BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 12.12.2017, 3 AZR 461/16 Betriebliche Altersversorgung – Auslegung von Versorgungsregelungen

März 15, 2018

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 12.12.2017, 3 AZR 461/16
Betriebliche Altersversorgung – Auslegung von Versorgungsregelungen

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 27. April 2016 – 5 Sa 71/15 – aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2015 – 8 Ca 39/15 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, nach welchen Rechtsgrundlagen sich die Anpassung des Ruhegeldes des Klägers richtet.
2
Der im Oktober 1939 geborene Kläger war seit dem 1. Januar 1969 bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, der H AG (im Folgenden H AG alt) als Arbeitnehmer tätig. Bei der H AG alt war die betriebliche Altersversorgung in der Betriebsvereinbarung Soziale Richtlinien (BV 75.14; im Folgenden BV Soziale Richtlinien) geregelt. Diese – für die Versorgung des Klägers maßgebliche – Betriebsvereinbarung bestimmt in der am 1. Juli 1986 geltenden Fassung auszugsweise:
„2. Abschnitt
Ruhegeld
1.
Voraussetzungen
Mitarbeiter, die ununterbrochen mindestens 10 Dienstjahre bei H erfüllt haben, können unter Bezug von Ruhegeld in den Ruhestand übertreten, wenn eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist.
1.1
Altersgrenzen
a)
Vollendung des 65. Lebensjahres;
b)
Vollendung des 63. Lebensjahres und Bezug von Altersrente aus der Rentenversicherung;
c)
Vollendung des 61. Lebensjahres;
d)
Vollendung des 60. Lebensjahres von
Schwerbehinderten,
Beziehern einer Berufsunfähigkeitsrente oder
Mitarbeiterinnen
und Bezug von Altersrente aus der Rentenversicherung.
Der Ruhestand beginnt jeweils mit dem Monatsersten, frühestens mit Erfüllung der Voraussetzungen.
1.2
Gesundheitliche Gründe
a)
Erwerbsunfähigkeit
Bei Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente beginnt der Ruhestand spätestens mit dem Monatsersten nach Zustellung und Vorlage des Rentenbescheides.
b)
Berufsunfähigkeit
Bei Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente wird der Beginn des Ruhestandes von der Personalabteilung im Einvernehmen mit Betriebsrat und betroffenem Mitarbeiter festgelegt. Voraussetzung ist, daß
die Berufsunfähigkeit während des Arbeitsverhältnisses bei H eintritt und
keine Möglichkeit eines angemessenen und zumutbaren anderweitigen Einsatzes bei H besteht.
c)
Wegfall von Lohnersatzleistung
Ein vorläufiger Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen ist möglich, wenn
Antrag auf Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente beim Rentenversicherungsträger gestellt wurde und
der Mitarbeiter arbeitsunfähig krank ist (Nachweis durch Attest) und die sichere Kenntnis vorliegt, daß auf absehbare Zeit nicht mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist und
ein Ruhestand aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.
1.3
Betrieblicher Grund
Ein Mitarbeiter kann bei Vorliegen besonderer betrieblicher Gründe vorzeitig in den Ruhestand übertreten. Als solche Gründe sind beispielsweise anzusehen
Fortfall des Arbeitsplatzes ohne gleichwertige zumutbare Einsatzmöglichkeit,
Lösung betriebsnotwendiger Nachwuchsfragen.
Der Ruhestand soll nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres – bei Frauen des 55. Lebensjahres – erfolgen. In besonders begründeten Ausnahmefällen kann hiervon abgewichen werden.
Die Personalabteilung entscheidet auf Vorschlag des Fachbereiches im Einvernehmen mit Mitarbeiter und Betriebsrat; der Gesundheitsdienst ist ggf. anzuhören.
1.4
Schichtgänger
Schichtgänger können auf eigenen Wunsch vorzeitig mit Ablauf des Monats in den Ruhestand treten, in dem sie
bei mindestens 6-Wochen-Schichtrhythmus:
das 61. Lebensjahr
bei längerem Schichtrhythmus:
das 62. Lebensjahr
vollendet haben. …
2.
Höhe des Ruhegeldes
Das Ruhegeld richtet sich nach
dem ruhegeldfähigen Gehalt
der Anzahl der Dienstjahre und
möglichen Anrechnungen.
2.1
Ruhegeldfähiges Gehalt
Ruhegeldfähiges Gehalt ist das letzte Monatsgehalt, multipliziert mit dem Faktor 1,2. Es setzt sich aus folgenden im Monat des Ausscheidens geltenden Gehaltsteilen zusammen:
Tarifgruppen-Anfangsgehalt bzw. AT-Gehalt,
Dienstalterszulage,
Leistungszulage,
2.2
Anzahl der Dienstjahre
Das Ruhegeld beträgt nach 10 Dienstjahren 21 % des ruhegeldfähigen Gehaltes. Es wird je weiteres Dienstjahr um 1,25 %-Punkte (Steigerungssatz) erhöht. Jeder angefangene Monat nimmt mit 1/12 an der Steigerung teil.
Soweit Anwartschaft auf späteres betriebliches Ruhegeld beim Ausscheiden eines Mitarbeiters aufrechtzuerhalten ist, mindert sich dessen Höhe entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur möglichen Dauer der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (gesetzliche Regelung).
4.2
Grenze der Gesamtversorgung
Die Grenze der Gesamtversorgung beträgt 70 %, wenn ein Mitarbeiter mit Vollendung des 63. Lebensjahres in den Ruhestand geht. Sie erhöht sich um 0,21 %-Punkte je vollen Kalendermonat bzw. 2,5 %-Punkte je Jahr, wenn der Ruhestand später beginnt. Sie wird im selben Umfang reduziert, sofern der Mitarbeiter nach Ziffer 1.1 c) früher in den Ruhestand tritt; diese Kürzung erfolgt nicht bei Übertritt in den Ruhestand vor Vollendung des 63. Lebensjahres aus anderen Gründen. Die Erhöhung/Minderung kann höchstens 5 %-Punkte betragen.
7.
