Umfang der Zurückverweisung in der Berufungsinstanz bei Stufenklage

November 4, 2020

BGH, Urteil vom 14. November 1984 – VIII ZR 228/83

Umfang der Zurückverweisung in der Berufungsinstanz bei Stufenklage

Hat das Landgericht die Stufenklage insgesamt abgewiesen, weil kein Zahlungsanspruch bestehe, so kann das Berufungsgericht, das den Auskunftsanspruch zuerkennt, zugleich die Klagabweisung im übrigen aufheben und die Sache zurückverweisen, auch wenn der Kläger trotz uneingeschränkt eingelegter Berufung nur den Antrag zur Auskunftserteilung gestellt hat.

Tatbestand

Die Parteien führten seit Ende 1976/Anfang 1977 Gespräche über eine Zusammenarbeit mit dem Ziel, daß die Beklagte sogenannte Wechselkoffer für Trockenfracht fertigen und die Klägerin diese ausschließlich verkaufen sollte, weil sie ein großes Vertriebsnetz hat, das der Beklagten fehlt. Die Klägerin sollte andererseits darauf verzichten, Wechselkoffer für Trockenfracht, in der Art, wie die Beklagte sie herstellte, selbst anzufertigen.

Die Parteien hatten in Aussicht genommen, einen sogenannten Kooperationsvertrag abzuschließen. Der Vertrag kam jedoch insbesondere deshalb nicht zustande, weil die Klägerin sich nicht in der Lage sah, der Beklagten die Abnahme einer größeren Anzahl von Wechselkoffern zu garantieren, und die Beklagte der Klägerin unter diesen Umständen kein Alleinverkaufsrecht einräumen wollte.

Die Vertragsverhandlungen über eine längerfristige und breiter angelegte Zusammenarbeit kamen zu einem gewissen Abschluß durch ein Schreiben der Beklagten vom 14. Juni 1978. In ihrer schriftlichen Antwort vom 11. August 1978 bat die Klägerin um Kundenschutz für einige namentlich angegebene Firmen. Die Beklagte erwiderte mit einem Schreiben vom 25. Oktober 1978, auf das die Klägerin Ansprüche aus der Zusage von Kundenschutz stützt, die Gegenstand des Rechtsstreits sind. Sie verlangt unter Berufung auf konkrete Direktaufträge im Weg der Stufenklage Auskunft über Geschäfte, die die Beklagte in den Jahren 1978 bis 1981 mit einigen namentlich genannten Firmen getätigt habe, um Ansprüche auf Provision oder jedenfalls Schadensersatz geltend zu machen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte antragsgemäß zur Erteilung von Auskunft verurteilt; unter Aufhebung des Urteils im übrigen hat es die Sache an das Landgericht zurückverwiesen und ihm auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens übertragen. Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die Beklagte dazu verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Umfang ihrer direkten Verkäufe von Wechselkoffern in den Jahren 1978, 1979, 1980 und 1981 (Auftragsdaten, Anzahl, Auftragssumme netto und brutto) an acht namentlich angegebene Firmen (u.a. U.) zu erteilen. Im übrigen hat es die Sache unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils an das Landgericht zurückverwiesen. An einer Entscheidung mit diesem Inhalt war es entgegen der Meinung der Revision nicht durch § 308 ZPO, §§ 519, 525, 536 ZPO gehindert.

Das Landgericht hat die auf Auskunft, Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und Zahlung des nach Auskunftserteilung zu bestimmenden Betrags gerichtete Stufenklage (§ 254 ZPO) in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe den von ihr behaupteten Vertrag über die Zahlung von Provision für sämtliche Direktverkäufe der Beklagten an die im Klagantrag genannten Firmen nicht beweisen können. Die Klägerin hat gegen das landgerichtliche Urteil ohne Einschränkung Berufung eingelegt und schriftsätzlich Anträge zu allen Stufen des Verfahrens angekündigt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht indessen nur den Antrag „unter Bezug auf die Auskunftsanträge der Berufungsbegründung“ verlesen. Eine Zurücknahme der Berufung bezüglich der Klaganträge zur zweiten und dritten Stufe kann hierin schon deshalb nicht gesehen werden, weil es grundsätzlich dem Verfahren bei der Stufenklage entspricht, über die Ansprüche getrennt und nacheinander zu verhandeln (BGHZ 10, 385, 386; BGH, Urteil vom 9. Oktober 1974 – IV ZR 164/73, WM 1974, 1162, 1164 letzter Absatz); daran hat sich die Klägerin mit ihrem Antrag ersichtlich gehalten.

