OLG Stuttgart Urteil vom 21.1.2004, 4 U 171/03

Mai 5, 2021

OLG Stuttgart Urteil vom 21.1.2004, 4 U 171/03

Gewinnzusage: Zustellung einer Gewinnanforderung mit Auswahlrecht; Überprüfung einer erstinstanzlichen Auslegung durch das Berufungsgericht

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 26.08.2003 (4 O 553/02) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: 13.000,00 EUR

Gründe

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Gewinnzusage (§ 661a BGB).

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, einem österreichischen Versandunternehmen, die Übereignung und Besitzverschaffung eines PKW Renault – Twingo.

Sie erhielt im Juli 2001 eine Gewinnzustellung von „F.“. Dahinter steht die in W. ansässige Beklagte. Die Gewinnzustellung enthielt vier Gewinne: Ein Auto, eine Kücheneinrichtung, eine Mittelmeerkreuzfahrt für zwei Personen oder 10.000,00 DM in bar. Wegen der weiteren Einzelheiten der Angaben in dieser Gewinnzustellung wird auf die Anlagen K 1 und K 3 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Übereignung des von der Klägerin ausgewählten PKW – Gewinns verurteilt, weil angesichts des Gesamteindrucks der Gewinnmitteilung ein Auswahlrecht anzunehmen sei. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Ziel einer Abweisung des Hauptantrages verfolgt, um im Rahmen eines Anerkenntnisses zur Verschaffung der angeblich bereits gewonnenen Reise verurteilt zu werden, die von der Klägerin hilfsweise beantragt worden ist.
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Die Berufung rügt eine fehlerhafte Auslegung der Gewinnzustellung. Es sei nur der Eindruck vermittelt worden, man habe bereits einen der dort genannten vier Preise gewonnen, ein Auswahlrecht sei nicht eingeräumt worden.
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Die Beklagte beantragt:
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Das Urteil des Landgerichts Ulm vom 26.08.2003 (4 O 553/02) wird abgeändert: die Klage wird im Hauptantrag abgewiesen.
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Die Klägerin beantragt:
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Die Berufung wird zurückgewiesen.
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Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf das erstinstanzliche Urteil, die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
II.
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Die Berufung ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht und mit einer zutreffenden Begründung der Klage stattgegeben. Der Senat nimmt auf die dortigen Ausführungen Bezug. Ergänzend ist wie folgt auszuführen:
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1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 EuGVÜ oder gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ist höchstrichterlich geklärt (BGH, Urteil vom 28.11.2002, III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 = NJW 2003, 426, 427). Es ist das deutsche materielle Recht anzuwenden, denn die Parteien haben jedenfalls im Prozess das deutsche Recht gewählt, indem sie dieses ihrem Vortrag zugrunde gelegt haben (BGH, Urteil vom 16.10.2003, III ZR 106/03, Seite 5).
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2. Die noch in erster Instanz gerügte Aktivlegitimation ist mit der Berufung nicht mehr angegriffen worden. Sie ergibt sich im Übrigen schon aus dem Zugeständnis der Beklagten, dass die Gewinnanforderung der Klägerin am 07.08.2001 bei ihr eingegangen ist. 3. Die Beklagte ist Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB, die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit folgt schon aus der Mitteilung, man wolle sich für die Kundentreue bedanken, da die Klägerin mitgeholfen habe, dass „F.“ zum Gesundheitsversender Nummer 1 in Europa aufgestiegen sei. Die Beklagte ist als die hinter diesem Pseudonym stehende juristische Person Versenderin im Sinne des § 661a BGB (zum Begriff des Versenders vergleiche auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.05.2002, 6 W 27/02, NJW-RR 2002, 1632 f).
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4. Im Urteil des Landgerichts ist zu Recht festgestellt worden, dass die Beklagte eine Gewinnzusage abgegeben hat, mit der der Klägerin ein Wahlrecht eingeräumt wurde, denn die Auslegung des Landgerichts ist zutreffend.
