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A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. |
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Die zu 1. bis 3. beteiligten Antragsteller sind wahlberechtigte Arbeitnehmer im Betrieb „Niederlassung M“ der zu 5. beteiligten Arbeitgeberin, einem Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost. In dem Betrieb fand vom 6. bis 8. Mai 2014 eine Betriebsratswahl statt, aus der der aus 17 Mitgliedern bestehende zu 4. beteiligte Betriebsrat hervorging. Nach dem vom Wahlvorstand am 8. Mai 2014 bekannt gegebenen Wahlergebnis entfielen von 1142 gültigen Stimmen auf die Wahlvorschlagsliste v 557 Stimmen, auf die Liste D 306 Stimmen und auf die Liste h 279 Stimmen. Die Sitzverteilung wurde vom Wahlvorstand nach dem in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 11. Dezember 2001 (WO) geregelten d’Hondtschen Höchstzahlverfahren vorgenommen. Danach erhielt die Liste v neun Sitze, die Listen D und h erhielten jeweils vier Sitze. Bei einer Verteilung der Betriebsratssitze nach dem Berechnungsverfahren nach Hare/Niemeyer oder der Methode nach Sainte-Laguë/Schepers hätten die Liste v acht Sitze, die Liste D fünf Sitze und die Liste h vier Sitze erhalten. In diesem Fall wäre der 17. Betriebsratssitz nicht der zu 6. beteiligten W von der Vorschlagsliste v, sondern der Wahlbewerberin H von der Liste D zuzuweisen. |
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Mit der am 22. Mai 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift haben die Antragsteller die Betriebsratswahl angefochten. Sie haben die Auffassung vertreten, das in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO angeordnete d’Hondtsche Höchstzahlverfahren sei nicht mit dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Gleichheit der Wahl vereinbar und es verletze die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit. Dieses Berechnungsverfahren benachteilige in nicht hinzunehmender Weise kleinere Gruppierungen. Deshalb sei eine Verteilung der Sitze nach den Verfahren Hare/Niemeyer oder Sainte-Laguë/Schepers vorzunehmen, die den Erfolgswert der Stimmen besser abbildeten. Die Verfassungswidrigkeit von § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO führe zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl. |
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Die Antragsteller haben beantragt, |
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die im Zeitraum vom 6. bis 8. Mai 2014 stattgefundene Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären. |
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Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. |
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Die Arbeitgeberin und die Beteiligte zu 6. haben keine Anträge gestellt. |
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Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsteller ihren Antrag weiter. Der Betriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. |
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B. Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zu Recht abgewiesen. |
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I. Der Antrag ist in der gebotenen Auslegung zulässig. |
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1. Mit dem Antrag, die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären, haben die Antragsteller nicht nur die Wahl nach § 19 Abs. 1 BetrVG insgesamt angefochten. Vielmehr ist der Antrag auch auf Berichtigung des Wahlergebnisses dahingehend gerichtet, dass anstelle der Beteiligten zu 6., die vom Wahlvorstand als über die Vorschlagsliste v gewähltes Betriebsratsmitglied ermittelt wurde, die Wahlbewerberin H von der Liste D zum Betriebsratsmitglied zu bestimmen ist. Das ergibt die Auslegung des Antrags unter Heranziehung der Antragsbegründung sowie unter Berücksichtigung der richtig verstandenen Interessenlage der Antragsteller. |
