Anhängigkeit des Auskunftsanspruchs in der Rechtsmittelinstanz

November 4, 2020

BGH, Urteil vom 13. Dezember 1989 – IVb ZR 22/89

Anhängigkeit des Auskunftsanspruchs in der Rechtsmittelinstanz – Abweisung der Stufenklage insgesamt – Teilklage im Unterhaltsprozeß – Rechtskraftwirkung der Abweisung eines Unterhaltsanspruchs

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 17. Januar 1989 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – teilweise aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Kiel vom 11. Februar 1987 wird zurückgewiesen, soweit es die Zeit bis zum 29. Juli 1986 betrifft.

Im übrigen wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Der am 22. April 1955 geborene Beklagte ist Sohn des Klägers aus dessen im Jahre 1954 geschlossener und im Jahre 1955 geschiedener Ehe. Durch Prozeßvergleich vom 8. August 1973 wurde geregelt, daß der Kläger für den damals noch die Schule besuchenden und bei der Mutter lebenden Beklagten einen monatlichen Unterhalt von 175 DM zu zahlen hat.

Nach Ablegung der Reifeprüfung im Mai 1975 leistete der Beklagte bis Januar 1977 den Zivildienst ab. Alsdann absolvierte er zunächst ein Praktikum in einem Fotostudio und begann im Wintersemester 1978/79 das Studium des Kommunikationsdesigns an der Gesamthochschule in E., das er jedoch bereits nach einem Semester abbrach. Er beschäftigte sich mit fotografischen Arbeiten und ging Gelegenheitsarbeiten nach. Im Wintersemester 1980/81 schrieb er sich bei der Universität K. für das Fach Kunstgeschichte ein, um die finanziellen Vorteile des Studentenstatus zu erlangen. Ab Wintersemester 1982/83 studierte er an der Universität H. Japanologie. Er übernahm häufig Nachtwachen in Krankenhäusern und richtete sich ein Fotoatelier ein, um durch fotografische Arbeiten Einkünfte zu erzielen. Die weitere Immatrikulation an der Universität H. im Wintersemester 1983/84 und im Sommersemester 1984 geschah lediglich „pro forma“. Mit dem Wintersemester 1984/85 nahm der Beklagte das Studium des Kommunikationsdesigns in E. wieder auf, welchem er mittlerweile im neunten Semester nachgeht.

Der Kläger, der seit Juni 1980 nach einem Treffen der Parteien im Mai des Jahres, über dessen Hergang im einzelnen Streit besteht, keinen Unterhalt für den Beklagten mehr zahlte, wurde von diesem im Januar 1983 im Wege der Stufenklage auf Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse und auf Zahlung des sich daraus ergebenden Unterhalts in Anspruch genommen. Das Amtsgericht wies die Stufenklage durch Urteil vom 14. September 1983 insgesamt ab, weil ein Unterhaltsanspruch des Beklagten nicht mehr bestehe. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde durch Urteil vom 23. September 1986 zurückgewiesen. Dem Oberlandesgericht war dabei zwar die Existenz des Prozeßvergleichs von 1973 bekannt, es bestätigte aber die gänzliche Abweisung der Stufenklage wegen Fehlens eines Unterhaltsanspruchs und ging in den Entscheidungsgründen auf den Vergleich nicht ein.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Zwangsvollstreckung aus diesem Prozeßvergleich für unzulässig zu erklären und festzustellen, daß er seit Juli 1980 zu einer Unterhaltsleistung an den Beklagten nicht mehr verpflichtet sei. Anlaß für diese Klage war, daß der Beklagte im Frühjahr 1985 aus dem Prozeßvergleich zu vollstrecken versuchte. Das Amtsgericht hat die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich für die Zeit von Juli 1980 bis einschließlich September 1984 für unzulässig erklärt und für die Zeit ab Oktober 1984 in Abänderung des Vergleichs festgestellt, daß keine Ansprüche auf Ausbildungsunterhalt gegenüber dem Kläger bestehen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten, mit der er zuletzt nur sein Klageabweisungsbegehren für die Zeit ab Oktober 1984 weiterverfolgt hat, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Beklagte sein Prozeßziel zweiter Instanz weiter.