Eine andere Frage ist, ob das Berufungsgericht auf den eingeschränkten Antrag hin auch befugt war, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, soweit das Landgericht die Klaganträge zu 2 und 3 abgewiesen hatte. Diese Befugnis ist in entsprechender Anwendung von § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (betrifft Fälle der Vorabentscheidung über den Grund oder Klagabweisung zum Grund) zu bejahen. Zwar schafft bei einer Stufenklage die Verurteilung zur Auskunft oder Rechnungslegung keine Rechtskraft für den Grund des Zahlungsanspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1969 – VII ZR 101/67 und vom 19. Dezember 1969 – V ZR 114/66, LM ZPO § 254 Nr. 9, 10 = NJW 1969, 880 und JZ 1970, 226 m. Anm. Grunsky). Gleichwohl ist der Zusammenhang zwischen dem in erster Linie („principaliter“ – vgl. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., § 98 II 3 b S. 558 f.) erhobenen Auskunfts- oder Rechnungslegungsanspruch und dem Zahlungsanspruch ähnlich eng wie beim Grundurteil in Bezug auf die Entscheidung über den Betrag der Klagforderung. Im Hinblick auf diese Rechtsähnlichkeit ist anerkannt, daß die Vorschrift (analoge) Anwendung findet, wenn das erstinstanzliche Gericht eine Stufenklage ganz abgewiesen hat, das Berufungsgericht hingegen dem Rechnungslegungs- oder Auskunftsanspruch stattgibt (vgl. Senatsurteil vom 8. November 1978 – VIII ZR 199/77 unter I 2 b, LM ZPO § 538 Nr. 17 = NJW 1979, 925, 926 m. w. Nachw.). Dasselbe gilt, wenn – anders als in dem eben genannten Urteil – ein zweitinstanzlicher Sachantrag des Klägers nur zum Auskunftsanspruch gestellt worden ist. Insoweit kommt in Betracht, bezüglich der Klaganträge zu 2 und 3 auf die in der ersten Instanz gestellten Anträge zurückzugreifen (vgl. die Erwägungen im Beschluß des BGH vom 3. Juli 1959 – I ZR 169/55 LM ZPO § 537 Nr. 8 = NJW 1959, 1827,1828 unter 1 c zum Antragserfordernis bei Abweisung der gesamten Klage durch das Berufungsgericht). Auf diese Möglichkeit braucht indessen nicht näher eingegangen zu werden, weil das Berufungsgericht ohnehin befugt war, auch ohne besonderen Antrag zusammen mit der Verurteilung zur Auskunftserteilung, die dem Berufungsantrag der Klägerin entsprach, die Klagabweisung im übrigen aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Dies stimmt überein mit der Handhabung beim Verfahren über den Grund des Anspruchs; die Zurückverweisung erfolgt von Amts wegen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 42. Aufl., § 538 Anm. 2). Die prozessuale Lage bei Zuerkennung des Auskunftsanspruchs, nachdem das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen hatte, ist in der Sache mit jener vergleichbar, die sich ergibt, wenn das Berufungsgericht der vom Landgericht abgewiesenen Klage dem Grunde nach stattgibt und nunmehr über den Betrag zu entscheiden ist. Erst durch die Verurteilung zur Auskunft wird – in einem Fall wie dem vorliegenden – der Weg frei für das weitere Verfahren mit dem Ziel, die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung zu erreichen.

