BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 21.11.2017, 9 AZR 117/17 Arbeitnehmerstatus eines Musikschullehrers

Februar 9, 2018

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 21.11.2017, 9 AZR 117/17
Arbeitnehmerstatus eines Musikschullehrers

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 8. Dezember 2016 – 11 Sa 866/16 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist und dieses aufgrund Befristung am 31. Juli 2016 geendet hat.
2
Die Beklagte ist Trägerin einer als öffentliche kulturelle Bildungseinrichtung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene betriebenen Musikschule. In § 2 der Satzung für die Musikschule der Stadt R vom 10. Dezember 2003 heißt es auszugsweise:
„…
(2) Die Richtlinien des Kultusministers NRW, des Verbandes der Musikschulen e. V. und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber (VKA) sind verbindliche Arbeitsgrundlage. Haupt- und nebenberuflich tätige Lehrkräfte haben die danach geforderte Qualifikation nachzuweisen.
(3) Der Besuch der Musikschule sowie der Ablauf der Ausbildung werden in einer Schulordnung geregelt. …“
3
Die Schulordnung für die Musikschule der Stadt R vom 2. Dezember 2014 regelt ua.:
„…
Die Schulordnung regelt das Verhältnis zwischen der Musikschule der Stadt R und ihren Nutzern.
6.
Veranstaltungen
6.1
Veranstaltungen der Musikschule, einschließlich der hierfür erforderlichen Vorbereitungen, sind Bestandteil des Unterrichts.
6.2
Die Schülerinnen und Schüler sind zur Teilnahme verpflichtet.
7.
Vorspiele
7.1
Alle Instrumentalschülerinnen und Schüler sollen einmal pro Schuljahr solistisch oder im Ensemble an einem Vorspiel teilnehmen.
…“
4
Der 1956 geborene Kläger erteilte auf der Grundlage mehrerer, jeweils auf ein Schulhalbjahr befristeter Verträge seit August 2004 Unterricht an der Musikschule der Beklagten. Dort beschäftigte diese 38 angestellte Lehrkräfte und acht Honorarkräfte, zu denen sie den Kläger rechnete. Die beiden letzten Verträge der Parteien waren jeweils mit „Freier Dienstvertrag (Honorar-Vereinbarung) der Stadt R – Städtische Musikschule“ überschrieben und betrafen jeweils den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Juli 2016.
5
Ein Vertrag nannte als Dienstleistung für das „II. Schulhalbjahr 2015-16“ den „Kernbereich E-Gitarre / Gitarre“ und sah bei wöchentlich bis zu 16 Unterrichtsstunden ein Honorar iHv. 26,00 Euro je Unterrichtsstunde vor. Der andere Vertrag bezeichnete die zu erbringende Dienstleistung mit „II. Schulhalbjahr 2015-16 – JeKi- Gitarre“ bei „wöchentlich 14 JeKi-Unterrichtsstunden“ und einem Honorar iHv. 30,00 Euro je Unterrichtsstunde. In beiden vorgenannten Verträgen hieß es übereinstimmend:
„…
3. Wesentliche Vereinbarung für die Art und Weise der Dienstleistung:
Die bei der Musikschulverwaltung eingereichte Anwesenheitsliste dient als Grundlage für die Abrechnung der erbrachten Unterrichtsstunden.
Die Honorarkraft erbringt die Dienstleistung unter Beachtung der VdM-Lehrpläne als allgemeiner Grundlage.
6.
Der/Die Auftragnehmer/in erfüllt seine/ihre Aufgaben eigenverantwortlich und frei von Weisungen.
7.
Das Honorar wird nur für tatsächlich geleistete Einsätze gezahlt; für den Fall der nur teilweise erbrachten Leistungen, mindert sich das Honorar entsprechend. …
9.
Das Honorar unterliegt der Einkommenssteuer.
…, weil es sich um eine selbstständige Tätigkeit im Sinne des Einkommenssteuerrechts handelt. …
10.
Die selbstständige Tätigkeit ist für … sozialversicherungsfrei. Ob und in welchem Umfang für den/die Auftragnehmer/in Sozialversicherungspflicht besteht, hat dieser selbst ggf. durch Rückfrage bei der BfA, zu prüfen.
