LG Rostock, Beschluss vom 02. April 2003 – 2 T 71/02 Vergütung des Vereinsbetreuers: Ausschluss eines Aufwendungsersatzanspruchs für die Vertretung der betreuten Mutter minderjähriger Kinder gegenüber dem Jugendamt wegen Ausschlusses von Angelegenheiten der elterlichen Sorge von der Betreuertätigkeit

Oktober 23, 2019

LG Rostock, Beschluss vom 02. April 2003 – 2 T 71/02
Vergütung des Vereinsbetreuers: Ausschluss eines Aufwendungsersatzanspruchs für die Vertretung der betreuten Mutter minderjähriger Kinder gegenüber dem Jugendamt wegen Ausschlusses von Angelegenheiten der elterlichen Sorge von der Betreuertätigkeit
1. Ist ein Vereinsbetreuer (u.a.) für den Aufgabenkreis „Vertretung gegenüber Körperschaften, Behörden und Gerichten“ bestellt worden, steht ihm eine Zeitaufwandsentschädigung für Besprechungen mit dem Jugendamt betreffend die minderjährigen Kinder der Betreuten (die die Besprechungen betreffend Heimunterbringung ihrer Kinder und ein Besuchsrecht für den Kindesvater infolge akuter Depressionen nicht selbst wahrnehmen konnte) nicht zu, denn der Betreuer hat dabei die tatsächliche elterliche Sorge anstelle der Betreuten ausgeübt. Angelegenheiten der elterlichen Sorge aber können nicht auf den Betreuer übertragen werden und gehören dementsprechend nicht zu dem vorgenannten Aufgabenkreis. Ebensowenig lässt sich die beschriebene Tätigkeit des Aufgabenkreis „Gesundheitssorge“ zuordnen.
2. Die Bestellung eines Betreuers hat für sich gesehen auf die elterliche Sorge keine Auswirkungen. Zum Schutz der minderjährigen Kinder eines an der Ausübung der elterlichen Sorge gehinderten Betreuten ist lediglich im Einzelfall zu prüfen, ob ein behördlichen Hilfsangebot nach den Bestimmungen des KJHG oder sogar eine gerichtliche Intervention gemäß den §§ 1666 ff., 1674 ff. BGB erforderlich ist. Um ein sachgerechtes Vorgehen zu ermöglichen, hat daher das den Betreuer bestellende Vormundschaftsgericht gemäß § 69k Abs. 1 FGG die Betreuerbestellung dem für Sorgerechtsentscheidungen zuständigen Gericht sowie dem Jugendamt mitzuteilen, wenn der Betroffene minderjährige Kinder hat.

Tenor
1. Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers nach einem Beschwerdewert von € 138,47 zurückgewiesen.
2. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht S ordnete mit Beschluss vom 09.08.2001 für die Betroffene die Bestellung eines vorläufigen Betreuers bis zum 08.02.2002 an und bestimmte gleichzeitig Frau … H als Mitarbeiterin des Antragstellers zur Betreuerin. Als Aufgabenkreise der Betreuerin wurden die Sorge für die Gesundheit der Betroffenen, die Aufenthaltsbestimmung nebst der Entscheidung über die Unterbringung sowie unterbringungsähnliche Maßnahmen, die Vermögenssorge und die Vertretung gegenüber Körperschaften, Behörden und Gerichten bestimmt. Mit Beschluss vom 21.02.2002 verlängerte das für den Wohnsitz der Betroffenen zuständige Amtsgericht R die Betreuung und setzte die Mitarbeiterin des Antragstellers unter Aufrechterhaltung der o.g. Aufgabenkreise als endgültige Betreuerin ein. Die drei minderjährigen Kinder der Betroffenen befanden sich zu Beginn der Betreuung während eines längeren stationären Aufenthalts der Mutter und danach in einem Heim.
Für den Zeitraum vom 01.10.2001 bis zum 31.12.2001 beantragte der Antragsteller unter Beifügung eines detaillierten Tätigkeitsnachweises zunächst die Festsetzung einer Betreuervergütung für 58 Stunden und 45 Minuten in Höhe von DM 2.379,38. Nebst Aufwendungsersatz von DM 66,– und 7 % Umsatzsteuer ergab sich daraus eine begehrte Vergütung in Höhe von DM 2.616,56.