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a) Zwar kann eine Betriebsratswahl grundsätzlich nur als Ganzes angefochten werden. Insbesondere lässt sich die Wahl einzelner Mitglieder oder von Ersatzmitgliedern nicht anfechten (BAG 23. Juli 2014 – 7 ABR 23/12 – Rn. 16). Sofern der geltend gemachte Anfechtungsgrund aber auf den angefochtenen Teil beschränkt ist und das Wahlergebnis darüber hinaus nicht beeinflussen kann, ist nach § 19 Abs. 1 BetrVG nicht nur die Anfechtung der Betriebsratswahl insgesamt zulässig, sondern auch eine auf Berichtigung des Wahlergebnisses gerichtete Teilanfechtung (BAG 16. November 2005 – 7 ABR 11/05 – Rn. 12; 16. März 2005 – 7 ABR 40/04 – zu B II 1 a der Gründe mwN, BAGE 114, 119; 11. Juni 1997 – 7 ABR 24/96 – zu B II 2 a der Gründe, BAGE 86, 117). Eine derartige gerichtliche Berichtigung des Wahlergebnisses kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nur die fehlerhafte Verteilung der Sitze auf die Vorschlagslisten gerügt wird und somit durch die Korrektur lediglich der wahren Wählerentscheidung Geltung verschafft werden soll (BAG 16. März 2005 – 7 ABR 40/04 – zu B II 2 a der Gründe, aaO). Ebenso wie bei der Anfechtung der Wahl insgesamt, bei der die Wahl für ungültig erklärt wird, erfolgt bei einer Teilanfechtung die Berichtigung des Wahlergebnisses durch eine rechtsgestaltende Entscheidung des Gerichts (BAG 16. März 2005 – 7 ABR 40/04 – zu B II 1 c der Gründe mwN, aaO). |
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b) Nach dem Wortlaut des Antrags und den zu seiner Begründung gemachten Ausführungen haben die Antragsteller die vom 6. bis 8. Mai 2014 durchgeführte Betriebsratswahl als Ganzes angefochten. Die Antragsteller haben ausdrücklich geltend gemacht, die Betriebsratswahl sei unwirksam. Allerdings haben die Antragsteller nicht behauptet, dass bei der Durchführung der Wahl gegen Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde. Sie wenden sich lediglich gegen die durch den Wahlvorstand aufgrund der ordnungsgemäß durchgeführten Wahl nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO vorgenommene Verteilung der Betriebsratssitze auf die Vorschlagslisten. In einem solchen Fall kommt eine Berichtigung des Wahlergebnisses durch eine rechtsgestaltende Entscheidung des Gerichts in Betracht. Deshalb entspricht es der richtig verstandenen Interessenlage der Antragsteller, den Antrag dahin zu verstehen, dass nicht nur die Betriebsratswahl insgesamt für unwirksam erklärt werden soll, sondern ggf. eine Berichtigung des Wahlergebnisses vorgenommen werden soll. Dieses Verständnis ist von den Antragstellern bei der Anhörung vor dem Senat nach einem entsprechenden Hinweis bestätigt worden. |
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2. Die Antragsteller sind als wahlberechtigte Arbeitnehmer nach § 19 Abs. 1 BetrVG anfechtungsberechtigt. Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er betrifft erkennbar die in der Niederlassung M durchgeführte Betriebsratswahl. Die Antragsteller haben in der Rechtsbeschwerde auch angegeben, welche Wahlbewerberin der Liste D anstelle der vom Wahlvorstand als Betriebsratsmitglied ermittelten Beteiligten zu 6. als Betriebsratsmitglied gewählt wäre, wenn der 17. Betriebsratssitz auf die Liste D entfiele. |
