OLG Frankfurt am Main, 31.03.2015 – 11 SV 16/15

April 8, 2019

OLG Frankfurt am Main, 31.03.2015 – 11 SV 16/15
Leitsatz:

1.

Das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das zuerst angerufene Gericht liegt, ist auch dann zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 berufen, wenn das Gericht, an das das zuerst angerufene Gericht den Rechtsstreit verwiesen hat, das Verfahren seinerseits an ein drittes Gericht weiterverwiesen hat.
2.

Hat eines der beteiligten Gerichte den Rechtsstreit einem anderen Oberlandesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt, kann dieses das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach Anhörung der Parteien in entsprechender Anwendung des § 281 Abs. 1 ZPO von Amts wegen an das zuständige Oberlandesgericht verweisen.

Tenor:

Eine Gerichtsstandsbestimmung wird abgelehnt.
Gründe

I.

Die Klägerin nimmt mit der vor dem Landgericht Wiesbaden eingereichten Klage die Beklagten auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb einer aus ihrer Sicht fehlgeschlagenen Vermögensanlage in Anspruch.

Die Klägerin zeichnete im Januar 2009 nach Beratung durch zwei Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 1 im Gerichtsbezirk Wiesbaden eine Beteiligung an der XY … GmbH und Co. KG (XY-Fonds …) in Höhe von 20.000 € zuzüglich 5 % Agio. Zugleich schloss sie einen Treuhand- und Beteiligungsverwaltungsvertrag mit der Beklagten zu 3. Die Beklagte zu 2 ist Initiatoren und Prospektherausgeberin, die Beklagte zu 3 die Gründungs- und Treuhandgesellschafterin der Fondsgesellschaft.

Die Klägerin behauptet, die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) hätten sie über zahlreiche aufklärungspflichtige Punkte nicht informiert, auf die auch im Prospekt nicht hingewiesen worden sei, wie etwa die Möglichkeit eines Totalverlustes der Anlage, baurechtliche Probleme sowie vorgesehene Rückvergütungen. Der Prospekt enthalte – ebenso wie ein bei der Beratung verwendetes Informations-Faltblatt – irreführende Angaben. Sie meint, die Beklagte zu 1) hafte daher wegen Verletzung des Anlagevertrags auf Schadenersatz. Die Beklagte zu 2) hafte als Initiatorin, Prospektherausgeberin und Eigenkapitalvermittlerin nach den Grundsätzen der Prospekthaftung sowie nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 264a StGB; § 826 BGB (Klageschrift S. 22 f., Bl. 53f. d.A.). Die Beklagte zu 3) hafte als Gründungs- und Treuhandgesellschafterin des Fonds ebenfalls wegen unzureichender Aufklärung der Klägerin.

Die Klägerin beantragt die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts. Sie meint, dass lediglich für die Beklagten zu 2) und zu 3) ein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß § 32b ZPO beim Landgericht München begründet sei, nicht hingegen für die Beklagte zu 1), weil der Fondsprospekt für die Beratung der Klägerin nicht verwendet worden sei. Sie regt an, das Landgericht Wiesbaden als gemeinsames zuständiges Gericht zu bestimmen, weil hier die Anlageberatung erfolgt und die Beitrittserklärung unterzeichnet worden sei. Die Beklagte zu 1) hat sich mit der Bestimmung des Landgerichts Wiesbaden einverstanden erklärt. Die Beklagten zu 2) und zu 3) meinen, eine Gerichtsstandsbestimmung sei nicht veranlasst, da § 32b ZPO einen gemeinsamen ausschließlichen Gerichtsstand für alle Beklagten begründe.

II.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsbestimmungsantrag berufen, da zunächst das Landgericht Wiesbaden mit der Sache befasst wurde.

Der zulässige Antrag ist jedoch abzulehnen, da die Voraussetzungen für die Bestimmung eines gemeinsamen zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht vorliegen. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfolgt auf Antrag eine Gerichtsstandsbestimmung, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben (§§ 12, 17 ZPO), als Streitgenossen verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Für die Prüfung der Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist vom Vortrag des Klägers auszugehen.

Zwar haben die Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand in verschiedenen Landgerichtsbezirken, die Beklagte zu 1) im Bezirk des Landgerichts Frankfurt am Main, die Beklagten zu 2) und 3) im Bezirk des Landgerichts München I. Es besteht jedoch vorliegend ein gemeinschaftlicher ausschließlicher Gerichtsstand gemäß § 32b ZPO bei dem Landgericht München I.

Für die Beklagten zu 2) und 3) ergibt sich dieser Gerichtsstand aus § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist für Klagen, in denen ein Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend gemacht wird, das Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten, Anbieters oder der Zielgesellschaft zuständig, wenn die Klage sich zumindest auch gegen den Emittenten, Anbieter oder die Zielgesellschaft richtet. Emittent einer Vermögensanlage ist dabei derjenige, der die Vermögensanlage erstmals auf den Markt bringt und für seine Rechnung unmittelbar oder durch Dritte öffentlich zum Erwerb anbietet. Anbieter ist derjenige, der für das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen verantwortlich ist und so auch den Anlegern gegenüber auftritt (BGH, Beschluss vom 30.7.2013 – X ARZ 320/13, NJW-RR 2013, 1302 – Rn. 10 und 12, juris). Vorliegend nimmt der Kläger die Beklagte zu 2) wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformation in Anspruch, da er geltend macht, die Beklagte zu 2) hafte (u.a.) als Prospektherausgeberin für die unrichtigen Angaben im Fondsprospekt (vgl. Klageschrift S. 22, Bl. 53 d.A.). Ausweislich des Klägervortrages und des vorgelegten Fondsprospektes ist die Beklagte zu 2) auch Initiatorin des Beteiligungsangebotes und Anbieterin der gegenständlichen Vermögensanlage. Damit ist an ihrem Sitz ein ausschließlicher Gerichtsstand gegeben.