Beginn/Ende der Ruhegeldzahlung
Die Zahlung des Ruhegeldes beginnt mit dem Eintritt in den Ruhestand. Die Versorgungsleistungen werden monatlich nachträglich gezahlt. Sie entfallen mit Ablauf des Monats, in dem der Berechtigte verstirbt oder seine Berufs-/Erwerbsunfähigkeitsrente entzogen wird.
Im Rahmen der Unverfallbarkeit bei den H ausgeschiedene Mitarbeiter erhalten Ruhegeld nur auf Antrag. Die Leistungen werden erstmals für den auf Antragseingang folgenden Monat gewährt. Rückwirkende Zahlungen erfolgen nicht.
4. Abschnitt
Witwen- und Waisengeld
5. Abschnitt
Sonderzahlungen
Tritt ein Mitarbeiter unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis mit H unter Bezug von Ruhegeld in den Ruhestand, erhalten er bzw. später seine Witwe/Vollwaisen nachstehende Leistungen. Dasselbe gilt, wenn ein Mitarbeiter während des Arbeitsverhältnisses bei H verstirbt.
1.
Übergangszahlung
2.
Weihnachtsgeld
Weihnachtsgeld wird in Höhe des ungekürzten Ruhe-, Witwen- bzw. Waisengeldes ohne Anrechnung gewährt.
3.
Überbrückungszulagen
Mitarbeiter, die
nach Vollendung des 62. (ab 1.7.1986: 61.) Lebensjahres (Abschnitt 2, Ziffer 1.1 c),
aus gesundheitlichen Gründen (Abschnitt 2, Ziffer 1.2 c),
aus betrieblichen Gründen (Abschnitt 2, Ziffer 1.3) oder
als Schichtgänger (Abschnitt 2, Ziffer 1.4)
in den Ruhestand treten, erhalten zusätzlich zum Ruhegeld eine Überbrückungszulage in Höhe der Differenz zwischen Ruhegeld und der jeweiligen Grenze der Gesamtversorgung (Abschnitt 2, Ziffer 4.2).
Diese Zahlung beginnt nach Ablauf von 2 Monaten und wird monatlich zusammen mit dem Ruhegeld überwiesen.
Die Überbrückungszulage ruht im vollen Umfang bei
Einkünften aus Erwerbstätigkeit einschließlich fremder Betriebsrenten/Pensionen,
Bezug sonstiger anrechenbarer Zahlungen (allg. Bestimmungen, Ziffer 4).
Die Überbrückungszulage endet mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter
das 63. Lebensjahr vollendet,
Rente aus der Rentenversicherung bezieht,
nach Wegfall des vorläufigen Ruhestandes aus gesundheitlichen Gründen (Abschnitt 2, Ziffer 1.2 c) das Arbeitsverhältnis hätte fortsetzen können oder
verstirbt.
Allgemeine Bestimmungen
7.
Anpassung
Die Ruhegeldberechnung wird zu bestimmten Zeitpunkten jeweils der Entwicklung der Gehaltstarife angepaßt.
Soweit bestehende Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter in Ruhegeld umgewandelt werden, ist dieses alle drei Jahre auf eine Anpassung hin zu überprüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftlich Lage der H zu berücksichtigen (gesetzliche Regelung).
9.
Ausschlußfrist
Ansprüche nach den Sozialen Richtlinien müssen innerhalb von 4 Monaten nach Fälligkeit bzw. Erfüllung der in Ziffer 6 vorgeschriebenen Pflichten geltend gemacht werden. Nach Ablauf der Frist erlischt der Anspruch.“
3
Die „Betriebsvereinbarung Nr. 96.02 über den vorzeitigen Ruhestand aus betrieblichen Gründen“ (im Folgenden BV 96.02), bestimmt auszugsweise:
„1.
Allgemeines
Auf Veranlassung H können Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen mit ihrem Einverständnis vorzeitig in den Ruhestand treten, wenn sie die nachstehenden Voraussetzungen erfüllen. Ein Anspruch des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin ist ausgeschlossen.
2.
Voraussetzungen
2.1
Alter, Dienstjahre
Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin muß bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mindestens
20 Dienstjahre erfüllt haben und
58 Jahre alt sein.
Über die Pensionierung von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen mit weniger als 20 Dienstjahren entscheidet PP im Einvernehmen mit XB im Einzelfall.
2.2
Wegfall des Arbeitsplatzes
Der Arbeitsplatz des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin entfällt mit dem Übertritt in den vorzeitigen Ruhestand ersatzlos oder
Der Arbeitsplatz wird mindestens innerhalb der nächsten 5 Jahre nach Ausscheiden des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin nicht wiederbesetzt (einschl. ANÜ/Werkvertrag).
2.4
Vorgezogenes Altersruhegeld
Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin muß die Voraussetzungen für den Anspruch auf vorgezogenes Altersruhegeld nach Arbeitslosigkeit mit Vollendung des 60. Lebensjahres oder auf vorgezogenes bzw. flexibles Altersruhegeld nach SGB VI erfüllen.
3.
Grenze der Gesamtversorgung
Die Grenze der Gesamtversorgung beträgt 65 % des ruhegeldfähigen Gehaltes.
4.
Ruhegeldleistungen
Während der ersten beiden Monate des Ruhestandes wird Ruhegeld in Höhe des letzten Monatsgehaltes gezahlt (Übergangszahlung). Daran anschließend erhält der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin bis zum frühestmöglichen Bezug von SV-Rente nominelles Ruhegeld sowie eine Überbrückungszulage.
Das Ruhegeld wird im Rahmen von § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei als Abfindung gezahlt.
Ein ggf. bezogenes Arbeitslosengeld wird auf die H-Leistungen in vollem Umfang angerechnet.
5.
Zugangsfaktor
Für Mitarbeiter, die im Rahmen dieser Vereinbarung ein vorgezogenes Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit erhalten, gelten bezüglich des Zugangsfaktors (Abschlag von der Rente wegen vorzeitiger Inanspruchnahme) folgende Besonderheiten:
Grundsätzlich geht die Hälfte der Auswirkungen des Zugangsfaktors zu Lasten des Mitarbeiters, d. h., es erfolgt kein Ausgleich durch H.
