BGH, Beschl. v. 24.02.2015 – II ZB 17/14
Testamentsvollstreckervermerk in Gesellschafterliste
Gründe:
Die Beteiligte zu 2 ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Bonn eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ihre Gesellschafterliste weist drei Geschäftsanteile mit Stammeinlagen von 25.000,00 € (Geschäftsanteil Nr. 1) und je 250,00 € (Geschäftsanteile Nr. 2 und 3) auf. Für die Geschäftsanteile Nr. 2 und 3 ist Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Testamentsvollstrecker ist der Beteiligte zu 1.
Der Beteiligte zu 1 reichte als Geschäftsführer der Beteiligten zu 2 am 18.03.2014 eine neue Gesellschafterliste ein, die über die seitherige Gesellschafterliste hinaus die Angabe enthält, dass für die Geschäftsanteile zu 2 und 3 Testamentsvollstreckung besteht und der Beteiligte zu 1 Testamentsvollstrecker ist.
Das Registergericht wies den Antrag auf Einstellung der am 18.03.2014 eingereichten Gesellschafterliste zurück. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wies das OLG (OLG Köln, ZIP 2014, 1834 [OLG Köln 21.07.2014 – 2 Wx 191/14] [ = ErbR 2015, 578]) zurück. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2.
Es steht nicht im Belieben der Beteiligten, den Inhalt der von ihnen eingereichten Gesellschafterliste abweichend von den gesetzlichen Vorgaben um weitere, ihnen sinnvoll erscheinende Bestandteile freiwillig zu ergänzen. Dem steht der Grundsatz der Registerklarheit entgegen, der entsprechend auch für die Gesellschafterliste gilt (BGH, Beschl. v. 20.09.2011 – II ZB 17/10, BGHZ 191, 84 Rn. 10 m.w.N.; Bayer, GmbHR 2012, 1 (7)). Im Gegensatz zum Aktienregister nach § 67 AktG ist die Gesellschafterliste von jedermann einzusehen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 HGB) und jederzeit elektronisch abrufbar (§ 9 Abs. 1 Satz 2 ff. HGB). Es liegt daher im Interesse des Rechtsverkehrs, dass die abrufbaren Informationen übersichtlich und geordnet sind, um Missverständnisse zu vermeiden. Werden Eintragungen in der Gesellschafterliste in das Belieben der Beteiligten gestellt, ist die Gefahr der Unverständlichkeit und Unübersichtlichkeit höher als bei Eintragungen in das Handelsregister, weil die Liste nicht – wie das Handelsregister – von einer staatlichen Stelle nach den in der Handelsregisterverordnung vorgegebenen Regeln verändert wird, sondern durch Notare und Geschäftsführer eine Liste eingereicht wird, deren Gestaltung weder im Einzelnen vorgegeben ist noch geprüft werden muss. Gegen die Aufnahme freiwilliger Angaben in die Gesellschafterliste spricht darüber hinaus, dass wegen der fehlenden negativen Publizität der Gesellschafterliste die Aufnahme von Tatsachen in die Gesellschafterliste oder ihr Fehlen nur eingeschränkte Information liefert (zutreffend Herrler, NZG 2011, 1321 (1326); Herrler, GmbHR 2013, 617 (619)). Schon aus diesen Gründen genügt es für die Aufnahme von weiteren Angaben in die Gesellschafterliste nicht, dass es sich um für die Dritte im Hinblick auf weitere Nachforschungen „sinnvolle” Informationen handeln kann (a.A. Jeep, NJW 2012, 658 (660); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 40 Rn. 15b; Heidinger, FS Stilz, 2014, S. 253 (260)).
Die unbeschränkte Publizität durch die jederzeitige Abrufbarkeit der Gesellschafterliste kann außerdem das Recht des Inhabers des Geschäftsanteils oder einer anderen von der aufgenommenen Information betroffenen Person auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigen, wenn jede für sinnvoll erachtete Information nach dem Belieben des Geschäftsführers in die Liste aufgenommen werden kann.
Die erforderliche Abwägung, hinsichtlich welcher Angaben das Informationsinteresse des Rechtsverkehrs eine Aufnahme in die Gesellschafterliste rechtfertigt, hat der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung der Listenangaben in § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG getroffen. Wenn überhaupt entgegen dem Wortlaut von § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG über die gesetzlich vorgesehenen Angaben in die Gesellschafterliste hinaus Informationen aufgenommen werden können, setzt das mindestens voraus, dass ein erhebliches praktisches Bedürfnis des Rechtsverkehrs an der entsprechenden Information besteht (vgl. BGH, Beschl. v. 20.09.2011 – II ZB 17/10, BGHZ 191, 84 Rn. 14; zum Handelsregister BGH, Beschl. v. 14.02.2012 – II ZB 15/11, ZIP 2012, 623 Rn. 16 m.w.N.). Bei der Aufnahme von zusätzlichen Informationen in die Gesellschafterliste ist zudem zu beachten, dass der Gesetzgeber sie nicht als allgemeines Register zur Information des Rechtsverkehrs über die Verhältnisse in der Gesellschaft ausgestaltet hat, sondern die Wirkungen der Aufnahme eines Inhabers von Geschäftsanteilen in die Liste gegenständlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft (§ 16 Abs. 1 GmbHG) und zu einem Erwerber (§ 16 Abs. 3 GmbHG) beschränkt hat.
