Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. November 2018 – 12 U 59/18 Berufungsverfahren: Rechtzeitiger Eingang der Berufungsschrift per elektronischer Post bei fehlender Identität zwischen den Angaben zur Rechtsanwaltskanzlei in Visitenkarte und Zertifikat; Vorliegen einer Gemeinschaft bei Vereinbarung über den Anschluss der Abwasserleitung an die Leitung des Nachbarn

August 12, 2019

Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. November 2018 – 12 U 59/18
Berufungsverfahren: Rechtzeitiger Eingang der Berufungsschrift per elektronischer Post bei fehlender Identität zwischen den Angaben zur Rechtsanwaltskanzlei in Visitenkarte und Zertifikat; Vorliegen einer Gemeinschaft bei Vereinbarung über den Anschluss der Abwasserleitung an die Leitung des Nachbarn
1. Geht eine Berufungsschrift bzw. eine Berufungsbegründungsschrift im elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach bei Gericht ein, ist es für die Wahrung der Frist ohne Belang, dass die Angaben zur Rechtsanwaltskanzlei in Visitenkarte und Zertifikat laut Prüfunterlagen nicht identisch sind. Maßgeblich ist allein, dass ein mit einer gültigen anwaltlichen Signatur versehener Schriftsatz rechtzeitig eingegangen ist.
2. Die bloße Vereinbarung, die es einem Grundstückseigentümer erlaubt, sein ansonsten nicht an den öffentlichen Abwasserkanal angeschlossenes Grundstück mit einer auf eigene Kosten errichteten Leitung an die Abwasserleitung des Nachbarn anzuschließen, begründet grundsätzlich keine Gemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB.
vorgehend LG Halle (Saale), 27. April 2018, 6 O 393/16
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. April 2018 verkündete Einzelrichterurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Gründe
I.
Wegen der Einzelheiten des in erster Instanz unstreitigen und streitigen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils in der Fassung durch den Berichtigungsbeschluss vom 6. Juni 2018 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Ergänzend und klarstellend wird ausgeführt:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe gegen die Beklagten keinen Anspruch aus § 1004 BGB auf Duldung des Abflusses über deren Grundstücke (Klageantrag zu 1) und Unterlassen der Behinderung des Abflusses über deren Grundstücke (Klageantrag zu 3). Auch bei unterstelltem Miteigentum der Klägerin an der Abwasserleitung sei ein Anspruch gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Die Pflicht der Klägerin zur Duldung folge aus §§ 903, 905 S. 1, 2. Alternative BGB. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihr zusätzlich zu ihrem unterstellten Miteigentum an der Abwasserleitung ein Anspruch auf deren Verbleib im Grundstück der Beklagten zustehe. Ein solcher Anspruch folge nicht aus § 1018 BGB, weil eine entsprechende Grunddienstbarkeit nicht existiere. Das Schreiben der H. Wasser- und Abwasser GmbH vom 12. Februar 2003 begründe keinerlei Verpflichtungen der Beklagten, sondern enthalte allein Auflagen gegenüber Herrn S. als Bauherrn.
Ein Anspruch auf Verbleib der Abwasserleitung folge auch nicht aus einer schuldrechtlichen Vereinbarung mit den Beklagten. Dass die Beklagten ihr ein schuldrechtliches Nutzungsrecht an ihren Grundstücken eingeräumt hätten, habe die Klägerin schon nicht behauptet. Soweit die Klägerin eine schuldrechtliche Vereinbarung, und sei es auch nur in Form eines stillschweigend geschlossenen Gesellschaftsvertrages, zwischen der Voreigentümerin ihres Grundstücks, der PGH M. , und der damaligen D. aus den 60-iger Jahren des vorigen Jahrhunderts behaupte, wirke diese gegenüber dem Sonderrechtsnachfolger in das Grundstückseigentum nur, wenn sie von diesem übernommen wurde. Eine solche Übernahme durch die Beklagten habe die Klägerin ebenfalls nicht behauptet. Die Beklagte zu 2) und Herr S. seien lediglich Sondernachfolger in das Grundstückseigentum und nicht Gesamtrechtsnachfolger der D. bzw. der PGH M. .
Selbst unter der Annahme einer langjährigen stillschweigenden Duldung, also eines Gewohnheitsrechts, wirke diese nicht gegen den Sonderrechtsnachfolger und sei gemäß § 604 Abs. 3 BGB jederzeit kündbar. Eine solche Kündigung sei in dem anwaltlichen Scheiben vom 4. Oktober 2012 zu sehen, dies war auch nicht zur Unzeit, sondern mehr als vier Jahre vor der tatsächlichen Trennung der Abwasserleitung im Jahre 2017.