II. 1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin gemäß § 242 BGB von der Beklagten Auskunft über Direktverkäufe in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang verlangen; diesen Anspruch habe die Beklagte bisher nicht erfüllt. Beim jetzigen Stand des Verfahrens sei noch nicht von Belang, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin Provisionsansprüche zustehen, denn jedenfalls kämen Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung in Betracht, deren Durchsetzung die Klägerin mit der Auskunftsklage ebenfalls vorbereiten wolle.

a) Die Grundlage für Ansprüche der Klägerin sieht das Berufungsgericht in einem zwischen den Parteien zugunsten der Klägerin vereinbarten Kundenschutz. Die Vereinbarung entnimmt es dem Schriftwechsel, den die Parteien in der Zeit von Juni bis Oktober 1978 geführt haben. Im einzelnen legt es dar: Die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom 14. Juni 1978 die Vertragsverhandlungen für gescheitert erklärt, soweit sie die ursprünglich in einem größeren Umfang beabsichtigte Zusammenarbeit betrafen. Das Schreiben der Beklagten vom 25. Oktober 1978 enthalte die abschließende Regelung der Rechtsbeziehungen der Parteien im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Verkauf der Wechselkoffer. Mit ihm habe die Beklagte auch Bezug genommen auf das Schreiben der Klägerin vom 11. August 1978, worin diese um Kundenschutz für zehn namentlich genannte Firmen gebeten hatte. Unter Nummer 4 ihres Schreibens vom 25. Oktober 1978 habe die Beklagte der Klägerin für sieben namentlich genannte Firmen Kundenschutz zugesagt; dieser Teil des Schreibens hat – soweit hier von Interesse – unter der Überschrift „Kundenschutz“ folgenden Wortlaut:

„In diesem Zusammenhang möchten wir auf das Thema Kundenschutz eingehen.

Soweit Sie bei den von Ihnen genannten Kunden… -Aufbauten aus unserer Fertigung verkauft haben, gewähren wir Ihnen unsererseits selbstverständlich Kundenschutz für die Firmen: (es folgen sieben Firmen, hinsichtlich deren die Klägerin Auskunft verlangt).

Der Kunde U. ist aus der vorgenannten Betrachtungsweise auszuklammern. Wir verweisen dabei auf die für den Auftrag 63.621 getroffene Regelung. (Berücksichtigung eines Provisionseinschlusses für Ihr Unternehmen). Eine Abrechnung geht Ihnen umgehend mit getrennter Post zu.

Diese Regelung sollte nach jeweiliger Absprache mit Ihnen auch für die anderen vorgenannten Firmen anwendbar sein (Festlegung der Provisionshöhe vor den Verkaufsverhandlungen), soweit diese Firmen bei uns direkt kaufen möchten.“

Das Berufungsgericht fährt fort, daß aufgrund des Schriftwechsels eine verbindliche Willensübereinstimmung über die Herbeiführung eines bestimmten rechtlichen Erfolgs – Kundenschutz zugunsten der Klägerin für die sieben Firmen – zustandegekommen sei. Die Nichterfüllung oder Verletzung dieser Abrede verpflichte die Beklagte jedenfalls zum Schadensersatz, wenn sie es schuldhaft unterlasse, die Klägerin bei – der Beklagten gestatteten – Direktverkäufen an die betreffenden Firmen durch „Festlegung der Provisionshöhe vor den Verkaufsverhandlungen“ daran zu beteiligen. Der Kundenschutz sei nicht auf die Firmen beschränkt, an welche die Klägerin bereits vor dem 25. Oktober 1978 Wechselkoffer verkauft habe.