…“
6
Der für die Musikschülerinnen und -schüler der Beklagten durchgeführte Unterricht fand in den Räumlichkeiten der Musikschule statt. Die Beklagte stellte dem Kläger innerhalb der vertraglich festgelegten Höchstgrenze von zuletzt 16 Unterrichtsstunden einen Unterrichtsraum an drei mit ihm vereinbarten Wochentagen zwischen 09:00 Uhr und 22:00 Uhr zur Verfügung, für den er einen eigenen Schlüssel besaß. Die tatsächlichen Unterrichtszeiten sprach der Kläger mit den Schülerinnen und Schülern bzw. deren Erziehungsberechtigten ab. Wegen der Schulpflicht vieler seiner Musikschülerinnen und -schüler fand der Unterricht in der Regel nachmittags statt. Außerdem führte der Kläger mit den Schülerinnen und Schülern und/oder deren Erziehungsberechtigten sog. Routine- und Kennenlerngespräche. Im Rahmen seiner Unterrichtsverpflichtung bei der Beklagten betreute er ein Bandprojekt, auf das wöchentlich zwei Unterrichtsstunden entfielen. Auf Veranlassung der Musikschulleitung musste der Kläger an vier Terminen im Juni 2016 die Bandprobe in einen anderen Raum verlegen. Die Beklagte führte hinsichtlich der Art und Weise der Unterrichtserteilung durch den Kläger keine Kontrollen durch.
7
Neben der unterrichtenden Tätigkeit nahm der Kläger vereinzelt an Konferenzen, Veranstaltungen und Schülervorspielen teil. Hierfür zahlte die Beklagte ihm eine gesonderte Vergütung. Außerdem verrichtete der Kläger in zeitlich geringem Umfang Nebentätigkeiten, wie zB die Wartung von Instrumenten und dazugehörigen Gerätschaften.
8
Bei dem „JeKi“-Projekt („Jedem Kind ein Instrument“) handelte es sich um ein musikpädagogisches Bildungsprogramm in der Grundschule für das Land Nordrhein-Westfalen. Es wurde in einer Kooperation von außerschulischen Bildungsinstitutionen (zB Musikschulen) und den teilnehmenden Schulen durchgeführt. Das Programm umfasste einen instrumentellen Gruppenunterricht, der in den beteiligten Grundschulen stattfand. Diese gaben gegenüber der Beklagten die Unterrichtstage und -zeiten für das Schulhalbjahr vor. Vor Übertragung eines nach Zeit, Ort und Gruppenzusammensetzung feststehenden „JeKi“-Kurses holte die Beklagte beim Kläger die Zustimmung zur Übernahme ein. Eine Verpflichtung zur Übernahme einzelner Kurse bestand nicht.
9
Mit seiner am 18. Februar 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, mit der Beklagten sei ein Arbeitsverhältnis begründet worden, für dessen Befristung kein sachlicher Grund iSv. § 14 Abs. 1 TzBfG bestehe. Er habe in zeitlicher, örtlicher und fachlicher Hinsicht dem Weisungsrecht der Beklagten unterstanden. Seine Tätigkeit sei nicht von der angestellter Musikschullehrer zu unterscheiden gewesen.
10
Seine Weisungsgebundenheit ergäbe sich daraus, dass er sich seine Schülerinnen und Schüler nicht habe frei aussuchen können, der Unterricht in den Räumlichkeiten der Beklagten habe stattfinden müssen und er inhaltlich die Lehrpläne des Verbands deutscher Musikschulen e. V. zu beachten gehabt habe. Er sei zwar nicht zur Teilnahme an Konferenzen verpflichtet gewesen, diese sei aber für eine geordnete und effiziente Zusammenarbeit mit dem übrigen Personal notwendig gewesen. Eine Teilnahmepflicht an Konzerten, Präsentationen und Vorspielen seiner Schülerinnen und Schüler habe sich mittelbar daraus ergeben, dass diese gemäß Ziff. 6 der Schulordnung daran teilnehmen mussten. Als deren Lehrkraft habe er sie entsprechend vorbereiten und begleiten müssen.
11
Bei der Gestaltung des „JeKi“-Unterrichts sei er durch die Vorgaben der teilnehmenden Schule gebunden gewesen. Diese hätten sich in inhaltlicher Hinsicht faktisch bereits daraus ergeben, dass die teilnehmenden Kinder von Anfang an zwingend im Orchester hätten mitspielen müssen. Deshalb seien konkrete Musikstücke vorgegeben worden. Anderenfalls wäre ein Zusammenspiel der separat unterrichteten Schülergruppen nicht möglich gewesen.
12
Seine persönliche Abhängigkeit ergebe sich auch daraus, dass er seine Tätigkeit als Musikschullehrer mit wöchentlich 30 Unterrichtsstunden und damit in Vollzeit ausgeübt habe.
13
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht und dieses Arbeitsverhältnis nicht durch die vereinbarten Befristungen auf den 31. Juli 2016 beendet worden ist.
14
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, der Kläger sei nicht Arbeitnehmer. Hierzu fehle es an seiner persönlichen Abhängigkeit. Dem Kläger habe es in zeitlicher Hinsicht freigestanden, ob und wie vielen Schülerinnen und Schülern er Gitarrenunterricht erteile und wie er diesen auf die vereinbarten drei Unterrichtstage verteile. Soweit der Kläger nach dem Inhalt der Honorarverträge gehalten gewesen sei, die Lehrpläne des Verbands deutscher Musikschulen e. V. zu beachten, folge daraus keine fachliche Weisungsgebundenheit. Sie hätten lediglich eine Orientierungshilfe geboten und dem Kläger vielfältige Möglichkeiten zur freien Gestaltung des Unterrichts belassen.
