Erbfolge für wertvolle Sammlung eines 1940 verstorbenen jüdischen Kunstsammlers geklärt

Oktober 3, 2019

Erbfolge für wertvolle Sammlung eines 1940 verstorbenen jüdischen Kunstsammlers geklärt

Das OLG Karlsruhe hat im Verfahren über die Erteilung eines Erbscheins entschieden, dass Erben der derzeit im Badischen Landesmuseum Karlsruhe befindlichen wertvollen Sammlung eines 1940 verstorbenen jüdischen Kunstsammlers aus Baden-Baden eine Tochter bzw. ein Enkel des in den USA verstorbenen Neffens sind.

Der jüdische Kunstsammler E.G. sammelte vor allem wertvolles Porzellan. Die Sammlung, die das Land Baden im Jahr 1940 für sich vereinnahmte, befindet sich derzeit im Bestand des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe. E.G. errichtete im Mai 1939 ein Testament, in dem er den Sohn seiner Schwester C.G., seinen damals in Breslau wohnhaften Neffen H.G. zum Alleinerben bestimmte. Im Juli 1939 ergänzte er sein Testament um folgenden Zusatz: „Da mein Neffe H.G. nach New York ausgewandert ist, bestimme ich zu meinem Alleinerben meine Schwester C.G. Sollte diese nicht mehr am Leben sein, so soll mein Vermögen an die J. Gemeinde übergehen zur Unterstützung hilfsbedürftiger Juden“. C.G. verstarb im November 1939.
Der Kunstsammler starb im Juli 1940. Sein von ihm bestimmter jüdischer Testamentsvollstrecker wurde im Oktober 1940 zusammen mit über 6.500 weiteren badischen, pfälzischen und saarländischen Juden festgenommen und in ein Internierungslager verschleppt. Das Nachlassgericht bestimmte daraufhin einen anderen Testamentsvollstrecker mit der Begründung, der bestimmte Testamentsvollstrecker befinde sich „nicht mehr im Reichsgebiet“. Ein ebenfalls eingesetzter Nachlasspfleger gab im Mai 1941 eine Einverständniserklärung ab, wonach die Kunstgegenstände als Stiftung in das Eigentum des Badischen Staats übergehen. Die wertvolle Porzellansammlung sowie mehrere Gobelins und Ölgemälde waren bereits zuvor in das Landesmuseum Karlsruhe verbracht worden.
1982 starb der Neffe in den USA. Im Zuge eines Verfahrens des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg zur Rückgabe der Kunstsammlung an die Erben von E.G. wurde von der J. Gemeinde aufgrund des Testaments aus dem Jahr 1939 die Erteilung eines Erbscheines zu ihren Gunsten beantragt. Ihrer Ansicht nach wurde sie aufgrund des Nachtrags vom Juli 1939 Alleinerbin von E.G.
Eine in den USA lebende Tochter sowie ein Enkel von H.G. sind der Auffassung, ihr Vater bzw. Großvater habe E.G. beerbt. Der Nachtrag zum Testament sei nichtig, da er darauf beruhe, dass es unter den Nationalsozialisten für H.G. von den USA aus unmöglich gewesen sei, den Besitz der Erbschaft zu erlangen.
Das Nachlassgericht hatte mit Beschluss vom 12.06.2017 die erteilten Teilerbscheine wegen offensichtlicher Unrichtigkeit eingezogen und festgestellt, dass E.G. durch seinen Neffen beerbt wurde.

Das OLG Karlsruhe hat die Beschwerde gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist H.G. Erbe seines Onkels geworden, da der Nachtrag von Juli 1939 von der Vorstellung geleitet war, dass der Neffe wegen der weitgehenden rechtlichen Diskriminierung von Juden im Jahr 1939 nach seiner Emigration nicht in den Genuss der Erbschaft kommen kann. Im Wege der ergänzenden Auslegung sei davon auszugehen, dass der Erblasser den Nachtrag nicht verfasst hätte, wenn er gewusst hätte, dass diese diskriminierenden Regelungen wenige Jahre nach seinem Tod durch den Zusammenbruch des NS-Regimes hinfällig wurden. Dass die Erbeinsetzung seines Neffen für diesen Fall dem Willen des Erblassers entspreche, ergebe sich aus der Begründung des Nachtrags mit der Auswanderung seines Neffen nach New York. Die Vermögen jüdischer Emigranten wurden während der NS-Zeit durch eine Vielzahl von Regelungen praktisch vollständig ausgeplündert. So habe das NS-Regime ein Viertel des Vermögens der Emigranten als Steuer für das Verlassen des deutschen Reiches verlangt. Jüdisches Vermögen und Wertgegenstände durften nicht ohne Genehmigung ins Ausland verbracht werden. Genehmigungen seien nicht erteilt worden. Es sei davon auszugehen, dass all diese Bestimmungen auch dem Kunstsammler bekannt waren.

Das OLG Karlsruhe hat festgestellt, dass E.G. den Nachtrag nicht geschrieben und es bei der Einsetzung seines Neffen als Erben belassen hätte, wenn er gewusst hätte, dass dieser nach dem baldigen Ende des nationalsozialistischen Regimes die Erbschaft hätte antreten können.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

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