BFH-Urteil vom 21.9.2005 (II R 56/03)
Die Regelung des § 16 Abs. 2 ErbStG, die bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht einen geringeren Freibetrag als bei unbeschränkter Steuerpflicht vorsieht, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist zu drei Vierteln Erbin nach ihrem am 3. Mai 2000 verstorbenen Ehemann (E). Beide Ehegatten lebten als deutsche Staatsangehörige in Österreich und hatten innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Erbfall weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Zum Nachlass gehörte u.a. der Anteil des E an einem im je hälftigen Miteigentum beider Ehegatten stehenden unbebauten, im Inland belegenen Grundstück.
Das damals zuständige Finanzamt N setzte die Erbschaftsteuer für das Inlandsvermögen unter Ansatz des gesondert festgestellten anteiligen Grundstückswerts von 45.375 DM und eines Freibetrags von 2.000 DM auf 3.031 DM fest.
Demgegenüber vertrat die Klägerin die Auffassung, aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen sei der für unbeschränkt Steuerpflichtige geltende höhere Freibetrag anzusetzen. Sie behauptete, bei dem Grundstück habe es sich um das wesentliche Vermögen der Ehegatten gehandelt.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 215 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend vertritt sie die Auffassung, das vom FG zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung herangezogene Argument, es fehlten Kontrollmöglichkeiten im Ausland, überzeuge nicht. Denn der Gesetzgeber könnte auch von beschränkt Steuerpflichtigen „gewisse Nachweise“ über den Wert des Gesamtnachlasses verlangen; eine Kontrollmöglichkeit sei schon aufgrund der Strafbarkeit von Falschangaben gegeben.
Während des Revisionsverfahrens ist die Zuständigkeit für die Verwaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer vom Finanzamt N auf den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt – FA -) übergegangen (Verordnung der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin vom 2. Juni 2004, BStBl I 2004, 583).
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil, die ergangenen Bescheide und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen, weiter hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) einzuholen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
Das FG hat zu Recht erkannt, dass der angefochtene Bescheid mit deutschem Erbschaftsteuerrecht und den bilateralen Abkommen mit Österreich in Einklang steht. Auch sind die angegriffenen Regelungen des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) verfassungsgemäß. Die Sache geht jedoch an das FG zurück, weil der Senat aufgrund fehlender Tatsachenfeststellungen nicht beurteilen kann, ob der Anwendung des § 16 Abs. 2 ErbStG der Vorrang europäischen Rechts entgegensteht.
Die erbschaftsteuerliche Erfassung des unbebauten Grundstücks steht auch mit dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftsteuern vom 4. Oktober 1954 (BGBl II 1955, 755, BStBl I 1955, 375) – ErbSt-DBA Österreich – in Einklang. Denn Art. 3 Abs. 1 dieses Abkommens weist das Besteuerungsrecht für unbewegliches Nachlassvermögen dem Belegenheitsstaat zu.
Hinsichtlich der Gewährung der persönlichen Freibeträge bestehen zwischen beschränkt und unbeschränkt Erbschaftsteuerpflichtigen im Allgemeinen so erhebliche Unterschiede, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht zu einer Gleichbehandlung dieser Personengruppen verpflichtet ist. Denn während bei unbeschränkt Erbschaftsteuerpflichtigen der gesamte Vermögensanfall (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG) der Erbschaftsteuer unterliegt, ist die sachliche Steuerpflicht bei beschränkt Steuerpflichtigen auf das Inlandsvermögen beschränkt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Die Bemessungsgrundlage, auf die der in § 16 ErbStG ausgewiesene Freibetrag anzuwenden ist, unterscheidet sich bei unbeschränkter Steuerpflicht im Regelfall erheblich von der Bemessungsgrundlage, die sich bei beschränkter Steuerpflicht ergibt.
Auch aus dem Zweck der Regelung des § 16 ErbStG lässt sich kein verfassungsrechtliches Gebot der Gleichbehandlung beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtiger ableiten. Die Gewährung der Freibeträge dient – wie aus dem in § 16 Abs. 1 ErbStG enthaltenen Verweis auf die Steuerklasseneinteilung des § 15 Abs. 1 ErbStG folgt – der Berücksichtigung des persönlichen Verhältnisses des Erwerbers zum Erblasser. Da der Schwerpunkt des Vermögens einer Person typischerweise in deren Wohnsitzstaat liegt, ist dieser am ehesten in der Lage, die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen durch Gewährung entsprechend differenzierender Freibeträge zu berücksichtigen. Würde auch der Belegenheitsstaat einem beschränkt Steuerpflichtigen die persönlichen Freibeträge gewähren, könnten diese darüber hinaus für denselben Erwerbsvorgang ggf. doppelt in Anspruch genommen werden. Dies stünde mit den Anforderungen an eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Besteuerung nicht in Einklang.