Der vom Mitarbeiter tatsächlich zu tragende Abschlag von der SV-Rente ist jedoch – abweichend von den Bestimmungen der Sozialen Richtlinien auf 3,6 % begrenzt.
Ein evtl. sich ergebender höherer Abschlag wird durch H ausgeglichen.
6.
Pflichten des Mitarbeiters
Die Mitarbeiter sind verpflichtet, auf Veranlassung des Unternehmens
sich rechtzeitig arbeitslos zu melden, und
zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen Antrag auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zu stellen.
Bei einem schuldhaften Verstoß gegen diese Verpflichtungen mit der Folge, daß Leistungen versagt werden, wird eine fiktive SV-Rente im Rahmen der Gesamtversorgung angerechnet.
Der Mitarbeiter soll dem Arbeitsamt gegenüber auf den Bezug von Arbeitslosengeld verzichten.
Der Mitarbeiter kann dem Arbeitsamt gegenüber darauf verzichten, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen.
8.
Soziale Richtlinien
Im übrigen finden die SOZIALEN RICHTLINIEN (Abschnitte 2, 4, 5, Allgemeine Bestimmungen) in der jeweils gültigen Fassung entsprechend Anwendung, sofern vorstehend keine besonderen Bestimmungen getroffen worden sind.“
4
Am 1./3. Februar 2000 schlossen die Arbeitgeberin und der Kläger eine „Vereinbarung zum vorzeitigen Ruhestand“. Diese Vereinbarung lautet ua.:
„Sehr geehrter Herr B,
durch Änderung von Arbeitsabläufen und -verfahren ist auch Ihr Arbeitsplatz aufgelöst. Wir beabsichtigen aus diesem Grunde, das zwischen Ihnen und der H bestehende Arbeitsverhältnis aufzuheben.
Damit werden Sie mit Wirkung vom 01.05.2000 unter Einhaltung der nachfolgenden Regelungen vorzeitig in den betrieblichen Ruhestand treten.
Betriebliche Leistung
Entsprechend den Sozialen Richtlinien in der Fassung vom 1.3.1995 (BV 95.02) und den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung ‚Vorzeitiger Ruhestand aus betrieblichen Gründen‘, gültig ab 1.1.1997 (BV 96.02), zahlt Ihnen die H mit Eintritt in den vorzeitigen betrieblichen Ruhestand bis zum frühestmöglichen Bezug von Rente aus der Sozialversicherung das betriebliche Ruhegeld sowie eine Überbrückungszulage.
In diesem Zusammenhang kommt, vorbehaltlich zukünftiger Änderungen im Steuerrecht, § 3 Nr. 9 EStG zur Anwendung.
Pflichten des Mitarbeiters
A Meldepflicht beim Arbeitsamt:
Um den Nachweis für die vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 38 SGB VI) zu erwerben und damit frühestmöglich Rente aus der Sozialversicherung beziehen zu können, verpflichten Sie sich zur Arbeitslosmeldung. …
B Verzicht auf Leistungen des Arbeitsamtes:
Unsere betrieblichen Regelungen zum vorzeitigen betrieblichen Ruhestand (BV 96.02) basieren darauf, daß Sie dem Arbeitsamt gegenüber auf den Bezug von Arbeitslosengeld verzichten.
C Rechtzeitige Beantragung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit:
Zur Erfüllung unserer betrieblichen Regelungen zum vorzeitigen betrieblichen Ruhestand (BV 96.02) sind Sie verpflichtet, (9 Monate nach Beginn Ihres Ruhestandes und Ihrer Arbeitslosigkeit) zum 01. Februar 2001 persönlich bei dem für Ihren Wohnsitz zuständigen Bezirksamt oder bei der zuständigen Gemeindeverwaltung den Antrag auf eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu stellen (§ 38 SGB VI), um ab dem 01.05.2001 Rente aus der Sozialversicherung zu beziehen.
Ende des vorzeitigen Ruhestandes
Ihr vorzeitiger Ruhestand wird zum 30.04.2001 enden, da Sie ab dem 01.05.2001 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 38 SGB VI) beziehen können.
Entsprechend den Sozialen Richtlinien erhalten Sie nach Ablauf des vorzeitigen betrieblichen Ruhestandes mit Beginn des Bezuges der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ein neu berechnetes H-Ruhegeld (Gesamtversorgungsbetrachtung).
…“
5
Im Jahr 2000 vereinbarten die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V., deren Mitglied die H AG alt war, einerseits und die IG Metall sowie die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (im Folgenden DAG) andererseits einen neuen Manteltarifvertrag (im Folgenden MTV H) für die H AG alt. In diesem ist unter II/D Nr. 5.3 geregelt:
„Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die direkt aus dem Arbeitsverhältnis mit der H AG unter Bezug von Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den Ruhestand gehen, haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung.
Für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die nach dem 30.09.1998 ein Arbeitsverhältnis mit der H AG aufgenommen haben, leistet das Unternehmen einen Beitrag zur betrieblichen Altersversorgung, wenn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich an ihrer Altersversorgung in festzulegendem Umfang in Form von Eigenbeiträgen beteiligen.
Einzelheiten, insbesondere Anspruchsvoraussetzungen, Zeitpunkt des Übertrittes in den (vorzeitigen) Ruhestand, Höhe der Beiträge und Leistungen u. ä. werden – ebenso wie die Behandlung besonderer Personengruppen und Härtefälle – durch die Betriebspartner geregelt.“
6
Die Arbeitgeberin des Klägers – die H AG alt – gliederte nach Maßgabe eines Ausgliederungs- und Übernahmevertrages vom 22. August 2002 einen Teil ihres Vermögens und zwar das von ihr betriebene operative Geschäft mit allen zugehörigen Vermögensgegenständen und Schuldposten als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung auf die Erste H AG aus. Die Erste H AG wurde mit Beschluss der Hauptversammlung vom 22. August 2002 in H Aktiengesellschaft (im Folgenden H AG neu) und mit Beschluss der Hauptversammlung vom 7. April 2005, ins Handelsregister am 2. Januar 2006 eingetragen, in V H Aktiengesellschaft umfirmiert. Die H AG alt wurde mit Beschluss der Hauptversammlung vom 21. August 2002 in V Aktiengesellschaft umfirmiert und hat ihren Sitz nach B verlegt. Sie ist aufgrund des Verschmelzungsvertrages vom 27. August 2012 durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes unter Auflösung ohne Abwicklung auf die V GmbH in B (vormals V [D] GmbH) verschmolzen worden. Die Eintragung erfolgte am 17. September 2012. Die V GmbH ist die Versorgungsschuldnerin des Klägers und Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits.