Schließlich stehe der Klägerin auch kein Notleitungsrecht gemäß § 917 Abs. 1 BGB zu. Dem Grundstück der Klägerin fehle nicht die notwendige Verbindung zur öffentlichen Entwässerung, denn ein öffentlicher Entwässerungskanal verlaufe in der angrenzenden G. Straße. Ein Notleitungsrecht bestehe auch nicht deshalb ausnahmsweise, weil die Kosten für die Schaffung eines Zugangs im Verhältnis zum Gesamtertrag des Grundstücks die Opfergrenze überschreiten würden. Es sei schon nicht plausibel, inwiefern die Klägerin den Anschluss an die G. Straße nur über einen schon realisierten, höher gelegenen Anschluss in der Größe von DN 150 realisieren könne. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass es technisch nicht möglich sei, an einem niedriger gelegenen Punkt der G. Straße einen größer dimensionierten Anschluss zu errichten. Jedenfalls sei die Opfergrenze selbst unter Zugrundelegung ihrer eigenen Berechnungen nicht erreicht. Monatliche Entwässerungskosten von 933,00 € führten bei einer Abschreibung von 20 Jahren zu Gesamtkosten von 223.920,00 €, d. h., Anschlusskosten von 13,86 €/m². Ein solcher Betrag überschreite für ein bebautes Grundstück in H. nicht die Opfergrenze.
Die Klägerin habe gegen die Beklagten auch keinen Anspruch aus § 1004 BGB, es zu dulden, dass die Klägerin die streitgegenständliche Abwasserleitung saniert und instand setzt (Klageantrag zu 2). Die Beklagten könnten Einwirkungen gemäß §§ 903, 905 S. 1, 2. Alternative BGB abwehren, weil die Klägerin gegenüber den Beklagten keinen Anspruch darauf habe, Abwasserleitungen im Grundstück der Beklagten zu haben.
Auch der Feststellungsantrag (Klageantrag zu 5) sei unbegründet, denn die Beklagten seien der Klägerin im Falle einer Beeinträchtigung, Beseitigung oder Schaffung einer Abflussbehinderung an der streitgegenständlichen Anlage nicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig. Es sei schon nicht ersichtlich, dass dadurch ein absolutes Recht der Klägerin verletzt würde. Da sich die streitgegenständliche Anlage auf den Grundstücken der Beklagten befinde, spreche, wenn man sie überhaupt als bewegliche Sache und nicht als Bestandteil des Grundstückseigentums der Beklagten ansehen wolle, die Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB für das Eigentum der Beklagten. Diese Vermutung habe die Klägerin nicht widerlegt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt und zur Begründung ausführt, dass ihre Ansprüche auf die Vorschriften der Gemeinschaft nach Bruchteilen an der Abwasseranlage zu stützen seien. Die Grundstückseigentümer in personeller Besetzung des Jahres 1965 hätten nämlich eine Zweckvereinbarung getroffen, dass über die Grundstücke der heutigen Beklagten die Abwasserleitung aller Grundstückseigentümer zu gemeinschaftlichem Eigentum mit Gefälle zur D. Straße unter Kostenteilung verlegt werden solle. Das Landgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass nach § 743 Abs. 2 BGB jeder Teilhaber zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstandes befugt sei und dass nach § 746 BGB die Regelungen zur Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes, hier also der Abwasserleitung, auch für und gegen die Sondernachfolger gälten. Ein wichtiger Grund für die Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 749 Abs. 2 BGB liege nicht vor, sei jedenfalls seitens der Beklagten nicht dargelegt. Insofern habe sie als Sondernachfolgerin Anspruch auf Fortsetzung der Gemeinschaft und Nutzung der Abwasserleitung. Es gehe nämlich nicht um eine Sondernachfolge in das Grundeigentum, sondern um eine Sondernachfolge an der technischen Anlage „Abwasserbeseitigungsleitung“.
Ihr Anspruch auf Duldung der Abwasserleitung stütze sich auch auf das Rechtsinstitut des Gewohnheitsrechts. Aufgrund der besonderen Gefällesituation des Grundstückes der Klägerin – G. Straße 13 – und auch des Nachbargrundstückes der Beklagten zu 2) – G. Straße 15 – zur G. Straße hin sei im Jahre 1965, die Ableitung einvernehmlich und unter Akzeptanz aller beteiligten Grundstückseigentümer zur D. Straße geführt worden. Einer entsprechenden Baugenehmigung sei allseits die Zustimmung gegeben worden und diese auch erteilt worden. Alle Beteiligten seien davon ausgegangen, an diese gebunden zu sein, da die Ableitung zur G. Straße als technisch nicht realisierbar betrachtet worden sei. Seit 1965 und damit seit über 50 Jahren bestehe daher die langandauernde und tatsächliche Übung, dass die Leitung geduldet und von allen Beteiligten genutzt werde. Alle Beteiligten seien bis jetzt auch davon ausgegangen, zu dem Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein. Allein die Beklagten seien mit Erlangung des Grundstückseigentums nicht mehr bereit, die gemeinsame Nutzung der Leitung zu akzeptieren. Dies widerspreche dem entstandenen Gewohnheitsrecht, das entgegen der Ansicht der Kammer nicht kündbar sei. Selbst bei unterstellter Kündbarkeit stelle sich das Gewohnheitsrecht jedenfalls als Dauerschuldverhältnis dar, das nur aus wichtigem Grund nach § 314 BGB gekündigt werden könne, ohne dass ein solcher von den Beklagten behauptet worden sei.
