Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 16. April 1993 – 2Z BR 34/93 Wohnungsgrundbuchsache: Eintragungsvoraussetzungen bei Größenänderung der Miteigentumsanteile; Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bei Anfechtung einer Zwischenverfügung

Oktober 21, 2019

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 16. April 1993 – 2Z BR 34/93
Wohnungsgrundbuchsache: Eintragungsvoraussetzungen bei Größenänderung der Miteigentumsanteile; Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bei Anfechtung einer Zwischenverfügung
1. Ist eine Zwischenverfügung angefochten, kann das Landgericht nur über das damit geltendgemachte Eintragungshindernis entscheiden, nicht aber über den Eintragungsantrag selbst.
2. Wird die Größe der Miteigentumsanteile sämtlicher Wohnungseigentumsrechte ohne Änderung des zugehörigen Sondereigentums verändert, so sind hierzu entsprechende Rechtsänderungs- und Auflassungserklärungen aller Wohnungseigentümer erforderlich und die Zustimmung der dinglich Berechtigten an den Wohnungseigentumsrechten, deren Miteigentumsanteil kleiner wird, ferner eine Pfandunterstellung seitens der Wohnungseigentümer, deren Miteigentumsanteil sich vergrößert. Nicht erforderlich ist es, daß die Auflassungserklärungen erkennen lassen, welchem bestimmten Wohnungseigentumsrecht der von einem anderen Wohnungseigentumsrecht abgespaltene Miteigentumsanteil zugeschlagen wird. Es genügt, daß die Verringerung von Miteigentumsanteilen einzelner Wohnungseigentumsrechte insgesamt der Vergrößerung anderer Wohnungseigentumsrechte entspricht und feststeht, in welchem Umfang sich der Miteigentumsanteil jedes einzelnen Wohnungseigentumsrechts verändert (Ergänzung BayObLG München, 1958-09-26, BReg 2 Z 104/58, BayObLGZ 1958, 263).

Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten wird Nr.II des Beschlusses des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 11. Januar 1993 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer aus acht Einheiten bestehenden Wohnanlage. Nach dem Ausbau von Dachgeschoßräumen veränderten sie in notarieller Urkunde vom 17.6.1992 die Größe der Miteigentumsanteile. Von vier Wohnungseigentumsrechten wurden unterschiedlich große Teile der Miteigentumsanteile abgespalten und den übrigen vier Wohnungseigentumsrechten in unterschiedlicher Größe zugeschlagen.
In der notariellen Urkunde gaben die Beteiligten entsprechende Rechtsänderungserklärungen ab, erklärten sich insbesondere mit dem Eigentumsübergang einig und bewilligten die Eintragung der Rechtsänderungen im Grundbuch. Die Wohnungseigentümer derjenigen Wohnungseigentumsrechte, deren Miteigentumsanteile größer wurden, bewilligten die Pfandunterstellung der hinzukommenden Miteigentumsanteile hinsichtlich der auf den Wohnungseigentumsrechten bereits lastenden Grundpfandrechte einschließlich einer Ausdehnung der bestehenden Unterwerfungsklauseln. Die Gläubiger der an denjenigen Wohnungseigentumsrechten eingetragenen Grundpfandrechte, deren Miteigentumsanteile kleiner wurden, stimmten der Änderung der Miteigentumsanteile zu.
Den Eintragungsantrag der Beteiligten hat das Grundbuchamt durch Zwischenverfügung vom 24.9.1992 beanstandet. Es hat eine Ergänzung der Auflassungserklärungen dahin verlangt, daß der Gegenstand der einzelnen Teilauflassungen der Größe nach bezeichnet werde. Auf die Erinnerung/Beschwerde der Beteiligten hat das Landgericht durch Beschluß vom 11.1.1993 die Zwischenverfügung aufgehoben (Nr.I) und den Eintragungsantrag abgewiesen (Nr.II). Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.
Nach der Entscheidung des Landgerichts wurden anstelle des Beteiligten zu 6 andere als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.
l. Die weitere Beschwerde richtet sich nicht gegen den Teil der Entscheidung des Landgerichts, durch den die Zwischenverfügung aufgehoben wurde (Nr I). Mit der weiteren Beschwerde wird zwar die uneingeschränkte Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung verlangt, aber auch die Aufhebung der Zwischenverfügung. Hieraus folgt, daß sich die weitere Beschwerde nur gegen die Zurückweisung des Eintragungsantrags (Nr.II) richtet. Abgesehen davon, daß die Beteiligten durch die Aufhebung der Zwischenverfügung nicht beschwert sind, wäre eine weitere Beschwerde mit dem Ziel, die Zwischenverfügung wiederherzustellen, nicht zulässig (vgl. Horber/Demharter GBO 19.Aufl. § 71 Anm.19 c mit weit. Rechtsprechungsnachweisen).
2. Das Landgericht hat zur Begründung seiner den Eintragungsantrag abweisenden Entscheidung ausgeführt: Die Änderung der Größe von Miteigentumsanteilen verlange, daß ein Teil des jeweiligen Miteigentumsanteils eines Wohnungseigentümers im Weg der Auflassung auf einen oder mehrere andere Wohnungseigentümer übertragen werde. Aus den Auflassungserklärungen gehe nicht hervor, welcher Wohnungseigentümer welchen Miteigentumsanteil an welchen anderen Wohnungseigentümer aufgelassen habe.
3. Die Entscheidung des Landgerichts kann keinen Bestand haben. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens und damit der Entscheidung des Landgerichts war nur das in der Zwischenverfügung des Grundbuchamts benannte Eintragungshindernis; die Entscheidung über den Eintragungsantrag selbst war dagegen dem Landgericht nicht angefallen (BayObLGZ 1990, 51/56). Das Landgericht hätte daher, da es die Zwischenverfügung für unberechtigt hielt, lediglich diese aufheben dürfen. Über den Eintragungsantrag durfte es nicht entscheiden. Dies ist Sache des Grundbuchamts (Horber/Demharter § 77 Anm.5 b).
III.
Für das weitere Verfahren vor dem Grundbuchamt wird bemerkt:
1. Es ist allgemein anerkannt, daß Wohnungseigentümer untereinander ohne Änderung ihres Sondereigentums ihre Miteigentumsanteile vergrößern und verkleinern können. Dies geschieht in der Weise, daß ein Teil des Miteigentumsanteils eines Wohnungseigentümers von dessen Wohnungseigentumsrecht abgespalten und dem Wohnungseigentumsrecht eines anderen Wohnungseigentümers zugeschlagen wird. Von einer Veränderung der Miteigentumsanteile können auch sämtliche Wohnungseigentumsrechte betroffen sein. Durch sie ändert sich die Zusammensetzung der aus Miteigentumsanteil und Sondereigentum bestehenden Wohnungseigentumsrechte. Diese Inhaltsänderung erfordert entsprechende Auflassungen: § 20 GBO ist anzuwenden (BGH Rpfleger 1976, 352/353; BayObLGZ 1958, 263; BayObLG DNotZ 1983, 752; Horber/Demharter Anhang zu § 3 Anm.11 b; KEHE/Ertl Grundbuchrecht 4.Aufl. Einl. Rn. E 51). Bei der Inhaltsänderung müssen nur die unmittelbar betroffenen Wohnungseigentümer mitwirken (BGH Rpfleger 1976, 352/354), ferner nach dem Grundgedanken der §§ 877, 876 BGB die dinglich Berechtigten (BayObLGZ 1958, 263/271).
2. Das Verlangen des Grundbuchamts, daß die Auflassungserklärungen erkennen lassen müssen, zu wessen Gunsten und in welcher Größenordnung ein Wohnungseigentumsrecht Miteigentumsanteile verliert, könnte allenfalls im Hinblick auf Belastungen der betroffenen Wohnungseigentumsrechte berechtigt sein. Weil aber die dinglich Berechtigten der Rechtsänderung gemäß §§ 877, 876 BGB zustimmen müssen, rechtfertigen auch Belastungen das Verlangen des Grundbuchamts nicht.
Rechte, mit denen das Grundstück insgesamt belastet ist und die nach Maßgabe des § 4 der Verfügung über die grundbuchmäßige Behandlung der Wohnungseigentumssachen zu buchen sind, werden von der Inhaltsänderung nicht berührt (BayObLGZ 1958, 263/271). Dies könnte für die in sämtlichen Wohnungsgrundbüchern in Abteilung II eingetragenen beiden Rechte (Abwasserkanalleitungsrecht, Anbaurecht) zutreffen. Stimmen im übrigen die Berechtigten sonstiger Rechte, mit denen diejenigen Wohnungseigentumsrechte belastet sind, deren Miteigentumsanteile sich verringern, der Änderung zu und werden die hinzukommenden Miteigentumsanteile von denjenigen Wohnungseigentümern, deren Miteigentumsanteile sich vergrößern, den bereits bestehenden Belastungen einschließlich Unterwerfungsklauseln unterstellt, so ergeben sich auch im Hinblick auf diese Belastungen keine durchschlagenden Gründe, die dem Vollzug der Rechtsänderung im Grundbuch entgegenstehen könnten. Es sind keine sachlichen Gesichtspunkte erkennbar, die es unverzichtbar erscheinen ließen, daß dann, wenn die Miteigentumsanteile mehrerer Wohnungseigentumsrechte verändert werden, im einzelnen festgelegt wird, welchem bestimmten Wohnungseigentumsrecht der von einem anderen Wohnungseigentumsrecht abgespaltene Miteigentumsanteil zugeschlagen wird. Es genügt vielmehr, daß feststeht, in welchem Umfang sich der Miteigentumsanteil jedes einzelnen Wohnungseigentumsrechts verkleinert oder vergrößert und daß der Umfang der Verkleinerung insgesamt dem der Vergrößerung entspricht.
Weil ein Bruchteil eines Miteigentumsanteils nicht sonderrechtsfähig sein kann, ist die notwendige Folge einer Veränderung der Miteigentumsanteile der Wohnungseigentumsrechte untereinander, daß die an einem Wohnungseigentumsrecht lastenden dinglichen Rechte an den abgespaltenen Miteigentumsanteilen erlöschen und Belastungen eines Wohnungseigentumsrechts sich auf die hinzukommenden Miteigentumsanteile erstrecken. Ob diese Rechtsfolgen kraft Gesetzes eintreten (so Streuer Rpfleger 1992, 181/182 f.) oder ausdrückliche Erklärungen der dinglich Berechtigten und der betroffenen Wohnungseigentümer verlangen, ist nicht entscheidend. Notwendig ist jedenfalls die Mitwirkung der betroffenen Wohnungseigentümer an der Rechtsänderung und die Zustimmung der dinglich Berechtigten. Ob die Zustimmung als Pfandfreigabe- oder Aufhebungserklärung anzusehen ist, kann auf sich beruhen. Weil hier Pfandunterstellungserklärungen abgegeben wurden, kann auch dahingestellt bleiben, ob seitens der Wohnungseigentümer, deren Miteigentumsanteile sich vergrößern, eine ausdrückliche Pfandunterstellungserklärung notwendig ist oder ob sie in der Einigung über die Rechtsänderung enthalten ist.
3. Die rechtlichen Auswirkungen des Wechsels im Eigentum des Beteiligten zu 6 wird das Grundbuchamt bei der Entscheidung über den Eintragungsantrag zu berücksichtigen haben.

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