Dem Testamentsvollstreckervermerk könnte daher allenfalls eine Warnfunktion für den Eigengläubiger des Gesellschafter-Erben zukommen, wegen der Testamentsvollstreckung eine Pfändung in den Geschäftsanteil zu unterlassen. Darin liegt aber kein praktisch erhebliches Bedürfnis, das die Aufnahme des Testamentsvollstreckervermerks angesichts der gesetzlichen Regelung der Listenausgestaltung rechtfertigen könnte.
ee) Im Gegensatz zur Kommanditgesellschaft (BGH, Beschl. v. 14.02.2012 – II ZB 15/11, ZIP 2012, 623 Rn. 20) besteht bei der GmbH auch kein Bedürfnis, die Gesellschaftsgläubiger durch die Verlautbarung der Testamentsvollstreckung vor einem unberechtigten Vertrauen in die Wirksamkeit einer Haftsummenerhöhung zu schützen. Die Gesellschafter haften grundsätzlich nicht persönlich, 13 Abs. 2 GmbHG.
Eine Haftungsausweitung kann der Testamentsvollstrecker allenfalls über die Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG durch die Beteiligung an einer Kapitalerhöhung begründen, soweit man sie für zulässig hält (vgl. MünchKomm-GmbHG/Lieder, § 55 Rn. 117 m.w.N.). Insoweit würde der Gesellschafter-Erbe aber nicht nach außen haften, sondern allenfalls gegenüber der GmbH, bei der die Testamentsvollstreckung bekannt sein muss. Die Verpflichtung ist auf den Nachlass beschränkt (vgl. § 2206 Abs. 2 BGB) und die Erfüllung der Voraussetzungen einer Kapitalerhöhung werden vom Registergericht vor einer Eintragung geprüft. Anders als bei der Kommanditgesellschaft kann eine Haftung gegenüber Dritten nicht schon aufgrund einer Mitteilung entstehen (§ 172 Abs. 2 HGB). Ein besonderes Bedürfnis, die Beschränkung der Kapitalerhöhung gegenüber dem Rechtsverkehr kenntlich zu machen, besteht schon angesichts der vorangehenden Prüfung nicht (so auch Beutel, NZG 2014, 646 (648)).
ff) Ein erhebliches praktisches Bedürfnis folgt auch nicht aus einem Interesse des Rechtsverkehrs, die Personen zu kennen, die entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft haben (so aber Beutel, NZG 2014, 646 (649); Heidinger, FS Stilz, 2014, S. 253 (261)), wie dies der Senat für die Kommanditgesellschaft im Hinblick auf das Widerspruchsrecht der Kommanditisten nach 164 Satz 1 HGB angenommen hat (BGH, Beschl. v. 14.02.2012 – II ZB 15/11, ZIP 2012, 623 Rn. 21). Die Gesellschafterliste dient nicht in erster Linie dazu, die Personen, die entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft haben, kenntlich zu machen. Die Änderungen von § 16 GmbHG durch das MoMiG hatten u.a. den Zweck, Transparenz über die Anteilseignerstrukturen der GmbH zu schaffen und Geldwäsche zu verhindern (Regierungsentwurf zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 37). Die Transparenz über die Anteilseigner wird durch die Liste der Inhaber von Geschäftsanteilen hergestellt. Auf eine über die Anteilsverhältnisse hinausgehende Information über diejenigen Personen, die entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft haben, wie sie im Kapitalmarktrecht vorgesehen ist (vgl. §§ 21 ff. WpHG, für den Testamentsvollstrecker § 22 Abs. 1 Nr. 6 WpHG), hat der Gesetzgeber verzichtet, so dass etwa die praktisch bedeutenderen Fälle der mittelbaren Einflussnahme insbesondere durch Treuhandverhältnisse nicht offengelegt werden müssen. Das allgemeine Informationsbedürfnis über die Verhältnisse der Gesellschafter allein begründet noch kein erhebliches praktisches Bedürfnis für eine Ergänzung der Liste über die gesetzlich geforderten Angaben hinaus.
gg) Gegen die Aufnahme freiwilliger zusätzlicher Informationen wie der Testamentsvollstreckung über einen Geschäftsanteil spricht auch, dass das Gesetz keine Regelungen über eine Löschung entsprechender Eintragungen in einer Gesellschafterliste enthält. Eine Verpflichtung zur Einreichung einer neuen Gesellschafterliste begründet 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nur bei Veränderungen in den Personen der Gesellschafter, nicht aber bei Veränderungen bei Verfügungsbeschränkungen. § 40 Abs. 3 GmbHG sieht nur für die Verletzung dieser Verpflichtungen eine Schadenersatzpflicht der Geschäftsführer vor.
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