15
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

16
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der als Befristungskontrollklage zu verstehende Feststellungsantrag ist unbegründet.
17
I. Der Antrag ist nach gebotener Auslegung als Befristungskontrollantrag nach § 17 Satz 1 TzBfG zulässig.
18
1. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten nicht aufgrund der vereinbarten Befristung zum 31. Juli 2016 beendet ist. Hierbei handelt es sich um eine Befristungskontrollklage, für die es keines besonderen Feststellungsinteresses bedarf (vgl. BAG 24. Juni 2015 – 7 AZR 541/13 – Rn. 18; 15. Mai 2012 – 7 AZR 6/11 – Rn. 9 f.). Das im Antrag isoliert ausgewiesene Feststellungsbegehren, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, hat keine eigenständige Bedeutung im Sinne einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO. Streitgegenstand einer Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbarten Befristung zu dem in der Vereinbarung vorgesehenen Termin (BAG 15. Februar 2017 – 7 AZR 153/15 – Rn. 11; 16. April 2003 – 7 AZR 119/02 – zu I 1 a der Gründe, BAGE 106, 72). Dabei ist das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des streitbefangenen Beendigungstermins grundsätzlich Voraussetzung für den Erfolg einer Befristungskontrollklage. Denn der in § 17 Satz 1 TzBfG vorgesehene Klageantrag richtet sich auf die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Befristung nicht beendet ist (BAG 23. Juli 2014 – 7 AZR 853/12 – Rn. 25). Streitgegenstand der allgemeinen Feststellungsklage ist demgegenüber der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (BAG 8. April 2014 – 9 AZR 856/11 – Rn. 17).
19
2. Die Formulierung des Klageantrags, „festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht und dieses Arbeitsverhältnis nicht durch die vereinbarten Befristungen zum 31. Juli 2016 beendet worden ist“, entspricht dem in § 17 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Wortlaut einer Befristungskontrollklage. Es geht dem Kläger um die Frage, ob das von ihm angenommene Arbeitsverhältnis aufgrund einer Befristung zu einem bestimmten Zeitpunkt geendet hat. Inzidenter ist zu überprüfen, ob das zwischen den Parteien vereinbarte Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist.
20
II. Die Klage ist unbegründet. Das Rechtsverhältnis der Parteien ist weder nach dem Inhalt der bis zum 31. Juli 2016 befristeten Honorarverträge noch durch deren tatsächliche Vertragsdurchführung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren.
21
1. Die Klage ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil die Befristungen zum 31. Juli 2016 nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam gelten. Der Kläger hat deren Rechtsunwirksamkeit mit der am 18. Februar 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 23. Februar 2016 zugestellten Befristungskontrollklage rechtzeitig geltend gemacht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wahrt auch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG (BAG 12. April 2017 – 7 AZR 436/15 – Rn. 15; 14. Dezember 2016 – 7 AZR 49/15 – Rn. 23).
22
2. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters aufgestellt hat.
23
a) Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben (BAG 17. Oktober 2017 – 9 AZR 792/16 – Rn. 12; 27. Juni 2017 – 9 AZR 851/16 – Rn. 17). Die neu eingefügte Vorschrift des § 611a BGB spiegelt diese Rechtsgrundsätze wider (BAG 27. Juni 2017 – 9 AZR 851/16 – aaO; vgl. BT-Drs. 18/9232 S. 4 sowie S. 18: „die 1:1-Kodifizierung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung lässt die Rechtslage in Deutschland unverändert“).
24
b) Diese Grundsätze gelten auch für Unterrichtstätigkeiten. Entscheidend ist, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist, in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Unterrichtserteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten und inwieweit sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden kann. Wer an einer allgemeinbildenden Schule unterrichtet, ist in der Regel Arbeitnehmer, auch wenn er seine Tätigkeit nebenberuflich ausübt. Dagegen können etwa Volkshochschuldozenten und Musikschullehrer, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, oder Lehrkräfte, die nur Zusatzunterricht erteilen, als freie Mitarbeiter beschäftigt werden (st. Rspr., vgl. BAG 17. Oktober 2017 – 9 AZR 792/16 – Rn. 13; 27. Juni 2017 – 9 AZR 851/16 – Rn. 18; 20. Januar 2010 – 5 AZR 106/09 – Rn. 19 mwN).