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat nur teilweise Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht führt aus, für den noch streitigen Zeitraum rechtfertige sich die Beurteilung des Amtsgerichts, daß der Beklagte aus dem Prozeßvergleich vom 8. August 1973 keine Rechte auf Ausbildungsunterhalt mehr herleiten könne, schon aus dem Umstand, daß im Vorprozeß seine Klage auf Ausbildungsunterhalt durch das Urteil vom 14. September 1983 in Verbindung mit dem bestätigenden Berufungsurteil vom 23. September 1986 rechtskräftig abgewiesen worden ist. Dies hält den Angriffen der Revision stand, soweit der Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses (29. Juli 1986) in Frage steht.

a) Die Revision macht geltend, im Vorprozeß habe der (jetzige) Beklagte nach dem klageabweisenden Erkenntnis der ersten Instanz die Berufung nur mit dem Auskunftsantrag geführt. Jedenfalls die Berufungsentscheidung habe daher nur den Auskunftsanspruch zum Gegenstand und könne deswegen Rechtskraftwirkungen für den Unterhaltsanspruch nicht entfalten.

Dem kann nicht gefolgt werden. Die für den Umfang der Rechtskraftwirkung maßgebenden Entscheidungsgründe des im Vorprozeß ergangenen Berufungsurteils ergeben, daß der erhobene Auskunftsanspruch abgewiesen worden ist, weil keine Unterhaltspflicht des (jetzigen) Klägers mehr bestehe und damit die begehrte Auskunft keine Bedeutung für den in der zweiten Stufe erhobenen Leistungsanspruch habe. Die Stufenklage ist insgesamt abgewiesen worden, wie es zulässig ist und in der Praxis nicht selten vorkommt (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 14. November 1984 – VIII ZR 228/83 – NJW 1985, 862). Ohne Bedeutung ist, daß der jetzige Beklagte seinerzeit in der Berufungsinstanz nur den Antrag zum Auskunftsanspruch gestellt hat. Ist auf eine Stufenklage hin der vorbereitende Auskunftsanspruch in der Rechtsmittelinstanz anhängig, hat das Rechtsmittelgericht auch die Befugnis zur Abweisung der Klage insgesamt, dies sogar dann, wenn der Kläger zwischenzeitlich den Hauptanspruch beziffert und anderweitig geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1985 – IVa ZR 138/83 – NJW 1985, 2405, 2407). Durch eine Abweisung der Stufenklage insgesamt werden sämtliche mit dieser verfolgten Ansprüche aberkannt. Bezüglich des mit der zweiten Stufe verfolgten Leistungsanspruchs ist die Rechtskraft des Urteils nicht anders zu beurteilen, als wenn dieser durch Schlußurteil abgesprochen worden wäre. Danach ist der Beklagte im Vorprozeß auch mit seinem Anspruch auf Ausbildungsunterhalt rechtskräftig abgewiesen worden.

b) Die Revision macht weiter geltend, der Klageantrag im Vorprozeß sei dahin auszulegen, daß Unterhalt nur über das bereits durch den Prozeßvergleich titulierte Maß hinaus begehrt worden sei. Dies sei insbesondere deswegen geboten, weil der Vergleich bereits Gegenstand dieses Verfahrens gewesen sei, wie seine Erwähnung im Berufungsurteil zeige. Die Klageabweisung beziehe sich daher nicht auf den Teil des Anspruchs des Beklagten, der durch den Vergleich tituliert sei.

