OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 18. Februar 1992 – 5 U 109/91

Oktober 20, 2020

OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 18. Februar 1992 – 5 U 109/91

Hat der Erbe erkennbar keine Angaben über fiktive Nachlaßwerte oder Schenkungen in das Nachlaßverzeichnis aufgenommen, steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Auskunftsergänzungsanspruch, nicht aber ein Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 02. September 1991 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,– DM nicht.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, die der Kläger bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen nach dem Tode ihrer Mutter erstrebt.

Gemäß Erbvertrag vom 25.03.1975 – Urkundenrolle Nr. 212/75 des Notars …, … – berief die am 14.02.1990 verstorbene … ihre beiden Töchter – die Beklagten – zu ihren Erben zu gleichen Teilen. Gesetzliche Erben wären ihre vier Kinder gewesen – neben den beiden Schwestern der Kläger und der weitere Bruder …. Durch privatschriftliches Testament vom 15.02.1983 bestimmte die Erblasserin, daß der Kläger und dessen Erben von ihrem Nachlaß nichts erhalten sollten. In der weiteren privatschriftlichen letztwilligen Verfügung vom 05.11.1983 entzog sie dem Kläger den Pflichtteil unter dem Vorwurf „fortdauernder Veruntreuung“, als er ihr Vermögen von 1969 bis 1978 verwaltete.

Nach Eröffnung und Übersendung des Erbvertrages hat der Kläger dem Erbscheinsverfahren mit Schreiben vom 01.03.1990 dem Amtsgericht Nordhorn gegenüber erklärt:

„Diesen Erbvertrag fechte ich an. Eine Begründung wird Ihnen durch meinen Anwalt zugehen.“

Letzteres ist nicht geschehen.

Durch Urteil vom 02.07.1991 – 5 U 20/91 – verwies der erkennende Senat die Parallelsache, in der der Kläger einen Teilpflichtteilsanspruch verfolgt, an das Landgericht zurück. Er stellte darin unter anderem fest, daß es auf die Wirksamkeit der Testamentsanfechtung wegen des testamentarisch verfügten Ausschlusses von der Erbfolge nicht ankomme, so daß zunächst über die Wirksamkeit des Pflichtteilsentzuges zu befinden sei. Dieses Verfahren ist noch beim Landgericht anhängig.

Vom 22.02. bis 10.08.1990 nahm auf entsprechendes Begehren des Klägers der Notar … ein Nachlaßverzeichnis auf, das die Beklagten durch Schreiben vom 02.07.1990 durch Angaben zu den Aktiva und Passiva noch ergänzten. Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Schreiben und das Nachlaßverzeichnis Bezug genommen (GA 35 – 115). Die Beklagten machen die Erteilung weiterer Auskünfte von der rechtskräftigen Feststellung der Pflichtteilsberechtigung des Klägers abhängig.

Der Kläger sieht sich als Pflichtteilsberechtigter. Er hält die Angaben im Nachlaßverzeichnis nebst Ergänzungsschreiben für unsorgfältig erstellt und hat dazu vorgetragen:

Ein Vergleich mit der für eine Versicherung 1974 und 1975 erfolgten Aufnahme von Gegenständen der Erblasserin ergebe Fehlbestände in der Nachlaßaufstellung der Beklagten, deren Wert er nach einer von ihm erstellten Fehlliste vom 30.11.1990 (GA 8 – 25) auf 484.550,– DM schätze. Die aufgeführten Gegenstände hätten in den letzten 10 Jahren im Eigentum der Erblasserin gestanden. Die Beklagten hätten ihm dazu erklärt, lediglich Anstandsschenkungen erhalten zu haben.