25
c) Anders als im Falle der allgemeinbildenden Schulen besteht für Musikschulen kein Schulzwang, es gibt im Regelfall keine förmlichen Abschlüsse, der Unterricht ist zumeist weniger reglementiert, das Ausmaß der Kontrolle durch den Unterrichtsträger und der Umfang der erforderlichen Nebenarbeiten geringer. Als Arbeitnehmer sind Musikschullehrer deshalb nur dann anzusehen, wenn die Vertragsparteien dies vereinbart haben oder im Einzelfall festzustellende Umstände hinzutreten, die auf den für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderlichen Grad persönlicher Abhängigkeit schließen lassen. Als solche Umstände kommen das Recht des Schulträgers, die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden einseitig zu bestimmen, den Unterrichtsgegenstand oder Art und Ausmaß der Nebenarbeiten einseitig festzulegen, eine intensivere Kontrolle nicht nur des jeweiligen Leistungsstands der Schülerinnen und Schüler, sondern auch des Unterrichts selbst oder die Inanspruchnahme sonstiger Weisungsrechte in Betracht (BAG 17. Oktober 2017 – 9 AZR 792/16 – Rn. 13; 27. Juni 2017 – 9 AZR 851/16 – Rn. 18).
26
3. Die Tatsacheninstanzen haben bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen weiten Beurteilungsspielraum. Ihre Würdigung ist nur daraufhin zu überprüfen, ob sie den Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen haben (BAG 17. Oktober 2017 – 9 AZR 792/16 – Rn. 15; 27. Juni 2017 – 9 AZR 851/16 – Rn. 20 mwN).
27
4. In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, der Kläger sei nicht Arbeitnehmer, sondern als freier Dienstnehmer anzusehen.
28
a) Grundlage für die Beurteilung, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist, sind Inhalt und Durchführung der bis zum 31. Juli 2016 befristeten Verträge.
29
b) Diese zielten auf die Begründung eines Rechtsverhältnisses als freier Dienstnehmer.
30
aa) Hierauf deutet bereits die von den Parteien gewählte Kennzeichnung des jeweiligen Vertrags als „Freier Dienstvertrag (Honorar-Vereinbarung)“ hin. Ein weiteres deutliches Indiz für einen Vertragswillen, der auf die Vereinbarung eines Rechtsverhältnisses als freier Mitarbeiter gerichtet ist, ergibt sich aus Nr. 9 und 10 der Honorarverträge. Auch darin bekräftigen die Parteien, dass es sich bei der Beschäftigung des Klägers um eine „selbstständige Tätigkeit“ handeln soll.
31
bb) Die Honorarverträge räumen der Beklagten keine Weisungsrechte ein. Nr. 6 beider Verträge bestimmt, dass der Kläger seine Aufgaben eigenverantwortlich und frei von Weisungen erfüllt. Die in Nr. 3 beider Verträge enthaltene Regelung, der zufolge die Honorarkraft die Dienstleistung unter Beachtung der Lehrpläne des Verbands deutscher Musikschulen e. V. (VdM) als allgemeiner Grundlage zu erbringen hat, steht dazu nicht im Widerspruch. Sie berechtigte die Beklagte auch nicht zu Einzelanweisungen. Die VdM-Lehrpläne enthalten keine das pädagogische Ermessen und die Unterrichtsgestaltung des Klägers beeinträchtigenden zwingenden Vorgaben. Auf Seite 15 des VdM-Lehrplans Gitarre ist ausdrücklich hervorgehoben, dass der Lehrplan den Lehrkräften konkrete Anregungen und Hilfestellungen anbieten möchte, um sie bei den vielseitigen musikpädagogischen Aufgaben in der öffentlichen Musikschule zu unterstützen. Der Lehrplan möchte zur planvollen eigenschöpferischen Arbeit und zur methodischen Flexibilität anregen, ohne die Freiheit in der Auswahl und Einteilung des Unterrichtsmaterials einzuschränken. Die Vorbemerkung zum Teil „Unterrichtsplan“ des VdM-Lehrplans Gitarre hebt hervor, dass die Aufstellung von Lernzielen und -inhalten als eine an Erfahrungswerten orientierte Empfehlung zu verstehen ist, die einer ständigen Überprüfung hinsichtlich ihrer Definition, Progression und generell ihres Umfangs bedarf, und in dieser Hinsicht den Wünschen, Absichten, Möglichkeiten und Situationen von Schülern, Lehrern und Unterricht unterliegen wird. Im Lehrplan werden mithin lediglich verschiedene Lernstufen beschrieben, ohne konkrete inhaltliche Vorgaben für die didaktische oder methodische Umsetzung der Lernziele zu bezeichnen. Zur Art und Weise der Unterrichtsgestaltung finden sich in dem Lehrplan keine verbindlichen Vorgaben. Wie der Kläger seinen Lehrstoff vermittelte, blieb ihm ohne jede zeitliche und nähere inhaltliche Vorgabe überlassen. Detaillierte Lehrpläne, die denen an allgemeinbildenden Schulen vergleichbar sind, existierten nicht.