7
Entsprechend den vertraglichen Regelungen der Parteien trat der Kläger zum 1. Mai 2000 in den vorzeitigen betrieblichen Ruhestand. Dieser endete mit Ablauf des 30. April 2001. Seit dem 1. Mai 2001 bezieht der Kläger eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und von der Beklagten ein betriebliches Ruhegeld.
8
Wegen der bevorstehenden Ausgliederung von Teilen des Vermögens von der H AG alt auf die Erste H AG vereinbarten die Erste H AG und die IG Metall in einem Tarifvertrag vom 26. Juni 2002 die kollektivrechtliche Fortgeltung der zum Stichtag des Wirksamwerdens der Ausgliederung gültigen Tarifverträge der H AG alt bei der Erste H V AG.
9
Die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V. einerseits und die IG Metall andererseits änderten mit einem Tarifvertrag vom 24. Juli 2003 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2003 den MTV H ua. wie folgt:
„Abschnitt II/D (Beendigung des Arbeitsverhältnisses):
Abs. 5.3 Abs. 3 erhält folgende Neufassung; Datum des Inkrafttretens: 01.01.2003:
Einzelheiten, insbesondere Anspruchsvoraussetzungen, Zeitpunkt des Übertrittes in den (vorzeitigen) Ruhestand, Höhe der Beiträge und Leistungen u. ä. werden – ebenso wie die Behandlung besonderer Personengruppen und Härtefälle – durch Betriebsvereinbarung geregelt. Änderungen werden nur nach Zustimmung der Tarifpartner wirksam.“
10
Am 26. September 2003 schlossen die im „V-Konzern“ vertretenen Gewerkschaften IG BCE, ver.di und IG Metall eine Vereinbarung, wonach sie „für die Erarbeitung und Verhandlung eines Konzerntarifwerkes sowie dessen Fortentwicklung“ eine Tarifgemeinschaft bildeten. Die bisherigen Zuständigkeiten der Einzelgewerkschaften sollten unverändert weiter fortbestehen.
11
Mit Wirkung zum 1. Juli 2005 schlossen die H AG neu, die später als V H AG firmierte, und der bei ihr gebildete Betriebsrat die Betriebsvereinbarung Nr. 2005.03 (im Folgenden BV 2005.03). Diese bestimmt:
„In den Sozialen Richtlinien (BV 75.14, zuletzt geändert durch BV 2004.11) wird die Ziff. 7 im Abschnitt ‚Allgemeine Bestimmungen‘ wie folgt neu gefasst:
‚Die Anpassung der Ruhegeldzahlbeträge, des Weihnachtsgeldes (nominelles Ruhegeld) und der Hinterbliebenenbezüge erfolgt jährlich zum Zeitpunkt der allgemeinen Anpassung der Sozialversicherungsrenten (SV-Renten). In Jahren ohne SV-Rentenerhöhung erfolgt die Anpassung der betrieblichen Leistungen grundsätzlich zum gleichen Stichtag wie im Vorjahr.
Dieses Verfahren gilt auch für bereits im Ruhestand befindliche ehemalige Mitarbeiter und deren Hinterbliebene.
Die Festlegung der Höhe des Anpassungssatzes erfolgt unter Berücksichtigung der Entwicklung der Gehaltstarife, der Lebenshaltungskosten bzw. der Realeinkommen sowie der wirtschaftlichen Lage der H.
Soweit bestehende Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter in Ruhegeld umgewandelt werden, ist dieses alle drei Jahre auf eine Anpassung hin zu überprüfen und hierüber nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung von § 16 BetrAVG zu entscheiden.‘
…“
12
Dieser Betriebsvereinbarung stimmten die IG Metall und die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V. am 26. Oktober 2006 rückwirkend für den Zeitpunkt ihres vorgesehenen Inkrafttretens zu.
13
Unter dem Datum des 20. November 2006 schlossen die Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V., der Arbeitgeberverband energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmen e. V. und der Wirtschaftsverband Kohle e. V. einerseits sowie die IG BCE, ver.di und die IG Metall andererseits ua. für die V H Aktiengesellschaft den Manteltarifvertrag für die Mitgliedsunternehmen der Tarifgemeinschaft V (im Folgenden MTV 2006). Der MTV 2006 enthält ua. folgende Regelung:
„VII. Altersversorgung
§ 36 Altersversorgung
1.
Arbeitnehmer, die ab dem 01.01.2007 bei einem Mitgliedsunternehmen der Tarifgemeinschaft V eingestellt werden, erhalten eine betriebliche Altersversorgung nach einem neuen einheitlichen System. Die Einzelheiten dieser betrieblichen Altersversorgung werden auf betrieblicher Ebene geregelt. Für die bis zum 31.12.2006 eingestellten Arbeitnehmer gelten die bisherigen Versorgungssysteme weiter.“
14
Die Beklagte erhöhte das Ruhegeld des Klägers in den Jahren 2006 bis 2010 jeweils zum 1. Juli entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife. Zum 1. Juli 2011 steigerte sie das Ruhegeld um 3,16 vH, zum 1. Juli 2012 um 2,49 vH und zum 1. Juli 2013 um 2,4 vH. Dabei legte die Beklagte die jeweilige prozentuale Tariferhöhung zugrunde und rechnete diese aufgrund der jeweils 13-monatigen Laufzeit des Gehaltstarifvertrages auf einen Zwölf-Monats-Zeitraum um.
15
Nach dem „Tarifvertrag über die Tabellenvergütung (TVT)“ vom 10. April 2013 wurden die Tabellenvergütungen ua. ab dem 1. April 2014 um 1,8 vH angehoben.