Nach einem Hinweis des Amtsgerichts hat der Antragsteller einen korrigierten Antrag vom 23.01.2002 eingereicht, mit dem er unter Abzug von 2 Stunden und 30 Minuten für einen Termin beim Jugendamt am 05.12.2001 nunmehr eine Vergütung für 56 Stunden und 15 Minuten in Höhe von insgesamt DM 2.508,22 (€ 1.282,43) geltend macht.
Zur Begründung hat der Antragsteller ausgeführt, die Betreuerin habe die beiden Termine im Jugendamt am 02.10.2001 (einschließlich Wegezeit: 2 Stunden und 45 Minuten) und am 29.10.2001 (einschließlich Wegezeit: 3 Stunden und 30 Minuten) im Rahmen des Aufgabenkreises ‚Vertretung gegenüber Körperschaften, Behörden und Gerichten‘ wahrgenommen. Bei diesen Besprechungen sei es um grundsätzliche Regelungen zwischen der Betroffenen, ihrem geschiedenen Ehemann und dem Jugendamt in Bezug auf die gemeinsamen Kinder gegangen, bei denen die Betroffene hätte anwesend sein müssen. Aufgrund der seinerzeit schwersten Depressionen der Betroffenen und ihrer Begleiterscheinungen sei diese nicht in der Lage gewesen, an den Terminen teilzunehmen. Daher habe die Betreuerin die Betroffene bei den unaufschiebbaren Besprechungen vertreten. Es sei für die Gesundung der Betroffenen wichtig gewesen, die anstehenden Fragen schnell und unkompliziert zu klären, ohne sie in Problemdiskussionen zu verwickeln.
Mit Beschluss vom 01.02.2002 hat das Amtsgericht zugunsten des Antragstellers eine Vergütung von insgesamt € 1.143,96 festgesetzt. Dabei hat es 6 Stunden und 15 Minuten für die Wahrnehmung der beiden Termine im Jugendamt am 02.10.2001 und am 29.10.2001 nicht anerkannt und zur Begründung ausgeführt, die Betreuerin habe während dieser Zeit die tatsächliche elterliche Sorge anstelle der Mutter ausgeübt. Dies sei aber ungeachtet eventueller tatsächlicher Notwendigkeit von der Vertretungsbefugnis im Rahmen der Betreuung nicht erfasst und daher auch nicht zu vergüten. Gleichzeitig hat das Amtsgericht die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 12.02.2002 eingegangenen Erinnerung, mit der er unter Vertiefung des bisherigen Vortrags geltend macht, die Betroffene sei aufgrund ihres akuten psychischen Zustandes nicht in der Lage gewesen, die Angelegenheiten mit dem Jugendamt zum ausschließlichen Wohl der Kinder selbst zu klären. Im Rahmen der Aufgabenkreise Gesundheitssorge und Vertretung vor Behörden hätte die Betreuerin auch die Aufgaben der Mutter wahrnehmen können, darunter sei auch die elterliche Sorge zu verstehen. Neben Absprachen zum Besuchsrecht des Vaters sei im Ergebnis der Verhandlungen eine Form der Familienhilfe bewilligt worden, die eine Wiederaufnahme der bis dahin im Heim lebenden drei Kinder der Betroffenen in deren Wohnung ermöglicht hätten. Durch eine Kontaktaufnahme der Betroffenen zu ihrem geschiedenen Ehemann wäre eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Betroffenen unausweichlich geworden. Wegen des weiteren Beschwerdevorbringens wird auf den Schriftsatz vom 12.02.2001 Bezug genommen.
II.
Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Erinnerung ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 56 g Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. FGG zulässig. Das Amtsgericht hat die sofortige Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Dem Antragsteller steht für den Abrechnungszeitraum kein weitergehender Vergütungsanspruch für die Tätigkeit der Vereinsbetreuerin aus §§ 1908 e Abs. 1, 1836 Abs. 2, 1836 a BGB zu. Eine Vergütung für die Vertretung der Betroffenen bei den Terminen im Jugendamt vom 02.10.2001 und 29.10.2001 ist nicht zu gewähren.
Die Betreuerin hat diese beiden Besprechungen nicht im Rahmen der ihr übertragenen Aufgabenkreise wahrgenommen.