Das Landgericht habe darüber hinaus ein Notleitungsrecht zu Unrecht verneint. Sie habe dargelegt und durch Belege nachgewiesen, dass die G. Straße und der dort verlegte Abwasserkanal ein Gefälle zu ihrem Grundstück von knapp zwei Metern aufweise. Einen niedrigeren Punkt an der G. Straße, an dem eine Überleitung ohne Höhendifferenz möglich sei, gebe es unstreitig nicht. Für ein Notleitungsrecht sei aber auch die Verhältnismäßigkeit der möglichen Lösung maßgeblich. Außer Betracht zu bleiben hätten solche Verbindungsmöglichkeiten, die hohe Aufwendungen oder Erschwernisse mit sich bringen, so dass durch sie die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksbenutzung in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde. Vorliegend entstünden mit der Umsetzung des hier einzig möglichen technischen Leitungsweges 933,00 € monatlich als zusätzliche Entwässerungskosten. Dies sei zu dem monatlichen Ertrag des Grundstückes ins Verhältnis zu setzen. Dazu sei vorgetragen worden. Das Landgericht stelle aber nicht auf den Ertrag ab, sondern auf die Abschreibungskosten des Grundstückes und inwieweit diese im Verhältnis zu der Umgebungsbebauung vertretbar seien. Darauf komme es nicht an. Nicht berücksichtigt worden seien auch die monatlichen Anschlusskosten. Das Landgericht habe auch – ohne ihren Beweisantritten nachzugehen – gemeint, dass es nicht plausibel sei, dass kein größerer Anschluss als der errichtete möglich sein solle.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts vom 27. April 2018, Az.: 6 O 393/16, nach den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu entscheiden wie folgt:
1. Die Beklagten zu 1) bis 3) zu verurteilen, die vorhandene Anbindung der Abwasseranlage des klägerischen Grundstückes G. Straße 13, Gemarkung B. , Grundbuchblatt 506, Flur 2, Flurstück 781 über die in den Grundstücken der Beklagten zu 2), G. Straße 15, Gemarkung B. , Grundbuchblatt 487, Flur 2, Flurstücke 779, 777 sowie in den Grundstücken der Beklagten zu 3), D. Straße 72/72a, Gemarkung B. , Grundbuchblatt 1834, Flur 2, Flurstück 885, verlegte Abwasserleitung zum ausschließlichen Zwecke der Überleitung in das öffentliche zentrale Abwassersystem ohne Abwasserverlust auf den vorgenannten Grundstücken der Beklagten zu 2) und 3) zu dulden.
2. Die Beklagten zu 1) bis 3) zu verurteilen, zu dulden, dass die Klägerin die im vorgenannten Antrag genannte Abwasserleitung, an die die Abwasseranlage der Klägerin angebunden ist, auf eigene Kosten so saniert und instand hält, gegebenenfalls unter einer Inanspruchnahme der Grundstücke der Beklagten zu 2) und 3), dass eine Ableitung ohne Abwasserverlust erfolgen kann.
3. Die Beklagten zu 1) bis 3) zu verurteilen, es zu unterlassen, die vorhandene Anbindung der Abwasseranlage u. a. des klägerischen Grundstückes G. Straße 13, Gemarkung B. , Grundbuchblatt 506, Flur 2, Flurstück 781 über die Grundstücke der Beklagten G. Straße 15, Gemarkung B. , Grundbuchblatt 487, Flur 2, Flurstücke 779 und 777 und D. Straße 72/72a, Gemarkung B. , Grundbuchblatt 1834, Flur 2, Flurstück 885 zu beeinträchtigen, zu beseitigen oder sonst durch Maßnahmen den Abfluss zu behindern.
4. Den Beklagten anzudrohen, dass für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt wird.
5. Festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 3) verpflichtet sind, im Falle einer Beeinträchtigung, Beseitigung oder Schaffung einer Abflussbehinderung an der vorhandenen Abwasseranlage des klägerischen Grundstückes G. Straße 13, Gemarkung B. , Grundbuchblatt 506, Flur 2, Flurstück 781 über die Grundstücke der Beklagten G. Straße 15, Gemarkung B. , Grundbuchblatt 487, Flur 2, Flurstücke 779 und 777 und D. Straße 72/72a, Gemarkung B. , Grundbuchblatt 1834, Flur 2, Flurstück 885 entstehenden Schaden zu ersetzen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung und wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Der Senat teilt die Zweifel der Beklagten an einer ordnungsgemäßen Einlegung der Berufung und auch der Berufungsbegründung nicht. Zwar weisen diese im Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach bei Gericht eingegangenen Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Klägerin laut Prüfunterlagen einen Widerspruch zwischen Visitenkarte („Rechtsanwälte G. , Sch. , Z. & Koll.“) und Zertifikat („Rechtsanwälte B. , Sch. , Z. & Kollegen“) auf. Diese Abweichung ist allerdings für die Zulässigkeit der Berufung nicht erheblich. Es kommt nämlich nicht darauf an, von welcher technischen Einrichtung aus ein Schriftsatz an das Gericht gesandt wird. Vielmehr ist allein maßgeblich, dass die Berufungsschrift ebenso wie die Berufungsbegründungsschrift mit der laut Prüfprotokoll gültigen Signatur der die Klägerin vertretenden Rechtsanwältin M. innerhalb der Berufungs- bzw. verlängerten Berufungsbegründungsfrist übermittelt worden ist.
In der Sache hat die Berufung allerdings keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO), noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Beurteilung.
1. Soweit die Zulässigkeit der Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) im hiesigen Gerichtsbezirk beanstandet wird, hat wegen § 513 Abs. 2 ZPO eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit durch den Senat zu unterbleiben.
