LAG Hamm, Beschluss vom 29.10.2009 – 8 SaGa 22/09

Oktober 14, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 29.10.2009 – 8 SaGa 22/09
Tenor
Die Kosten beider Rechtszüge tragen die Verfügungskläger als Gesamtschuldner.
Gegen diesen Beschluss findet ein Rechtsmittel nicht statt (§ 574 Abs. 1 i. V.m. § 542 Abs. 2 ZPO).
Gründe
Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung haben die Verfügungskläger gegenüber der beklagten Gewerkschaft die Untersagung von Streikmaßnahmen in der Kindertagesstätte S3 in G1 mit der Begründung verlangt, der Streik sei zum einen deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil u.a. das Kampfziel, eine Verbesserung der Entgeltbedingungen für die Erzieher zu erreichen, gegen die tarifliche Friedenspflicht verstoße. Zum anderen sei der Streik ohnehin nicht zur Erreichung der verfolgten Kampfziele geeignet, da Druck allein gegenüber den betroffenen Eltern und Kindern, nicht hingegen gegenüber dem Arbeitgeber als sozialem Gegenspieler entfaltet werde. Schließlich verletze der Streik die Kläger zu 1) und 2) in ihren Elternrechten sowie die Kläger zu 3) und 4) in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit und ungestörte psychische Entwicklung. Die praktizierte „Notbetreuung“ der Kinder lasse den unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Kläger nicht entfallen.
Durch Urteil vom 17.06.2009 (Bl. 35 ff. d. A.), auf welches wegen des weiteren Sachverhalts Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Nach Einlegung der Berufung und nachfolgender Beendigung des Streiks haben die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
II
Nach übereinstimmender Erledigung der Hauptsache war gemäß § 91 a ZPO über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden.
1. Erstinstanzlich haben die Kläger neben der beklagten Gewerkschaft selbst auch den Ortsverein B7/G1 in Anspruch genommen. Insoweit ist die Berufung bereits vor Erklärung der Hauptsacherledigung zurückgenommen worden, so dass die Kostenbelastung der Kläger diesbezüglich aus § 516 Abs. 3 ZPO erfolgt.
2. Im Übrigen – also soweit sich der verfolgte Antrag gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) gerichtet hat – ist dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils beizutreten, dass das verfolgte Begehren bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses als unbegründet anzusehen war. Dementsprechend waren die Kosten des Verfahrens insgesamt den Klägern als Gesamtschuldner aufzuerlegen.
Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die zutreffenden Gründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen. Auch die Ausführungen der Berufungsbegründung geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung der Rechtslage.
a) Insbesondere kann ein rechtswidriger Eingriff in absolut geschützte Rechte oder grundrechtlich geschützte Positionen der Kläger nicht mit der Erwägung begründet werden, die für die jeweiligen Streiktage angebotene Notdienstversorgung sei unzureichend und den Kindern nicht zumutbar gewesen, vielmehr müsse zur Vermeidung gravierender Beeinträchtigungen in jeder Kindertagesstätte selbst eine Betreuung mit bekannten Bezugspersonen ermöglicht werden.
Auch wenn sicher zutrifft, dass eine solche Aufrechterhaltung des Kindertagesstättenbetriebes für Eltern und Kindern weniger belastend gewirkt hätte, liegt auf der Hand, dass damit der fühlbare Druck, welcher mit der Arbeitsniederlegung ausgeübt werden sollte, maßgeblich verringert worden wäre. Jedenfalls kann aber allein der Ausfall der regulären Kinderbetreuung in der von den Eltern gewählten Tagesstätte nicht als rechtlich relevanter Eingriff in das Elternrecht und die psychische Gesundheit der Kinder angesehen werden. Vielmehr handelt es sich bei den vorgetragenen Beeinträchtigungen allein um Folgewirkungen des Ausfalls von Leistungen aus vereinbarten – privatrechtlich oder öffentlichrechtlich organisierten – Betreuungsleistungen des Trägers der Kindertagesstätte. Auch wenn die Bedeutung staatlicher Daseinsvorsorge in Form der Gewährleistung einer zuverlässigen Kinderbetreuung nicht in Abrede zu stellen ist, folgt hieraus weder ein Streikverbot, noch kann hieraus mehr als die Aufrechterhaltung einer „Notfallversorgung“ hergleitet werden, um nicht hinnehmbare Schäden Drittbetroffener zu vermeiden (vgl. zur Notversorgung im Blutspendedienst LAG Hamm, 16.01.2007, 8 Sa 74/07, NZA-RR 2007, 250). Soweit der eingerichtete Notdienst im Einzelfall nicht genügen sollte, um ernsthafte Gesundheitsbeeinträchtigungen zu vermeiden, wäre es gegebenenfalls Sache der Eltern, selbst um eine entsprechende Kinderbetreuung besorgt zu sein. Allein der Umstand, dass das Sorgerecht der Eltern die Entscheidung einschließt, ob sie ihre Kinder selbst im häuslichen Umfeld oder in einer Tagesstätte betreuen lassen, führt nicht dazu, dass der streikbedingte Ausfall der Kinderbetreuung in der Tagesstätte einen unmittelbaren Eingriff in Gesundheit der Kinder bzw. Erziehungsrecht der Eltern darstellt.
b) Auch der Vortrag der Kläger, der Arbeitskampf habe gegen die tarifliche Friedenspflicht verstoßen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die tarifliche Friedenspflicht folgt aus dem schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrages und begründet dementsprechend allein einen Anspruch der gegnerischen Tarifpartei, während der Laufzeit des Tarifvertrages von Maßnahmen des Arbeitskampfes verschont zu bleiben. Anders als im Verhältnis zum gegnerischen tarifschließenden Verband und zu seinen Mitgliedern vermag damit ein etwaiger Verstoß gegen die Friedenspflicht als solcher einen rechtswidrigen Eingriff in absolut geschützte Rechte und Grundrechtspositionen Dritter nicht zu begründen.

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