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a. Für die Frage, ob eine Gewinnzusage gemacht wurde, die den Eindruck erweckt, der Verbraucher habe einen Preis gewonnen, kommt es nicht darauf an, ob gerade der konkret angesprochene Verbraucher diesen Eindruck hatte oder haben durfte. Maßgeblich ist vielmehr der sogenannte objektive Empfängerhorizont der angesprochenen Verkehrskreise. Es kommt also darauf an, ob die Mitteilung objektiv geeignet ist, bei einem durchschnittlichen Verbraucher den Eindruck eines bereits gewonnenen Preises zu erwecken (OLG Celle, Beschluss vom 06.12.2002, 8 W 273/02; OLG Koblenz, Urteil vom 26.09.2002, 5 U 202/02, OLGR Koblenz 2003, 25 = MDR 2002, 1359 = VersR 2003, 377; OLG Schleswig, Beschluss vom 25.07.2003, 14 W 40/03; OLG Stuttgart, Urteil vom 25.11.2002, 6 U 135/02, OLGR Stuttgart 2003, 124 [128f]; Lorenz NJW 2000, 3305 [3306]; Timme JuS 2003, 638 [641]; Palandt-Sprau, BGB, 63. Aufl. 2004, § 661a Rdnr. 2). Hierbei kommt es auf den Wortlaut entsprechender Aussagen (OLG Oldenburg, Urteil vom 07.03.2003, 6 U 173/02, OLGR Oldenburg 2003, 165), vor allem auch auf die optische Gestaltung vom Standpunkt eines durchschnittlich aufmerksamen Verbrauchers an, z.B. auf eine hervorgehobene „Head-Line“ (OLG Celle, Beschluss vom 06.12.2002, 8 W 273/02; OLG Celle, Urteil vom 17.07.2003, 11 U 69/03, NJOZ 2003, 2991 [2993]).
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b. Mit der Gewinnmitteilung hat die Beklagte den Eindruck erweckt, die Klägerin habe einen der in der Gewinnanforderung aufgeführten vier Preise gewonnen und sie könne zwischen diesen Preisen selbst entscheiden und wählen, welcher der Gewinne ihr zugestellt werden soll.
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Nach dem Gesamtbild der Gewinnzustellung drängt sich einem unbefangenen Leser der Eindruck auf, er habe ein Wahlrecht zwischen den genannten Preisen. Es heißt zwar immer wieder, die Klägerin habe einen der vier Preise gewonnen. Allerdings wird in jedem Gewinnfeld, in dem der jeweilige Preis abgebildet ist, der Name der Klägerin genannt. Sie wird außerdem bei jeder Abbildung darum gebeten, auf der Gewinnanforderung ihre Wünsche mitzuteilen.
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Am Anfang der Gewinnanforderung ist vom „garantierten Gewinn“ der Klägerin die Rede, sie solle „IHREN GARANTIERTEN GEWINN“ nun endlich abrufen. Vor allem die optische Gestaltung der unwiderruflichen persönlichen Gewinnanforderung erweckt durch ihre drucktechnische Gestaltung den Eindruck, dass man ein Wahlrecht habe, indem die Gewinnanforderung durch entsprechenden Großdruck und die Gewinne durch Kästen und die Ziffern 1 – 4 optisch hervorgehoben werden, während der restliche Text dagegen völlig in den Hintergrund tritt. Außerdem wird bei der Großdarstellung der Gewinne ein Wahlrecht suggeriert, indem beispielsweise ausgeführt wird „Frau A. in U., wählen Sie jetzt!“. Dieses Wahlrecht befindet sich im Kasten über den Bargeldgewinn, ein ausschließlicher Bezug auf diesen Gewinn ist aber nach den Gesamtumständen nicht zwingend.
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In der Gewinnanforderung wird ausgeführt:
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„Einen der folgenden Gewinne (AUTO – KÜCHE – 4 TAGE MITTELMEER-KREUZFAHRT FÜR 2 PERSONEN – DM 10.000,00 – IN BAR!) habe ich auf jeden Fall 100 %ig gewonnen. Ich bevorzuge aber folgenden Gewinn in folgender Ausführung (für Ihre Auswertung kreuze ich so Ä an!).“
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Dahinter werden nochmals die vier Gewinne in vier optisch hervorgehobenen Rahmen aufgeführt, wobei sich jeweils oben links ein Kästchen befindet, mit dem der Wunschgewinn angekreuzt werden kann.
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Dem Verbraucher wird damit der Eindruck vermittelt, er bekomme den von ihm ausgewählten, nämlich den angekreuzten Preis. Was für einen Sinn es ansonsten machen sollte, mitzuteilen, welcher Preis vom Gewinner bevorzugt werde, ist nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden. Es ist nicht nachvollziehbar, für welche Auswertung die Beklagte Angaben benötigte, welchen Gewinn man bevorzuge. Durch die Aufforderung zu einer Auswahl, besonders auch zu bestimmten Ausstattungsmerkmalen der einzelnen Gewinne (Farbe, Kühlschrank etc.) wird dem Verbraucher suggeriert, er erhalte den von ihm ausgewählten Gewinn. Aus der Sicht des Verbrauchers macht es überhaupt keinen Sinn, warum ihm andere mögliche Gewinne genannt werden, wenn bereits im Zeitpunkt des Erhalts der Gewinnmitteilung feststeht, dass der Empfänger nur einen der dort genannten Gewinne erhalten kann. Durch die Gestaltung der Gewinnanforderung wird genau der entgegengesetzte Eindruck vermittelt.
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Insgesamt erweckt die gesamte Aufmachung der Gewinnmitteilung den Eindruck, man könne sich einen der aufgeführten Gewinne aussuchen. Hierfür spricht auch, dass die Klägerin mehrfach persönlich angesprochen worden ist.