32
cc) Eine Weisungsgebundenheit des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 2 Satz 1 der Satzung für die Musikschule der Beklagten vom 10. Dezember 2003, dem zufolge die Richtlinien des „Kultusministers“ des Landes Nordrhein-Westfalen, des Verbands deutscher Musikschulen e. V. und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände verbindliche Arbeitsgrundlage der Musikschule sind. Der Kläger versteht in diesem Zusammenhang die Protokollerklärung zu § 52 Nr. 2 Abs. 1 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst – Besonderer Teil Verwaltung – vom 13. September 2005, der zufolge bei der Festlegung der Anzahl der Unterrichtsstunden berücksichtigt worden ist, dass Musikschullehrer neben der Erteilung von Unterricht noch weitere im Einzelnen bezeichnete Aufgaben (zB Teilnahme an Schulkonferenzen und Elternabenden sowie am Vorspiel der Schülerinnen und Schüler außerhalb des Unterrichts sowie Mitwirkung an Veranstaltungen der Musikschule und im Rahmen der Beteiligung der Musikschule an musikalischen Veranstaltungen) zu erledigen haben, als „Richtlinie der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände“. Hieraus will er ein Recht der Beklagten ableiten, ihm die genannten Zusatzaufgaben einseitig zu übertragen. Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend. Die Satzung der Beklagten berührt das Vertragsverhältnis der Parteien nicht. Dieses bestimmt sich nicht nach dem Satzungsinhalt, sondern allein nach dem Inhalt der geschlossenen Verträge und damit nach Vertragsrecht.
33
dd) Eine Weisungsgebundenheit des Klägers wird auch nicht durch die Schulordnung für die Musikschule der Beklagten vom 2. Dezember 2014 begründet. Diese regelt lediglich das Verhältnis zwischen der Musikschule und ihren Nutzern. Auswirkungen auf die vertraglichen Beziehungen zwischen der Beklagten und ihren haupt- und nebenberuflichen Lehrkräften entfaltet sie nicht. Die Beklagte hat sich in den Honorarverträgen auch nicht vorbehalten, die Leistungspflichten durch Schul- oder Hausordnung einseitig zu konkretisieren (vgl. dazu BAG 12. September 1996 – 5 AZR 104/95 – zu II 4 b der Gründe, BAGE 84, 124).
34
c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, auch die Durchführung der Honorarverträge lasse nicht darauf schließen, die Parteien hätten nicht ein freies Dienstverhältnis, sondern ein Arbeitsverhältnis begründen wollen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses war der Kläger in dem für ein freies Dienstverhältnis erforderlichen Maße frei von Weisungen.
35
aa) Dies gilt zunächst für die Arbeitszeit. Der Kläger hat nicht vorgetragen, bei der tatsächlichen Durchführung der Honorarverträge im Hinblick auf seine Arbeitszeit Einzelanweisungen von der Beklagten erhalten zu haben.
36
(1) Der Arbeitszeitsouveränität des Klägers steht nicht entgegen, dass die Beklagte dem Kläger lediglich an drei festen Tagen in der Woche einen Unterrichtsraum zur Verfügung stellte. Zwar kann in der Anordnung, eine Tätigkeit nur in bestimmten Räumlichkeiten zu verrichten, und einer nur zeitlich beschränkten Zurverfügungstellung dieser Räumlichkeiten eine zeitliche Weisungsgebundenheit liegen. Das ist aber nicht anzunehmen, wenn die Zeitspanne so bemessen ist, dass dem Mitarbeiter ein erheblicher Spielraum verbleibt (vgl. BAG 9. Juni 2010 – 5 AZR 332/09 – Rn. 26). Dem Kläger stand an drei Tagen in der Woche der Unterrichtsraum in der Zeit von 09:00 Uhr bis 22:00 Uhr zur Verfügung. Die Unterrichtsstunden konnte der Kläger in freier Abstimmung mit seinen Schülerinnen und Schülern bzw. deren Erziehungsberechtigten innerhalb der Zeitspanne verteilen. Einer dem freien Dienstverhältnis entgegenstehenden zeitlichen Beschränkung unterlag der Kläger auch nicht dadurch, dass eine Vielzahl seiner Schülerinnen und Schüler noch schulpflichtig war und der Unterricht deshalb hauptsächlich in den Nachmittagsstunden stattfinden musste. Derartigen, auf Kundenwünschen beruhenden zeitlichen Beschränkungen unterliegen auch selbstständige Musikschullehrer, denen ihre Schülerinnen und Schüler nicht durch eine Musikschule zugeleitet werden. Der Kläger war insoweit anders als eine Lehrkraft an einer allgemeinbildenden Schule nicht fest in einen Schulbetrieb eingegliedert und an die starren Vorgaben eines Stundenplans gebunden, sondern in der Gestaltung seiner Arbeitszeit weitestgehend frei von Weisungen der Beklagten. Soweit der Kläger angemerkt hat, er habe sich hinsichtlich der Raumnutzung mit anderen Lehrkräften abstimmen müssen, fehlt es an einlassungsfähigem Sachvortrag, was im Einzelnen Gegenstand der Abstimmungen gewesen ist und inwieweit seine zeitlichen Dispositionsmöglichkeiten dadurch beeinträchtigt worden sind.
