BGH, Versäumnisurt. v. 18.10.2013 – V ZR 281/11
Miterben als Mitberechtigte gemäß Vermögensgesetz
(KG Berlin, Beschl. v. 01.11.2011 – 7 U 66/11; LG Berlin, Beschl. v. 18.02.2011 – 2 O 471/08)
Tatbestand:
Die Parteien waren Mitglieder einer Erbengemeinschaft, der ein Grundstück im früheren Ostteil von Berlin gehört. Dieses Grundstück stand ursprünglich im Eigentum einer Gesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter R.H. war. Die Gesellschaft geriet während des NS-Regimes unter Verfolgungsdruck, weil R.H. Jude war. Er versuchte, sein Vermögen zunächst dadurch zu erhalten, dass er M.H., die mit seinem Generalbevollmächtigten M.H. verheiratet war, zur Mehrheitsgesellschafterin machte. 1942 lösten die Gesellschafter die Gesellschaft auf und verkauften das Grundstück, um das es im vorliegenden Rechtstreit geht, an den Kaufmann G., der es 1946 M.H. zurückverkaufte. Diese verstarb 1972 und wurde von der Beklagten zu 1 und dem Rechtsvorgänger des Beklagten zu 2 beerbt, die als Eigentümer in Erbengemeinschaft in das Grundbuch eingetragen wurden. Als der Rechtsvorgänger des Beklagten zu 2 im Jahr 1994 starb, wurde der Beklagte zu 2 als neues Mitglied der Erbengemeinschaft eingetragen.
Zu diesem Zeitpunkt war ein Restitutionsverfahren vor der zuständigen Behörde anhängig, das 1999 zu dem Erlass eines Restitutionsbescheids führte, in welchem das Grundstück der Erbengemeinschaft nach R.H. bestehend aus der Klägerin mit einem 3/4-Anteil und den beiden Beklagten mit je einem 1/8-Anteil, übertragen wurde. Dieser Bescheid ist seit 2005 bestandskräftig und seit Ende 2007 im Grundbuch vollzogen. Im Jahr 2009 übertrugen die Beklagten ihre Erbanteile auf die Tochter der Beklagten zu 1. Die Klägerin nahm diese in einem anderen Rechtsstreit in Anspruch und einigte sich dort mit ihr darüber, dass sie rund 275.000 € zum Ausgleich der Mietherausgabeansprüche der Klägerin nach § 7 Abs. 7 VermG und ihrer eigenen Verwendungsersatzansprüche aus § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG zahlt. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von den Beklagten im Wesentlichen die Freistellung von Grundpfandrechten und Zahlung von etwa 213.000 €, gesamtschuldnerisch mit der Tochter der Beklagten zu 1, hilfsweise zur Leistung nicht an sich, sondern an die Erbengemeinschaft.
Entscheidungsgründe:
I
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Rechtsbeziehungen der Beteiligten richteten sich nach Erbrecht. Danach stehe der Klägerin ein Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu, den sie aber nicht geltend gemacht habe. Belastungen des Nachlassgegenstands durch einzelne Miterben und Einnahmen, die allen Miterben nach der Quote ihres Erbrechts zustünden, seien im Zuge der Auseinandersetzung zu berücksichtigen.
II.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
(1) Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 VermG wäre zwar auch der Berechtigte Verfügungsberechtigter, wenn er vor Erlass des Restitutionsbescheids schon Eigentümer des Restitutionsgegenstands ist oder Verfügungsmacht darüber hat. Insoweit geht der Wortlaut der Vorschrift aber über deren Zweck hinaus und führte zu Ergebnissen, die ihrem Zweck widersprächen. Er ist deshalb teleologisch einschränkend dahin auszulegen, dass Verfügungsbefugter nur ist, wer nicht selbst (Mit-)Berechtigter ist.