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5. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass in den „Rechtlich geprüften Teilnahmebedingungen“ eine Einschränkung enthalten ist. Dort ist eine eindeutige Einschränkung vorgenommen, wonach der Gewinn nach Auswahl der Beklagten zugeordnet ist:
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„Jedem Adressaten wurde durch Verlosung unter Aufsicht eines Notars bereits ein Preis zugeordnet.“
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Es handelt sich um einen innen auf dem Rückumschlag aufgedruckten Text, der nichts an den vorherigen Bewertungen ändert. Es kann nicht erwartet werden, dass jemand die Innenseite eines Briefumschlages in Augenschein nimmt, um zu überprüfen, ob dort noch wesentliche Mitteilungen zu finden sind (OLG Braunschweig, Urteil vom 09.09.2003, 7 U 16/02, OLGR Braunschweig 2003, 47 [49]).
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Im Übrigen wäre aufgrund der versteckten Stelle und des Kleindrucks sowie des Schriftbildes – keine Absätze oder sonstige Unterbrechungen – davon auszugehen, dass diese allgemeinen Geschäftsbedingungen schon nicht wirksam einbezogen sind und in Widerspruch zu den vorigen Aussagen stehen, weshalb diese nach den auf diesen Fall noch anzuwendenden §§ 2, 5 AGBGB außer Betracht bleiben müssen (OLG Koblenz, Urteil vom 26.06.2002, 5 U 202/02, OLGR Koblenz 2003, 25 = MDR 2002, 1359 = VersR 2003, 377; zu Gewinnregeln an anderer Stelle OLG Oldenburg, Urteil vom 07.03.2003, 6 U 173/02, OLGR Oldenburg 2003, 165).
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Die schriftliche Bestätigung der Klägerin, sie habe die Teilnahmebedingungen auf der Kuvertinnenseite gelesen, bleibt deshalb ohne Relevanz.
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6. Die Auslegung des Landgerichts ist angesichts der soeben gemachten Ausführungen nicht rechtsfehlerhaft. Schon deshalb kommt eine abweichende Entscheidung des Berufungsgerichts nicht in Betracht.
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a. Nach der Neuregelung des Berufungsrechts ist das Berufungsgericht bei der Überprüfung einer Auslegung dahingehend beschränkt, ob der ersten Instanz Rechtsfehler unterlaufen sind oder die in der Berufungsinstanz zu berücksichtigenden Tatsachen eine andere Entscheidung gebieten (§§ 513, 546 ZPO). Das Berufungsgericht darf deshalb die Auslegung von Individualvereinbarungen nur darauf überprüfen, ob die Vorinstanz bei der Auslegung gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder gesetzliche beziehungsweise allgemein anerkannte Auslegungsregeln verstoßen hat, wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat oder ob die Auslegung des Tatrichters auf Verfahrensfehlern beruht. Bei der Auslegung von Willenserklärungen ist das Berufungsgericht ohne Rücksicht auf seine eigene Auslegungstendenz an eine fehlerfreie Auslegung des erstinstanzlichen Gerichts gebunden. Eine Auslegung, die den genannten Kriterien gerecht wird und auf einer vertretbaren Gewichtung beruht, bedeutet ungeachtet der Möglichkeit anderer Auslegungen keine Rechtsverletzung im Sinne eines Rechtsanwendungsfehlers (OLG Celle, Beschluss vom 01.08.2002, 2 U 57/02, OLGR Celle 2002, 238; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.06.2003, 17 U 224/02, OLGR Karlsruhe 2003, 507; KG, Beschluss vom 10.11.2003, 22 U 216/03; OLG München, Urteil vom 30.04.2003, 21 U 4591/02, OLGR München 2003, 310 [311]; OLG München, Urteil vom 09.04.2003, 21 U 2999/02, OLGR München 2003, 393; Gehrlein MDR 2003, 421 [426]).
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b. Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung beruht zumindest auf einer vertretbaren Gewichtung. Sie verstößt auch nicht gegen Denkgesetze, denn man kann die Gewinnzusage so verstehen, dass damit ein Wahlrecht verbunden ist.
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III. Die Beklagte trägt nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind bereits durch mehrere obergerichtliche und höchstrichterliche Entscheidungen geklärt. Die Frage der Auslegung der Gewinnmitteilung ist am konkreten Einzelfall zu entscheiden. Die von der Beklagten vorgelegten Entscheidungen verschiedener Gerichte führen nicht zu einer anderen Bewertung. Die Entscheidungen der Amts- und Landgerichte betreffen zum Großteil nur Prozesskostenhilfeanträge und haben auch als solche keine maßgebliche Bedeutung für die Rechtsprechung im Ganzen. Im Sachverhalt beim OLG München ist keine Entscheidung des Senats in der Sache ergangen, sondern die Berufung wurde zurückgenommen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe aus anderen Gründen zurückgewiesen, zudem ging es hier um neun verschiedene Gewinne.

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