2. Zu Recht hat das Landgericht eine Verpflichtung der Beklagten zu 1) bis 3) verneint, die Anbindung der Abwasseranlage des klägerischen Grundstücks G. Straße 13 an die Abwasserleitung auf den Grundstücken G. Straße 15 und D. Straße 72/72 A in H. zum Zwecke der Überleitung in das öffentliche zentrale Abwassersystem zu dulden.
a. Eine Pflicht der Beklagten zur Duldung einer Nutzung der Leitung durch die Klägerin folgt nicht aus einer zwischen den Parteien bestehenden Gemeinschaft im Sinne von §§ 741 ff. BGB. Zwar könnte der Sondernachfolger, also jeder Erwerber eines Bruchteils an einer Gemeinschaft, gemäß § 746 BGB an die von den Teilhabern getroffenen Verwaltungs- und Nutzungsvereinbarungen gebunden sein. Tatsächlich ist seinerzeit weder eine Gemeinschaft im Sinne von § 741 BGB zustande gekommen noch ist eine Sonderrechtsnachfolge bei der Klägerin einerseits und den Beklagten andererseits festzustellen.
aa. Es fehlt bereits an einer Gemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB. Dies ist das Innehaben eines Rechtes durch mehrere Rechtsträger zu ideellen Bruchteilen (z. B. von Proff, in: Staudinger, BGB, Rdn. 5 Vorbem. §§ 741 ff. BGB). Gegenstand der Gemeinschaft ist stets ein Recht. In Betracht kommt eine Bruchteilsgemeinschaft u.a. beim Miteigentum (§§ 1008-1011 BGB), bei Forderungen, bei Hypotheken (§§ 1113-1190 BGB), bei Grundschulden (§§ 1191-1198 BGB), beim Nießbrauch (§§ 1030-1089 BGB), bei Dienstbarkeiten (§§ 1090-1093 BGB), beim Vorkaufsrecht (§§ 1094-1104 BGB) und an Vermögenswerten öffentlich-subjektiven Rechten (z. B. Gregor, in: JurisPK-BGB, Rdn. 5 zu § 741 BGB), aber auch beim Mitbesitz (z. B. von Proff, a.a.O., Rdn. 133 zu § 741 BGB). Dabei ist die Berechtigung zu ideellen Bruchteilen im Sinne von § 741 BGB Voraussetzung, nicht Rechtsfolge der Gemeinschaft. Ausgangspunkt für die Annahme einer Gemeinschaft ist daher ein Recht, das den Beteiligten gemeinschaftlich zusteht (z. B. BGH, Urteil vom 13. Juli 2018, V ZR 308/17, zitiert nach Juris).
Den Parteien steht ein solches Recht nicht zu.
(1) Gegenstand einer Gemeinschaft ist hier nicht der Besitz an der Rohrleitung. Es ist schon nicht zu erkennen, inwieweit Mitbesitz verschiedener Beteiligter begründet worden ist. Entsprechenden Vortrag hält die Klägerin nicht. Es versteht sich hinsichtlich der Leitung, die in erster Linie von dem öffentlichen Anschluss zu den Gebäuden der damaligen „D. führt, keinesfalls von selbst, dass der seinerzeitigen PGH M. Mitbesitz eingeräumt worden ist.
(2) Aber auch Miteigentum an der Rohrleitung hat keine Gemeinschaft begründet. Die Klägerin ist im Ausgangspunkt selbst davon ausgegangen (Bl. 10 Band I d.A.), dass die Abwasserleitungen im alleinigen Eigentum der jeweils beklagten Grundeigentümerin stehen. Im Widerspruch hierzu steht allerdings das Vorbringen (Bl. 35 und 72 Band II d.A.), dass es sich um eine gemeinschaftliche Anlage im gemeinschaftlichen Eigentum handele. Dieser Vortrag ist nicht bereits wegen der aufgezeigten Widersprüchlichkeit unbeachtlich. Eine Partei ist nämlich nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Dabei entstehende Widersprüchlichkeiten im Parteivortrag können allenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung Beachtung finden (z. B. BGH, NJW-RR 2018, 1150). Ungeachtet der rechtlichen Behauptungen, es sei gemeinschaftliches Eigentum begründet worden, trägt der Vortrag der Klägerin deren Miteigentum an der Abwasserleitung nicht. Sie folgert gemeinschaftliches Eigentum lediglich aus der nach ihrer Behauptung gemeinschaftlichen Zweckvereinbarung mit Kostenteilung in der Zeit 1961/1965 zwischen der damaligen D. und der damaligen PGH M. . Diese hätten – so die Klägerin – einen privatrechtlichen Vertrag dahingehend geschlossen, die Abwasserleitung zur Abführung der Abwässer aus den jeweiligen Abwasserbeseitigungsanlagen der beteiligten Grundstückseigentümer gemeinschaftlich zu projektieren, zu errichten und die Kosten hierfür zu tragen sowie die erforderlichen Genehmigungen zu erlangen. Solches Vorbringen begründet allerdings kein Miteigentum der Klägerin. Schon im Ausgangspunkt stellen sich Rohrleitungen, die im eigenen Grundstück verbaut sind, als wesentliche Bestandteile im Sinne des § 94 BGB dar, die im Wege der Verbindung nach § 946 BGB Eigentum des damaligen Grundeigentümers, also der D. geworden sind.