Auch dem kann nicht gefolgt werden. Der anwaltlich vertretene Beklagte hat im damaligen Verfahren den Prozeßvergleich nicht nur in seinen Anträgen, sondern auch in seinem Vortrag vollständig unberücksichtigt gelassen. Auf dessen Existenz ist ausschließlich von der Gegenseite hingewiesen worden, und zwar erstmals in zweiter Instanz. Ob eine Teilklage vorliegt, bestimmt sich aber allein nach dem Begehren des Klägers. Im Unterhaltsprozeß spricht die Vermutung gegen eine Teilklage und muß der Kläger sich zumindest erkennbar eine Nachforderung vorbehalten, wenn ausnahmsweise von einer Teilklage ausgegangen werden soll (vgl. Senatsurteil BGHZ 94, 145, 147). Da dies nicht geschehen ist, war Gegenstand des Vorprozesses nicht lediglich ein Teilanspruch und sind die Rechtskraftwirkungen der ergangenen Urteile nicht entsprechend eingeschränkt. Der Prozeßvergleich ist im übrigen allein im Tatbestand des damaligen Berufungsurteils erwähnt worden.

c) Nach dem Inhalt des Prozeßvergleichs, der als Vergleichsgrundlage ausdrücklich die Einkünfte und Unterhaltslasten beider Elternteile anführt, hat er im Zeitpunkt seines Abschlusses den gesamten Unterhalt des damals noch die Schule besuchenden Beklagten umfaßt. Eine Anpassung des Unterhalts an die finanziellen Bedürfnisse eines Studierenden, wie sie der Beklagte im Vorprozeß erstrebte, war daher grundsätzlich nur im Wege der Abänderungsklage (§ 323 ZPO) möglich. Ein Verzicht auf die Rechte aus dem Vergleich ist seinerzeit nicht festgestellt worden. Für den Umfang der Rechtskraftwirkung ist indessen ohne entscheidende Bedeutung, daß die Sachabweisung der Unterhaltsneuklage möglicherweise verfahrensrechtlich inkorrekt war. Die Rechtskraft verbietet es, auch fehlerhaft entschiedene Fragen in einem späteren Prozeß zwischen denselben Parteien erneut aufzuwerfen (vgl. etwa Senatsurteil vom 6. März 1985 – IVb ZR 76/83 – FamRZ 1985, 580, 581). Dem Beklagten ist es deswegen verwehrt, im vorliegenden Verfahren das Gegenteil der im Vorprozeß rechtskräftig entschiedenen Rechtsfolge geltend zu machen, nämlich daß ihm dennoch ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt zustehe, und sei es auch nur in Höhe des durch den Vergleich titulierten Betrages.

d) Allerdings entfaltet nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die rechtskräftige Abweisung eines Anspruchs auf laufenden Unterhalt wegen fehlender Bedürftigkeit – um einen solchen Fall handelt es sich auch hier – keine Rechtskraftwirkungen für die Zukunft; sie steht vielmehr der Geltendmachung eines erst nach der letzten Tatsachenverhandlung entstandenen Unterhaltsanspruchs nicht im Wege (vgl. BGHZ 82, 246, 252; Urteile vom 30. Januar 1985 – IVb ZR 63/83 – FamRZ 1985, 376, 377 und vom 27. Juni 1984 – IVb ZR 2/83 – FamRZ 1984, 1001, 1003). Aus Gründen der Rechtskraft ist daher nur für die Zeit bis zur mündlichen Verhandlung, auf die im Vorprozeß das Berufungsurteil ergangen ist (29. Juli 1986), von dem Nichtbestehen eines Anspruchs des Beklagten auf Ausbildungsunterhalt auszugehen. Zwar ist in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils vom 23. September 1986 ausgeführt, daß der Beklagte wegen verzögerlichen Betreibens seiner Ausbildung einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt endgültig verloren habe. Hierbei handelt es sich aber lediglich um Urteilselemente, die nicht mit in Rechtskraft erwachsen. Für die Zeit ab 30. Juli 1986 ist unabhängig von der rechtskräftigen Entscheidung des Vorprozesses zu prüfen, ob dem Beklagten ein Unterhaltsanspruch zumindest in der durch den Vergleich titulierten Höhe zusteht.