16
Das Ruhegeld des Klägers belief sich bis zum 30. Juni 2014 auf monatlich 3.419,67 Euro brutto. Zum 1. Juli 2014 erhöhte die Beklagte das Ruhegeld um 1,03 vH und zahlte an den Kläger monatlich 3.454,89 Euro brutto. Die Anpassung um 1,03 vH erfolgte auf der Grundlage der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes seit der letzten Anpassung zum 1. Juli 2013.
17
Mit seiner – der Beklagten am 19. Mai 2015 zugestellten – Klage hat der Kläger die vollständige Weitergabe der tariflichen Gehaltserhöhung ab dem 1. Juli 2014, die er der Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 12. Januar 2015 geltend gemacht hat, begehrt. Sein Ruhegeld sei nach Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 Abs. 1 BV Soziale Richtlinien an die Entwicklung der Gehaltstarife anzupassen. Die BV 2005.03 sei unwirksam und finde auf sein Versorgungsverhältnis keine Anwendung. Er habe deshalb Anspruch auf eine Erhöhung des Ruhegeldes um 1,96 vH zum 1. Juli 2014. Die Tariflohnerhöhung von 1,8 vH sei auf zwölf Monate hochzurechnen. Ab Juli 2014 ergebe sich daher eine monatliche Differenz iHv. 31,81 Euro. Weiter habe er Anspruch auf Zahlung eines um 40,36 Euro erhöhten Weihnachtsgeldes für das Jahr 2014.
18
Der Kläger hat beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 354,66 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Erhöhung und Festsetzung der laufenden Ruhegeldbezüge jeweils die Steigerung der Gehaltstarife gemäß Ziffer 7 der Betriebsvereinbarung Soziale Richtlinien (BV 75.14 in der Fassung ab 1. Juli 1986) zugrunde zu legen.
19
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger sei vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter iSv. Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 Abs. 2 BV Soziale Richtlinien. Er habe deshalb keinen Anspruch auf Anpassung seines Ruhegeldes an die Entwicklung der Gehaltstarife. Zudem sei Absatz 1 dieser Vorschrift durch die BV 2005.03 wirksam abgelöst worden; dafür hätten tragfähige Gründe vorgelegen. Im Übrigen könne der Kläger höchstens eine Anpassung um 1,8 vH verlangen, soweit Ansprüche nicht sowieso verfallen seien.
20
Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag insgesamt und dem Zahlungsantrag für die Monate ab September 2014 bis April 2015 iHv. 26,33 Euro brutto monatlich stattgegeben und die weiter gehende Zahlungsklage (Monate Juli und August 2014, Erhöhung des Ruhegeldes um mehr als 1,8 vH und hinsichtlich des Weihnachtsgeldes 2014) abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

21
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Die zulässige Klage ist – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts – im noch rechtshängigen Umfang begründet.
22
I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Feststellungsantrag. Dieser ist auf die Feststellung gerichtet, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei der Anpassung des Ruhegeldes die Steigerung der Gehaltstarife nach Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 der BV Soziale Richtlinien (BV 75.14 in der am 1. Juli 1986 geltenden Fassung) – die bis zur Änderung dieser Regelung durch die BV 2005.03 unverändert geblieben ist – zugrunde zu legen. Die Voraussetzungen einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO liegen vor. Der Antrag richtet sich auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich den Inhalt der der Beklagten obliegenden Verpflichtung, das Ruhegeld des Klägers anzupassen. Von der Entscheidung über diese Frage hängt – zumindest auch – die Entscheidung der Zahlungsklage ab. Eines besonderen Feststellungsinteresses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO bedarf es daher nicht (BAG 11. Juli 2017 – 3 AZR 513/16 – Rn. 21 mwN).
23
II. Die Feststellungsklage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, bei der Anpassung des Ruhegeldes des Klägers die Steigerung der Gehaltstarife unmittelbar zugrunde zu legen. Das folgt aus Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 Abs. 1 BV Soziale Richtlinien in der am 1. Juli 1986 geltenden Fassung.
24
1. Der Kläger unterfällt dieser Regelung. Dies ergibt die Auslegung der BV Soziale Richtlinien (zu den Auslegungsgrundsätzen statt vieler BAG 8. Dezember 2015 – 3 AZR 267/14 – Rn. 22 mwN).
25
a) Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 BV Soziale Richtlinien sieht vor, dass „die Ruhegeldberechnung“ zu bestimmten Zeitpunkten jeweils der Entwicklung der Gehaltstarife angepasst wird. Handelt es sich um Ruhegeldempfänger, die „vorzeitig“ aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind und deren bestehende Anwartschaft in Ruhegeld umgewandelt wurde, ist dieses dagegen entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 16 BetrAVG alle drei Jahre zu überprüfen und über eine Anpassung nach billigem Ermessen zu entscheiden. Wie die Systematik der Regelung zeigt, erfasst ihr Absatz 1 damit nur solche Betriebsrentner, die nicht unter Absatz 2 fallen. Entscheidend für die Anwendung von Absatz 2 ist, ob eine bestehende Anwartschaft vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter in Ruhegeld umgewandelt wird. Dies ist nur bei den Mitarbeitern der Fall, die nicht unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis in den Ruhestand iSd. BV Soziale Richtlinien treten. Dies lässt der Gesamtzusammenhang erkennen.
26
Die BV Soziale Richtlinien unterscheidet an mehreren Stellen zwischen Ruhegeldempfängern, die unmittelbar mit Eintritt eines Versorgungsfalles in den Ruhestand treten und (ehemaligen) Arbeitnehmern, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft auf Ruhegeld vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, erst später in den Ruhestand treten und dann Ruhegeld beziehen. So bestimmt Abschnitt 2 Nr. 2.2 BV Soziale Richtlinien für die Berechnung der Höhe des Ruhegeldes eines mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers, dass sich diese entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur möglichen Dauer der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (gesetzliche Regelung) mindert. Auch Abschnitt 2 Nr. 7 BV Soziale Richtlinien liegt eine solche Unterscheidung zugrunde. Während die Zahlung des Ruhegeldes nach Absatz 1 der Vorschrift grundsätzlich mit dem Eintritt in den Ruhestand beginnt, sieht Absatz 2 der Vorschrift für mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedene Mitarbeiter ua. vor, dass diese Ruhegeld nur auf Antrag erhalten und die Gewährung erstmals für den auf Antragseingang folgenden Monat erfolgt. Schließlich regelt Abschnitt 5 BV Soziale Richtlinien Sonderzahlungen für Mitarbeiter, die unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis mit H unter Bezug von Ruhegeld in den Ruhestand treten.
