OLG Frankfurt am Main, 25.06.2015 – 15 U 90/14

April 8, 2019

OLG Frankfurt am Main, 25.06.2015 – 15 U 90/14
Orientierungssatz:

Von einem Fortfall der Vertrauensgrundlage im Rahmen eines Anwaltsvertrages kann insbesondere dann ausgegangen werden, wenn ein Rechtsanwalt in verschiedenen Sachen gleichzeitig für und gegen den Mandanten tätig wird, weil der Mandant in der Regel darauf vertraut, dass der von ihm beauftragte Rechtsanwalt nur seine Interessen und nicht auch gleichzeitig die Interessen Dritter gegen ihn wahrnimmt.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 16. April 2014 abgeändert:

Das Teilversäumnisurteil des Landgerichts vom 8. Januar 2014 wird aufgehoben und die Klage in Höhe von 6.493,25 € abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben die Kläger zu 83 % und die Beklagte zu 17 % zu tragen, mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnis der Beklagten entstanden sind. Diese hat die Beklagte allein zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe

I.

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die fristgerecht nach Zustellung des landgerichtlichen Urteils (30.4.2014) am 30.5.2014 eingelegte und innerhalb der bis zum 30.7.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 17.7.2014 begründete Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO).

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Den Klägern steht gegen die Beklagte kein über den anerkannten Betrag von 1.328,06 € hinausgehender Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar in Höhe weiterer 6.493,25 € gemäß §§ 611 ff., 628 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.

Denn der den Klägern aufgrund der anwaltlichen Vertretung der Beklagten in den beim Amtsgericht – Familiengericht – Kassel anhängig gewesenen Scheidungsverfahren (Az.: …/04 S) und Unterhaltsverfahren (Az.: …/08 UE) dem Grunde nach zustehende Vergütungsanspruch in Höhe von noch 6.493,25 € (Honoraranspruch in Höhe von insgesamt 7.821,31 € abzüglich des von der Beklagten anerkannten Betrages in Höhe von 1.328,06 €) ist entfallen, nachdem die Beklagte den zwischen den Parteien bestehenden Anwaltsvertrag mit Schreiben vom 26.5.2011 mit sofortiger Wirkung gekündigt hat.

Zur fristlosen Kündigung des Mandatsverhältnisses war die Beklagte gemäß § 627 Abs. 1 BGB ohne weiteres berechtigt, weil es sich bei den von den Klägern im Rahmen des Vertragsverhältnis zu erbringenden Leistungen um Dienste höherer Art gehandelt hat (vgl. hierzu allg.: Palandt-Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl. 2015, § 627 BGB Rdnr. 2).

Zwar hat eine auf § 627 Abs. 1 BGB gestützte Kündigung zur Folge, dass der Rechtsanwalt als Dienstverpflichteter den seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen kann.

Gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB steht einem Rechtsanwalt, der durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Anwaltsvertrages bzw. Mandatsverhältnisses durch den Mandanten als Dienstberechtigten veranlasst hat, ein Vergütungsanspruch aber insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den Mandanten kein Interesse haben.

So liegen die Dinge hier.

Die von der Beklagten wirksam gemäß § 627 Satz 1 BGB ausgesprochene Kündigung des Mandatsverhältnisses beruhte auf einer von den Klägern zu verantwortenden Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat anschließt, kann ein Vertrag, der auf besonderem Vertrauen beruht, von beiden Vertragspartnern bei ernstlicher Erschütterung oder gar einem Fortfall der Vertrauensgrundlage auch dann gekündigt werden, wenn die Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB, die für alle Arbeits- und Dienstverhältnisse gilt, nicht gegeben sind (BGH NJW 1985, S. 41 [BGH 07.06.1984 – III ZR 37/83] unter II. 2. der Gründe).