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II. Am vorliegenden Beschlussverfahren ist nach § 83 Abs. 3 ArbGG neben den Antragstellern, dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin auch das nach dem vom Wahlvorstand festgestellten Wahlergebnis gewählte Betriebsratsmitglied W beteiligt. Diese ist in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen, weil ihre Mitgliedschaft im Betriebsrat von der Entscheidung über die begehrte Berichtigung des Wahlergebnisses abhängt. Die Vorinstanzen haben Frau W zwar nicht angehört. Dies erfordert jedoch nicht die Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die zu Unrecht unterbliebene Beteiligung eines Verfahrensbeteiligten kann auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz dadurch behoben werden, dass die betreffende Person oder Stelle künftig am Verfahren beteiligt wird (BAG 23. Juli 2014 – 7 ABR 23/12 – Rn. 13). Der Senat hat die Beteiligung nachgeholt und Frau W Gelegenheit gegeben, sich zum Antrag zu äußern. |
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Die Wahlbewerberin H von der Liste D ist hingegen nicht am Verfahren beteiligt, weil sie nach dem Begehren der Antragsteller erst durch die Entscheidung über die begehrte Berichtigung des Wahlergebnisses eine Rechtsstellung als Organmitglied erlangen soll (vgl. dazu BAG 16. März 2005 – 7 ABR 40/04 – zu B I 2 der Gründe, BAGE 114, 119). |
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III. Der Antrag ist unbegründet. Die vom 6. bis 8. Mai 2014 durchgeführte Betriebsratswahl ist nicht unwirksam. Das vom Wahlvorstand nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO festgestellte Wahlergebnis ist auch nicht zu berichtigen. |
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1. Soweit der Antrag darauf gerichtet ist, die Betriebsratswahl insgesamt für unwirksam zu erklären, ist er unbegründet, weil der einzige im Verfahren gerügte Anfechtungsgrund – die fehlerhafte Verteilung der Sitze auf die Vorschlagslisten – durch eine gerichtliche Berichtigung des Wahlergebnisses behoben werden kann. Fehler bei der Durchführung der Wahl sind weder geltend gemacht worden noch erkennbar. In einem solchen Fall ist es nicht möglich, die Betriebsratswahl gänzlich für ungültig zu erklären. Das Gericht kann vielmehr lediglich das Wahlergebnis berichtigen (vgl. etwa Fitting 28. Aufl. § 19 Rn. 27; ErfK/Koch 17. Aufl. § 19 BetrVG Rn. 7; Kreutz GK-BetrVG 10. Aufl. § 19 Rn. 120; Thüsing in Richardi BetrVG 15. Aufl. § 19 Rn. 71). Das folgt aus dem in § 19 Abs. 1 BetrVG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, wonach die Anfechtung der Betriebsratswahl davon abhängt, dass eine Berichtigung des Wahlfehlers nicht erfolgt ist. Dieser gesetzlichen Wertung würde es widersprechen, den durch eine ordnungsgemäß durchgeführte Wahl geäußerten Wählerwillen zu übergehen, indem die Wahl insgesamt für ungültig erklärt wird, obwohl eine Berichtigung des Wahlergebnisses möglich wäre. |
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2. Der Antrag ist auch unbegründet, soweit er auf die Berichtigung des Wahlergebnisses gerichtet ist. Der Wahlvorstand hat das Wahlergebnis nach § 24 Abs. 1, § 26 PostPersRG in der bis zum 5. Juni 2015 geltenden Fassung, § 1 der Verordnung zur Durchführung der Betriebsratswahlen bei Postunternehmen (WahlO Post) vom 22. Februar 2002 (BGBl. I S. 946) iVm. § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO zutreffend ermittelt und bekannt gegeben. |
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a) Nach § 24 Abs. 1 PostPersRG findet auf die Arbeitgeberin das Betriebsverfassungsgesetz Anwendung, soweit im Postpersonalrechtsgesetz nichts anderes bestimmt ist. Nach § 26 PostPersRG gilt dies grundsätzlich auch für die Vorschriften über die Wahl und Zusammensetzung des Betriebsrats. Nach § 1 WahlO Post finden die Vorschriften der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (WO) vom 11. Dezember 2001 in der jeweiligen Fassung für die Wahlen zum Betriebsrat in den Postunternehmen Anwendung, soweit sich aus dieser Verordnung nichts anderes ergibt. Danach hatte der Wahlvorstand die Verteilung der Betriebsratssitze auf die Vorschlagslisten nach § 15 WO vorzunehmen. Davon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus. |