Miteigentum der PGH M. hätte nur in Anwendung der seinerzeit geltenden §§ 929 ff. BGB, etwa durch Einigung und Übergabe oder durch Besitzkonstitut begründet werden können. Hierzu fehlt jedoch jeglicher konkreter Vortrag der Klägerin. Selbst wenn in der behaupteten Zweckvereinbarung unter Kostenteilung mit gemeinschaftlichem Eigentum an der Abwasserleitung eine Vereinbarung über die Übertragung von Miteigentum an die PGH M. bei gleichzeitigem Besitz durch Nutzung der Abwasserleitung durch die PGH M. ein entsprechender Erwerbstatbestand zu Gunsten der PGH M. gesehen werden könnte, wäre doch kein Miteigentum festzustellen. Auf das Bestreiten einer solchen auf die Einräumung von Miteigentum gerichteten Vereinbarung durch die Beklagten, hat die Klägerin keinen durchgreifenden Beweis angeboten. Die vorgelegten Unterlagen aus den Jahren 1961 bis 1965 geben hierfür nichts her. Weder die Schreiben der D. vom 22. August 1961 und vom 11. Mai 1965 an die PGH M. noch die weiteren Schreiben an den VEB Wasserwirtschaft vom 15. August 1961 und an den Rat der Stadt H. vom 18. Juli 1962 oder auch die der PGH M. erteilte Baugenehmigung vom 15. Juni 1965 lassen etwas dafür erkennen, dass hier Miteigentum der PGH M. begründet werden sollte.
(3) Allerdings wird für den Fall, dass zwei Grundstücke entwässerungsmäßig dergestalt zusammengefasst werden, dass sie über ein einheitliches Rohrsystem mit jeweils nur einem Revisionsschacht entwässert werden, vertreten, dass zwischen den Eigentümern jener Hausgrundstücke auch ohne eine entsprechende Vereinbarung eine Rechtsgemeinschaft im Sinne des §§ 741 ff. BGB begründet werden kann, die sie zum Besitz und zur Nutzung der Entwässerungsleitungen in gleicher Weise berechtigt (z. B. OLG Hamm, OLGR Hamm 1994, 35; OLGR Hamm 1994, 251; Urteil vom 26. Januar 2012, 5 U 133/11; Urteil vom 8. November 2012, 5 U 100/12; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2007, 299). Diese Aussage ist in dieser Allgemeinheit aber nicht haltbar. Das Vorhandensein von Leitungen, die Grundstücksgrenzen überschreiten und der Versorgung verschiedener Grundstücke dienen, begründet für sich genommen keine zwischen den Grundstückseigentümern bestehende Rechtsgemeinschaft (z. B. BGH, Urteil vom 13. Juli 2018, V ZR 308/17, zitiert nach Juris). Es bedarf vielmehr eines zu ideellen Bruchteilen zustehenden Rechts, das hier aber, wie ausgeführt, nicht festzustellen ist.
Darüber hinaus sind die den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm und Düsseldorf zugrunde liegenden Sachverhalte nicht mit dem hier zu entscheidenden Fall vergleichbar. In jenen Fällen ging es entweder um Reihenhäuser oder Doppelhäuser, für die von Anfang an eine gemeinschaftliche Entwässerungsanlage bestand, oder um zwei nachträglich getrennte Grundstücke, für die vor der Trennung eine einzige Entwässerungsanlage errichtet worden war. Im vorliegenden Fall fehlt es an einer solchen Gleichartigkeit. Dem Schreiben vom 22. August 1961 und vom 11. Mai 1965 kann entnommen werden, dass die D. ein Entwässerungssystem für ihr Bauvorhaben Großhandelslager H.-B. zu errichten gedenkt und dass im Rahmen dieses Projekts ein Entwässerungsanschluss des Grundstücks der PGH M. gegen deren Kostenbeteiligung berücksichtigt wurde. Dies lässt nicht auf die erforderliche grundsätzlich gleichberechtigte Beteiligung an dem Entwässerungssystem schließen. Die Berechtigung zu ideellen Bruchteilen ist nämlich Voraussetzung der Gemeinschaft. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Rechtszuständigkeit am gemeinschaftlichen Gegenstand geteilt ist. Dabei hat jeder Teilhaber ein durch die Mitberechtigung der anderen beschränktes Recht an dem ganzen ungeteilten Gegenstand (z. B. Gregor, in: JurisPK-BGB, Rdn. 6 und 2 zu § 741 BGB). Wird dem Grundstückseigentümer erlaubt, sein Grundstück am Ende des Leitungssystems anzuschließen und die in erster Linie von den Grundstücksnachbarn für ihre Zwecke errichteten Leitungen mitzubenutzen, lässt dies auf ein bloßes schuldrechtliches Mitbenutzungsrecht schließen, nicht auf eine Gemeinschaft gleichberechtigter Teilhaber an der Entwässerungsanlage insgesamt. Sehr deutlich wird dieses Verhältnis der damaligen Beteiligten durch das Schreiben des VEB Wasserwirtschaft an den Rat der Stadt H. vom 18. Juli 1962 (Bl. 183 Band I d.A.):
„Sie erwähnen in ihrem Schreiben vom 15. August, dass die D. , die in unmittelbarer Nähe ein Vorhaben plant, den Anschluss Ihrer Leitung an die Entwässerungsleitung des Objektes der D. genehmigt. … Es steht unsererseits nichts im Wege, dass sie sich an diese Leitung mit anschließen.“
An Planung, Errichtung und letztlich auch künftigem Unterhalt bzw. Verwaltung der Gesamtanlage war die PGH M. nicht beteiligt. Dass der PGH M. eine Baugenehmigung (Bl. 206 I) – wohl nur für ihre Anschlussleitung – erteilt wurde und von ihr auch Baukosten getragen wurden, macht sie nicht notwendig zu einem gleichberechtigten Teilhaber an der Gesamtanlage.