Für die Unsorgfältigkeit der erteilten Auskünfte sprächen vor allem noch die fehlende Erwähnung eines Ölgemäldes, die Angabe nach dem Tode der Erblasserin fällig gewordener Steuervorauszahlungen, die Verweigerung einer Depotaufstellung, aus der sich die Entwicklung des Aktienbestandes ergebe, die fehlende Berücksichtigung einer zu realisierenden Konkursquote gegen die Fa. …, die nicht erklärte Verringerung des Barvermögens der Erblasserin von 73.000,– DM auf 2.258,74 DM innerhalb von gut einem Jahr, das Verschweigen von Geldgeschenken an die Beklagte zu 2.) und an Enkelkinder, die Übergabe eines größeren Geldbetrages von seinem Bruder … an die Erblasserin kurz vor ihrem Tode, die Aufnahme einer Versicherungsgebühr für einen Zeitraum nach dem Tode der Erblasserin in Höhe von 310,20 DM, das Fehlen von Garteninventar einschließlich 500 antiker Sandsteinplatten, das Überlassen von wertvollen Nachlaßgegenständen aus einer Eisentruhe durch den Notar sowie der Druck der Beklagten zu 1.) auf den Notar, den Nachlaß nur ungenau aufzunehmen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, daß sie nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses der am 14.02.1990 verstorbenen Frau … so vollständig angegeben haben, als sie dazu imstande sind.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie sind dem Vorwurf unvollständige und unsorgfältiger Auskunftserteilung entgegengetreten und haben dazu vorgetragen:

Der reale Nachlaß sei vollständig erfaßt. Die Angabe des Aktiendepotwertes zum Todeszeitpunkt genüge. Die Realisierung etwaiger Konkursquoten und die Einkommenssituation der Erblasserin von Januar 1989 an sei ihnen bis heute nicht bekannt. Solange der Status des Klägers als Pflichtteilsberechtigter nicht feststehe, seien sie zu Auskünften über den fiktiven Nachlaß nicht verpflichtet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagten ihrer Auskunftsverpflichtung noch nicht genügt hätten und dem Kläger deswegen zunächst ein Anspruch auf Nachholung und Ergänzung zustehe.

Mit der dagegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

Unter ergänzender Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens bekräftigt er den Vorwurf unsorgfältiger Nachlaßangaben, die ihn berechtige, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verlangen und führt unter Rüge unterlassener Beweiserhebungen dazu aus:

Jedenfalls seit dem Urteil des Senats vom 02.07.1991 – 5 U 20/91 – hätten die Beklagten nicht mehr rechtsirrig die begehrten Auskünfte außer acht lassen können. Da es von ihrem Standpunkt nichts zu ergänzen gebe, könne er nur die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verlangen. Die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit hätten sich bei gehöriger Sorgfalt vermeiden lassen können. Das gelte besonders für die Einkommenssteuervorauszahlungen, das Aktiendepot und die Übergabe von Bargeld. Die vorgelegte Fehlliste beruhe auf der vollständigen Erfassung des Inventars im Haus der Erblasserin 1974. Zum größten Teil seien die 1974 noch vorhandenen Gegenstände in die Wohnung der Beklagten zu 1.) überführt worden. Anfang der achtziger Jahre seien mit einem großen Möbelwagen durch eine Spedition Einrichtungsgegenstände aus dem Haus der Erblasserin nach … transportiert worden, wo die Beklagten zu 1.) gewohnt habe.

Zur Berechnung seines Pflichtteils sei er auf die richtige und vollständige Angabe in Bezug auf den vorhandenen Nachlaß angewiesen. Dazu sei auch eine Abgrenzung des Nachlasses der Erblasserin von dem der 1963 verstorbenen Schwester der Parteien nötig, wozu er auf seine Ausführungen in dem Verfahren 5 U 113/91 vor dem erkennenden Senat verweise, in dem es um seine Erbmitberechtigung nach seiner Schwester gehe.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 02.09.1991 abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, daß sie nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses der am 14.01.1990 verstorbenen Frau … so vollständig angegeben haben, als sie dazu imstande sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Solange die Pflichtteilsberechtigung des Klägers nicht feststehe, scheitere der Klaganspruch bereits aus diesem Grunde. Bis dahin seien sie auch nicht zu ergänzenden Auskünften über Zuwendungen und Schenkungen verpflichtet. Im übrigen seien die Angriffe des Klägers gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben zum realen Nachlaß nicht substantiiert und erwiderungsfähig. Lediglich die Aufnahme einer Versicherungsgebühr in Höhe von 310,20 DM beruhe auf einen Irrtum der Buchhaltung. Diese Lappalie könne aber keineswegs den Verdacht einer insgesamt unvollständig und unrichtig erteilten Auskunft stützen.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 1. Hs ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu. Auf die weiter zwischen den Parteien umstrittene Frage der Pflichtteilsberechtigung des Klägers kommt es nicht an. Der Kläger hat die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB i. V. m. § 2314 BGB nicht dartun können. Die Beklagten haben einen bestimmten, aus einer Mehrheit von Gegenständen bestehenden Vermögensteil – den fiktiven Nachlaß – noch nicht in die Auskunft einbezogen und dem Kläger die Gründe dafür mitgeteilt. Das begründet nicht den Vorwurf unsorgfältigen Vorgehens, das von dem Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorausgesetzt wird; vielmehr fehlt es insoweit an einem Verzeichnis, das der Gläubiger erst einmal erstreiten muß, bevor der Schuldner zur eidesstattlichen Versicherung der Vollständigkeit dieses Verzeichnisses verpflichtet ist. Die Angriffe des Klägers gegen die Angaben zum realen Nachlaß sind spekulativ unsubstantiiert und erkennbar darauf gerichtet, Auskünfte über den fiktiven Nachlaß zu erhalten. Diese müßte er aber selbständig geltend machen.