37
(2) Ebenso wenig führen die vom Kläger betreuten „JeKi“-Kurse zu einer zeitlichen Weisungsgebundenheit. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten hat sie dem Kläger die einzelnen nach Ort, Zeit und Schülerzusammensetzung von den einzelnen Grundschulen vorgegebenen „JeKi“-Kurse nicht einseitig zugewiesen. Die Übernahme eines Kurses hing vielmehr von der Zustimmung des Klägers ab. Dieser konnte die Übernahme der an ihn herangetragenen Kurse ablehnen. Mit dem Einverständnis zur Übernahme eines bestimmten, dem Kläger angebotenen „JeKi“-Kurses haben die Parteien einvernehmlich die zeitliche Lage der Dienstleistung bestimmt. Dass der Kläger nicht frei unter mehreren „JeKi“-Kursen auswählen durfte, ist für die Entscheidung nicht erheblich. Maßgeblich ist, dass die Beklagte die Übernahme bestimmter Kurse und die damit verbundene zeitliche Lage nicht einseitig bestimmen durfte. Das Versprechen, eine Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen oder zu einem bestimmten Zeitpunkt fertigzustellen, macht den Leistenden im arbeitsrechtlichen Sinne nicht weisungsabhängig (BAG 9. Oktober 2002 – 5 AZR 405/01 – zu II 2 b bb der Gründe). Den genauen Zeitpunkt konkretisierende Vereinbarungen belegen kein Weisungsrecht des Dienstgebers, sondern die Gleichrangigkeit beider Vertragsparteien (vgl. BAG 20. Januar 2010 – 5 AZR 99/09 – Rn. 18). Somit war der Kläger aufgrund der getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich der zeitlichen Lage der „JeKi“-Kurse zwar nicht frei, aber weisungsfrei.
38
(3) Eine zeitliche Weisungsgebundenheit des Klägers ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass er an Lehrerkonferenzen, Veranstaltungen und Konzerten teilgenommen hat. Insoweit fehlt es bereits an Sachvortrag des Klägers zur zeitlichen Inanspruchnahme durch diese Tätigkeiten und einer damit verbundenen Einengung seines Spielraums zur Bestimmung von Dauer und Lage seiner Arbeitszeit.
39
bb) Der Kläger unterlag auch in fachlicher Hinsicht keinem ein freies Dienstverhältnis ausschließenden Weisungsrecht. Die Beklagte hat dem Kläger hinsichtlich des Inhalts und der Gestaltung seines Musikunterrichts keine Einzelanweisungen erteilt. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass sie ihn zur Ausübung von Nebentätigkeiten angewiesen hat. Dies betrifft sowohl die Wartung von Instrumenten und sonstigen Ausrüstungsgegenständen als auch die Teilnahme an Lehrerkonferenzen, Veranstaltungen und Schülerkonzerten. Der Kläger kann eine Weisungsgebundenheit in fachlicher Hinsicht auch nicht daraus herleiten, dass ihm im Rahmen der „JeKi“-Kurse Vorgaben über die Auswahl der einzuübenden Musikstücke gemacht worden sind. Er hat keine konkreten Tatsachen dafür dargetan, dass diese Vorgaben auf konkrete Weisungen der Beklagten zurückzuführen sind oder mit deren Wissen und Wollen durch die teilnehmenden Grundschulen erteilt wurden. Die Vertragspraxis lässt grundsätzlich nur dann Rückschlüsse auf den wirklichen Geschäftswillen der Vertragsparteien zu, wenn die zum Vertragsabschluss berechtigten Personen die vom Vertragswortlaut abweichende Vertragspraxis kennen und sie zumindest billigen (vgl. BAG 27. Juni 2017 – 9 AZR 851/16 – Rn. 31; 20. September 2016 – 9 AZR 735/15 – Rn. 45). Der Kläger hat aber weder die ihm gegenüber erteilten Weisungen in zeitlicher, örtlicher und inhaltlicher Hinsicht konkretisiert noch die anweisenden Personen benannt.