27
b) Ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis iSd. Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 Abs. 2 BV Soziale Richtlinien liegt nicht vor, wenn Mitarbeiter mit dem Eintritt eines in der BV Soziale Richtlinien vorgesehenen Versorgungsfalles unmittelbar in den Ruhestand iSd. BV Soziale Richtlinien treten.
28
aa) Sowohl der Wortlaut als auch die Systematik von Abschnitt 2 Nr. 1 BV Soziale Richtlinien sprechen für ein solches Verständnis. Danach können Mitarbeiter, die ununterbrochen mindestens zehn Dienstjahre bei H erfüllt haben, unter Bezug von Ruhegeld in den Ruhestand übertreten, wenn eine der „nachstehenden Bedingungen“ erfüllt ist. Die weiteren Voraussetzungen für einen solchen Übertritt aus dem Arbeitsverhältnis in den Ruhestand haben die Betriebsparteien in den nachfolgenden Regelungen (Abschnitt 2 Nr. 1.1, 1.2, 1.3 und 1.4 BV Soziale Richtlinien) normiert. Abschnitt 2 Nr. 1.1 BV Soziale Richtlinien erfasst dabei die Fälle, in denen jemand wegen Erreichens der dort geregelten Altersgrenzen in den Ruhestand tritt, Abschnitt 2 Nr. 1.2 BV Soziale Richtlinien sieht einen Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen – ua. wegen Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder bei Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente – vor. Abschnitt 2 Nr. 1.2 Buchst. c BV Soziale Richtlinien regelt einen vorläufigen Ruhestand, wenn – bei Vorliegen der weiteren dort genannten Voraussetzungen – Lohnersatzleistungen wegfallen, bevor eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt wird. Ferner sieht Abschnitt 2 Nr. 1.4 BV Soziale Richtlinien für sog. Schichtgänger die Möglichkeit vor, auf eigenen Wunsch vorzeitig in den Ruhestand überzutreten. Darüber hinaus kann ein Mitarbeiter nach Abschnitt 2 Nr. 1.3 BV Soziale Richtlinien bei Vorliegen besonderer betrieblicher Gründe vorzeitig in den Ruhestand übertreten. Allen diesen Versorgungsfällen ist gemeinsam, dass die Mitarbeiter nach dem der BV Soziale Richtlinien zugrunde liegenden Verständnis aus dem Arbeitsverhältnis unmittelbar in den Ruhestand übertreten. Dies schließt für die hiervon erfassten Arbeitnehmer eine Anwendung der Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 Abs. 2 BV Soziale Richtlinien aus.
29
bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus dem Umstand, dass Abschnitt 2 Nr. 1.3 BV Soziale Richtlinien bei Vorliegen besonderer betrieblicher Gründe nur einen „vorzeitigen“ Übertritt in den Ruhestand anordnet nichts Gegenteiliges. Obschon sowohl Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 Abs. 2 als auch Abschnitt 2 Nr. 1.3 BV Soziale Richtlinien das Wort „vorzeitig“ verwenden, hat es im jeweiligen Zusammenhang eine andere Bedeutung.
30
„Vorzeitig“ meint „früher als vorgesehen, früher als erwartet“ (vgl. Duden Deutsches Universalwörterbuch 8. Aufl. Stichwort „vorzeitig“; Duden Das Bedeutungswörterbuch 4. Aufl. Stichwort „vorzeitig“). Die Zeitpunkte, auf die sich dieser Begriff bezieht, sind in Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 Abs. 2 und in Abschnitt 2 Nr. 1.3 BV Soziale Richtlinien verschieden. Während „vorzeitig“ in Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 Abs. 2 BV Soziale Richtlinien – wie sich auch aus dem Gleichlauf mit der ähnlich formulierten Regelung in Abschnitt 2 Nr. 2.2 Abs. 2 BV Soziale Richtlinien zeigt – ein „vorzeitiges“ Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor dem Eintritt eines Versorgungsfalles nach der BV Soziale Richtlinien meint, bezieht sich „vorzeitig“ in Abschnitt 2 Nr. 1.3 BV Soziale Richtlinien auf einen vorzeitigen Übertritt „in“ den Ruhestand. Im letztgenannten Fall soll mit der Formulierung daher lediglich klargestellt werden, dass der Ruhestand früher eintritt, als es unter Berücksichtigung der in Abschnitt 2 Nr. 1.1 BV Soziale Richtlinien geregelten Altersgrenzen möglich wäre.
31
cc) Gegen das vorliegende Verständnis spricht auch nicht, dass es sich bei den Leistungen nach der BV Soziale Richtlinien im Fall des Wegfalls von Lohnersatzleistungen nach Abschnitt 2 Nr. 1.2 Buchst. c BV Soziale Richtlinien und bei einem vorzeitigen betrieblichen Ruhestand nach Abschnitt 2 Nr. 1.3 BV Soziale Richtlinien nicht um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung iSd. Betriebsrentengesetzes handelt. Betriebliche Altersversorgung liegt nur vor, wenn die versprochenen Leistungen an ein biologisches Risiko anknüpfen. Dies ist bei der Zahlung des nominellen Ruhegeldes (Vorruhestandsgeld) und der Überbrückungszulage nicht der Fall. Die Leistungen knüpfen nicht an ein biologisches Risiko an, sondern dienen der Überbrückung der Arbeitslosigkeit (vgl. BAG 18. Mai 2004 – 9 AZR 250/03 – zu A der Gründe; 18. März 2003 – 3 AZR 315/02 – zu I 3 a der Gründe mwN; 3. November 1998 – 3 AZR 454/97 – zu B II der Gründe, BAGE 90, 120) bzw. der Absicherung im Fall einer längeren Arbeitsunfähigkeit. Für die Frage, ob die Arbeitnehmer, bei denen ein Versorgungsfall iSd. Abschnitt 2 Nr. 1 BV Soziale Richtlinien gegeben ist und die deshalb in den Ruhestand treten, als vorzeitig ausgeschieden iSv. Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 Abs. 2 BV Soziale Richtlinien anzusehen sind, ist dies jedoch unerheblich. Ausweislich der Regelung in Abschnitt 2 Nr. 1 BV Soziale Richtlinien gehen die Betriebsparteien vielmehr davon aus, dass auch bei dieser Gruppe von Arbeitnehmern ein Übertritt aus dem Arbeitsverhältnis in den – ggf. nur vorzeitigen oder vorläufigen – Ruhestand vorliegt.
