BGH, Urt. v. 22.02.2018 – IX ZR 115/17
Vergütung für den Entwurf eines Testamentes
(LG Wiesbaden, Entsch. v. 12.04.2017 – 5 S 33/16; AG Wiesbaden, Entsch. v. 01.09.2016 – 92 C 757/15 [30])
Tatbestand:
Die Kläger sind Rechtsanwälte. Sie wurden von den in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebenden Beklagten am 20.08.2012 beauftragt, für beide Beklagte Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen und aufeinander abgestimmte Testamente zu entwerfen. Die Kläger übersandten den Beklagten die Entwürfe und schlugen ein ihre gesamte Tätigkeit abgeltendes Pauschalhonorar von 2.400 € zuzüglich 20 € Auslagenpauschale und gesetzlicher Umsatzsteuer vor. Mit Schreiben vom 11.09.2012 bestätigten die Kläger eine telefonische Einigung auf ein Honorar von insgesamt 1.400 € zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer und übersandten eine entsprechende Rechnung. Weil die Beklagten eine Zahlung weiterhin ablehnten, rechneten die Kläger mit Schreiben vom 07.11.2012 auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 168.000 € eine 1,6-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG i.H.v. 2.659,20 € nebst einer Auslagenpauschale von 20 € und 19 % Umsatzsteuer, mithin insgesamt 3.188,25 € ab.
Das AG hat der auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe ab dem 25.11.2012 gerichteten Klage in der Hauptsache stattgegeben, jedoch Zinsen nur ab dem 12.03.2015 zugesprochen. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Das Berufungsgericht (ZEV 2017, 712 [OLG München 16.05.2017 – 31 Wx 7/17]) hat ausgeführt: Das AG habe den Klägern zu Recht ein Honorar auf der Grundlage einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zugesprochen. Die Tätigkeit der Kläger habe nicht lediglich eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG ausgelöst. Eine Geschäftsgebühr entstehe für das Betreiben des Geschäfts und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags. Der den Klägern erteilte Auftrag, zwei inhaltlich dergestalt aufeinander abgestimmte Testamente zu entwerfen, dass der Widerruf des einen Testaments auch den Widerruf des anderen zur Folge gehabt hätte, sei auf den Entwurf von Verfügungen mit vertragsähnlicher Bindung gerichtet gewesen. Dies rechtfertige die Anwendung der Nr. 2300 VV RVG. Die Parteien hätten sich auch nicht auf eine niedrigere Vergütung geeinigt. Die Beklagten hätten die von den Klägern im Schreiben vom 11.09.2012 bestätigte Einigung bestritten. Es sei den Klägern auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt, die gesetzliche Vergütung zu verlangen, weil bei den Beklagten kein Vertrauen auf eine Honorarvereinbarung begründet worden sei. Die Kläger hätten auch ihre Aufklärungspflicht nach § 49b BRAO nicht verletzt. Es genüge der Hinweis, dass sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Die Höhe der anfallenden Gebühren müsse ein Rechtsanwalt nicht ungefragt mitteilen. Die Behauptung der Beklagten, sie hätten nach den voraussichtlichen Kosten gefragt, sei verspätet und könne deshalb nicht berücksichtigt werden.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Vergütung der Kläger bemisst sich nicht nach § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 2300 VV RVG, sondern nach § 34 Abs. 1 RVG.
