Beschluss des Schieds- und Verwaltungsgerichts des Zentralrats der Juden keine Entscheidung im Sinne von §§ 1025 ff. ZPO OLG Frankfurt am Main, 10.06.2015 – 26 Sch 6/15

April 8, 2019

Beschluss des Schieds- und Verwaltungsgerichts des Zentralrats der Juden keine Entscheidung im Sinne von §§ 1025 ff. ZPO
OLG Frankfurt am Main, 10.06.2015 – 26 Sch 6/15
Tenor:

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein auf Aufhebung des Beschlusses der 4. Kammer des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland vom 07.11.2014 gerichtetes Verfahren nach § 1059 ZPO wird zurückgewiesen.
Gründe

I.

Der Kläger ist Mitglied der Jüdischen Gemeinde Stadt1 K.d.ö.R. (im Folgenden: Gemeinde).

Die Wahlordnung für den Gemeinderat der Gemeinde sieht in § 15 Abs. 1 bezüglich einer Anfechtung der Gültigkeit der Wahl des Gemeinderats Folgendes vor:

„Über die Gültigkeit der Wahl entscheidet auf Einspruch eines Wahlberechtigten der Gemeinderat (§ 14 Abs. 1 Ziff. 4 der Satzung der jüdischen Gemeinde Stadt1).

Gegen den ablehnenden Einspruchsbescheid des Gemeinderates ist ausschließlich die Klage beim Oberen Schieds- und Verwaltungsgerichts des Zentralrates der Jüden in Deutschland K.d.ö.R. („OSG“) möglich. Eine Kostenerstattung für das Klageverfahren erfolgt durch die Jüdische Gemeinde Stadt1 nur auf entsprechenden Kostenfestsetzungsbeschluss des OSG hin.“

Der Antragsteller hat mit einer an das Obere Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland gerichteten Antragsschrift vom 05.09.2012 (Anlage 2) sinngemäß beantragt, die Wahl des Gemeinderats der Gemeinde im Jahr 2011 in Bezug auf konkrete Einzelmandate für unwirksam zu erklären. Die entsprechenden Anträge des Antragstellers sind durch das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland – 4. Kammer – durch Beschluss vom 07.11.2014 (Anlage 4) abgewiesen worden. Der Antragsgegner hat sich dagegen an das Obere Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland gewandt und mit Schreiben vom 02.12.2014 (Anlage 7) beantragt, den Beschluss der 4. Kammer des Schieds- und Verwaltungsgerichts vom 07.11.2014 aufzuheben und die Rechtssache an das Obere Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland zu verweisen. Das Obere Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Anträge des Antragstellers mit Beschluss vom 17.03.2015 (Anlage 9) als unstatthaft verworfen und zur Begründung ausgeführt, dass der Beschluss der 4. Kammer des Schieds- und Verwaltungsgerichts vom 07.11.2014 nicht anfechtbar sei, weil die Schieds- und Kostenordnung ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Kammern (Schiedsrichter) nicht vorsehe.

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren auf Aufhebung des Beschlusses vom 07.11.2014 gemäß § 1059 ZPO. Er hält nach Hinweis des Senats, dass die Gemeinde als Antragsgegnerin anzusehen sein dürfte, daran fest, dass sich der gestellte Antrag gegen das Obere Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland richtet. In der Sache beruft sich der Antragsteller darauf, dass es sich bei dem Beschluss vom 07.11.2014 um einen Schiedsspruch handele, der den in der ZPO für die Schiedsgerichtsbarkeit getroffenen gesetzlichen Regelungen unterliege. Die Aufhebung des Beschlusses sei aufgrund schwerer Verstöße gegen die Verfahrensregeln und mangelnde Objektivität gerechtfertigt. Es seien seine in § 1042 Abs. 1 ZPO begründeten Rechte auf Gleichbehandlung und Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden. Er sei im Sinne des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b) ZPO durch die Verfahrensverstöße gehindert gewesen, seine Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen. Der Beschluss der 4. Kammer des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland sei nach dem Beschluss des Oberen Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland vom 17.03.2015 nicht anfechtbar und habe gemäß Ziff. 9 der Schieds- und Kostenordnung des Oberen Schieds- und Verwaltungsgerichts unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils.