b) Für Direktverkäufe der Beklagten an die Firma U. gelte im Ergebnis dasselbe wie hinsichtlich der sieben anderen Firmen. Denn – so meint das Berufungsgericht – die Beklagte habe aufgrund des zweiten Absatzes der Nr. 4 des Schreibens vom 25. Oktober 1978 (siehe oben), der auf die telefonische Vereinbarung einer Provision von 7% für die Klägerin vom 12. Oktober 1977 für den Auftrag Nr. 63.621 – 2 über 20 Wechselkoffer Bezug nehme, einen Provisionseinschluß berücksichtigen müssen. Auch hier komme es beim gegenwärtigen Verfahrensstand noch nicht darauf an, ob der Klägerin bei jedem Direktverkauf entsprechend dem Telefongespräch vom 12. Oktober 1977, dessen Inhalt die Beklagte der Klägerin mit ihrem Schreiben vom 13. Oktober 1977 bestätigt habe, eine 7%ige Provision zustehe oder ob die Provision nur von Fall zu Fall von den Parteien festgelegt werden sollte, mit der Folge eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin aus positiver Vertragsverletzung, wenn die Beklagte der Klägerin keine Mitteilung von einem sich anbahnenden Geschäft machte.

2. Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Allerdings wendet sich die Revision ohne Erfolg dagegen, daß das Berufungsgericht überhaupt eine Kundenschutz-Vereinbarung zugunsten der Klägerin angenommen hat. Sie zeigt nicht auf, daß es hierbei gegen zwingende Auslegungsgrundsätze, insbesondere § 154 Abs. 1 BGB, verstoßen oder entscheidungserhebliche Tatsachen übergangen hat.

aa) Das Berufungsgericht sieht in dem Schreiben der Beklagten vom 25. Oktober 1978 eine abschließende Regelung der Rechtsbeziehungen der Parteien im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Verkauf der Wechselkoffer, nachdem die Vertragsverhandlungen über die in einem größeren Umfang beabsichtigte Zusammenarbeit gescheitert waren. Es ist nicht sachwidrig anzunehmen, daß die Parteien auch für eine weniger enge Geschäftsverbindung Regelungen treffen wollten, die über Vereinbarungen für das einzelne Geschäft hinausgingen. Bei der geschilderten – vom Berufungsgericht ohne Verfahrensverstoß angenommenen – Ausgangslage für die Einigung über den Kundenschutz greift entgegen der Auffassung der Revision auch nicht die Vermutung des § 154 Abs. 1 BGB ein, wonach ein Vertrag nicht geschlossen ist, solange nicht die Parteien sich über alle Punkte geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll. Die Beklagte meint, jedenfalls ihr Wille sei dahin gegangen, einen Kundenschutz zugunsten der Klägerin nur einzuräumen, wenn diese sich verpflichtete, Verkaufsaktivitäten für den Absatz der Wechselkoffer zu entfalten und ihrerseits den von der Beklagten gewünschten Kundenschutz zu gewähren. Hierfür beruft sie sich insbesondere auf die Verhandlungen und Entwürfe für den ursprünglich ins Auge gefaßten Kooperationsvertrag, der lediglich deshalb nicht zustandegekommen sei, weil die Klägerin sich nicht in der Lage gesehen habe, der Beklagten eine Abnahmegarantie zu geben. Sie findet ihre Ansicht auch in dem Schreiben der Klägerin vom 11. August 1979 bestätigt, in dem es heißt: „Wir haben natürlich Verständnis für Ihr Interesse, Ihre jährliche Kapazitätsmenge von ca. 300 Stück Plywood-Koffern auszulasten und zu vertreiben. Daher sind wir auch weiter bemüht, die Kontakte zu unseren jetzigen Kunden im Bereich Plywood-Aufbauten zu pflegen und darüberhinaus einen größeren Kreis potentieller Abnehmer anzusprechen, z.B. durch gezielte Werbeaktionen, wie Vorführungen und Direct- Mailing.“

Dem Zusammenhang des Berufungsurteils ist indessen zu entnehmen, daß das Oberlandesgericht die Vorgeschichte, die zum Schreiben der Beklagten vom 25. Oktober 1978 führte, berücksichtigt hat. Auch im Hinblick auf diese Vorgeschichte hält sich seine Würdigung noch im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens, daß die Parteien eine isolierte Kundenschutz-Vereinbarung zugunsten der Klägerin getroffen haben. Bezüglich des Schreibens der Klägerin vom 11. August 1978 kommt noch hinzu, daß den zitierten Sätzen der Hinweis vorausgeht, die Parteien seien übereingekommen, den ursprünglichen Vertragsentwurf nicht zur Geltung kommen zu lassen, da die Klägerin für eine von der Beklagten gewünschte konstante Abnahmemenge von 20 Stück Wechselkoffern je Monat keine ausreichende Marktchance gesehen habe.

