwerbehinderten Geschäftsführers auf die vorherige Zustimmung der Hauptfürsorgestelle angewiesen wären.
Für die Anwendung arbeitsrechtlicher Maßstäbe auch im Rahmen des § 7 Abs. 1 SchwbG spricht ferner, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Begriff des Arbeitsplatzes jedenfalls insoweit dem „sonst im Arbeitsrecht üblichen“ entspricht, als darunter die Gesamtheit der dem Arbeitnehmer im Betrieb zugewiesenen Tätigkeitsbereiche mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten zu verstehen ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1987 – 5 C 42.84 -, Buchholz 436.61 § 6 SchwbG Nr. 1 , und Urteil vom 24. Februar 1994 – 5 C 44.92 -, DVBl 1994,1300.
Nach allem ist es – anders als die Klägerin geltend macht – nicht erheblich, wie die Stellung des Geschäftsführers einer GmbH nach dem Sozialversicherungsrecht zu beurteilen ist.
Dem hier gewonnenen Ergebnis, daß der Geschäftsführer einer GmbH unabhängig von der Frage einer Beteiligung am Stammkapital und von der Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen zur GmbH keinen Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 SchwbG innehat, steht nicht entgegen, daß § 5 Abs. 2 Buchstabe b des Schwerbeschädigtengesetzes vom 16. Juni 1953 (BGBl. I S. 389) als einschlägige Vorgängerregelung durch Artikel I Nr. 2 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts vom 24. April 1974 (BGBl. I S. 981) nicht in die entsprechende Regelung des § 7 Abs. 2 SchwbG übernommen worden ist.
Im Ergebnis ebenso: Neumann/Pahlen, Schwerbehindertengesetz, 8. Auflage, § 7 Rdnr. 46.
In § 5 Abs. 2 Schwerbeschädigtengesetz hieß es: “ Als Arbeitsplätze zählen nicht die Stellen, auf denen beschäftigt sind …. b) in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist“. Eine Differenzierung etwa nach einer wirtschaftlichen Beteiligung am Stammkapital der in Rede stehenden Gesellschaft oder nach etwaigen Besonderheiten im Innenverhältnis der juristischen Person war danach nicht vorgesehen. Bei Zugrundelegung dieser Regelung konnte insbesondere auch ein Fremdgeschäftsführer einer GmbH nicht als auf einem Arbeitsplatz im Sinne des Schwerbeschädigtenrechts beschäftigt angesehen werden.
Als der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Schwerbehindertengesetzes im Jahre 1974 die frühere Regelung des § 5 Abs. 2 des Schwerbeschädigtengesetzes nicht in § 7 SchwbG übernommen hat, beabsichtigte er teilweise zwar auch eine Ausdehnung der Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber (vgl. A. II. 6. der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 7/656, S. 21). Das gilt jedoch nur hinsichtlich der Streichung des § 5 Abs. 2 Buchstabe a des Schwerbeschädigtengesetzes, dem eine Erweiterung des § 7 Abs. 1 SchwbG gegenüber § 5 Abs. 1 des Schwerbeschädigtengesetzes hinsichtlich der Schwerbehinderten entsprach, die ausgebildet oder umgeschult werden. Bezüglich der übrigen gestrichenen Tatbestände des § 5 Abs. 2 SchwbG läßt sich den Gesetzesmaterialien eine Ausdehnungsabsicht des Gesetzgebers nicht entnehmen. Insoweit muß zugrunde gelegt werden, daß der Gesetzgeber keine Änderung des bis dahin geltenden Rechts wollte, sondern den im Gesetz nicht mehr aufgeführten Tatbeständen entweder keine praktische Bedeutung zugemessen hat oder – so im Falle der hier in Rede stehenden Regelung des § 5 Abs. 2 Buchstabe b – als selbstverständlich davon ausging, daß die Angehörigen des angesprochenen Personenkreises keinen Arbeitsplatz im Sinne des Schwerbehindertenrechts besetzen.
Wie hier: OVG Lüneburg, Urteile vom 22. Februar 1989 – 4 l 8 und 14/89 -, Behindertenrecht 1989, 139 und 1990, 96.
