BGH, Urt. v. 26.09.2014 – V ZR 58/14
Wertsicherungsklausel im Übergabevertrag
Tatbestand:
Gem. notarieller Urkunde v. 24.06.1998 übergaben die Kläger ihr landwirtschaftliches Anwesen mit dem zugehörigen Grundbesitz an ihren Sohn, den Beklagten. Dieser verpflichtete sich u.a. zur Zahlung eines sog. Versorgungsbetrages von monatlich 1.500,00 DM. In dem Übergabevertrag ist folgende Regelung enthalten:
„Sollte sich der vom Statistischen Bundesamt amtlich festgelegte Index für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland (Basis 1991 = 100) künftig um mindestens 10 % gegenüber dem Stand des Monats des Besitzübergangs nach oben oder unten verändern, so verändert sich auch der Versorgungsbetrag in dem gleichen prozentualen Verhältnis, und zwar vom Beginn des auf den Eintritt der Änderung folgenden Monatsersten an. Veränderungen sind jedoch nur zu berücksichtigen, wenn es verlangt wird.”
Mit Schreiben v. 13.12.2012 machten die Kläger gegenüber dem Beklagten erstmals eine Anpassung des Versorgungsbetrages geltend. Darin wiesen sie darauf hin, dass ab Januar 2007 monatlich 1.808,58 DM zu zahlen gewesen seien. Daher ergebe sich für die Jahre 2009 bis 2012 ein Rückstand von 7.572,96 €. Der Beklagte erkannte an, ab Januar 2013 den erhöhten Versorgungsbetrag zu schulden. Zahlungen für zurückliegende Zeiträume lehnte er ab.
Die Kläger verlangen mit ihrer Klage von dem Beklagten einen rückständigen Betrag für das Jahr 2009 i.H.v. 1.893,24 €. Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das LG die Klage abgewiesen. Mit der von dem LG zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, wollen die Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, den Klägern stehe kein Nachzahlungsanspruch auf der Grundlage des notariellen Vertrages v. 24.06.1998 zu. Zwar ändere sich die Höhe des Versorgungsbetrages nach der vertraglichen Regelung bei einer relevanten Veränderung der Indexwerte ohne weiteres Zutun.
Der geänderte Betrag sei aber nur dann geschuldet, wenn er verlangt werde. Eine Auslegung nach der Interessenlage ergebe, dass das Verlangen nicht auf zurückliegende Zeiträume bezogen werden könne. Zwar sei der monatlich zu zahlende Versorgungsbetrag ebenfalls eine Gegenleistung für die Hofübergabe, aber eben unter dem Aspekt der Sicherung des Lebensunterhalts der betagten Kläger, deren Existenzgrundlage durch die Hofübergabe entfallen sei.
Diesem Versorgungsgedanken werde aber auch Rechnung getragen, wenn keine rückständigen Versorgungsbeträge verlangt werden könnten. Entsprechend dem in § 1613 BGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken müsse der Beklagte als Leistungspflichtiger geschützt werden, um kalkulieren zu können, ohne eine finanziell belastende Inanspruchnahme für lange zurückliegende Zeiträume befürchten zu müssen.
1.
Die Revision ist zulässig.
Dem steht nicht entgegen, dass es an einem Zulassungsgrund gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO fehlt. Die von dem Berufungsgericht als Zulassungsgrund gewertete Auslegung des Übergabevertrags ist dem Tatrichter vorbehalten und kann von dem Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt.v. 20.11.2013 – IV ZR 54/13, BGHZ 199, 123 Rn. 14; Urt. v. 23.04.1997 – VIII ZR 212/96, BGHZ 135, 269 (273) jeweils m.w.N.).
Hieran ändert sich nicht dadurch etwas, dass es sich bei den auszulegenden Regelungen um eine von Notaren in Übergabeverträgen üblicherweise verwendete Klausel handelt, wovon das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Kläger ausgeht.
Dies eröffnet dem Revisionsgericht noch nicht die Möglichkeit, die Klausel wie Allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. BGH, Urt. v. 05.07.2005 – X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 (2921) m.w.N.) oder Satzungen (BGH, Beschl. v. 11.11.1985 – II ZB 5/85, BGHZ 96, 245 (250)) frei auszulegen.
Auch die Auslegung von Regelungen, die einem Formularbuch entnommen sind und in gleicher oder ähnlicher Weise allgemeine Verwendung finden, ist bei einem ansonsten individuell gestalteten Vertrag ein Fall der tatrichterlichen Würdigung, die der revisionsrechtlichen Prüfung nur eingeschränkt zugänglich ist (vgl. Senat, Urt. v. 26.11.2004 – V ZR 119/04, MittBayNot 2005, 395). Trotz Fehlens eines Zulassungsgrundes ist der Senat an die erfolgte Zulassung jedoch gebunden (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
2.
Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
ach der vertraglichen Ausgestaltung der Wertsicherungsklausel findet die relevante Veränderung des Versorgungsbetrages nur dann Berücksichtigung, wenn sie auch verlangt wird. Das Änderungsverlangen kann daher sowohl als Fälligkeitsvoraussetzung als auch – wovon das Berufungsgericht ausgeht – als Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs verstanden werden. Die Frage, welcher Auslegungsmöglichkeit der Vorzug zu geben ist, kann – wie das Berufungsgericht richtig erkennt – nicht allein durch den Wortlaut der Wertsicherungsklausel, sondern nur unter Berücksichtigung des Parteiwillens und der Interessenlage der Parteien (§ 157 BGB) beantwortet werden.
Er weiß um seine vertraglich eingegangene Verpflichtung und kann sich, auch wenn der Ermittlung der Höhe des zu zahlenden Unterhalts ein schwieriges Verfahren zugrunde liegt, nicht auf eine Unkenntnis der Höhe seiner Leistungspflicht berufen. Vorliegend ist es dem Beklagten zwar möglich, die Höhe des neu zu zahlenden Versorgungsbetrages zu ermitteln. Allein daraus ergibt sich für ihn aber noch nicht die Pflicht, diesen Betrag zu zahlen.
Eine entsprechende Verpflichtung entsteht für ihn nach dem Inhalt der Wertsicherungsklausel erst, wenn die Kläger die Erhöhung auch verlangen. Damit ist der Rückgriff auf die dem § 1613 BGB zugrundeliegende Schutzfunktion für den Unterhaltsschuldner durchaus möglich. Sie besteht darin, dass der Leistungspflichtige vor einer stark belastenden Inanspruchnahme in Form zu lange zurückliegender Zeiträume bewahrt und in die Lage versetzt werden soll, sich auf die von ihm zu erfüllende Unterhaltspflicht einzustellen (vgl. MünchKomm-BGB/Born, 6. Aufl., § 1613 Rn. 2).
Wenn das Berufungsgericht diese Funktion dem nach dem Inhalt der Wertsicherungsklausel notwendigen Verlangen beilegt, ist dies vertretbar und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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