bb. Aber selbst wenn man dem nicht folgen wollte und annähme, dass die D. und die PGH M. eine Gemeinschaft im Sinne des § 741 BGB gebildet haben sollten, ist jedenfalls nicht festzustellen, dass die Klägerin einerseits und die Beklagten andererseits Teilhaber an einer bis heute bestehenden Gemeinschaft über die Entwässerungsanlage geworden wären. Die Parteien sind offensichtlich keine Gesamtrechtsnachfolger der seinerzeitigen Beteiligten der behaupteten Vereinbarung aus den Jahren 1961/1965. Aber auch eine Sonderrechtsnachfolge scheidet aus. Zwar wirken die getroffenen Vereinbarungen der Teilhaber gemäß § 746 BGB gegenüber jedem Sondernachfolger. Sondernachfolge ist jeder Rechtserwerb, der auf der rechtsgeschäftlichen Verfügung des Anteils beruht. Daher ist Sondernachfolger jeder Erwerber eines Bruchteils an der Gemeinschaft (z. B. Gregor, in: JurisPK-BGB, Rdn. 2 zu § 746 BGB). Dies darf nicht mit der Rechtsnachfolge als Erwerber und Eigentümer der beteiligten Grundstücke verwechselt werden. Vielmehr hätten die Klägerin bzw. auch die Beklagten rechtsgeschäftlich die seinerzeitigen Anteile der PGH M. bzw. der D. an dem gemeinschaftlichen Recht zur Nutzung der Entwässerungsanlage, also gerade die Teilhaberschaft an der Gemeinschaft, übertragen bekommen müssen. Hierzu fehlt jeglicher Vortrag. Dass die Parteien Nachfolger der damaligen Beteiligten als Eigentümer der betroffenen Grundstücke sind, reicht für eine Nachfolge als Teilhaber der Gemeinschaft nicht aus. Dafür, dass diese Rechtsstellung jeweils konkludent mitübertragen worden wäre, fehlen jegliche Anhaltspunkte.
b. Eine Duldungspflicht trifft die Beklagten auch nicht wegen geltenden Gewohnheitsrechts. Es gibt hier kein für den Sachverhalt relevantes Gewohnheitsrecht. Die Klägerin meint unzutreffend, dass sich Gewohnheitsrecht schon dadurch bilde, dass mehrere Grundstückseigentümer eine Abwasserleitung gemeinschaftlich nutzen und die entsorgungspflichtige Kommune dies zulasse und dulde. Vielmehr ist für die Entstehung von Gewohnheitsrecht nicht nur eine tatsächliche Übung erforderlich, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist, sie muss auch von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt sein. Notwendig ist mithin die Überzeugung der beteiligten Verkehrskreise, durch die Einhaltung der Übung bestehendes Recht zu befolgen. Gewohnheitsrecht zählt also zu den Rechtsnormen und endet mit dem Inkrafttreten entgegenstehenden Gesetzesrechts oder mit der Bildung entgegenstehenden Gewohnheitsrechts. Dabei genügt es, dass eine große Mehrheit der beteiligten Verkehrskreise die Übung nicht mehr fortsetzt oder die Rechtsüberzeugung der Anwendung geltenden Rechts weitgehend abhanden gekommen ist (vgl. BGH, NJW 2014, 387; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Rdn. 17, 22 der Einleitung BGB).
Hier kann daher Gewohnheitsrecht schon deshalb nicht angenommen werden, weil die Klägerin nicht das Entstehen einer Rechtsnorm behauptet, also einer abstrakten Regel für eine Mehrzahl von Adressaten. Zur Qualifizierung von Regeln als Rechtsnormen bedarf es nämlich eines Merkmals, das sich aus den ungeschriebenen Grundlagen des BGB ergibt. Eine Regel als Richtschnur menschlichen Verhaltens muss generellen Charakter haben, d.h. sich an eine unbestimmte Vielzahl von Menschen richten (vgl. Merten, in: Staudinger, BGB, Rdn. 12 zu Art. 2 EGBGB). Hier behauptet die Klägerin nur eine Bindung der in der konkreten Belegenheit beteiligten Grundstückseigentümer nebst Stadtverwaltung. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass die Grundstückseigentümer nebst Kommune 1961/1965 die übereinstimmende Überzeugung gehabt hätten, eine generelle Regel aufzustellen, die über die von ihnen vor Ort zu bewältigende Problematik der Entwässerung hinausreicht.
c. Die Beklagten sind zur Duldung auch nicht wegen eines Notleitungsrechts der Klägerin im Sinne von § 917 BGB verpflichtet.