Von einem solchen Fortfall der Vertrauensgrundlage im Rahmen eines Anwaltsvertrages kann insbesondere dann ausgegangen werden, wenn ein Rechtsanwalt – wie vorliegend – in verschiedenen Sachen gleichzeitig für und gegen den Mandanten tätig wird, weil der Mandant in der Regel darauf vertraut, dass der von ihm beauftragte Rechtsanwalt nur seine Interessen und nicht auch gleichzeitig die Interessen Dritter gegen ihn wahrnimmt (BGH, a.a.O. unter II. 3. der Gründe). Deshalb muss der Rechtsanwalt den Mandanten von der gleichzeitigen Tätigkeit im Interesse Dritter unterrichtet werden (BGH, a.a.O.).

Dem sind die Kläger vorliegend nicht nachgekommen. Obwohl die Beklagte bereits seit den Jahren 2004 bzw. 2008 von den Klägern zu 1. und 3. in familiengerichtlichen Verfahren vertreten wurde, hat der Kläger zu 2. das Mandat der A (A) in einer Verkehrsunfallsache letztlich hinter dem Rücken der Beklagten angenommen und die Interessen der A gegen die an diesem Verkehrsunfall beteiligte Beklagte vertreten. Von diesem Umstand hat die Beklagte erst im Rahmen eines beim Amtsgericht Kassel unter dem Az.: …/11 anhängigen Rechtsstreits, in dem sie die A auf Ersatz des ihr infolge des Verkehrsunfalles entstandenen Schadens in Anspruch genommen hatte, nach Übersendung der vom Kläger zu 2. für die A gefertigten Klageerwiderungsschrift vom 17.3.2011 durch ihren Prozessbevollmächtigten in diesem Rechtsstreit, Rechtsanwalt B, Kenntnis erlangt.

Damit haben die Kläger schuldhaft die ihnen im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses gegenüber der Beklagten obliegenden Hinweispflichten verletzt und gleichzeitig durch ihr Verhalten dessen Grundlage zerstört, weil die Beziehung zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten von der Notwendigkeit eines Vertrauensverhältnisses geprägt ist bzw. darauf beruht (vgl. allg.: BGH, a.a.O., m. w. Nachw.).

Dabei wird nicht verkannt, dass der Vergütungsanspruch dann nicht gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB entfällt, wenn es sich lediglich um ein geringfügig vertragswidriges Verhalten des Dienstverpflichteten handelt (vgl. hierzu: BGH NJW 2011, S. 1674 [BGH 29.03.2011 – VI ZR 133/10] unter II. 1 e. der Gründe).

Eine zur Störung des Vertrauensverhältnisses führende Pflichtverletzung des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten ist indes nicht lediglich als geringfügiger Vertragsverstoß zu bewerten.

Soweit die Kläger hierzu die Auffassung vertreten, die Reduzierung oder der Wegfall des Anwaltshonorars gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB setzte generell das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB voraus, und sich zur Stützung ihrer Rechtsauffassung auf Entscheidungen des OLG Frankfurt vom 30.4.2008 (VersR 2008, S. 1396) und des OLG Koblenz vom 24.2.2005 (OLGR Koblenz 2005, S. 686) berufen, steht das nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Danach ist eine derartige Beschränkung auf vertragswidriges Verhalten, das dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar macht, für Kündigungen eines auf besonderem Vertrauen beruhenden Dienstverhältnisses nicht gerechtfertigt, weil sich entsprechende Einschränkungen weder aus dem Wortlaut des § 628 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB noch aus seiner Entstehungsgeschichte ergeben (BGH NJW 2011, S. 1674 [BGH 29.03.2011 – VI ZR 133/10] m.w.Nachw.).

Selbstredend ergibt sich damit, dass die Beklagte auch nicht gehalten war, bei Ausspruch der Kündigung die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu wahren, wobei die Kläger ohnehin verkennen, dass Entsprechendes nur dann gefordert wird, wenn gemäß § 628 Abs. 2 BGB Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden bzw. entstandenen Schadens geltend gemacht wird (vgl. Palandt-Weidenkaff, a.a.O., § 628 BGB Rdn. 6 m.w.Nachw.).