Schließlich steht der vom Berufungsgericht angenommenen Vereinbarung nicht entgegen, daß nach dem Vortrag der Beklagten zwischen den Parteien offengeblieben ist, ob die Klägerin nur Plywood-Wechselkoffer der Beklagten sollte verkaufen dürfen oder ob es ihr gestattet sein sollte, Plywood- Wechselkoffer oder ähnliche Produkte anderer Hersteller (oder aus eigener Herstellung) zu verkaufen. Es wäre möglicherweise zweckmäßig gewesen, daß die Parteien sich hierüber geeinigt hätten. Aus dem Unterbleiben einer solchen Einigung läßt sich aber nichts für die Frage herleiten, ob ein im Sinne von § 154 Abs. 1 BGB regelungsbedürftiger Punkt offengeblieben ist. Dasselbe gilt für den von der Beklagten gewünschten Kundenschutz.

bb) Ein Rechtsfehler des Berufungsurteils ergibt sich im übrigen auch nicht daraus, daß das Oberlandesgericht Kundenschutz zugunsten der Klägerin angenommen hat, ohne zugleich ihre Verpflichtung zu bejahen, für den Absatz der Wechselkoffer tätig zu werden. Zwar ist der Revision zuzugeben, daß eine solche Verbindung von Kundenschutz und Tätigkeitspflicht naheliegt (vgl. Stumpf, Kundenschutz, 4. Auflage, 1976, S. 17 f.). Allerdings könnte Stumpf (aaO) nicht gefolgt werden, wenn er meinen sollte, aus der Kundenschutz-Vereinbarung ergebe sich zwingend eine korrespondierende Pflicht des Begünstigten, für den Absatz der Ware tätig zu werden. Im vorliegenden Fall war das Berufungsgericht rechtlich nicht daran gehindert, eine isolierte Kundenschutz-Vereinbarung anzunehmen.

Soweit die Beklagte eine Tätigkeitspflicht der Klägerin aus dem Passus in ihrem Schreiben vom 11. August 1978 herleiten will, daß „wir übereingekommen seien, die von uns geworbenen Kunden bzw. Interessenten auch weiter zu betreuen“, ist nicht ersichtlich, daß das Berufungsgericht diesen Umstand bei seiner Würdigung außer Acht gelassen hat.

Da nach der rechtsfehlerfrei vorgenommenen Würdigung des Berufungsgerichts die Klägerin nicht verpflichtet war, korrespondierend zum Kundenschutz Verkaufsaktivitäten zu entfalten, gehen auch die Beanstandungen der Revision fehl, irgendwelche Ansprüche der Klägerin aus dem Kundenschutz müßten schon deshalb entfallen, weil es zu den fraglichen Rechtsgeschäften mit den geschützten Kunden nur wegen der völligen Inaktivität der Klägerin und aufgrund eigener Bemühungen der Beklagten gekommen sei.