1. Gegenstand des Gesprächs am 02.10.2001 im Jugendamt waren Absprachen mit dem Vater der Kinder hinsichtlich dessen Besuchsrecht. Die zu diesem Zeitpunkt akut depressive Betroffene konnte an dem Termin nicht teilnehmen. Am 29.10.2001 fand im Jugendamt eine Erziehungskonferenz statt. Die Betroffene litt unter der andauernden Heimunterbringung ihrer Kinder und wünschte sich deren Rückkehr nach Hause. Es wurden Möglichkeiten zu gewährender Familienhilfe erörtert.
Beide Themenkreise gehören nicht zu den Aufgaben, die einem Betreuer gemäß § 1896 BGB übertragen werden können. Denn sowohl die Regelung zum Besuchsrecht des Vaters als auch die Teilnahme an einer Erziehungskonferenz im Hinblick auf die Heimunterbringung der Kinder sind Bestandteil der Angelegenheiten elterlicher Sorge. Die Bestellung eines Betreuers hat für sich gesehen nach der Änderung des § 1673 BGB auf die elterliche Sorge keine Auswirkungen. Die elterliche Sorge ruht danach nur, wenn der Betroffene geschäftsunfähig ist, sei es auch lediglich vorübergehend.
Gleichwohl kann – wie hier – eine Krankheit des Elternteils, die zur Betreuung führt, auch die Fähigkeit zur Ausübung der elterlichen Sorge einschränken oder ausschließen. Da die Angelegenheiten der elterlichen Sorge indes zugleich auch Angelegenheiten der Kinder sind, können diese nicht auf den Betreuer übertragen werden (Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1896 BGB, Stichwort ‚Elterliche Sorge‘; Jürgens/Klüsener, Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 1896 BGB, Rn. 27, §§ 1673 ff. BGB, Rn. 3; Palandt/Diederichsen, 62. Aufl., § 1896 BGB, Rn. 23 und § 1673 BGB, Rn. 5). Die Einrichtung eines gesetzlichen Vertreters des gesetzlichen Vertreters und damit die Bestimmung des Betreuers als mittelbar Sorgeberechtigten ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen (Münchener Kommentar/Schwab, 3. Aufl., § 1896 BGB, Rn. 48). Zum Schutz der minderjährigen Kinder ist daher im Einzelfall nach den tatsächlichen Gegebenheiten zu prüfen, ob die Einschränkung des betroffenen Elternteils bei der Ausübung der elterlichen Sorge durch ein behördliches Hilfsangebot nach den Bestimmungen des KJHG oder sogar eine gerichtliche Intervention gemäß §§ 1666 ff., 1674 ff. BGB erforderlich ist (Staudinger/Bienwald, 13. Aufl., § 1896 BGB, Rn. 170). Um ein sachgerechtes Vorgehen zu ermöglichen, hat daher das einen Betreuer bestellende Vormundschaftsgericht gemäß § 69 k Abs. 1 FGG die Betreuerbestellung dem für Sorgerechtsentscheidungen zuständigen Gericht sowie dem Jugendamt mitzuteilen, wenn der Betroffene minderjährige Kinder hat.
2. Die Betreuerin hat die Termine beim Jugendamt nicht im Rahmen des ihr übertragenen Aufgabenkreises ‚Vertretung vor Behörden‘ wahrgenommen. Dieser Aufgabenkreis erstreckt sich nicht auf die Vertretung in Angelegenheiten der elterlichen Sorge.
Kann dem Betreuer – wie oben ausgeführt – der Aufgabenkreis hinsichtlich der elterlichen Sorge nicht übertragen werden, ist auch eine diesbezügliche Vertretung vor Behörden nicht möglich. Dies beruht darauf, dass sich die Vertretungsbefugnis des Betreuers nach außen regelmäßig automatisch als Rechtsfolge aus der Zuweisung des jeweiligen Aufgabenkreises ergibt, § 1902 BGB. Nur wenn sich die Betreuung auf die Vertretung beschränken soll, ist es erforderlich, dem Betreuer die Vertretungsbefugnis ausdrücklich als Aufgabenkreis zuzuweisen (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1986 BGB, Rn. 20).