Vorliegend geht es indes nicht um die Geltendmachung von Schadensersatz, sondern um Vergütungsansprüche der Kläger.

Im Übrigen verkennen die Kläger außerdem, dass es keine unverhältnismäßige Einschränkung der Berufsfreiheit des Rechtsanwalts darstellt, wenn er seinen Vergütungsanspruch gegen den Mandanten deshalb verliert, weil er in einer anderen Rechtssache nunmehr die Interessen Dritter gegen den Mandanten vertritt. Es handelt sich dabei vielmehr schlicht um die wirtschaftliche Entscheidung des Rechtsanwalts – hier der Kläger – als Freiberufler, das Mandat eines Dritten gegen den Mandanten anzunehmen, die dann nicht folgenlos bleibt, wenn sie aus Sicht des Mandanten eine Vertragsverletzung darstellt und er diese zum Anlass nimmt, das Mandatsverhältnis zu kündigen.

Insgesamt haben damit die Kläger die seitens der Beklagten ausgesprochene Kündigung des Mandatsverhältnisses durch ihr vertragswidriges Verhalten veranlasst.

Aufgrund der vorzeitigen Kündigung des Mandatsverhältnisses durch die Beklagte trotz der zu diesem Zeitpunkt beim Amtsgericht – Familiengericht – Kassel noch anhängigen und nicht abgeschlossenen Scheidungs- und Unterhaltsverfahren hatten die von den Klägern in diesen Verfahren bis zum Ausspruch der Kündigung erbrachten Leistungen für die Beklagte kein Interesse mehr, weil sie aufgrund des in den beim Amtsgericht – Familiengericht – Kassel anhängigen Verfahren gemäß § 114 Abs. 1 FamFG bestehenden Anwaltszwangs gehalten war, ihre jetzige Prozessbevollmächtigte mit ihrer Vertretung als Verfahrensbevollmächtigte zu beauftragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat ebenfalls anschließt, ist eine Leistung für den Dienstberechtigten ohne Interesse, wenn er sie nicht mehr wirtschaftlich verwerten kann, sie also für ihn nutzlos geworden ist, was im Rahmen eines Anwaltsvertrages dann anzunehmen ist, wenn der Auftraggeber wegen einer von dem bisherigen Prozessbevollmächtigten durch vertragswidriges Verhalten veranlassten Kündigung einen anderen Prozessbevollmächtigten neu bestellen muss, für den die gleichen Gebühren nochmals entstehen (BGH NJW 1982, S. 437 [BGH 08.10.1981 – III ZR 190/79]).

Das führt zum Untergang des Vergütungsanspruchs, ohne dass es einer Aufrechnung des Auftraggebers mit Gegenforderungen bedarf (BGH, a.a.O.).

So verhält es sich vorliegend. Nach dem von den Klägern unbestritten gelassenen Vorbringen der Beklagten hat sie an ihre Prozessbevollmächtigten für deren anwaltliche Tätigkeit in den familiengerichtlichen Verfahren Anwaltshonorar in Höhe von insgesamt 9.007,21 € gezahlt (Scheidungsverfahren 7.181,65 € und Unterhaltsverfahren 1.825,56 €).

Deshalb steht den Klägern eine über den anerkannten Betrag von 1.328,06 € hinausgehende Vergütung für ihre anwaltliche Tätigkeit gegen die Beklagte nicht zu.

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil vom 16.4.2014 abzuändern und das Teilanerkenntnis- und Schlussversäumnisurteil vom 8.1.2014 teilweise aufzuheben, soweit die Beklagte durch Teilversäumnisurteil zur Zahlung von 6.493,25 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt wurde, und die Klage insoweit abzuweisen (§ 343 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 344 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Denn entgegen der Auffassung der Kläger setzt sich der Senat mit seiner Rechtsauffassung nicht in Widerspruch zu den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 30.4.2008 des OLG Koblenz vom 24.2.2005, sondern folgt, wie oben ausgeführt, der diesen Entscheidungen entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.