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b) Der Wahlvorstand hat das Wahlergebnis zutreffend ermittelt und die sich nach den abgegebenen Stimmen ergebende Verteilung der Betriebsratssitze auf die Vorschlagslisten unter Anwendung des in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO festgelegten d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens fehlerfrei vorgenommen. Die in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO festgelegte Sitzverteilung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. |
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aa) Nach § 15 Abs. 1 WO werden die den einzelnen Vorschlagslisten zugefallenen Stimmenzahlen zur Verteilung der Betriebsratssitze auf die Vorschlagslisten in einer Reihe nebeneinander gestellt und sämtlich durch 1, 2, 3, 4 usw. geteilt. Die ermittelten Teilzahlen sind nacheinander reihenweise unter den Zahlen der ersten Reihe aufzuführen, bis höhere Teilzahlen für die Zuweisung der zu verteilenden Sitze nicht mehr in Betracht kommen. Unter den so gefundenen Teilzahlen werden nach § 15 Abs. 2 Satz 1 WO so viele Höchstzahlen ausgesondert und der Größe nach geordnet, wie Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Jede Vorschlagsliste erhält nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WO so viele Mitgliedersitze zugeteilt, wie Höchstzahlen auf sie entfallen. Nach diesen Bestimmungen, die für die Sitzverteilung das d’Hondtsche Höchstzahlverfahren ausformuliert haben, hat der Wahlvorstand die aus dem Wahlergebnis folgende Sitzverteilung – unstreitig – zutreffend ermittelt. Danach entfielen auf die Liste v neun Sitze und auf die Listen D und h jeweils vier Sitze. |
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bb) Die Regelung in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO über die Sitzverteilung nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren ist entgegen der Auffassung der Antragsteller wirksam. Sie verstößt weder gegen Art. 3 GG noch verletzt sie die durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit. |
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(1) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass die Anordnung des d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO nicht gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Gleichheit der Wahl verstößt. |
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(a) Für den Bereich allgemeinpolitischer Wahlen hat das Bundesverfassungsgericht die Anforderungen des Gleichheitssatzes durch die Formalisierung des Gebots der Gleichheit der Wahl konkretisiert (vgl. BVerfG 12. Oktober 2004 – 1 BvR 2130/98 – zu IV 1 der Gründe, BVerfGE 111, 289). Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gebietet es, dass alle Staatsbürger das aktive und passive Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausüben können und die Stimmen der Wahlberechtigten beim Verhältniswahlsystem nicht nur den gleichen Zählwert, sondern grundsätzlich auch den gleichen Erfolgswert haben (BVerfG 10. April 1997 – 2 BvC 3/96 – zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 95, 408; 8. August 1994 – 2 BvR 1484/94 – zu II 2 der Gründe; 24. November 1988 – 2 BvC 4/88 – zu B 1 der Gründe, BVerfGE 79, 169). |
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Der Wahlgleichheitsgrundsatz gilt nicht nur für das Bundestagswahlrecht und für das Wahlrecht in den Ländern, Kreisen und Gemeinden (Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 GG), sondern als ungeschriebenes Verfassungsrecht auch für sonstige politische Abstimmungen (BVerfG 23. März 1982 – 2 BvL 1/81 – zu B I und II der Gründe, BVerfGE 60, 162). Hierbei lässt die von der grundsätzlichen Gleichheit aller Staatsbürger geprägte formale Wahlrechtsgleichheit Differenzierungen nur zu, wenn sie durch einen besonderen, sachlich legitimierten Grund gerechtfertigt sind (BVerfG 26. Februar 2014 – 2 BvE 2/13 ua. – BVerfGE 135, 259 mwN). Das erfordert allerdings nicht, dass sich die vorgenommenen Differenzierungen als von Verfassungs wegen notwendig darstellen müssen. Es reicht vielmehr aus, dass die für die Differenzierung maßgeblichen Gründe durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlrechtsgleichheit die Waage halten kann (BVerfG 26. Februar 2014 – 2 BvE 2/13 ua. – aaO). |