40
cc) Für die Statusbeurteilung ist nicht bedeutsam, dass der Unterricht in Räumlichkeiten der Beklagten stattfand. Im pädagogischen Bereich ist es typisch, dass auch freie Mitarbeiter ihre Tätigkeit nur in den zur Verfügung gestellten Räumen verrichten können und damit an einen bestimmten Ort gebunden sind. Diese Bindung besagt nichts über eine persönliche Abhängigkeit (BAG 17. Oktober 2017 – 9 AZR 792/16 – Rn. 27; 9. März 2005 – 5 AZR 493/04 – zu II 2 j der Gründe mwN). Die Beklagte hat kein Recht für sich in Anspruch genommen, den Kläger an anderen von ihr zu bestimmenden Orten oder in anderen Unterrichtsstätten im Stadtgebiet einzusetzen. Die Zuweisung eines anderen Raums innerhalb des Gebäudes der Musikschule für vier Bandproben ändert an dieser Beurteilung nichts. Auch die Übertragung der „JeKi“-Kurse, die in den jeweiligen teilnehmenden Grundschulen zu geben waren, erfolgte nicht durch einseitige Zuweisung der Beklagten, sondern im Einvernehmen mit dem Kläger.
41
dd) Die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses hängt auch nicht entscheidend vom Umfang der vereinbarten Unterrichtsstunden ab. Diese geben regelmäßig nur Auskunft darüber, ob ein Teilzeit- oder ein Vollzeitrechtsverhältnis vorliegt (vgl. BAG 9. Oktober 2002 – 5 AZR 405/01 – zu II 2 b aa der Gründe). Die aus einem Vollzeitrechtsverhältnis und einer langen Zeit der Zusammenarbeit resultierende wirtschaftliche Abhängigkeit vermag kein Arbeitsverhältnis zu begründen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG; BAG 20. Januar 2010 – 5 AZR 99/09 – Rn. 22).
42
ee) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers lässt sich aus der Tatsache, dass die Beklagte neben anderen Honorarlehrkräften auch Arbeitnehmer mit möglicherweise annähernd gleicher Aufgabenstellung wie den Kläger einsetzte, nicht auf die Rechtsnatur seines Dienstverhältnisses schließen (vgl. BAG 9. März 2005 – 5 AZR 493/04 – zu II 2 b der Gründe). Entscheidend ist die im Einzelfall zu bestimmende persönliche Abhängigkeit des jeweiligen Dienstnehmers (BAG 15. Dezember 1999 – 5 AZR 566/98 – zu II 2 k der Gründe).
43
ff) Der Unterricht des Klägers unterlag schließlich keiner Kontrolle durch die Beklagte. Diese hat die Art und Weise der Unterrichtserteilung durch den Kläger nicht überprüft.
44
gg) Das Landesarbeitsgericht hat alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Da sich daraus keine Anhaltspunkte für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ergeben haben, kann die abschließende Gesamtwürdigung nur zu dem Ergebnis führen, dass das Rechtsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist. Die Freiheit des Klägers bei der Gestaltung von Arbeitszeit und Tätigkeit wurde von der Beklagten nicht in einem mit einem freien Dienstverhältnis nicht mehr zu vereinbarenden Umfang eingeschränkt. Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass die Parteien ihre Vertragsbeziehungen formal als freies Dienstverhältnis ausgestaltet haben. Der Vorrang der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen vor der formalen Vertragstypenwahl durch die Parteien bedeutet nicht, dass deren Entscheidung für eine bestimmte Art von Vertrag irrelevant wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit – wie im Streitfall – typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BAG 27. Juni 2017 – 9 AZR 851/16 – Rn. 24; 9. Juni 2010 – 5 AZR 332/09 – Rn. 19).
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5. Die Vorgaben des Unionsrechts führen zu keiner anderen Beurteilung.
46
a) Die EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (Rahmenvereinbarung) gilt nach ihrem § 2 Nr. 1 für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder -verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition. Sie gilt nicht für andere Beschäftigte. Das folgt nicht nur aus der abschließenden Festlegung des Anwendungsbereichs der Rahmenvereinbarung in § 2, sondern auch daraus, dass nach § 1 Buchst. b der Rahmenvereinbarung ein Rahmen geschaffen werden soll, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse verhindert. Zwar verwendet die Rahmenvereinbarung nicht nur die Begriffe „Arbeitsverträge“ und „Arbeitsverhältnisse“, sondern auch den Begriff „Beschäftigungsverhältnisse“. Dem Begriff „Beschäftigungsverhältnis“ kommt in der Rahmenvereinbarung jedoch keine andere Bedeutung als dem Begriff „Arbeitsverhältnis“ zu. So heißt es in der Präambel, unbefristete Verträge stellten die „übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern“ dar. Dementsprechend hat die Formulierung „befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse“ in § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung die gleiche Bedeutung wie die Formulierung „befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse“ in § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung, auf die sich § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung bezieht (BAG 24. August 2016 – 7 AZR 625/15 – Rn. 40, BAGE 156, 170).