Der Senat kann insoweit zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung (LGU 5 letzter Absatz bis LGU 6 erster Absatz) gemäß § 543 Abs. 1 2. Hs ZPO Bezug nehmen und von einer wiederholenden Darstellung absehen.

In Fällen erkennbar unvollständiger Auskunftserteilung steht dem Gläubiger ein Anspruch auf Ergänzung der Auskunft zu; die Auskunftspflicht des Erben umfaßt auch die Vorlage eines vollständigen Verzeichnisses der unentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers (Senat-Urteil vom 19.12.1989 – 5 U 41/89 –). Ohne Erfolg versucht der Kläger demgegenüber die Sachlage so darzustellen, die Beklagten seien in Wahrheit der Auffassung, es gebe nichts zu ergänzen. Die Beklagten haben durchgängig betont, daß sie weitere Auskünfte, die allesamt den fiktiven Nachlaß betreffen, erst erteilen würden, wenn seine Stellung als pflichtteilsberechtigter feststehe. Die Nichtberücksichtigung eines aus einer Mehrheit von Gegenständen bestehenden Vermögensteils, auch wenn sie auf einem Rechtsirrtum beruhen sollte, bedeuten, daß der Auskunftsanspruch noch nicht (ganz) erfüllt ist, er also als Erfüllungsanspruch noch fortbesteht. Dann fehlt es aber gleichzeitig an einem Verzeichnis, auf das sich die eidesstattliche Versicherung beziehen kann (allgemeine Ansicht, vgl. zusätzlich zu den in der erstinstanzlichen Entscheidung enthaltenen Zitate Staudinger/Berg, BGB, 12. Aufl., § 2314 Rn. 32; Münchener Kommentar-Frank, BGB, 2. Aufl., § 2314 Rn. 8). Das ist insbesondere für das Ergänzungsverlangen anerkannt, wenn – wie in der zu beurteilenden Fallgestaltung – das Verzeichnis überhaupt keine Angaben über die fiktiven Nachlaßwerte oder die erfolgten Schenkungen enthält (BGB-RGRK-Johannsen, 12. Aufl., § 2314 Rn. 10 unter Berufung auf BGH – Urteil vom 27.11.1967 – III ZR 142/65 – nicht veröffentlicht).

Dem Pflichtteilsberechtigten fehlt in diesen Fällen insbesondere die Möglichkeit, sachgemäße Vorhalte zu machen. Der Kläger räumt insoweit selbst ein, daß die Beklagten nach der erklärten grundsätzlichen Bereitschaft zu ergänzenden Auskünften, wenn er definitiv erkläre, daß er Pflichtteilsberechtigter und nicht Miterbe sei, nicht nachgekommen sind. Damit erkennt er selbst, daß der Auskunftsergänzungsanspruch grundsätzlich noch besteht. Dann vermag aber – wie ausgeführt – der Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, an dem er auch im Berufungsrechtszug festhält, keinen Erfolg zu haben.

Soweit die Angriffe auf das Verzeichnis betreffend den realen Nachlaß beschränkbar sein sollten, vermögen sie einen Grund zur Annahme unsorgfältigen Vorgehens der Beklagten insgesamt nicht schlüssig darzulegen, so daß die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO insgesamt zurückzuweisen war.

Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO.

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