II.

Der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers ist zurückzuweisen, weil die von dem Antragsteller in der Hauptsache beabsichtigte Rechtsverfolgung in Form eines gegen das Obere Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland gerichteten Aufhebungsantrags nach § 1059 ZPO nicht die gemäß § 114 Abs. 1 ZPO für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Der Aufhebungsantrag ist unzulässig, weil der Beschluss der 4. Kammer des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland vom 07.11.2014 keinen im schiedsrichterlichen Verfahren gemäß den §§ 1025 ff. ZPO erlassenen Schiedsspruch darstellt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2004, S. 2226 [BGH 27.05.2004 – III ZB 53/03]) ist ein Aufhebungsantrag gemäß § 1059 ZPO nach dem Wortlaut des § 1059 Abs. 1 ZPO („gegen einen Schiedsspruch“) und der systematischen Stellung dieses Antrags als „Rechtsbehelf gegen den Schiedsspruch“ nur gegen einen im schiedsrichterlichen Verfahren im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO erlassenen (inländischen) Schiedsspruch statthaft. Ob ein solcher Schiedsspruch vorliegt, ist eine von Amts wegen zu prüfende besondere Prozessvoraussetzung des Aufhebungsverfahrens. Auf die Entscheidungen sog. Vereins- oder Verbandsgerichte sind die Regelungen über Schiedssprüche grundsätzlich nicht anwendbar, weil solche Gerichte ungeachtet dessen, dass sie vielfach als „Schiedsgericht“ bezeichnet werden, nicht wie die Schiedsgerichte Rechtsprechung im weiteren Sinne ausüben (BGH, a.a.O.). Zwar können die in den §§ 1025 ff. ZPO vorgesehenen Regelungen über Schiedssprüche gemäß § 1066 ZPO auf durch Satzung berufene Schiedsgerichte entsprechend anwendbar sein. Ein satzungsmäßig berufenes „Schiedsgericht“ ist aber nur dann als Schiedsgericht im Sinne der § 1025 ff. ZPO anzusehen, wenn Rechtsstreitigkeiten unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges der Entscheidung durch eine unabhängige und unparteiliche Instanz unterworfen werden und nicht lediglich ein Organhandeln in Form eines Richtens des Vereins oder Verbandes in eigener Sache vorliegt (BGH, a.a.O.). Dabei muss die Satzung selbst die wesentlichen Regelungen sowohl hinsichtlich der Konstituierung des Schiedsgerichts wie auch hinsichtlich des schiedsrichterlichen Verfahrens treffen (Münch, Münchner Kommentar ZPO, 4. Aufl., Rn. 10).

Der Beschluss des Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland vom 07.11.2014 stellt nach diesen Maßstäben keine Entscheidung eines Schiedsgerichts im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO dar. Als Rechtsgrundlage für die von dem Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland zwischen dem Antragsteller und der Gemeinde getroffene Entscheidung kommt nach dem Vorbringen des Antragstellers allein die in § 15 der Wahlordnung der Gemeinde vorgesehene Regelung in Betracht, nach der gegen den ablehnenden Einspruchsbescheid des Gemeinderates ausschließlich die Klage beim Oberen Schieds- und Verwaltungsgericht des Zentralrats der Juden in Deutschland möglich ist. Diese Regelung genügt aber in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderungen, die nach den vorstehenden Ausführungen an eine satzungsmäßige Schiedsgerichtsklausel zu stellen sind.

