BGH II ZR 1/14
Kostenantrag des Nebenintervenienten auf Seiten des Beklagten nach Klagerücknahme des Beschwerdegegners im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren durch einen nicht beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt
Dem Kläger werden die durch die Nebeninterventionen der Streithelfer zu 1 und 2 verursachten Kosten auferlegt.
Gründe
Der Kläger ist nach Rücknahme seiner Klage verpflichtet, die durch die Nebeninterventionen auf Seiten der Beklagten verursachten Kosten zu tragen.
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner zweitinstanzlichen Bevollmächtigten vom 20. Februar 2014 die Klage in dem durch die Beklagte eingeleiteten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zurückgenommen. Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 8. Mai 2014 dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zu den Kosten des Rechtsstreits in diesem Sinne gehören die durch eine einfache Nebenintervention verursachten Kosten nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 1963 – III ZR 131/61, BGHZ 39, 296, 297; Beschluss vom 23. Januar 1967 – III ZR 15/64, NJW 1967, 983; OLG Hamm, JurBüro 2002, 39; OLG Koblenz, MDR 2002, 1338 f.; Saenger/Gierl, ZPO, 5. Aufl., § 101 Rn. 9; Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 101 Rn. 2, 5; Zöller/ Herget, ZPO, 30. Aufl., § 101 Rn. 5; MünchKommZPO/Schulz, 4. Aufl., § 101 Rn. 4, 8; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 101 Rn. 2 f.). Aber auch bei Annahme einer streitgenössischen Nebenintervention, bei der die festgestellte Kostenlast des Gegners auch ohne besonderen Ausspruch die Kosten des streitgenössischen Nebenintervenienten beinhalten kann (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 101 Rn. 10; MünchKommZPO/Schulz, 4. Aufl., § 101 Rn. 35; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 101 Rn. 3 Fn. 13; Jaspersen/ Wache in BeckOK, Stand 15.09.2014, § 101 ZPO Rn. 26), wären die durch die Nebenintervention verursachten Kosten von dem Senatsbeschluss vom 8. Mai 2014 nicht umfasst. Denn eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO setzt gemäß § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO grundsätzlich einen Antrag des Kostengläubigers voraus. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Senat hatten nur die Beklagte, nicht aber die Nebenintervenienten einen Kostenantrag gestellt.
Nachdem mittlerweile beide Streithelfer beantragt haben, dem Kläger die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen, war antragsgemäß zu entscheiden. Wird eine Klage zurückgenommen, hat der Kläger – vorbehaltlich hier nicht in Betracht kommender Besonderheiten – die durch die Nebenintervention auf Seiten der Beklagten verursachten Kosten zu tragen, unabhängig davon, ob es sich um eine streitgenössische oder um eine einfache Nebenintervention handelt. Bei der streitgenössischen Nebenintervention folgt dies aus einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 ZPO (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2009 – II ZB 8/08, ZIP 2009, 1538 Rn. 12; Beschluss vom 14. Juni 2010 – II ZB 15/09, ZIP 2010, 1771 Rn. 9; vgl. auch Beschluss vom 15. September 2014 – II ZB 22/13, ZIP 2014, 1995 Rn. 6 f.). Für einen einfachen Streithelfer gilt wegen des in § 101 Abs. 1 ZPO geregelten Grundsatzes der Kostenparallelität nichts anderes (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2007 – II ZB 23/06, ZIP 2007, 1337 Rn. 6; s.a. Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 101 Rn. 3; Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl., § 269 Rn. 11; MünchKommZPO/Schulz, 4. Aufl., § 101 Rn. 13; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl., § 269 Rn. 53; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 101 Rn. 4).