(2) Der Verfügungsberechtigte steht zu dem Berechtigten in einem treuhandähnlich ausgestalteten Verhältnis (Senat, Urt. v. 16.12.1994 – V ZR 177/93, BGHZ 128, 210, 211, v. 30.09.2005 – V ZR 185/04, ZOV 2005, 359, 360 und v. 18.09.2009 – V ZR 118/08, NJW-RR 2010, 590, 592 Rn. 20; BGH, Urt. v. 16.12.2004 – III ZR 72/04, NJW-RR 2005, 391, 392). Diese Rechtsbeziehung ist zwar nicht umfassend, sondern nur in einzelnen, von dem Gesetz hervorgehobenen Fällen wie ein Treuhandverhältnis ausgebildet (BGH, Urt. v. 16.12.2004 – III ZR 72/04, NJW-RR 2005, 391, 392; Senat, Urt. v. 06.07.2007 – V ZR 244/06, ZOV 2007, 142, 143 Rn. 13).
Deshalb ist der Verfügungsberechtigte etwa weder verpflichtet, sich um eine Verbesserung der Erträge des Restitutionsgrundstücks zu bemühen (Senat, Urt. v. 29.06.2007 – V ZR 257/06, NJW-RR 2007, 1611, 1612 Rn. 10 und v. 06.07.2007 – V ZR 244/06, ZOV 2007, 142, 143 Rn. 14-16) noch dazu, sich bei Gläubigern, deren Forderungen durch Grundpfandrechte an dem Grundstück gesichert sind, für eine Stundung der Forderungen einzusetzen (Senat, Urt. v. 18.09.2009 – V ZR 118/08, NJW-RR 2010, 590, 592 Rn. 20). Im Übrigen aber hat er die Interessen des Berechtigten zu wahren. Er hat nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG Verfügungen und die Eingehung langfristiger schuldrechtlicher Verpflichtungen in Ansehung des Restitutionsgegenstands grundsätzlich zu unterlassen. Er muss die zu restituierende Sache erhalten (Senat, Urt. v. 28.06.2002 – V ZR 165/01, WM 2002, 2425, 2427; BGH, Urt. v. 16.12.2004 – III ZR 72/04, NJW-RR 2005, 391, 393) und entsprechende Maßnahmen so durchführen, wie es dem Interesse des Berechtigten entspricht (§ 3 Abs. 3 Satz 6 VermG; Senat, Urt. v. 06.07.2007 – V ZR 244/06, ZOV 2007, 142, 143 Rn. 13). In diesem Rahmen muss er etwa die Erträge des Grundstücks dazu einsetzen, die Forderungen zu bedienen, die durch Grundpfandrechte an dem Grundstück gesichert sind (Senat, Urt. v. 18.09.2009 – V ZR 118/08, NJW-RR 2010, 590, 592 Rn. 20).
(3) Grundlage dieser Ausgestaltung der Rechtsstellung des Verfügungsberechtigten ist die – im Normalfall auch zutreffende – Überlegung, dass der Verfügungsberechtigte nach der Stellung eines Restitutionsantrags, der sich als begründet erweist, nur noch „Eigentümer auf Zeit” ist. Er wird sein Eigentum nach § 34 Abs. 1 VermG mit dem Einritt der Bestandskraft des Restitutionsbescheids und der anderen in der Vorschrift genannten Bedingungen verlieren. In dem mehr oder weniger langen Zeitraum bis zu diesem Zeitpunkt ist er – mit den erwähnten Einschränkungen – lediglich Sachwalter des Berechtigten. Auf einen Eigentümer, der selbst (Mit-)Berechtigter ist, trifft dieser Grundgedanke nicht zu. Er verliert sein Eigentum nicht. Er bleibt vielmehr – zusammen mit den anderen Mitberechtigten – Eigentümer. Er kann nicht auf die Rolle des Sachwalters fremder Angelegenheiten verwiesen werden. Welche Befugnisse ihm im Verhältnis zu den übrigen Mitberechtigten zustehen, kann deshalb nur aus seiner Eigentumsstellung und damit aus dem Gemeinschaftsverhältnis zu den Mitberechtigten bestimmt werden. Bei einer Erbengemeinschaft, um die es hier geht, sind das die Regelungen über die Verwaltungsbefugnisse der Mitglieder einer Erbengemeinschaft, namentlich § 2038 BGB. Nach diesen Vorschriften richtet sich auch, ob und in welchem Umfang ein ausgeschiedenes Mitglied der Erbengemeinschaft dieser gegenüber zum Ersatz von Schäden aus einem Verstoß gegen die erbengemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Verwaltung des Nachlasses verpflichtet ist.
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