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(b) Diese Grundsätze lassen sich nicht schematisch auf Wahlen in anderen Bereichen übertragen, denn sie haben ihren tragenden Grund in der absoluten Gleichheit aller Bürger bei der staatlichen Willensbildung (vgl. BVerfG 12. Oktober 2004 – 1 BvR 2130/98 – zu IV 1 der Gründe, BVerfGE 111, 289). Das Bundesverfassungsgericht hat bisher offengelassen, inwieweit diese Erwägungen aus dem Bereich von allgemeinpolitischen Wahlen auf Wahlen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich übertragen werden können (vgl. etwa BVerfG 12. Februar 2014 – 1 BvL 7/11 – Rn. 11). Allerdings legt sich der Normgeber auch bei Wahlen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich in einem gewissen Umfang auf die Grundsätze eines Wahlverfahrens fest (vgl. BVerfG 23. März 1982 – 2 BvL 1/81 – BVerfGE 60, 162). Wenn ein Gremium durch Wahlen der Belegschaft und auf der Grundlage von Wahlvorschlägen besetzt werden soll, hat eine in sich folgerichtige Regelung die Chancengleichheit der bei den Wahlen antretenden Gruppen zu beachten (BVerfG 12. Oktober 2004 – 1 BvR 2130/98 – zu IV 1 der Gründe, aaO). Bei Wahlen im Bereich des Arbeits- und Sozialwesens richtet sich der Grad der zulässigen Differenzierungen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach der Natur des jeweils in Frage stehenden Sachbereichs. Er lässt sich nicht losgelöst vom Aufgabenkreis der zu wählenden Repräsentationsorgane bestimmen (BVerfG 22. Oktober 1985 – 1 BvL 44/83 – zu C I 3 der Gründe, BVerfGE 71, 81). Einschränkungen der formalen Wahlrechtsgleichheit können sich insbesondere aus Zweck und Zielsetzung der betreffenden Wahl rechtfertigen (BVerfG 23. März 1982 – 2 BvL 1/81 – zu B I und II der Gründe, aaO). Der Normgeber hat die Möglichkeit, bei der Ausgestaltung des Wahlverfahrens auf das Gewicht bestimmter Gruppen innerhalb der Wählerschaft Rücksicht zu nehmen, zudem kann er Zweckmäßigkeitsüberlegungen größeren Raum einräumen und auch Praktikabilitätsgesichtspunkte berücksichtigen (BVerfG 12. Oktober 2004 – 1 BvR 2130/98 – zu IV 1 der Gründe, aaO). |
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(c) Ausgehend von diesen Grundsätzen verstößt die Anordnung des d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO nicht gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl. |
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(aa) Bei der Zuteilung von Betriebsratssitzen auf die Vorschlagslisten nach dem jeweiligen Anteil der Wählerstimmen lässt sich ebenso wie bei der Besetzung von Parlamenten, Gemeinderäten oder anderen politischen Gremien eine vollständige Gleichheit des Erfolgswertes einer Wählerstimme mit keinem der gängigen mathematischen Sitzzuteilungsverfahren erreichen. Da nur ganze Sitze auf die Vorschlagslisten verteilt werden können, bleiben stets Reststimmen unberücksichtigt. Dies ist nicht nur bei der Sitzverteilung nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren der Fall, sondern auch bei der Sitzverteilung nach dem Verfahren der mathematischen Proportion nach Hare/Niemeyer und dem Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers. |