Im Berufungsverfahren ist nicht mehr im Streit, dass technisch trotz des bestehenden Höhenunterschiedes eine Entwässerung zu der öffentlichen Abwasserleitung in der G. Straße möglich ist. Diese Möglichkeit hat die H. Wasser und Stadtwirtschaft GmbH in ihrem Schreiben vom 10. September 2013 bestätigt (Bl. 111 Band I d.A.). Dementsprechend ist der Klägerin seitens der Stadt H. mit Bescheid vom 16. Februar 2017 zuletzt auch förmlich aufgegeben worden, ihr Grundstück direkt an den öffentlichen Mischwasserkanal in der G. Straße anzuschließen (vgl. Schreiben der Stadt Halle, Fachbereich Umwelt, Untere Wasserbehörde, vom 29. März 2017 [Bl. 203 Band I d.A.] und vom 16. Februar 2017 [Bl. 15 Band II d.A.]). Erforderlichenfalls hat die Klägerin für eine ausreichende – größere – Dimensionierung des Anschlusses ihres Grundstücks an die öffentliche Abwasserleitung in der G. Straße zu sorgen.
Bei bestehender Anschlussmöglichkeit an öffentliche Straßen und Leitungen kommt ein Notwegerecht bzw. ein Notleitungsrecht nur ganz ausnahmsweise in Betracht, nämlich wenn dem Grundstückseigentümer die Herstellung dieses Zugangs/Anschlusses nicht zugemutet werden kann. Grundsätzlich muss der Grundstückseigentümer den Zugang von dem öffentlichen Weg zu abgeschnittenen Grundstücksteilen auf dem eigenen Grundstück schaffen. Dies gilt auch dann, wenn das für den Grundstückseigentümer umständlicher, weniger bequem oder kostspieliger ist als die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks. Der Eigentümer muss deshalb grundsätzlich Umbaumaßnahmen vornehmen, um eine vorhandene Verbindung seines Grundstücks zu einem öffentlichen Weg nutzen zu können. Erst wenn die mit der Schaffung eines Zugangs auf dem eigenen Grundstück verbundenen Erschwernisse so groß sind, dass die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksbenutzung aufgehoben oder in unzumutbarer Weise geschmälert wird, ist der Nachbar zur Duldung der Benutzung seines Grundstücks als Zugang verpflichtet. Die Grenze der Zumutbarkeit für den Grundstückseigentümer ist nicht durch einen Vergleich zwischen der Beeinträchtigung des auf Duldung eines Notweges in Anspruch genommenen Nachbarn und den Kosten zu bestimmen, die durch die Schaffung eines Zugangs auf dem eigenen Grundstück entstehen. Maßgeblich ist vielmehr das Verhältnis der für die Schaffung einer Zuwegung notwendigen Kosten zu der Wirtschaftlichkeit der Nutzung des Grundstücks (z. B. BGH, NJW 2006, 3426; NJW-RR 2015, 1234; NJW 1964, 1321; Urteil vom 13. Juli 2018, V ZR 308/17, zitiert nach Juris). Insofern beanstandet die Klägerin im Ausgangspunkt zu Recht, dass das Landgericht für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit allein auf die Kosten der Errichtung einer Abwasseranlage pro Quadratmeter des Grundstücks abgestellt hat, es also versäumt hat, diese Kosten in das Verhältnis zu den Erträgen des Grundstücks zu stellen.
Jene Grenze der Zumutbarkeit ist im vorliegenden Fall allerdings selbst dann nicht feststellbar überschritten, wenn die von der Klägerin vorgetragenen Kosten zugrunde gelegt werden könnten: Im Ausgangspunkt sind die von der Klägerin vorgetragenen Herstellungskosten jedoch schon ohne die erforderliche Substanz. Zwar beziffert die Klägerin die Kosten zur Herstellung eines eigenen Anschlusses mit 89.000,00 € für die Umrüstung der Abwasserbeseitigungsanlage auf ihrem Grundstück, mit 10.000,00 € für die Planung und Projektierung und mit 100.000,00 € für die technische Lösung zur Überleitung der Abwässer von einem DN400-Anschluss auf ein DN150-System, für Pumpensysteme bzw. zum Anschluss an die öffentliche Abwasserleitung, insgesamt also 200.000,00 €. Auf das Bestreiten des Umfangs dieser Baukosten durch die Beklagten hätte es hier dezidierten Vortrags zu den im Einzelnen erforderlichen Baumaßnahmen und zu deren jeweiligen Kosten bedurft. Die Klägerin belässt es bei der Angabe pauschal geschätzter Kosten für die nur grob angegebenen Bereiche der Arbeiten. Sie verkennt hier die Vortragslast. Anders als die Klägerin meint, kann sie nicht bloß darauf verweisen, dass statt ihrer ein gerichtlich bestellter Sachverständiger die konkret erforderlichen Bauarbeiten und die hierdurch verursachten Kosten im Einzelnen ermittelt („vorbehaltlich genauer Ermittlung durch einen Sachverständigen“).