Der Kostenantrag des Nebenintervenienten zu 2 nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist ungeachtet dessen wirksam, dass seine Prozessbevollmächtigten nicht beim Bundesgerichtshof zugelassen sind.
a) Zwar unterliegt der Antrag als Prozesshandlung gemäß § 78 Abs. 1 ZPO dem Anwaltszwang (Saenger/Saenger, ZPO, 5. Aufl., § 269 Rn. 42; Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl., § 269 Rn. 14; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl., § 269 Rn. 69; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 269 Rn. 60). Vor den Gerichten des höheren Rechtszugs kann eine dem Anwaltszwang unterliegende Prozesshandlung grundsätzlich wirksam nur von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden, der bei dem Gericht zugelassen ist, dem gegenüber die Prozesshandlung zu erklären ist. Wenn der Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz anhängig ist, können daher grundsätzlich auch die Prozesshandlungen, die sich an das Rechtsmittelgericht richten, nur von einem beim Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt vorgenommen werden. Dieser Grundsatz kann jedoch nicht starr durchgeführt werden. Er muss dort Ausnahmen erleiden, wo prozessökonomische Erwägungen dies nahelegen und der mit der Bestimmung des § 78 ZPO verfolgte Zweck dadurch nicht in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2001 – VII ZR 477/00, BGHZ 146, 372, 373; Beschluss vom 2. November 2011 – X ZR 94/11, NJW-RR 2012, 8 Rn. 4; Urteil vom 6. Mai 2014 – X ZR 11/14, WM 2014, 1553 Rn. 5).
Der Bundesgerichtshof hat es deshalb für zulässig angesehen, dass der Kläger und Revisionsbeklagte die Klage durch seinen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zurücknimmt. Im Falle einer Klagerücknahme müsse sich der Revisionsanwalt mit der Sache selbst überhaupt nicht befassen und auch keine für die Fortführung des Revisionsverfahrens bedeutsame Prozesshandlung vornehmen. Es sei deshalb kein zwingender Grund dafür ersichtlich, die Befugnis des beim Berufungsgericht zugelassenen Anwalts zur Klagerücknahme, die er kraft der ihm gemäß § 81 ZPO zustehenden Vollmacht bis zur Einlegung der Revision erklären könne, mit dem Augenblick enden zu lassen, in dem die beklagte Gegenpartei Revision eingelegt habe (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 1954 – III ZR 229/53, BGHZ 14, 210, 211; Beschluss vom 8. Dezember 1977 – VII ZR 226/77, NJW 1978, 1262; Beschluss vom 8. Februar 2001 – VII ZR 477/00, BGHZ 146, 372, 373; Beschluss vom 8. Juli 2013 – VII ZB 35/12, juris Rn. 1 für das Rechtsbeschwerdeverfahren; Urteil vom 6. Mai 2014 – X ZR 11/14, WM 2014, 1553 Rn. 5). Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gilt nichts anderes.
b) Es ist nach dem Zweck des qualifizierten Anwaltszwangs gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht erforderlich und prozessökonomisch nicht sinnvoll, dass der auf Seiten des Beklagten beigetretene Nebenintervenient nach einer unstreitigen und zulässigen Klagerücknahme des Beschwerdegegners im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren allein zur Stellung eines Kostenantrags nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt bestellt.
Der qualifizierte Anwaltszwang gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO hat den Zweck, eine geordnete Rechtspflege durch spezialisierte Anwälte mit besonderer Erfahrung und Kompetenz sicherzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2014 – X ZR 11/14, WM 2014, 1553 Rn. 8 mwN). Dieser besonderen Erfahrung und Kompetenz bedarf es zur Stellung des Antrags nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO nicht.
Die Klagerücknahme hat nach § 269 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO zur Folge, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist, ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wirkungslos wird und der Kläger verpflichtet ist, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Das Gericht entscheidet nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO auf Antrag über diese Wirkungen durch Beschluss.
Soweit der Anwaltszwang dem Schutz der Partei vor Rechtsverlusten durch eine unsachgemäße Prozessführung dient, ist die Bestellung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalts zur Antragstellung nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO nicht geboten. In aller Regel entscheidet das Gericht von Amts wegen darüber, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (§ 308 Abs. 2 ZPO). Das Gesetz hält mit § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO hiervon abweichend aus prozessökonomischen Gründen eine Entscheidung von Amts wegen für überflüssig, da es davon ausgeht, dass diese Entscheidung in aller Regel inhaltlich unproblematisch ist; deshalb verzichtet es auch auf die mündliche Verhandlung (vgl. Saenger/Saenger, ZPO, 5. Aufl., § 269 Rn. 43; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl., § 269 Rn. 41, 68). Soweit der mit der Antragstellung begehrte Beschluss ausspricht, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen oder ein bereits ergangenes Urteil wirkungslos geworden ist, hat er lediglich deklaratorischen Charakter. Diese verfahrensrechtlichen Folgen der Klagerücknahme hat der Senat bereits auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 8. Mai 2014 festgestellt. Einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt stünde bei dieser Ausgangslage im derzeitigen Stadium des Verfahrens auch keine andere Beurteilungsgrundlage zur sachgemäßen Wahrnehmung der Parteiinteressen zur Verfügung als dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Nebenintervenienten zu 2.
