OLG Hamm, Beschluss vom 19. November 2018 – 32 SA 52/18

Juni 24, 2019

OLG Hamm, Beschluss vom 19. November 2018 – 32 SA 52/18
Nehmen die Erben eines Betreuten mehrere Betreuer aufgrund ihrer Vermögensverwaltung für den Betreuten auf Schadensersatz in Anspruch, kann der besondere Gerichtsstand der Vermögensverwaltung (§ 31 ZPO) als gemeinsamer Gerichtsstand begründet sein. Abzustellen ist dabei auf den Ort, an dem die Vermögensverwaltung tatsächlich erfolgt ist.
Tenor
Das Landgericht E ist örtlich zuständig.
Gründe
I.
Die Klägerinnen machen in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerinnen über den Nachlass der am 31.05.2015 in E verstorbenen Erblasserin Schadensersatz-, Herausgabe- und Auskunftsansprüche gegen die Beklagte zu 1) als ehemalige Hauptbetreuerin und den Beklagten zu 2) als Ersatzbetreuer der Erblasserin geltend. Im Rahmen dieser Betreuung, die unter anderem die Vermögenssorge umfasste, sollen sie ihr durch pflichtwidriges Handeln und Unterlassen einen Schaden in Höhe von 340.216,28 EUR zugefügt haben. Außerdem sollen sie Nachlassgegenstände an sich genommen haben und Auskunft über die Öffnung eines zum Nachlass gehörenden Tresors schulden. Anspruchsgrundlage ist jeweils §§ 1833, 1908i i.V.m. §§ 1922, 2212 BGB.
Die Beklagten haben die Aktivlegitimation der Klägerinnen bestritten und in Abrede gestellt, dass sie pflichtwidrig gehandelt hätten. Die in T im Bezirk des Landgerichts I wohnhafte Beklagte zu 1) hat zudem die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts E gerügt.
Die Klägerinnen haben darauf erwidert, dass der besondere Gerichtsstand der Vermögensverwaltung gem. § 31 ZPO begründet sei (Bl. 74 ff. d.A.).
Das Landgericht hat darauf hingewiesen, dass es für die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage örtlich unzuständig sei. Der Gerichtsstand der Vermögensverwaltung gem. § 31 ZPO sei am Wohnsitz der Beklagten zu 1) begründet, da von ihrem Wohnsitz aus in ihrer Eigenschaft als Hauptbetreuerin die Vermögensverwaltung erfolgt sei (Bl. 102 d.A.).
Die Klägerinnen haben daraufhin die Gerichtsstandbestimmung durch das Oberlandesgericht Hamm gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beantragt (Bl. 105 d.A.).
Der Senat hat die Parteien dazu angehört, wo der Gerichtsstand der Vermögensverwaltung i.S.v. § 31 ZPO begründet ist. Die Klägerinnen haben vorgetragen, dass die Vermögensverwaltung tatsächlich durch den Beklagten zu 2) in seiner Eigenschaft als Ersatzbetreuer erfolgt sei. Obgleich die Beklagte zu 1) formal als Haltbetreuerin bestellt gewesen gewesen sei, sei sie während der fünf Jahre dauernden Betreuerin kaum jemals als solche in Erscheinung getreten(Bl. 125 f. d.A.).
II.
Als zuständiges Gericht wird gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das Landgericht E bestimmt.
1.
Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO dazu berufen, das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen. Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten gem. §§ 12, 13 ZPO liegt in den Bezirken der Landgerichte I und E. Da sich diese beiden Gerichte im selben Oberlandesgerichtsbezirk befinden, ist das Oberlandesgericht Hamm als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht zuständig.
2.
Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Die Klägerinnen nehmen die Beklagten in ihrer Eigenschaft als (Haupt- und Ersatz-) Betreuer der Erblasserin auf Schadensersatz in Anspruch. Damit behaupten sie eine gesamtschuldnerische Haftung i.S.v. §§ 1833 Abs. 2 S. 1, 1908i Abs. 1 S. 1 BGB. Für die weiterhin geltend gemachten Auskunfts- und Herausgabeansprüche gilt nichts anderes. Da die Beklagten auch diese entweder gemeinsam oder jeder für sich zu erfüllen haben, werden sie insgesamt als Streitgenossen i.S.v. §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen.
) Allerdings ist ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand in E gegeben, so dass für eine Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an sich kein Raum ist.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts E ergibt sich ein solcher aus § 31 ZPO.