Auch die Beklagte zu 3) wird in ihrer Eigenschaft als Gründungskommanditistin u.a. wegen behaupteter fehlerhafter Prospektangaben in Anspruch genommen; die Klage unterfällt daher insoweit ebenfalls dem Anwendungsbereich des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Hinsichtlich der Beklagten zu 1) besteht nach dem Klagevorbringen entgegen der Auffassung der Klägerseite gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO ebenfalls ein ausschließlicher Gerichtsstand am Sitz des Anbieters, also der Beklagten zu 2), selbst wenn der Prospekt, wie klägerseits vorgetragen, erst zum Zeitpunkt der Zeichnung übergeben worden war. Zwar kommt der Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 ZPO für die Klage gegen einen Anlageberater nur in Betracht, wenn das Klagebegehren auf die Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation gestützt wird, das heißt ein Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation besteht. Diese Voraussetzung ist jedoch bereits dann erfüllt, wenn der Anlageberater bei dem Gespräch mit dem Kunden die von dem Anspruchsteller als zumindest irreführend angesehenen Prospektangaben verwendet oder eine diesbezügliche Aufklärungspflicht verletzt (vgl. BGH, aaO Rn. 31). Genau dies war nach dem klägerischen Vorbringen vorliegend der Fall. In der Klageschrift wird geltend gemacht, die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) hätten in dem Beratungsgespräch ihre Pflicht, auf Fehler und Widersprüchlichkeiten des Prospekts hinzuweisen, nicht erfüllt (S. 16/17 der Klageschrift); die Beklagte zu 1) habe für die Beratung der Klägerseite einen fehlerhaften Prospekt verwendet (S. 17); die Klägerseite sei „auf der Grundlage des Prospektes“ beraten worden (S. 22). Wurde der Prospekt somit als Arbeitsgrundlage für die Beratungsgespräche benutzt, ist ein ausreichender Zusammenhang zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation vorhanden (vgl. BGH aaO Rdnr. 35).

Damit besteht für alle Beklagten ein gemeinsamer Gerichtsstand am Sitz der Beklagten zu 2), d.h. beim Landgericht München I.

Soweit die Verfahrensbevollmächtigten der Klagepartei auf Beschlüsse der Oberlandesgerichte Bamberg ( Beschl. v. 18.3.2015, Az.: …) und Düsseldorf (Beschl. v. 18.3.2015, Az.: …) verweisen, die in Parallelverfahren eine Zuständigkeitsbestimmung vorgenommen haben, liegen dem Senat die dortigen Klagebegründungen nicht vor und kann der Senat deshalb nicht zuverlässig beurteilen, ob und inwieweit es sich um vergleichbare Sachverhalte und gleichartige Klagegründe handelte. Nach der Begründung der Entscheidungen spricht allerdings viel dafür, dass es sich um unterschiedliche Sachverhalte, jedenfalls aber um abweichende Klagebegründungen gehandelt haben muss. Nach dem Beschluss des OLG Bamberg ergab sich aus der dort vorgelegten Klageschrift nicht, dass die Anlageberaterin bei den Beratungsgesprächen Prospektangaben verwendete und Aufklärungspflichten verletzt habe. Ähnlich heißt es in dem Beschluss des OLG Düsseldorf, dass der Prospekt Grundlage des Beratungsgespräches gewesen sei, könne nach dem Vortrag des Klägers nicht einfach und zuverlässig festgestellt werden.

Dabei betont das OLG Düsseldorf ausdrücklich unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts v. 13.2.2015, Az.: … -, der Umstand, dass ein Prospekt im Beratungsgespräch nicht übergeben wurde, schließe die Geltendmachung eines Anspruchs im Sinn von § 32 b ZPO nicht aus, wenn die Beratung inhaltlich auf der falschen öffentlichen Kapitalmarktinformation beruht. Eben Letzteres konnte das OLG Düsseldorf in dem seinem Beschluss zugrunde liegenden Sachverhalt nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, während sich aus dem für die Gerichtsstandsbestimmung zugrunde zu legenden Vortrag der Klagepartei im hier zu beurteilenden – ebenso wie in dem von dem Hanseatischen Oberlandesgericht entschiedenen Fall – ergibt, dass dem Anlageberater auch eine Verletzung seiner Aufklärungspflicht hinsichtlich der als unzutreffend erachteten Prospektangaben angelastet wird. So heißt es in dem Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichtes u.a., es werde „die Fehlerhaftigkeit des Prospektes … gerügt“ und „die Antragstellerin werfe der Antragsgegnerin zu 1) vor, den Prospekt nicht mit banküblichem kritischen Sachverstand geprüft zu haben“.

Wenn das OLG Düsseldorf ausführt, insoweit unterscheide sich der von ihm zu entscheidende Fall von demjenigen des Hanseatischen Oberlandesgerichts, so wird deutlich, dass das OLG Düsseldorf keine anderen rechtlichen Maßstäbe an den dortigen Klagevortrag angelegt, sondern auf der Grundlage eines abweichenden Tatsachenvortrags der Klagepartei entschieden hat.

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