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(bb) Aus diesem Grund sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu politischen Wahlen grundsätzlich alle gängigen Berechnungsverfahren mit den Anforderungen der wahlrechtlichen Chancengleichheit vereinbar. Da in allen Verfahren Reststimmen unberücksichtigt bleiben, ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers überlassen, für welches Sitzzuteilungssystem er sich entscheidet (vgl. BVerfG 8. August 1994 – 2 BvR 1484/94 – zu II 2 der Gründe zur Sitzverteilung bei Gemeinderatswahlen in Thüringen; BVerfG 24. November 1988 – 2 BvC 4/88 – zu B 1 der Gründe, BVerfGE 79, 169 zur Berechnung der Sitzverteilung bei der Wahl zum 11. Deutschen Bundestag). Auch nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der Gesetzgeber im Hinblick auf die Besetzung eines Parlamentsausschusses durch Zuteilung der zu vergebenden Sitze entsprechend der Stärke der Fraktion im Parlament zur Sicherung der „Spiegelbildlichkeit“ grundsätzlich die Anwendung des d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens vorgeben (BVerfG 19. Juni 2012 – 2 BvC 2/10 – zu B II 2 c dd der Gründe, BVerfGE 131, 230 zur Besetzung des Wahlausschusses nach § 6 BVerfGG; 28. Februar 2012 – 2 BvE 8/11 – Rn. 129, BVerfGE 130, 318 zur Bildung von Ausschüssen des Deutschen Bundestages; vgl. auch BVerfG 17. September 1997 – 2 BvE 4/95 – BVerfGE 96, 264). |
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(cc) Die Regelung der Sitzzuteilung bei der Betriebsratswahl unterliegt im Hinblick auf die Wahlrechtsgleichheit keinen strengeren Anforderungen als allgemeinpolitische Wahlen. Demgemäß war die Entscheidung, nach welchem der gängigen Berechnungsverfahren die Verteilung der Betriebsratssitze auf die Vorschlagslisten vorzunehmen ist, dem Gestaltungsspielraum des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung als nach § 126 Nr. 5a BetrVG ermächtigtem Verordnungsgeber der am 11. Dezember 2001 ausgefertigten Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz überlassen. Dem steht entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht entgegen, dass die Verfahren nach Hare/Niemeyer und nach Sainte-Laguë/Schepers die Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen ggf. in größerem Maße abbilden als das d’Hondtsche Höchstzahlverfahren (vgl. dazu Rauber NVwZ 2014, 626, 628). Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Betriebsverfassungsrechts und der Zielsetzung der Betriebsratswahl ist es nicht zu beanstanden, dass sich der Verordnungsgeber für das Höchstzahlverfahren nach d’Hondt entschieden hat, das den Stimmen der Mehrheit einen höheren Erfolgswert zukommen lässt als die anderen gängigen Zuteilungsverfahren und damit größere Gruppierungen tendenziell begünstigt. Die Entscheidung des Verordnungsgebers zu Gunsten des d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens erfolgte offensichtlich bewusst und in der Erkenntnis, dass dieses größere Gruppierungen begünstigen kann. Dies ergibt sich daraus, dass die FDP-Fraktion am 4. April 2001 im Deutschen Bundestag mit ihrem „Antrag zur Reform der Mitbestimmung zur Stärkung des Mittelstands“ ua. die Ersetzung des Verfahrens nach d’Hondt durch das Verfahren Hare/Niemeyer mit der Begründung beantragt hatte, das Verfahren nach d’Hondt begünstige große Gruppen, Listengemeinschaften oder Gewerkschaften (BT-Drs. 14/5764 S. 4 und 11). Der Umstand, dass sich das d’Hondtsche Höchstzahlverfahren in Grenzfällen regelmäßig zu Gunsten stimmenstarker Vorschlagslisten auswirkt, erleichtert die Mehrheitsbildung im Betriebsrat. Das d’Hondtsche Höchstzahlverfahren bildet eine absolute Stimmenmehrheit eines Wahlvorschlags angesichts der ungeraden Zahl der zu vergebenden Sitze als einziges der drei gängigen Sitzzuteilungsverfahren stets in absoluten Mandatsmehrheiten ab (vgl. Rauber NVwZ 2014, 626, 628). Es liegt im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, bei der Sitzzuteilung im Rahmen der Betriebsratswahl für Konfliktfälle dem Ziel der Mehrheitsbildung Vorrang vor dem Ziel der Erfolgswertgleichheit der Stimmen einzuräumen (vgl. zur Zulässigkeit der Mehrheitssicherung als Differenzierungsmerkmal: BVerfG 8. Dezember 2004 – 2 BvE 3/02 – zu B III 2 der Gründe, BVerfGE 112, 118; 8. August 1994 – 2 BvR 1484/94 – zu II 3 der Gründe; vgl. auch Rauber NVwZ 2014, 626, 629). Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil eine Mehrheitsbildung für die Handlungen des Betriebsrats, die im Rahmen der von ihm mit Mehrheitsentscheidung gefassten Beschlüsse erfolgen, unerlässlich ist. Zudem führt eine Untätigkeit des Betriebsrats zB bei Fragen der personellen Mitbestimmung teilweise zur Zustimmungsfiktion (vgl. etwa § 99 Abs. 3 Satz 2, § 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Eine „Zersplitterung“ der Sitze auf mehrere kleinere Listen, die (wie im Streitfall bei der Anwendung eines der anderen Zuteilungsverfahren) im Einzelfall dazu führen kann, dass zur Mehrheitsfindung die Bildung von Koalitionen erforderlich wird, kann daher die Handlungsfähigkeit der Arbeitnehmervertretung einschränken. Es stellt deshalb ein anerkennenswertes Anliegen dar, in Grenzfällen stabile Mehrheitsverhältnisse im Betriebsrat zu begünstigen. |
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(2) Die Anordnung des d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO verstößt nicht gegen den aus der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG resultierenden Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen der Koalitionen. |
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(a) Der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst jede koalitionsspezifische Verhaltensweise (BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 131). Diese besteht bei Gewerkschaften auch darin, zur Verfolgung ihrer in Art. 9 Abs. 3 GG umschriebenen Ziele Einfluss auf die Wahl von Betriebsräten zu nehmen (BAG 16. März 2005 – 7 ABR 40/04 – zu B III 3 d der Gründe, BAGE 114, 119). Bei allgemeinen politischen Wahlen gebietet es der Grundsatz der Chancengleichheit, jeder Partei und jedem Wahlbewerber grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im Wahlkampf und im Wahlverfahren offenzuhalten. Dem Prinzip der Chancengleichheit der politischen Parteien im Parlamentswahlrecht entspricht bei Wahlen im Arbeits- und Sozialbereich der Grundsatz gleicher Wettbewerbschancen der Gewerkschaften (BVerfG 23. März 1982 – 2 BvL 1/81 – zu B II der Gründe, BVerfGE 60, 162; BAG 16. März 2005 – 7 ABR 40/04 – zu B III 3 d der Gründe, aaO; 13. Mai 1998 – 7 ABR 5/97 – zu B I 1 c der Gründe mwN). Die Koalitionsfreiheit gewährt allerdings keinen unbegrenzten und unbegrenzbaren Handlungsspielraum der Koalitionen. Der Gesetzgeber ist vielmehr berechtigt, die Befugnisse der Koalitionen im Einzelnen zu gestalten und deren Betätigungsfreiheit einzuschränken, wenn dies durch Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechte gerechtfertigt ist oder wenn der Schutz anderer Rechtsgüter dies erfordert (BVerfG 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 58, 233; BAG 16. März 2005 – 7 ABR 40/04 – zu B III 3 d der Gründe, aaO). |
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(b) Die Anordnung des d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens kann zwar in Grenzfällen Gewerkschaften mit geringerem Organisationsgrad in der Belegschaft benachteiligen. Sie ist aber von der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers umfasst, weil ein „ideales“ Sitzzuteilungsverfahren nicht existiert. Sie dient darüber hinaus der Mehrheitssicherung und damit einem nach der Funktion der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretung zur Rechtfertigung von Gleichheitseinbußen anzuerkennenden Ziel. |
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