Die von der Klägerin insoweit befürwortete Lösung, beschränkt Steuerpflichtigen bei Vorlage „gewisser Nachweise“ über die Verteilung ihres Vermögens zwischen ihrem Wohnsitzstaat und dem Inland die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der für unbeschränkt Steuerpflichtige geltenden Regelungen zu eröffnen, würde nur zu neuen gleichheitsrechtlichen Problemen führen und den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG daher nicht in höherem Maße als die geltende gesetzliche Regelung gerecht werden. Denn die inländische Finanzverwaltung wäre bei der Entscheidung über die Höhe des zu gewährenden Freibetrags weitgehend auf die Angaben des Steuerpflichtigen über den Umfang seines ausländischen Vermögens angewiesen, weil ihr im Ausland keine eigenen Ermittlungsbefugnisse zustehen und die im Verhältnis zu einzelnen Staaten bestehenden Möglichkeiten der Amtshilfe nach dem derzeitigen Stand der praktischen Zusammenarbeit der nationalen Finanzverwaltungen keinen gleichwertigen Ersatz für die fehlenden eigenen Ermittlungsmöglichkeiten darstellen können. Dass sich im konkreten Fall aus dem mit Österreich abgeschlossenen Rechtshilfeabkommen gewisse Ermittlungsmöglichkeiten für die deutsche Finanzverwaltung ergeben können (dazu unten 4.c), ist im Rahmen der generellen Prüfung der Vereinbarkeit des § 16 Abs. 2 ErbStG mit Art. 3 Abs. 1 GG ohne Belang, da mit den weitaus meisten ausländischen Staaten keine Rechtshilfeabkommen vereinbart worden sind, die sich auch auf Abgabensachen erstrecken.
Hinzu käme, dass die Behauptung, nicht über weitere als die angegebenen ausländischen Vermögensgegenstände zu verfügen, als die einer negativen Tatsache naturgemäß einem „Nachweis“ durch die Steuerpflichtigen nicht zugänglich wäre. Eine begünstigende Regelung, deren Inanspruchnahme letztlich von nicht nachprüfbaren Behauptungen der Steuerpflichtigen abhängig wäre, könnte indes nicht die ebenfalls aus dem Gleichheitssatz folgende Anforderung gewährleisten, wonach Steuergesetze auch die rechtlich und tatsächlich gleiche Belastung der Steuerpflichtigen herstellen müssen (vgl. dazu BVerfG-Urteile vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 268 ff., und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, unter C.II.1.).
In seiner bisherigen – vor allem anhand von Fallgestaltungen aus dem Ertragsteuerrecht entwickelten – Rechtsprechung zum Recht der direkten Steuern differenziert der EuGH hinsichtlich des Vorliegens einer in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten fallenden Diskriminierung durch Normen, die für beschränkt Steuerpflichtige gelten, zwischen Regelungen zum Steuerobjekt einerseits und Regelungen zur Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse andererseits. So sind bei nationalen Vorschriften, die die Ermittlung der objektiven Bemessungsgrundlage einer direkten Steuer zum Gegenstand haben, Differenzierungen nach dem Wohnsitz oder Kapitalanlageort grundsätzlich nicht zulässig (zur Einkommensteuer EuGH-Urteil vom 12. Juni 2003 C-234/01, Slg. 2003, I-5933 RandNr. 27-29 – Gerritse; zur Vermögensteuer EuGH-Urteil vom 13. April 2000 C-251/98, Slg. 2000, I-2787 – Baars; zur Erbschaftsteuer EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-15013 RandNr. 68 – Erben von Barbier). Gleiches gilt für Vorschriften über die Höhe der Steuersätze (EuGH-Urteile vom 27. Juni 1996 C-107/94, Slg. 1996, I-3089 – Asscher, und in Slg. 2003, I-5933 RandNr. 52-54 – Gerritse).