32
dd) Entgegen der von der Beklagten – ua. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – vertretenen Auffassung, spricht gegen die vorliegende Auslegung auch nicht, dass in der BV Soziale Richtlinien eine „Gesamtversorgung“ zugesagt wurde.
33
(1) Zwar ist nach der Rechtsprechung des Senats bei Zusage einer Gesamtversorgung regelmäßig davon auszugehen, dass eine Betriebsrente erst beansprucht werden kann, wenn gleichzeitig eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wird (vgl. BAG 13. Januar 2015 – 3 AZR 897/12 – Rn. 33, BAGE 150, 262). Der Arbeitgeber will regelmäßig die Betriebsrente erst ab dem Zeitpunkt zahlen, ab dem der Versorgungsberechtigte eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nimmt, die bei der Ermittlung der betrieblichen Versorgungsleistung berücksichtigt bzw. auf die betriebliche Versorgungsleistung angerechnet werden kann (vgl. etwa BAG 15. Mai 2012 – 3 AZR 11/10 – Rn. 50, BAGE 141, 259).
34
(2) Aus dieser Rechtsprechung kann die Beklagte jedoch nichts zu ihren Gunsten ableiten. Die BV Soziale Richtlinien enthält in Abschnitt 5 Nr. 3 ausdrücklich auch Regelungen für Mitarbeiter, die vor dem Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den Ruhestand treten. In den Versorgungsfällen, bei denen der Bezug einer anzurechnenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zwingend erfolgt (Abschnitt 2 Nr. 1.1 Buchst. c, Nr. 1.2 Buchst. c, Nr. 1.3 und Nr. 1.4 BV Soziale Richtlinien) wird dem Mitarbeiter zusätzlich zum Ruhegeld eine Überbrückungszulage in Höhe der Differenz zwischen Ruhegeld und der jeweiligen Grenze der Gesamtversorgung gewährt. Damit regelt die BV Soziale Richtlinien zumindest insoweit eine Abweichung von dem Grundsatz, dass betriebliches Ruhegeld bei Zusage einer Gesamtversorgung nur beansprucht werden kann, wenn gleichzeitig eine Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung bezogen wird.
35
c) Der Kläger ist mit dem Eintritt eines in der BV Soziale Richtlinien vorgesehenen Versorgungsfalles und damit unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis in den Ruhestand iSd. BV Soziale Richtlinien getreten. Bei Arbeitnehmern, die – wie der Kläger – nach der BV 96.02 aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, ist der Versorgungsfall des vorzeitigen betrieblichen Ruhestandes nach Abschnitt 2 Nr. 1.3 BV Soziale Richtlinien gegeben. Die Regelungen der BV 96.02 zeigen, dass die Betriebsparteien damit die nach der BV Soziale Richtlinien bestehende Möglichkeit eines vorzeitigen betrieblichen Ruhestandes ausgestalten wollten.
36
aa) Die BV 96.02 regelt – wie in Abschnitt 2 Nr. 1.3 BV Soziale Richtlinien vorgesehen – die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichen Gründen. Dies zeigt bereits ihre Bezeichnung als „Betriebsvereinbarung Nr. 96.02 über den vorzeitigen Ruhestand aus betrieblichen Gründen“. Nach Nr. 1 zielt die BV 96.02 auf eine Anpassung der Personalkapazitäten bei der H AG neu ab. Aus diesem Grund können betroffene Mitarbeiter im Rahmen der BV 96.02 vorzeitig in den Ruhestand treten. Zudem muss der Arbeitsplatz des Mitarbeiters nach Nr. 2.2 BV 96.02 ersatzlos entfallen.
37
bb) Auch die übrigen Regelungen der BV 96.02 lassen erkennen, dass die BV 96.02 den Versorgungsfall „betrieblicher Grund“ iSd. Abschnitt 2 Nr. 1.3 BV Soziale Richtlinien ausgestaltet.
38
(1) Nr. 8 BV 96.02 ordnet ausdrücklich die Anwendung ua. des Abschnitts 2 der BV Soziale Richtlinien an, soweit die BV 96.02 selbst keine abweichenden Festlegungen trifft. Damit knüpfen die Betriebsparteien ausdrücklich an die dortigen Regelungen an.
39
(2) Eine Einordnung der BV 96.02 in die BV Soziale Richtlinien ergibt sich auch aus Nr. 4 BV 96.02. Ein unter Geltung der BV 96.02 aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidender Arbeitnehmer hat danach Anspruch auf eine Abfindung, die in den ersten beiden Monaten des Ruhestandes in Höhe des letzten Monatsgehalts (Übergangszahlung) gewährt wird, und daran anschließend nominelles Ruhegeld sowie Überbrückungszulage. Dies entspricht den Ansprüchen, die einem Arbeitnehmer nach der BV Soziale Richtlinien für den Fall zustehen, dass er in den vorzeitigen betrieblichen Ruhestand nach Abschnitt 2 Nr. 1.3 BV Soziale Richtlinien tritt. Unerheblich ist, dass die BV 96.02 die Steuerfreiheit der Leistungen während des Vorruhestandes nach § 3 Nr. 9 EStG in seiner damals geltenden Fassung anstrebte und ob die Steuerfreiheit tatsächlich eintrat (vgl. dazu BFH 11. Januar 1980 – VI R 165/77 – zu 2 der Gründe, BFHE 129, 479; sowie Schmidt/Heinicke EStG 19. Aufl. 2000 § 3 ABC Abfindung wegen Auflösung des Dienstverhältnisses).
