OLG Frankfurt am Main, 12.02.2015 – 3 U 117/14

April 11, 2019

OLG Frankfurt am Main, 12.02.2015 – 3 U 117/14
Leitsatz

Verschiedene Zahlungsansprüche können nicht gleichzeitig im Urkundenverfahren und normalen Klageverfahren geltend gemacht werden. Ein insoweit ergangenes Vorbehalts-Teilurteil und Teilurteil ist verfahrensfehlerhaft.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.6.2014 verkündete – als „Teil-Vorbehaltsurteil und Teilurteil“ bezeichnete – Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zu 1. und 2. zur Zahlung von 425.001,58 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 4.117,17 € nebst Zinsen aufgehoben. Der Rechtsstreit wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1

I.

2

Die Klägerin – eine Baufirma – verlangt von der Beklagten zu 1. im Wege des Urkundenprozesses Eintragung einer Sicherungshypothek und Zahlung restlichen Werklohns. Daneben verlangt sie im ordentlichen Verfahren Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Den Beklagten zu 2., der Geschäftsführer der Beklagten zu 1. ist, nimmt die Klägerin hinsichtlich der Zahlungsanträge – neben der Beklagten zu 1. – als Bürgen in Anspruch.
3

Gegenstand des Generalunternehmervertrages vom 24.8.2011 war der Neubau eines Fachmarktzentrums in X, der zwischenzeitlich fertiggestellt ist. Hinsichtlich der Abnahme legt die Klägerin mit den Anlagen K 2 – K 7 Protokolle vor.
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Von den als Werklohn vereinbarten 3.605.700,- € zahlte die Beklagte zu 1. Abschläge. Zum Zeitpunkt der Schlussrechnung der Klägerin vom 20.12.2012 waren noch 1.018.401,58 € offen. Durch weitere Zahlungen über insgesamt 593.400,- € ist – unstreitig – noch ein Werklohnanspruch in Höhe von 425.001,58 € offen, der Gegenstand des Zahlungsantrages der Klägerin ist.
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Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,

(im Urkundenprozess)
1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, der Eintragung einer Sicherungshypo- thek auf dem streitbefangenen Grundstück zuzustimmen;

(im Urkundenprozess)
2. die Beklagten zu 1. und 2. zu verurteilen, an die Klägerin 425.001,58 € nebst Zinsen zu zahlen, hinsichtlich der Beklagten zu 1. Zug um Zug gegen Übergabe einer Löschungsbewilligung hinsichtlich der Belastung des Grundstücks;

(im ordentlichen Verfahren)
3. die Beklagten zu 1. und 2. zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 5.639,- € nebst Zinsen zu zahlen.

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Das Landgericht hat die Beklagten unter der Überschrift „Teil-Vorbehaltsurteil und Teil-Urteil“ nach einem Anerkenntnis der Beklagten bezüglich des Klageantrags zu 1. die Beklagten zur Bewilligung der Eintragung der Sicherungshypothek auf dem Grundstück verurteilt, auf dem der Neubau zu errichten war. Darüber hinaus hat es die Beklagten – unter Vorbehalt der Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren – bezüglich des Klageantrags zu 2. zur Zahlung von 425.001,58 € nebst Zinsen verurteilt, den Beklagten zu 1. allerdings nur Zug um Zug gegen Übergabe einer Löschungsbewilligung hinsichtlich der Sicherungshypothek. Wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht dem Antrag zu 3. der Klägerin in Höhe von 4.117,17 € nebst Zinsen stattgegeben und die darüber hinausgehende Klage abgewiesen.
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Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung der Beklagten, die sich nur gegen die Verurteilung zur Zahlung von 425.001,58 € und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.117,17 € richtet.
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In der Berufung hat die Klägerin den Klageantrag zu 2. für erledigt erklärt, nachdem der Käufer des Objekts zur Ablösung der Sicherungshypothek den ausgeurteilten Betrag an die Klägerin gezahlt hat.
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Mit Beschluss vom 11.12.2014 (Bl. 175 f. d.A.) hat der erkennende Senat die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil im Umfang der Berufungsanträge eingestellt.
10

Die Beklagten tragen im Wesentlichen vor:
11

Die Verurteilung zur Zahlung des Restwerklohnes hätte selbst im Rahmen des Urkundenverfahrens nicht erfolgen dürfen, da kein uneingeschränktes Anerkenntnis vorliege und weiterhin Mängel bestünden. Die Abnahme sei vorbehaltlich der Mängelbeseitigung erfolgt.
12

Es hätte lediglich Teilurteil hinsichtlich des Anerkenntnisses ergehen dürfen. Im Übrigen hätte die Klage im Urkundenverfahren als unzulässig abgewiesen werden müssen.
13

Die Beklagten beantragen sinngemäß,

das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Beklagten zu 1. und 2. zur Zahlung von 425.001,58 € sowie vorgerichtlicher Rechts- anwaltskosten in Höhe von 4.117,17 € verurteilt wurden,

und das Verfahren insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen.