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b) Innerhalb der sachlichen und zeitlichen Grenzen des der Klägerin eingeräumten Kundenschutzes hat sie auch einen Auskunftsanspruch.

aa) Das Berufungsgericht hat diesen Anspruch zutreffend auf § 242 BGB gestützt, wobei es für den gegenwärtigen Abschnitt des Stufenklage- Verfahrens (Klage auf Auskunft) offenlassen konnte, ob der Klägerin ein Zahlungsanspruch in Form von Provision oder von Schadensersatz zustehen kann (s. zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Kundenschutz- Vereinbarung Peterek, BB 1966, 351, 355 unter II 4; zu ähnlichen Fallgestaltungen vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 1983 – VIII ZR 195/82, WM 1984, 314,316 unter II; BGH, Urt. v. 9. Februar 1984 – I ZR 226/81, NJW 1984, 2411 unter I 2b). Die Vereinbarung über den Kundenschutz hat nämlich im Hinblick auf die möglicherweise aus ihr folgenden Provisions- oder Schadensersatzansprüche zwischen den Parteien eine besondere rechtliche Beziehung hergestellt, die es mit sich bringt, daß die Klägerin in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang ihrer Rechte im Ungewissen, die Beklagte aber in der Lage ist, die verlangte Auskunft unschwer zu erteilen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 1980 – VIII ZR 129/79, LM BGB § 260 Nr. 22 unter II 2 und speziell zur Kundenschutz-Zusage Senatsurteil vom 19. Dezember 1962 – VIII ZR 116/61, LM BGB § 242 (Be)Nr. 17 = BB 1963, 110).

bb) Gegen den sachlichen Umfang des vom Berufungsgericht zuerkannten Anspruchs, nämlich Auskunft über die Direktverkäufe von Wechselkoffern nach Auftragsdaten, Anzahl, Auftragssumme netto und brutto, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Revision wendet sich aber mit Recht dagegen, daß die Verurteilung zur Auskunft das ganze Jahr 1978 und das Jahr 1981 einbezieht. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, den Kundenschutz schon vor Zugang des Schreibens der Beklagten vom 25. Oktober 1978, also vor dem 26. Oktober 1978 anzunehmen (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 14. September 1982, S. 10 unten). Das Berufungsgericht hatte jedoch auch Veranlassung, auf die Frage einzugehen, über welchen Zeitraum sich der Kundenschutz erstrecken sollte. Auch dann, wenn mangels einer anderen Regelung die Geltung der Zusage für unbestimmte Zeit anzunehmen ist, ist die Dauer nach Treu und Glauben zu ermitteln (Senatsurteil vom 19. Dezember 1962 – VIII ZR 139/61, LM BGB § 242 (Ba) Nr. 39 = BB 1963, 110). Außerdem ist die Revisionsrüge (§ 286 ZPO) begründet, daß das Berufungsgericht die von ihm herangezogene Vorgeschichte des Schreibens der Beklagten vom 25. Oktober 1978 auch insoweit berücksichtigen mußte, als es um die Dauer des Kundenschutzes ging. In den Vertragsentwürfen vom 13. September 1977 und 24. November 1977 war eine Laufzeit des Vertrags bis zunächst 31. Dezember 1980 vorgesehen. Nach dem Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 8. April 1982 (S. 8) hat sie ab April 1981 von der Beklagten keine Wechselkoffer mehr bezogen. Angesichts dieser Umstände liegt die Würdigung nicht fern, daß nach dem Willen der Parteien jede über das Einzelgeschäft hinausgehende Regelung zwischen ihnen mit Ende 1980 auslaufen sollte, wenn sich – wie für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist – ihre Geschäftsbeziehung im Abschluß und in der Durchführung einzelner Geschäfte erschöpfte. Zur abschließenden Beurteilung, ob der Kundenschutz noch über den 31. Dezember 1980 hinaus galt, bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen.

III. Die Verurteilung zur Erteilung von Auskunft ist mithin aufzuheben, soweit sie die Zeit vor dem 26. Oktober 1978 und nach dem 31. Dezember 1980 betrifft; in diesem Umfang ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Einer teilweisen Aufhebung der Zurückverweisung an das Landgericht bedurfte es nicht, weil das Berufungsgericht „dem Grunde nach“ zur Zurückverweisung befugt war (s. oben zu I.) und sich das weitere Verfahren vor dem Landgericht ohnehin danach bestimmt, in welchem Umfang die Beklagte zur Auskunft verurteilt worden ist.

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