OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11. August 1993 – 16 WF 24/93 Zwangsvollstreckung zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen: Zweite Zwangsgeldfestsetzung vor Beitreibung des ersten Zwangsgeldes

Juli 16, 2019

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11. August 1993 – 16 WF 24/93
Zwangsvollstreckung zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen: Zweite Zwangsgeldfestsetzung vor Beitreibung des ersten Zwangsgeldes
Für eine zweite Zwangsgeldfestsetzung ist im allgemeinen kein Raum, solange das zunächst festgesetzte Zwangsgeld nicht gezahlt oder beigetrieben ist.
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengerichts – Mannheim vom 28.12.1992 – 2 F 134/90 – aufgehoben.
2. Die Gläubigerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 600 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Schuldner ist durch Teilurteil des Familiengerichts vom 10.4.1991 (AS. 51) verurteilt worden, der Gläubigerin, wie im Urteil im einzelnen ausgesprochen, Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen zu erteilen. Da der Schuldner seine Verpflichtung aus dem Urteil nicht erfüllt hatte, hat das Familiengericht mit Beschluß vom 28.4.1992 (AS. 73) gegen den Schuldner gemäß § 888 ZPO ein Zwangsgeld von 1.000 DM festgesetzt, „ersatzweise Zwangshaft“. Mit Anwaltsschreiben vom 1.10.1992 (AS. 84) beauftragte die Gläubigerin den Gerichtsvollzieher, das Zwangsgeld beim Schuldner einzutreiben und an die Staatskasse abzuführen. Mit Schriftsatz vom 30.11.1992 beantragte die Gläubigerin, den Schuldner zur Erteilung der Auskunft durch Verhängung eines weiteren Zwangsgeldes anzuhalten, weil er „trotz Zwangsgeldbeschluß vom 28.4.1992 und Vollstreckung hieraus“ seine Auskunftspflicht noch immer nicht erfüllt habe.
Mit Beschluß vom 28.12.1992 (AS. 92) wurde daraufhin gegen den Schuldner gemäß § 888 ZPO ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 3.000 DM und im Unbeibringlichkeitsfall Zwangshaft von drei Wochen festgesetzt.
Gegen diesen Beschluß hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt.
Im Beschwerdeverfahren hat sich ergeben, daß das zunächst festgesetzte Zwangsgeld von 1.000 DM im Wege der Zwangsvollstreckung nicht beigetrieben werden konnte.
II.
Die nach § 793 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Für eine zweite Zwangsgeldfestsetzung nach § 888 ZPO ist nämlich grundsätzlich kein Raum, solange das zunächst festgesetzte Zwangsgeld nicht gezahlt oder beigetrieben ist.
Im vorliegenden Fall hat der Gerichtsvollzieher aufgrund des Vollstreckungsauftrages der Gläubigerin vom 1.10.1992 beim Schuldner am 8.4.1992 verschiedene Geräte gepfändet, und zwar gleichrangig auch im Hinblick auf zwei weitere von der Gläubigerin erteilte Vollstreckungsaufträge. Die am 17.6.1993 durchgeführte Versteigerung ergab nur einen geringen Erlös von 750 DM, der nach Abzug der Versteigerungskosten an die Gläubigerin überwiesen und von der Gläubigerin dergestalt verrechnet wurde, daß in vorliegender Sache nur die ihr angefallenen Kosten der Zwangsvollstreckung gedeckt sind.
Da bisher das Zwangsgeld nicht gezahlt und nicht beigetrieben – und im übrigen auch die angeordnete Zwangshaft nicht vollzogen – ist, besteht keine hinreichende Veranlassung, gegen den Schuldner zusätzlich erneut Zwangsgeld zu verhängen. Die Drohung der Vollstreckung aus dem Beschluß vom 10.4.1992 besteht für den Schuldner weiter, und die ihm drohende Vollziehung dieses Beschlusses ist für den Schuldner, dem schon die Zahlung des zunächst festgesetzten Zwangsgeldes von 1.000 DM offenbar große Schwierigkeiten bereitet, zunächst einmal Druck genug, seiner Verpflichtung nun endlich nachzukommen. Der Druck auf den Schuldner kann wesentlich und genügend dadurch verstärkt werden, daß weiter die Vollziehung des ersten Zwangsgeld- und Zwangshaftbeschlusses betrieben wird. Es besteht daher keine ausreichende Veranlassung, einen weiteren Zwangsgeld- und Zwangshaftbeschluß zu erlassen, bevor nicht die im ersten Beschluß angeordneten Zwangsmaßnahmen durchgesetzt sind. Die gerichtliche Anordnung einer Zwangsmaßnahme, die dann doch nicht durchgesetzt wird, erweist sich als eine letztlich leere Drohung, und es ist auch von daher aus der Sicht des Schuldners eben nicht sachgerecht, wenn das Gericht eine zweite derartige Anordnung erläßt, obwohl schon die erste vom Schuldner nicht beachtet und nicht durchgesetzt wurde. Daher wird in Rechtsprechung und Literatur weitgehend die Auffassung vertreten, für eine weitere Zwangsgeldfestsetzung nach § 888 ZPO fehle ein Rechtsschutzinteresse des Gläubigers, wenn die zunächst vom Gericht angeordnete Zwangsmaßnahme noch nicht durchgeführt ist (so OLG Hamm, MDR 1969, 227; Zöller- Stephan, ZPO, 18. Aufl. 1993, § 888 Rn. 8; Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, 20. Aufl. 1988, § 888 Fußn. 138; Münchener Kommentar, Schilken, ZPO, 1992, § 888 Rn. 13; Thomas-Putzo, ZPO, 18. Aufl. 1993, § 888 Rn. 12).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO (siehe dazu Baumbach-Hartmann, ZPO, 51. Aufl. 1993, § 793 Rn. 12).
Bei der Festsetzung des Beschwerdewertes hat der Senat nicht auf die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes und die Belastung des Schuldners bei Vollstreckung der Zwangshaft abgestellt, vielmehr entscheidend berücksichtigt, daß der Schuldner diese Zwangsmaßnahme ohne weiteres durch Erteilung der von ihm verlangten Auskunft abwenden kann (so Zöller-Schneider, ZPO, 18. Aufl. 1993, § 3 Rn. 16 unter „Zwangsvollstreckung“; siehe auch Baumbach-Hartmann, a.a.O., Anhang nach § 3 Rn. 144); der Senat hat bereits mit Beschluß vom 11.9.1992 – 16 UF 154/91 – das Interesse des Beklagten an der Vermeidung des für eine Auskunftserteilung erforderlichen Arbeitsaufwandes mit 600 DM eingeschätzt und demgemäß den Streitwert für die Berufung gegen das angefochtene Urteil festgesetzt.

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