Aber selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, dass die Klägerin zureichend zu den Herstellungskosten vorgetragen hätte, wäre ein Herstellungsaufwand in Höhe von 200.000,00 € nicht unzumutbar. Dieser Betrag entspricht bei – nach übereinstimmender Ansicht der Parteien hier anwendbarer – zwanzigjähriger Abschreibung gemäß der vorgelegten AfA-Tabelle (Bl. 81 Band II d.A.) einem monatlichen Betrag von 833,33 €. Hinzu kommen die regelmäßig anfallenden Unterhaltungs- und Wartungskosten in Höhe von monatlich ca. 100,00 €, somit insgesamt 933,00 €, wie auch von der Kammer zugrunde gelegt. Demgegenüber bleiben die fortlaufend zu entrichtenden Abwassergebühren außer Betracht, zumal sie im Zweifel auf die Mieter umgelegt werden können. Da jene Kosten in Höhe von 933,00 € die von der Klägerin angeführten monatlichen Erträge von 1.042,00 € nicht übersteigen, ist jedenfalls keine Unwirtschaftlichkeit zu verzeichnen. Mangelnde Wirtschaftlichkeit ist erst Recht unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung der Steuerberater Bt. & Partner vom 22. Februar 2018 (Bl. 84 Band II d.A.) zu verneinen. Anders als die Klägerin vorgetragen hat, ist der von ihr angegebene monatliche Ertrag von 1.042,00 € nicht aus einem durchschnittlichen jährlichen Ertrag aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 12.500,00 € abzuleiten. Jener Bescheinigung der Steuerberater ist vielmehr zu entnehmen, dass im Jahr 2016 ein Ertrag von 24.076,80 € und im Jahr 2017 ein Ertrag von 11.416,50 € angefallen ist, im Schnitt also 17.746,65 €, somit monatlich 1.478,89 €.
Dieser Betrag ist zudem in erheblichem – wenn auch nicht näher bezifferbarem – Umfang zu erhöhen. Unwidersprochen befindet sich auf dem Grundstück ein Wohnhaus mit einer Wohnfläche von ca. 750 qm, das die Klägerin mit ihrer Familie bewohnt. Für die Wirtschaftlichkeit des Grundstücks ist daher zu berücksichtigen, dass für ein saniertes Wohnhaus dieser Größe und mit der gehobenen Ausstattung, wie sie sich aus den beiden Verkaufsexposés vom 16. Januar 2014 und vom 19. Februar 2014 (Bl.118 ff. Band II d.A.) ergibt, neben den oben angesprochenen Einkünften aus der Vermietung von Gewerbeflächen eine fraglos nicht geringe Miete erzielt werden könnte. Diese kann durch den Senat mit einem Betrag für die Nettomiete nicht unter 1.500,00 € geschätzt werden. Im Übrigen weisen gerade die beiden Verkaufsexposés auf deutlich höhere Mieterträge für das 16.000 qm große und mit diversen Gebäuden (Büroflächen, Wohnhaus, Lagerhalle, insgesamt 1.860 qm Nutzfläche) bebaute Grundstück der Klägerin. Dort ist jeweils angegeben, dass die Mieteinnahmen ca. 4.000,00 € netto im Monat betragen. Jedenfalls im Jahre 2013 konnte daher mit Mieterträgen von 48.000,00 € für das Grundstück insgesamt unter Einschluss des Wohnhauses jährlich gerechnet werden. Insofern kann – niedrig geschätzt – auch aktuell von potentiellen Mieterträgen nicht unter 3.000,00 € ausgegangen werden. Dieser Betrag übersteigt die monatlichen Kosten für die Herstellung des eigenen Abwasseranschlusses von monatlich 933,00 € um ein Mehrfaches, so dass an der Wirtschaftlichkeit dieses Vorhabens nicht gezweifelt werden kann.
d. Eine Verpflichtung zur Duldung kann auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis abgeleitet werden. Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist zwar der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefasst wird. In der Regel begründet der Gedanke von Treu und Glauben aber im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus. Sie kann den Grundstückseigentümer im Einzelfall allerdings auch zu positivem Handeln verpflichten. Eine aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis folgende selbstständige Verpflichtung ist mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen jedoch eine eng begrenzte Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint. Nur unter dieser Voraussetzung kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden oder dem Grundstücksnachbarn eine selbstständige Verpflichtung auferlegt werden. Das Rechtsinstitut darf nicht dazu dienen, die nachbarrechtlichen Regelungen in ihr Gegenteil zu verkehren (ständige Rspr. des BGH, Urteil vom 13. Juli 2018, V ZR 308/17, zitiert nach Juris).
Nach diesen Grundsätzen kommt eine Berechtigung der Klägerin, die Abwasserleitung der Beklagten zu nutzen, auch nicht ausnahmsweise in Betracht. Wie im Einzelnen zum Notleitungsrecht ausgeführt, ist es der Klägerin zumutbar, für eine eigene Verbindung zu der öffentlichen Abwasseranlage zu sorgen. Dann rechtfertigen auch Treu und Glauben nicht die Mitbenutzung der Abwasserleitung der Beklagten, zumal die Klägerin schon seit mittlerweile sechs Jahren mit der konkreten Aussicht konfrontiert ist, die Abwässer ihrer Gebäude nicht mehr über das Grundstück der Beklagten ableiten zu können.
3. Ist also die Klägerin zur Nutzung der Abwasserleitung auf den Grundstücken der Beklagten nicht berechtigt, müssen auch die weiteren Klaganträge (Duldung der Instandhaltung der Abwasserleitung, Unterlassen der Beeinträchtigung und Feststellung der Ersatzpflicht für Störungen) ohne Erfolg bleiben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Grimm Bode Dr. Fichtner

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