40
(3) Auch der Umstand, dass die BV 96.02 bestimmte Abweichungen hinsichtlich der nach Abschnitt 2 Nr. 1.3 BV Soziale Richtlinien erforderlichen Voraussetzungen und der Rechtsfolgen dieses Versorgungsfalles – etwa hinsichtlich des Personenkreises und des Verfahrens sowie der Ausgestaltung der Leistungen während des Vorruhestandes im Vergleich zum endgültigen Ruhestand – regelt, führt nicht zu einem gegenteiligen Ergebnis. Insoweit enthält die BV 96.02 lediglich Sonderregelungen, die nach Nr. 8 BV 96.02 den Regelungen in der BV Soziale Richtlinien zwar vorgehen, deren grundsätzliche Anwendbarkeit jedoch unberührt lassen. Denn nach der Gesamtsystematik beider Betriebsvereinbarungen sind auch die „Vorruheständler“ unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis in den Ruhestand getretene Versorgungsberechtigte.
41
2. Die Allgemeine Bestimmungen Nr. 7 Abs. 1 BV Soziale Richtlinien ist auch weiterhin in der am 1. Juli 1986 geltenden Fassung anzuwenden und verpflichtet die Beklagte daher zur Anpassung des Ruhegeldes entsprechend der Tarifentwicklung. Daran hat die BV 2005.03 nichts geändert.
42
a) Die BV 2005.03 ist nicht aus formalen Gründen unwirksam, weil die Zustimmung von ver.di oder des Aufsichtsrates der H AG neu fehlt.
43
Es kann dahinstehen, ob und auf welcher Grundlage der MTV H mit dem Zustimmungserfordernis der Tarifvertragsparteien im Versorgungsverhältnis des Klägers zur Anwendung kommt. Selbst wenn die Regelung in II/D Nr. 5.3 Abs. 3 MTV H auch für den Kläger gelten sollte, wäre die BV 2005.03 nicht wegen fehlender Zustimmung von ver.di unwirksam. Denn der Tarifvertrag sieht nur eine Zustimmung der IG Metall vor. Auch die fehlende Zustimmung seitens des Aufsichtsrates der H AG neu ist ohne Belang. Sie entfaltet jedenfalls keine Rechtswirkungen gegenüber den Arbeitnehmern (vgl. zu beiden Punkten ausführlich BAG 11. Juli 2017 – 3 AZR 513/16 – Rn. 23 ff.).
44
b) Es ist auch unerheblich, dass die BV 2005.03 erst nach der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages und Eintritt des Klägers in den Altersruhestand von den Betriebsparteien geschlossen wurde und in Kraft getreten ist. Der Aufhebungsvertrag vom 1./3. Februar 2000 verweist auf die BV Soziale Richtlinien in ihrer jeweils gültigen Fassung. Diese Verweisungsklausel erfasst auch die BV 2005.03, denn diese Betriebsvereinbarung soll die BV Soziale Richtlinien ändern.
45
c) Dem Anspruch des Klägers steht die BV 2005.03 gleichwohl nicht entgegen, denn deren Absatz 3 ist materiell unwirksam (vgl. dazu ausführlich BAG 11. Juli 2017 – 3 AZR 513/16 – Rn. 36 ff.). Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten ua. auch in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente fest. Selbst wenn früher bereits die reale Gefahr bestanden und sich auch gelegentlich verwirklicht haben sollte, dass eine Anpassung des Ruhegeldes nicht erfolgte, weil es bei den die Entgelte regelnden firmenbezogenen Verbandstarifverträgen wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers keine Tarifsteigerungen gab, wurde durch die BV 2005.03 ein neues Risiko geschaffen. Denn die Neuregelung ermöglicht erstmals, dass die Entwicklung der Ruhegelder hinter der Entwicklung der Tarifgehälter zurückbleibt (vgl. schon BAG 11. Juli 2017 – 3 AZR 513/16 – Rn. 41). Die Änderung des Anpassungsverfahrens durch die BV 2005.03 kann auch nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, es habe der Situation vorgebeugt werden sollen, dass es aufgrund der damals in Aussicht genommenen Umstrukturierung der H AG alt bei ausgelagerten Betrieben an einer Tarifbindung künftig fehlen könnte und damit eine Anpassung nach der BV Soziale Richtlinien nicht mehr gesichert wäre. Dieser Grund hätte allenfalls eine Änderung des Anpassungsverfahrens dahingehend gerechtfertigt, wonach künftig an die Änderung der Entgelte der noch beschäftigten Arbeitnehmer angeknüpft wird, auch wenn diese nicht auf einem Tarifvertrag beruht.
46
III. Die Zahlungsklage ist im noch rechtshängigen Umfang begründet. Der Kläger hat ab September 2014 Anspruch auf Anpassung seines Ruhegeldes um insgesamt 1,8 vH und entsprechende rückständige Beträge nebst Zinsen. Die weiter gehende Klageforderung hat das Arbeitsgericht bereits rechtskräftig abgewiesen.
47
1. Der Kläger kann ausgehend von einer Tariflohnerhöhung zum 1. April 2014 um 1,8 vH von der Beklagten eine weitere Erhöhung seines monatlichen Ruhegeldes um 0,77 vH verlangen.
48
Das monatliche Ruhegeld des Klägers bis einschließlich 30. Juni 2014 belief sich auf 3.419,67 Euro brutto. Dieses hat die Beklagte um 1,03 vH auf dann 3.454,89 Euro angepasst. Der Kläger kann jedoch eine Erhöhung um insgesamt 1,8 vH entsprechend der Steigerung der Tarifentgelte im Jahr 2014 verlangen, weshalb die Beklagte monatlich weitere 26,33 Euro schuldet (3.419,67 Euro x 0,77 vH). Der Kläger kann deshalb für die Monate September 2014 bis April 2015 insgesamt 210,64 Euro (26,33 Euro/Monat x 8 Monate) brutto verlangen.
49
2. Der Zinsanspruch ab dem 20. Mai 2015, dem auf die Zustellung der Klage am 19. Mai 2015 folgenden Tag, folgt aus § 291 BGB.
50
IV. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision nach § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
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