Es ist daher auch prozessökonomisch nicht sinnvoll, dass die Partei lediglich für die Stellung des Kostenantrags nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt bestellt, obwohl sich dieser nach dem Willen der Partei mit der Sache selbst überhaupt nicht mehr befassen soll. Diese Lösung ist zugleich ein Gebot der Gleichbehandlung. Wenn es dem Revisions- oder Nichtzulassungsbeschwerdegegner aus prozessökonomischen Gründen erlaubt wird, seine Klage wie vorliegend durch seinen nicht beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zurückzunehmen, muss es auch dem gegnerischen Nebenintervenienten gestattet werden, den zur Erlangung einer zwar konstitutiven, aber regelmäßig unproblematischen Kostengrundentscheidung erforderlichen Antrag nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO durch seinen bisherigen Anwalt zu stellen, selbst wenn dieser nicht beim Bundesgerichtshof zugelassen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 1984 – GSZ 1/84, BGHZ 93, 12, 16).
Die in früheren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs herangezogene Erwägung, auf die Bestellung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts könne bei solchen Anträgen nicht verzichtet werden, durch die eine Entscheidung des Gerichts begehrt wird (BGH, Beschluss vom 22. April 1970 – IV ZR 1103/68, NJW 1970, 1320; Beschluss vom 8. Dezember 1977 – VII ZR 226/77, NJW 1978, 1262), hat schon im Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 19. November 1984 (GSZ 1/84, BGHZ 93, 12) keine Bedeutung mehr erlangt. Auch in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht der Umstand, dass die nicht durch einen Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof vorgenommene Prozesshandlung letztlich zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs führt, der Zulässigkeit der Prozesshandlung nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2001 – VII ZR 477/00, BGHZ 146, 372 [Aufnahme eines unterbrochenen Revisionsverfahrens vor Entscheidung über die Annahme]; Beschluss vom 2. November 2011 – X ZR 94/11, NJW-RR 2012, 8 Rn. 4 [Aufnahme eines unterbrochenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens]; Urteil vom 6. Mai 2014 – X ZR 11/14, WM 2014, 1553 [Anerkenntnis]).
Der Senat ist durch seinen Beschluss vom 28. August 2014 an einer Entscheidung über den Kostenantrag des Nebenintervenienten zu 2 nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO nicht gehindert. Mit diesem Beschluss ist zwar der Antrag des Streithelfers zu 2 vom 31. Juli 2014, dem Kläger die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen, zurückgewiesen worden. Wie den weiteren Beschlussgründen zu entnehmen ist, hat der Senat sich aber nur mit einer Ergänzung des Senatsbeschlusses vom 8. Mai 2014 entsprechend § 321 ZPO oder einer Berichtigung entsprechend § 319 Abs. 1 ZPO befasst, weil er, ebenso wie der Kläger in seiner Stellungnahme vom 11. August 2014, das Begehren des Nebenintervenienten zu 2 entsprechend interpretiert hat. Der Schriftsatz vom 20. August 2014, mit dem der Nebenintervenient zu 2 klargestellt hat, dass er keinen Antrag auf Beschlussergänzung, sondern einen Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 Satz 1 ZPO hat stellen wollen und mit dem er weiter um einen Hinweis gebeten hat, ob für den Antrag ein beim Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt bestellt werden müsse, lag dem Senat im Entscheidungszeitpunkt nicht vor. Die bisher unterbliebene Entscheidung über diesen Antrag konnte daher noch nachgeholt werden.
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