14

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

15

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt im Wesentlichen vor:
16

Aus den im Hinweis des Senats zitierten BGH-Urteilen (vgl. Ladungsverfügung Bl. 104 d.A.) ergebe sich nicht, dass Klagen im Urkundenprozess und im normalen Verfahren nicht miteinander verbunden werden könnten.
17

Darüber hinaus sei der mit dem Klageantrag zu 3. geltend gemachte Anspruch unstreitig. Unstreitige bzw. zugestandene Tatsachen müssten aber auch im Urkundenverfahren nicht bewiesen werden.
18

Hilfsweise werde der Antrag zu 3. ebenfalls im Urkundenprozess geltend gemacht, was zulässig sei.
19

Höchst hilfsweise werde beantragt, den Klageantrag zu 3. vom hiesigen Rechtsstreit abzutrennen.

II.

20

Die zulässige Berufung der Beklagten ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist (§ 538 II ZPO).
21

Das angefochtene Urteil, das richtigerweise als Anerkenntnis-Teilurteil (Verurteilung aufgrund des teilweisen Anerkenntnisses der Beklagten), Vorbehalts-Teilurteil (Verurteilung zur Zahlung des restlichen Werklohns nebst Zinsen unter Vorbehalt) und Teilurteil (Verurteilung zu einem Teil der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Klageabweisung im Übrigen) hätte bezeichnet werden müssen, ist in der Berufung nur in Bezug auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung zu überprüfen. Gegen das Anerkenntnis-Teilurteil richtet sich die Berufung der Beklagten von vornherein nicht; gegen die teilweise Abweisung des Klageantrags zu 3. ist (von der Klägerin) keine Berufung eingelegt worden.
22

Das Verfahren des Landgerichts leidet grundlegend daran, dass es zugelassen hat, dass zwei Zahlungsansprüche gleichzeitig in verschiedenen Verfahrensarten – im Urkundenverfahren und normalen Klageverfahren – geltend gemacht werden. Dies ist grundsätzlich unzulässig (vgl. BGH, Urteile vom 7.12.1981, II ZR 187/81 und vom 3.5.1982, II ZR 229/81; Zöller/Greger ZPO, § 260 Rn 2a) und führt – unabhängig von der materiellen Rechtslage – dazu, dass das angefochtene Urteil keinen Bestand haben kann.
23

Die in der Berufung abgegebenen prozessualen Erklärungen der Klägerin können hieran nichts ändern.
24

So wirkt sich die (bisher einseitige) Erledigungserklärung bezüglich des Klageantrags zu 2. nur dahin aus, dass sich die ursprüngliche Leistungsklage in einen Antrag auf Feststellung umwandelt, dass die ursprüngliche Leistungsklage zulässig und begründet war. Gerade an der Zulässigkeit der gewählten Verfahrensart mangelt es aber.
25

Die Erklärung der Klägerin, nunmehr auch den Klageantrag zu 3. im Wege des Urkundenprozesses geltend machen zu wollen, ist nach der Rechtsprechung des BGH zwar grundsätzlich zulässig (vgl. Zöller/Greger ZPO, § 593 Rn 3), analog § 263 ZPO müssten aber die Beklagten zustimmen, was sie bisher nicht getan haben, oder die Sachdienlichkeit bejaht werden. Sachdienlich ist die Erklärung aber schon deshalb nicht, weil sich hierdurch das fehlerhafte Teilurteil des Landgerichts bezüglich des Klageantrags zu 3. nicht beseitigen lässt.
26

Auch ein Abtrennen des Klageantrags zu 3. – wie von der Klägerin hilfsweise beantragt – lässt sich in der Berufung sachgerecht nicht durchführen, ohne dass das angefochtene Urteil gleichzeitig abgeändert wird.
27

Das angefochtene Urteil war danach, soweit es mit der Berufung angegriffen wird, nach § 538 II Nr. 5 ZPO bzw. § 538 II Nr. 7 ZPO aufzuheben und an das Landgericht zurückverweisen. Den für die Zurückverweisung nach § 538 II Nr. 5 ZPO erforderlichen Antrag hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung gestellt, so dass offenbleiben kann, ob eine Zurückverweisung im vorliegenden Fall zweier zwar isoliert zulässiger, aber zusammen unzulässiger Teilurteile nicht ohnehin – ohne Antrag – nach § 538 II Nr. 7 ZPO hätte erfolgen müssen.
28

Bei der erneuten Verhandlung wird das Landgericht die in der Berufung abgegebenen weiteren Prozessanträge der Klägerin zu berücksichtigen haben. Als gangbarer Weg für das weitere Verfahren empfiehlt sich, dass die Klägerin insgesamt vom Urkundenverfahren Abstand nimmt.
29

Die Kostenentscheidung war der Entscheidung des Landgerichts vorzubehalten.
30

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 708 Nr. 10 ZPO (zur Notwendigkeit der Anordnung bei einem zurückverweisenden Urteil vgl. Zöller/Herget ZPO, § 708 Rn 12).
31

Der Gebührenstreitwert für die Berufung beträgt (gerundet) 429.119,- € und ergibt sich aus der Addition der Verurteilungsbeträge gemäß den Klageanträgen zu 2. und 3. aus dem angefochtenen Urteil. Das Landgericht wird insoweit zu berücksichtigten haben, dass sich der Gebührenstreitwert wegen der einseitigen Erledigungserklärung bezüglich des Klageantrags zu 2. ab dem Zeitpunkt der Erklärung reduziert hat.
32

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

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