Dient eine nationale steuergesetzliche Regelung hingegen der Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse, erkennt der EuGH an, dass sich Gebietsansässige und Gebietsfremde insoweit grundsätzlich nicht in einer vergleichbaren Situation befinden (grundlegend EuGH-Urteil vom 14. Februar 1995 C-279/93, Slg. 1995, I-225 RandNr. 30-35 – Schumacker). Im Allgemeinen verfügt nur der Wohnsitzstaat über alle erforderlichen Informationen für die Beurteilung der Gesamtsteuerkraft unter Berücksichtigung der persönlichen Lage. Damit scheidet in derartigen Fällen mangels Vergleichbarkeit der Situationen von Gebietsansässigen und Gebietsfremden bereits die Annahme einer in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten fallenden Diskriminierung aus, ohne dass es noch einer Prüfung etwaiger Rechtfertigungsgründe bedürfte.
Dies gilt jedoch nicht, wenn nahezu die gesamten Einkünfte bzw. Vermögenswerte dem Staat der beschränkten Steuerpflicht zugeordnet sind und der Wohnsitzstaat die persönlichen Verhältnisse daher nicht angemessen berücksichtigen kann (EuGH-Urteile in Slg. 1995, I-225 RandNr. 36-38 – Schumacker; vom 11. August 1995 C-80/94, Slg. 1995, I-2493 RandNr. 18-22 – Wielockx, und vom 12. Dezember 2002 C-385/00, Slg. 2002, I-11819 RandNr. 89 – de Groot). Zwischen der Situation eines solchen Gebietsfremden und der eines Gebietsansässigen besteht kein objektiver Unterschied; die persönliche Lage eines solchen Steuerpflichtigen würde weder im Wohnsitzstaat noch im Tätigkeits- bzw. Belegenheitsstaat berücksichtigt. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der EuGH eine einkommensteuerrechtliche Regelung gebilligt, die die Gewährung personenbezogener Steuervergünstigungen an beschränkt Steuerpflichtige davon abhängig macht, dass diese mindestens 90 % ihres Welteinkommens im Tätigkeitsstaat erzielen oder ihre außerhalb des Tätigkeitsstaats erzielten Einkünfte einen absoluten Betrag in Höhe des Grundfreibetrags nicht übersteigen (EuGH-Urteil vom 14. September 1999 C-391/97, Slg. 1999, I-5451 RandNr. 32 – Gschwind). Gleiches gilt für die persönlichen Freibeträge bei der Vermögensteuer (EuGH-Urteil vom 5. Juli 2005 C-376/03, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2005, 1219 RandNr. 30 – D.).
Wenn das FG über die Kapitalverkehrsfreiheit hinaus andere Grundfreiheiten des EGVtr auf ihre Anwendbarkeit prüfen will, wird es auch Feststellungen dazu treffen müssen, von welchem der Freizügigkeitsrechte E mit seiner Wohnsitznahme in Österreich Gebrauch gemacht hat (zur Anwendbarkeit der Vorschriften über die Freizügigkeit auf erbschaftsteuerrechtliche Regelungen vgl. das obiter dictum des EuGH in der Rechtssache Erben von Barbier, Slg. 2003, I-15013 RandNr. 75). Insoweit kommt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39 EGVtr), die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGVtr) oder – subsidiär – die allgemeine Regelung über die Freizügigkeit (Art. 18 EGVtr) in Betracht. Die Klägerin vertritt im Revisionsverfahren zwar die Auffassung, hier sei die Niederlassungsfreiheit betroffen, hat aber keine Tatsachen vorgebracht, aus denen sich ein Sachverhalt ergeben würde, der unter die Niederlassungsfreiheit fiele.
Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH ist im gegenwärtigen Stadium des Rechtsstreits noch nicht „erforderlich“ i.S. des Art. 234 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 EGVtr, weil es an der notwendigen Sachaufklärung fehlt (vgl. dazu auch Nr. 7 der Hinweise des EuGH zur Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen durch die innerstaatlichen Gerichte, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht – EuZW – 1997, 142, sowie BFH-Urteil vom 18. November 2004 V R 16/03, BFHE 208, 461, BStBl II 2005, 461, unter II.2.c bb a.E.).
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 des österreichischen Erbschaft- und Schenkungssteuergesetzes (öErbStG) der Freibetrag für den Ehegatten des Erblassers im Jahr 2000 lediglich 30.000 österreichische Schillinge betragen hat; dies entsprach nach den maßgebenden Euro-Umrechnungskursen (BStBl I 1999, 652) von 13,7603 (österreichische Schillinge/ Euro) und 1,95583 (DM/Euro) einem Betrag von 4.264 DM. Österreich ist daher im Streitfall regelmäßig bereits bei einem dort steuerpflichtigen Vermögen von umgerechnet 4.264 DM in der Lage, die persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen.