2. Diese Beschränkung der Rechtskraftwirkung hat das Berufungsgericht übersehen. Es hat aber sein Urteil auch darauf gestützt, daß sich der Beklagte seiner Rechte aus dem Prozeßvergleich freiwillig begeben habe. Den vom Kläger angebotenen Beweis für einen ausdrücklichen Unterhaltsverzicht des Beklagten anläßlich des Treffens der Parteien im Mai 1980 hat es zwar nicht erhoben, folgert aber einen Verzicht auf die Rechte aus dem Vergleich aus dessen Gesamtverhalten seit diesem Treffen. Daß er hierbei ausdrücklich zeitweilig auf Unterhalt verzichtet habe, nämlich bis zur Wiederaufnahme seines Studiums, habe er selbst eingeräumt. Damit sei man sich auch darüber einig gewesen, daß der Prozeßvergleich vorbehaltlich sich ändernder Umstände gegenstandslos sein solle. Nach der Wiederaufnahme des Studiums habe die Unterhaltspflicht völlig neu geregelt werden sollen. Diese Annahme werde durch das nachfolgende Verhalten des Beklagten bestätigt. Als er im Jahre 1982 erneut Unterhalt verlangt habe, sei er auf den Vergleich nicht mehr zurückgekommen. Im Vorprozeß habe er diesen nicht erwähnt, sondern seinen gesamten Unterhaltsanspruch im Sinne einer Erstklage erneut zur gerichtlichen Überprüfung und Entscheidung gestellt.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Sie verweist zunächst mit Recht auf den Grundsatz, daß an die Annahme eines Verzichts durch schlüssiges Verhalten strenge Anforderungen zu stellen sind; der Verzicht auf ein Recht ist niemals zu vermuten (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Dezember 1983 – VI ZR 19/82 – NJW 1984, 1346, 1347). Da der Beklagte materiell-rechtlich nicht wirksam auf künftigen Unterhalt verzichten konnte (§ 1614 Abs. 1 BGB), kommt allenfalls ein Verzicht auf die Rechte aus dem den Gegenstand der vorliegenden Klage bildenden Unterhaltstitel, dem Prozeßvergleich von 1973, durch eine sog. vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung in Betracht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Dezember 1967 – III ZR 115/67 – NJW 1968, 700; Stein/Jonas/Münzberg ZPO 20. Aufl. § 766 Rdn. 21 ff). Eine solche Vereinbarung ist jedenfalls zulässig, soweit nur Interessen der Beteiligten berührt werden. Vorliegend kann aber schon der auf § 286 ZPO gestützten Rüge der Revision gegen die Annahme eines Verzichts der Erfolg nicht versagt werden. Wenn die Parteien, wie das Oberlandesgericht in seinem Urteil unterstellt, im Mai 1980 vereinbart haben, daß der Beklagte zeitweilig auf Unterhalt verzichte, ist der Schluß, daß er die Rechte aus dem bestehenden Titel endgültig aufgeben wollte, nicht sehr naheliegend. Mit anderen ernsthaft in Betracht kommenden Möglichkeiten, daß er nämlich nach Wiederaufnahme seines Studiums sich den Rückgriff auf den Titel vorbehalten wollte oder daß dessen Existenz von ihm überhaupt nicht bedacht worden ist, hat sich das Gericht nicht auseinandergesetzt. Ähnliches gilt für die Würdigung seiner Rechtsverfolgung im Vorprozeß, wobei hier als Grund für die Erhebung einer Erstklage auch Rechtsunkenntnis in Betracht kommt. Überdies wäre ein im Prozeßverhalten des Beklagten liegendes Verzichtsangebot vom Kläger ausdrücklich abgelehnt worden. Dieser hat nämlich in zweiter Instanz auf den Prozeßvergleich hingewiesen und geltend gemacht, die Unterhaltsklage sei unzulässig, weil nur eine Abänderungsklage (§ 323 ZPO) möglich sei (Schriftsatz vom 14. Mai 1986).

3. Ist somit das angefochtene Urteil für den Zeitraum ab 30. Juli 1986 mit der gegebenen Begründung nicht haltbar, so erweist es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung reichen die getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht aus, um einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach § 1610 Abs. 1 BGB durch abschließende Entscheidung des Senats zu verneinen. Hierfür ist u.a. die Leistungsfähigkeit des Beklagten von Bedeutung, zu der jegliche Feststellungen fehlen. Die Sache ist deshalb insoweit zur weiteren Aufklärung und erneuten tatrichterlichen Würdigung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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