Die Auffassung der Gegenansicht, der Entwurf einer Urkunde habe schon nach § 118 BRAGO eine Geschäftsgebühr begründet und dies habe durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht geändert werden sollen, trifft nicht zu. Nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO erhielt der Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information, des Einreichens, Fertigens oder Unterzeichnens von Schriftsätzen oder Schreiben und des Entwerfens von Urkunden. Diese Regelung beschrieb, welche Tätigkeiten mit der Geschäftsgebühr abgegolten waren; dass allein der Entwurf einer Urkunde stets eine Geschäftsgebühr auslösen sollte, war aus ihr nicht abzuleiten. Eine solche Rechtsfolge kann deshalb für das neue Recht nicht darauf gestützt werden, dass die Begründung zum Entwurf des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (BT-Drucks. 15/1971, S. 206 f.) keinen Willen erkennen lasse, die bisherige Rechtslage in diesem Punkt zu ändern.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann auch aus der Regelung in § 23 Abs. 3 RVG nicht auf einen Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, dass der Entwurf eines Testaments mit einer Geschäftsgebühr zu vergüten sei. Diese Norm verweist für den Gegenstandswert der anwaltlichen Geschäftsgebühr u.a. auf die für die notarielle Beurkundung einer letztwilligen Verfügung geltenden Wertvorschriften (früher § 46 Abs. 4 KostO, jetzt § 102 GNotKG). Die Frage, ob überhaupt eine Geschäftsgebühr angefallen ist, wird dadurch nicht beantwortet (a.A. Bischof/Jungbauer, RVG, 8. Aufl., Vorbem. 2.3 VV Rn. 40 ff.).
Daran fehlt es hier. Die Kläger entwarfen auftragsgemäß zwei rechtlich selbständige Einzeltestamente und keinen Erbvertrag. Der Auftrag bezog sich auch nicht auf ein gemeinschaftliches Testament, das nur von Ehegatten (§ 2265 BGB) und eingetragenen Lebenspartnern (§ 10 Abs. 4 LPartG) errichtet werden kann. Es kann deshalb offen bleiben, ob der Entwurf eines solchen Testaments mit einer Geschäftsgebühr zu vergüten ist (vgl. dazu OLG Frankfurt, AGS 2015, 505; OLG Düsseldorf, FamRZ 2013, 727 [728]).
Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Da eine nachträgliche Einigung der Parteien auf eine bestimmte Vergütung nach dem eigenen Vortrag der Kläger weder auf den Betrag von 2.400 € noch auf den Betrag von 1.400 € zustande gekommen ist, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, welche Vergütung die Kläger nach § 34 Abs. 1 RVG i.V.m. den Vorschriften des bürgerlichen Rechts beanspruchen können. Eine solche Vergütung kann den Klägern zugesprochen werden, obwohl ihre nach § 10 RVG erteilte Berechnung eine Geschäftsgebühr und kein Beratungshonorar zum Gegenstand hatte. Die Berechnung war deshalb unrichtig. Dies berührt indessen die Wirksamkeit der Mitteilung nicht. Zugesprochen werden können allerdings nur die wirklich entstandenen Gebühren und Auslagen, soweit sie über die abgerechnete Vergütung nicht hinausgehen (BGH, NJW 2007, 2332 Rn. 7).
Bei der Bemessung der Vergütung nach § 34 Abs. 1 RVG ist auch die Frage zu beantworten, ob die Tätigkeit der Kläger nach den Umständen des erteilten Auftrags, der den Entwurf mehrerer Urkunden für verschiedene Auftraggeber beinhaltete, mehrere Angelegenheiten i.S.v. § 15 Abs. 1 RVG betraf und die Vergütung deshalb nicht auf den für eine einzelne Beratung geltenden Höchstbetrag von 250 € beschränkt ist (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 23. Aufl., § 34 Rn. 21; Riedel/Sußbauer/Pankatz, RVG, 10. Aufl., § 34 Rn. 11). Im Blick auf die in der Vollmacht enthaltene Klausel, dass sich die Vergütung für eine außergerichtliche Tätigkeit nach der bis zum 30.06.2006 geltenden Fassung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes richte und die danach geltende Fassung ausgeschlossen sei, wird ferner zu prüfen sein, ob eine nach Nr. 2100–2101 VV RVG a.F. berechnete Vergütung geringer wäre als die Vergütung nach § 34 Abs. 1 RVG n.F. Denn die Kläger könnten nur das Honorar aus der die Form des § 3a RVG nicht wahrenden Vereinbarung verlangen, wenn sich nach den sonst geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine höhere Vergütung ergäbe (BGHZ 201, 334 Rn. 16, 31).
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