Ist aber grundsätzlich die Vertretungsbefugnis originärer Bestandteil eines Aufgabenkreises, ist es nicht zulässig, dem Betreuer dort ein Vertretungsrecht einzuräumen, wo die Übertragung der Angelegenheit an sich – wie hier – ausgeschlossen ist. Andernfalls träte er entgegen der oben ausgeführten rechtlichen Wertung der elterlichen Sorge auf diese Weise zumindest teilweise als mittelbarer Sorgeberechtigter auf. Soweit dem Aufgabenkreis ‚Vertretung vor Behörden‘ daher überhaupt eine eigene Bedeutung zukommen kann, kann sich diese jedenfalls nicht auf Angelegenheiten erstrecken, die einer Übertragung auf einen Betreuer nicht zugänglich sind.
Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die bloße Wahrnehmung von Beratungsangeboten der Familienhilfe vom Aufgabenkreis ‚Vertretung vor Behörden‘ erfasst ist. Dies könnte unter Umständen dann der Fall sein, wenn die Betroffene damit überfordert ist (vgl. Bienwald, a.a.O., Stichwort ‚Kindesangelegenheiten‘).
Die Tätigkeiten der Betreuerin gingen hier jedoch über die bloße Einholung von Informationen im Bereich der Familienhilfe zur Weiterleitung an die Betroffene, der dann die Entscheidung überlassen blieb, hinaus. Vielmehr hat sie an Stelle der Mutter Absprachen und Vereinbarungen getroffen, die der unmittelbaren Ausübung der nicht auf den Betreuer übertragbaren elterlichen Sorge zuzuordnen sind. Abgesehen davon, dass die Vereinbarung zum Besuchsrecht nicht mit dem Jugendamt, sondern mit dem Vater zu treffen war, handelt es sich dabei allein um eine Angelegenheit der Personensorge für die Kinder, die zu deren Wohl zu regeln war. Kann die Mutter diese Entscheidung aus gesundheitlichen Gründen nicht treffen, kann sie – wie oben ausgeführt – jedoch nicht ihrer Betreuerin überlassen werden. Dies gilt auch für die Vereinbarungen, die im Rahmen einer Erziehungskonferenz über den weiteren Verbleib der Kinder getroffen worden sind.
3. Die Teilnahme an den Besprechungen ist auch nicht dem Aufgabenkreis ‚Gesundheitssorge‘ zuzuordnen.
Zwar wird aus dem Inhalt der Betreuungsakten deutlich, dass für die an schweren Depressionen erkrankte Betroffene die Heimunterbringung ihrer Kinder während der stationären Behandlungen und auch darüber hinaus eine große Belastung darstellt. Insoweit erscheint es sowohl im Interesse der Kinder als auch im Interesse der Betroffenen äußerst wünschenswert, mit Unterstützung des Jugendamts eine Regelung zu finden, die ein Zusammenleben von Mutter und Kindern ermöglicht. Es ist auch nachvollziehbar, dass die seinerzeit akut depressive Betroffene sich nicht in der Lage sah, das Besuchsrecht des Vaters zu regeln sowie sich um eine Familienhilfe des Jugendamts zu kümmern. Gleichwohl ist die diesbezügliche Tätigkeit der Betroffenen nicht im Rahmen der unmittelbaren Gesundheitssorge erfolgt. Die Gesundheitssorge erfasst Angelegenheiten der medizinischen und therapeutischen Behandlung des Betroffenen und die dazu gehörenden Rechtsgeschäfte (vgl. Bienwald, a.a.O., Stichwort ‚Gesundheit‘; Staudinger/Bienwald, a.a.O., Rn. 90 ff.). Nicht einbezogen ist die allgemeine Lebenssituation, die damit nicht in unmittelbarem Zusammenhang steht, selbst wenn sie mittelbar Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Betroffenen hat. Dies gilt umso mehr, als die Angelegenheiten – wie hier – der Tätigkeit des Betreuers grundsätzlich entzogen sind.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO.
Der Beschwerdewert ergibt sich gemäß § 30 KostO aus der Differenz zwischen der beantragten und der gewährten Vergütung.
Die Kammer hat die weitere Beschwerde gemäß §§ 56 g Abs. 5 Satz 2, 27 FGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen.

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