Sollte das in Österreich steuerpflichtige Vermögen den Betrag von 4.264 DM nicht erreichen, würde sich die weitere Frage stellen, ob ein etwaiger europarechtlich begründeter Anspruch der Klägerin auf Nichtdiskriminierung dazu führen müsste, sie mit einem Steuerinländer gleichzustellen (mit der Folge der Gewährung des wesentlich höheren Ehegatten-Freibetrags nach dem deutschen ErbStG), oder ob in Deutschland lediglich ein zusätzlicher Freibetrag in Höhe des nicht ausgeschöpften Teils des niedrigeren Ehegatten-Freibetrags nach dem öErbStG zu gewähren wäre.
Angesichts der Tatsache, dass das in Grundbesitz bestehende Inlandsvermögen gemäß § 138 Abs. 3 Satz 1 BewG abweichend vom gemeinen Wert des § 9 BewG bewertet worden ist, wäre für den Fall einer Übertragung der Grundsätze der EuGH-Rechtsprechung weiter zu klären, ob bei der Anwendung der dann maßgebenden relativen und absoluten Grenzen die Verkehrswerte oder die Steuerwerte zugrunde zu legen sind.
Das FG kann neben der Vorlage eines etwa ergangenen österreichischen Erbschaftsteuerbescheids auch die Vorlage österreichischer Einkommensteuerbescheide verlangen, weil diese grundsätzlich geeignet sind, Rückschlüsse auf das wirtschaftliche Potential zur Bildung von Vermögen zu ermöglichen.
Unbeschadet der umstrittenen Frage, ob die EG-Amtshilfe-Richtlinie des Rates vom 19. Dezember 1977 – Richtlinie 77/799/EWG – (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1977 Nr. L 336/15) auch auf die Erbschaftsteuer anwendbar ist, obwohl diese Steuerart weder für Deutschland noch für Österreich in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie (hier in der Fassung des Vertrags vom 24. Juni 1994 über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union, BGBl II 1994, 2022, 2235) genannt ist (bejahend Wachter, FR 2004, 1256, 1263), wird die Möglichkeit der Amtshilfe vorliegend jedenfalls durch den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 4. Oktober 1954 über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen (BGBl II 1955, 833, BStBl I 1955, 433) eröffnet. Nach Art. 4 des Schlussprotokolls zu diesem Vertrag stehen den Finanzgerichten bei der Stellung von Rechtshilfeersuchen die gleichen Befugnisse zu wie den Finanzämtern.
Auch wenn sich nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 dieses Vertrags (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 77/799/EWG) die Erledigung von Rechtshilfeersuchen nach den Gesetzen des ersuchten Staates richtet, würde das österreichische Bankgeheimnis jedenfalls im Streitfall einer Auskunfterteilung nicht entgegenstehen. Das Bankgeheimnis ist in § 38 Abs. 1 des österreichischen Bankwesengesetzes (öBWG) vom 30. Juli 1993 (öBGBl 1993 Nr. 532 S. 3903) geregelt und gemäß § 38 Abs. 5 öBWG mit Verfassungsrang versehen. Als „gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit“ berechtigt es die Bankmitarbeiter zur Verweigerung von Auskünften gegenüber den Steuerbehörden (§ 143 Abs. 3 i.V.m. § 171 Abs. 1 Buchst. c der österreichischen Bundesabgabenordnung). Allerdings galt das Bankgeheimnis gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 8 öBWG bis zum 7. Juli 2000 nicht hinsichtlich der Meldepflicht des § 25 Abs. 1 öErbStG. Nach dieser – mit Wirkung ab dem 8. Juli 2000 aufgehobenen (Gesetz vom 7. Juli 2000, öBGBl I 2000 Nr. 42 S. 643) – Bestimmung waren geschäftsmäßige Verwahrer oder Verwalter fremden Vermögens verpflichtet, Vermögen des Erblassers, das sich in ihrem Gewahrsam befand, innerhalb eines Monats nach Kenntnis vom Eintritt des Erbfalls dem Finanzamt anzumelden. Da sich der im Streitfall maßgebende Erbfall bereits am 3. Mai 2000 ereignet hat, steht die spätere Aufhebung des § 25 Abs. 1 öErbStG der Anforderung von Bankauskünften über das österreichische Kapitalvermögen des E durch die österreichischen Steuerbehörden und damit der Gewährung von Amtshilfe nicht entgegen.
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