Es fehlt zunächst nach dem Wortlaut der Wahlordnung schon an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die von einem beim Zentralrat der Juden in Deutschland eingerichteten Gericht zu treffende Entscheidung zwischen den Parteien im Sinne des § 1055 ZPO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils eines staatlichen Gerichts haben und den Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten damit ausschließen sollte. So ist die Klage bei dem Oberen Schieds- und Verwaltungsgericht des Zentralrats der Juden in Deutschland in § 15 der Wahlordnung zwar als ausschließlicher Rechtsbehelf gegen den ablehnenden Einspruchsbescheid des Gemeinderats vorgesehen; es wird damit aber nicht deutlich, ob die Entscheidung dieses Gerichts ihrerseits die Wirkung des § 1055 ZPO entfalten und vor staatlichen Gerichten nicht anfechtbar sein soll. Soweit der Entscheidung nach Ziff. 9 der Schieds- und Kostenordnung des Oberen Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils zukommen soll, ist diese Bestimmung nicht Bestandteil der in der Wahlordnung der Gemeinde zur Entscheidungsbefugnis des Oberen Schieds- und Verwaltungsgerichts getroffenen Regelung, die für das Verhältnis zwischen der Gemeinde und den Gemeindemitgliedern maßgebend ist.

Es bedarf in diesem Zusammenhang auch keiner Klärung, ob und inwieweit das den Religionsgesellschaften gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Verfassung gewährleistete Selbstbestimmungsrecht einer Überprüfung von Entscheidungen der beim Zentralrat der Juden in Deutschland eingerichteten Gerichte entgegensteht. Denn es läge ggf. selbst bei einem verfassungsrechtlichen Ausschluss der Prüfungsbefugnis staatlicher Gerichte keine satzungsmäßige Begründung der Entscheidungsbefugnis eines Schiedsgerichts gemäß § 1066 ZPO i.V.m. den §§ 1025 ff. ZPO vor.

Die Regelung in der Wahlordnung der Gemeinde enthält im Übrigen auch unabhängig vom fehlenden Ausschluss des Rechtsweges gegen die vorgesehene Entscheidung des Oberen Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland nicht die für eine wirksame satzungsmäßige Bestimmung einer schiedsrichterlichen Entscheidungsbefugnis maßgebenden Regelungen zur Zusammensetzung des Gerichts und dem bei der Entscheidung zu beachtenden Verfahren. Es ist damit zugleich auch nicht feststellbar, dass der Beschluss der 4. Kammer des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland, der den Gegenstand des vom Antragsteller beabsichtigten Aufhebungsantrags bildet, im Sinne der in der Wahlordnung der Gemeinde getroffenen Bestimmung eine Entscheidung des Oberen Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland darstellt. Die von dem Antragsteller vorgelegten Beschlüssen vom 07.11.2014 und 17.03.2014 ergeben diesbezüglich mit Rücksicht auf die in den Beschlüssen enthaltenen Gerichtsbezeichnungen vielmehr, dass der vom Antragsteller angefochtene Beschluss vom 07.11.2014 vom dem Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland erlassen worden ist, während das Obere Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland eine Entscheidungszuständigkeit mit Beschluss vom 17.03.2015 abgelehnt hat.

Unabhängig von der vorstehenden Würdigung ist der Aufhebungsantrag des Antragstellers auch deshalb unzulässig, weil er sich gegen das Obere Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland richtet. Ein bei dem Zentralrat der Juden in Deutschland eingerichtetes internes Gericht kann schon mangels Rechtsfähigkeit nicht Partei eines Aufhebungsverfahrens sein. Vielmehr kommt als Gegner eines auf Aufhebung eines Schiedsspruchs gerichteten Verfahrens in der Regel nur die Gegenpartei des Schiedsverfahrens oder ihr Rechtsnachfolger in Betracht, wenn nicht im Einzelfall andere Personen aus dem Schiedsspruch Rechte herleiten können (vgl. Zöller/Geimer, ZPO 30. Aufl., § 1059 Rn. 5). Ein Aufhebungsverfahren wäre danach gemäß dem vom Senat mit Verfügung vom 05.05.2015 erteilen Hinweis auch bei Vorliegen eines Schiedsspruchs nur gegenüber der Gemeinde als Antragsgegnerin zulässig.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da für das erstinstanzliche Prozesskostenhilfeverfahren keine Gerichtsgebühren anfallen und eine Erstattung außergerichtlicher Kosten gemäß § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO nicht stattfindet.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.