aa) Nach dieser Vorschrift ist für Klagen, die aus einer Vermögensverwaltung von dem Geschäftsherrn gegen den Verwalter oder von dem Verwalter gegen den Geschäftsherrn erhoben werden, das Gericht des Ortes zuständig, wo die Verwaltung geführt ist. Davon erfasst ist unter anderem die Betreuung einer Person, wenn der Betreuer für der Vermögenssorge bestellt worden ist (§ 1902 BGB). § 31 ZPO meint den geschäftlichen Mittelpunkt der Vermögensverwaltung, also den Ort, an dem die Kassen und Bücher geführt werden (Heinrich, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 21 Rn. 5; Patzina, in: Münchener Kommentar, ZPO, Bd. 1, 5. Aufl. 2016, § 31 Rn. 4 jew. m.w.N.). Maßgeblich ist, wo der Verwalter in dieser Eigenschaft regelmäßig tätig wird (OLG Brandenburg, Beschl. v. 06.02.2006 – 1 AR 77/05 – juris, Rn. 8; Schultzky, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 31 Rn. 2; Toussaint, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 30. Edition (Stand: 15.09.2018), § 31 Rn. 6). Ob dies der Fall ist, ist grundsätzlich nach dem Klägervortrag zu bestimmen. Zwar tragen die Klägerinnen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Klage eine Vermögensverwaltung i.S.v. § 31 ZPO zugrunde liegt, allerdings handelt es sich dabei regelmäßig um eine sog. doppelrelevante Tatsache, so dass für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit die schlüssige Darlegung genügt (vgl. Toussaint, a.a.O., Rn. 3 m.w.N.).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen des § 31 ZPO im vorliegenden Fall am Ort des Wohnsitzes der Betreuten in E zu bejahen.
(1) Die Klägerinnen haben bereits mit der Klageschrift und erneut im Rahmen des Anhörungsverfahrens vor dem Senat mit Schriftsatz vom 06.11.2018 vorgebracht, dass der Beklagte zu 2) abweichend von seiner formalen Bestellung als Ersatzbetreuer wesentliche Betreuungsleistungen im Bereich der Vermögenssorge erbracht hat (Bl. 125 f. d.A.). Um zu bestimmen, wo der Ort der Vermögensverwaltung liegt, ist nicht auf den Inhalt der Bestellungsurkunden, sondern die tatsächliche Führung der Betreuung abzustellen.
(2) Selbst wenn es entsprechend der vom Landgericht geäußerten Auffassung auf die Person der Beklagten zu 1) als Hauptbetreuerin ankommt, ist eine Zuständigkeit des Landgerichts I nicht gegeben. Denn auf den Wohnsitz des Betreuers kommt es nur an, wenn von hier aus die Betreuung geführt worden. Dass dies der Fall gewesen ist, ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerinnen nicht. Dagegen spricht schon, dass die Betreute zuletzt in E wohnhaft war und sich die Immobilien, die nach Aktenlage den maßgeblichen Teil ihres Vermögens ausmachen, allesamt in E belegen sind. Auf diesen Aspekt hat der Senat mit Verfügung vom 25.10.2018 hingewiesen, ohne dass die Beklagten dem entgegen getreten sind (vgl. Bl. 121 d.A.). Sie haben keine Anhaltspunkte dafür dargelegt, die dafür sprechen könnten, dass an den Wohnsitz der Beklagten zu 1) anzuknüpfen ist.
c) Da demnach ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand für die Klage gegen beide Beklagten in E gegeben ist, ist das Landgericht E für örtlich zuständig zu erklären. Das Bestehen eines gemeinsamen besonderen Gerichtsstands führt im vorliegenden Fall nicht zur Zurückweisung des Antrags nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Aus Gründen der Prozessökonomie und zur Vermeidung eines weiteren Zuständigkeitskonflikts ist vielmehr die Klarstellung geboten, das Gericht für zuständig zu erklären, bei dem der besondere Gerichtsstand begründet ist. Denn wenn der Senat den Antrag auf Gerichtsstandbestimmung zurückgewiesen hätte, wäre weiterhin unklar, welches Gericht zuständig wäre, da ein den Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in Bezug auf die Zuständigkeitsfrage keine Bindungswirkung entfaltet (vgl. Vossler, NJW 2006, 117, 120, unter Ziff. IV. 3. m.w.N.). Es entspricht daher der herrschenden Meinung im Schrifttum und ständigen Rechtsprechung des Senats, in Fällen, in denen unklar ist, ob ein besonderer Gerichtsstand besteht, den Antrag nicht zurückzuweisen und das Verfahren an das vorlegende Gericht zurückzugeben, sondern aus Klarstellungsgründen eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorzunehmen, um das Verfahren möglichst effektiv weiter zu fördern (vgl. BayObLG, Beschl. v. 10.11.2003 – 1Z AR 114/03 – NJW-RR 2004, 944; Heinrich, a.a.O. Rn. 18 m.w.N.).
3.
Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 36 Abs. 3 S. 1 ZPO ist im vorliegenden Fall nicht geboten, da der Senat – soweit ersichtlich – bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in keiner Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abgewichen ist.

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