Daß nach den Vorstellungen des Gesetzgebers des Schwerbehindertengesetzes nicht innerhalb des Kreises der Mitglieder des zur Vertretung der juristischen Person berufenen Organs zu differenzieren ist, zeigen auch die Beratungen anläßlich der Wiedereinführung einer Regelung über die Anrechnung von schwerbehinderten Arbeitgebern auf einen Pflichtplatz (§ 9 Abs. 3 SchwbG heutiger Fassung). So heißt es etwa in dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 19. Juni 1986 (Bundestagsdrucksache 10/5701, S.10): „Die Vorschrift gilt nur für natürliche Personen, nicht für Arbeitgeber, die juristische Personen oder Personengesamtheiten sind. Ist der Arbeitgeber eine juristische Person oder Personengesamtheit, sind schwerbehinderte Mitglieder des Organs , das zur gesetzlichen Vertretung berufen ist, ebensowenig wie schwerbehinderte Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft oder schwerbehinderte Mitglieder einer anderen Personengesamtheit auf die Pflichtplatzzahl anrechenbar.“ Diese Ausführungen zeigen zum einen, daß auf Seiten des Gesetzgebers auch in der Folgezeit gedanklich nicht zwischen verschiedenen Kategorien von Organmitgliedern differenziert worden ist; zum anderen sprechen die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu § 9 Abs. 3 SchwbG angestellten Erwägungen dafür, daß eine Erfassung der Organmitglieder über § 9 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 SchwbG ebenfalls ausscheidet.
Für das hier vertretene Ergebnis lassen sich auch Gründe der Praktikabilität anführen. Für die die Selbstveranlagung des Arbeitgebers überprüfende Verwaltung bedeutete es einen unverhältnismäßigen Aufwand, müßte sie im Sinne der obigen Darlegungen ggfls an Hand nicht nur der kapitalmäßigen Beteiligung, sondern u.U. auch der vertragsmäßigen oder gar – wie die Klägerin geltend macht – soziologischen Stellung klären, welchen tatsächlichen Einfluß etwa ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit nur geringem Anteil am Stammkapital der Gesellschaft hat.
Vgl. auch insoweit OVG Lüneburg, Urteile vom 22. Februar 1989 – 4 L 8 und 14/89, a.a.O.
Der Geschäftsführer der Klägerin hat auch nicht etwa deshalb einen Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 SchwbG inne, weil er neben seiner gesellschaftsrechtlichen (Organ-)Stellung aus § 35 GmbHG noch eine weitere, dienstvertragliche Rechtsstellung aus seinem Anstellungsvertrag mit der GmbH hat. Dies macht ihn deshalb nicht zum Arbeitnehmer, weil auch Inhalt des Anstellungsvertrages die Verpflichtung ist, als Organ Arbeitgeberfunktionen auszuüben.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994, a.a.O.
Nach allem kann dahinstehen, ob ein durch Gesellschafterbeschluß nach § 6 Abs. 3 Satz 2, § 46 Nr. 5 GmbHG bestellter Geschäftsführer einer GmbH nicht schon deshalb nicht auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 SchwbG beschäftigt wird, weil er im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 5 SchwbG „nach ständiger Übung in … (seine) Stelle gewählt“ wird.
so wohl Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz, 6. Auflage, Rdnr. 877.
Dazu, daß der schwerbehinderte Geschäftsführer der Klägerin auch nicht gemäß § 9 Abs. 3 SchwbG auf einen Pflichtplatz angerechnet werden kann und es mit dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, daß nach dem Schwerbehindertengesetz lediglich Arbeitnehmer und schwerbehinderte Einzelunternehmer auf einen Pflichtplatz angerechnet werden können, nicht aber Personen, die als Organ oder Organmitglied Arbeitgeberfunktionen ausüben, wird auf die Darlegungen des angefochtenen Gerichtsbescheides und des darin zitierten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 1994 , a.a.O., Bezug genommen, die sich der Senat zu eigen macht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
Die Revision hat der Senat gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, ob ein schwerbehinderter sogenannter Fremdgeschäftsführer ohne eigene Gesellschafterstellung einen Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 SchwbG einnimmt. Diese Frage ist – wie dargestellt – in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher ausdrücklich offengelassen worden.

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