47
b) Nach § 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung richtet sich die Definition der Arbeitsverträge und -verhältnisse, für die diese Rahmenvereinbarung gilt, nicht nach der Vereinbarung selbst oder dem Unionsrecht, sondern nach nationalem Recht. Allerdings kann das Unionsrecht auch dann, wenn sich die Definition des Arbeitnehmerbegriffs nach nationalem Recht richtet, das den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessen begrenzen. Die in einer Richtlinie verwendeten Begriffe können danach nur in dem Umfang entsprechend dem nationalen Recht und/oder der nationalen Praxis definiert werden, soweit die praktische Wirksamkeit der Richtlinie und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts gewahrt bleiben (BAG 24. August 2016 – 7 AZR 625/15 – Rn. 41, BAGE 156, 170; 24. Februar 2016 – 7 AZR 712/13 – Rn. 32, BAGE 154, 196). Die Mitgliedstaaten dürfen daher keine Regelung anwenden, die die Verwirklichung der mit einer Richtlinie verfolgten Ziele gefährden und sie damit ihrer praktischen Wirksamkeit berauben könnte. Insbesondere darf ein Mitgliedstaat nicht unter Verletzung der praktischen Wirksamkeit der jeweiligen Richtlinie willkürlich bestimmte Kategorien von Personen von dem durch diese bezweckten Schutz ausnehmen (vgl. EuGH 3. Juli 2014 – C-362/13 ua. – [Fiamingo ua.] Rn. 31; 13. September 2007 – C-307/05 – [Del Cerro Alonso] Rn. 29).
48
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) besteht das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH 4. Dezember 2014 – C-413/13 – [FNV Kunsten Informatie en Media] Rn. 34; 19. Juni 2014 – C-507/12 – [Saint Prix] Rn. 35; 3. Mai 2012 – C-337/10 – [Neidel] Rn. 23; 11. November 2010 – C-232/09 – [Danosa] Rn. 39; 20. September 2007 – C-116/06 – [Kiiski] Rn. 25; 13. Januar 2004 – C-256/01 – [Allonby] Rn. 67). Die formale Einstufung als Selbstständiger nach innerstaatlichem Recht schließt es allerdings nicht aus, dass eine Person als Arbeitnehmer einzustufen ist, wenn ihre Selbstständigkeit nur fiktiv ist und damit ein Arbeitsverhältnis verschleiert (EuGH 4. Dezember 2014 – C-413/13 – [FNV Kunsten Informatie en Media] Rn. 35; 11. November 2010 – C-232/09 – [Danosa] Rn. 41; 13. Januar 2004 – C-256/01 – [Allonby] Rn. 71). Daraus folgt, dass ihr Status als „Arbeitnehmer“ im Sinne des Unionsrechts nicht dadurch berührt wird, dass eine Person aus steuerlichen, administrativen oder verwaltungstechnischen Gründen nach innerstaatlichem Recht als selbstständiger Dienstleistungserbringer beschäftigt wird, sofern sie nach Weisung ihres Arbeitgebers handelt, insbesondere was ihre Freiheit bei der Wahl von Zeit, Ort und Inhalt ihrer Arbeit angeht, nicht an den geschäftlichen Risiken dieses Arbeitgebers beteiligt ist, während der Dauer des Vertragsverhältnisses in dessen Unternehmen eingegliedert ist und daher mit ihm eine wirtschaftliche Einheit bildet (EuGH 4. Dezember 2014 – C-413/13 – [FNV Kunsten Informatie en Media] Rn. 36 mwN).
49
bb) Danach ist der Kläger auch kein Arbeitnehmer im Sinne des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs. Er ist kein „Scheinselbstständiger“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs, sondern mangels Weisungsgebundenheit ein freier Dienstnehmer. Er unterliegt – anders als ein Arbeitnehmer – nicht einem Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der Arbeit und ist nicht in einem für die Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft erforderlichen Maße in die betriebliche Organisation der Beklagten eingegliedert.
50
c) Eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die unionsrechtlichen Grundsätze als geklärt anzusehen, die für den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung und den für die Rahmenvereinbarung maßgeblichen Arbeitnehmerbegriff (EuGH 3. Juli 2014 – C-362/13 ua. – [Fiamingo ua.] Rn. 31; 13. September 2007 – C-307/05 – [Del Cerro Alonso] Rn. 29) sowie die Beurteilung des Arbeitnehmerbegriffs im unionsrechtlichen Sinne (EuGH 4. Dezember 2014 – C-413/13 – [FNV Kunsten Informatie en Media] Rn. 34 ff.; 19. Juni 2014 – C-507/12 – [Saint Prix] Rn. 35; 3. Mai 2012 – C-337/10 – [Neidel] Rn. 23; 11. November 2010 – C-232/09 – [Danosa] Rn. 39; 20. September 2007 – C-116/06 – [Kiiski] Rn. 25; 13. Januar 2004 – C-256/01 – [Allonby] Rn. 67) maßgeblich sind.
51
III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
    Brühler
    Suckow
    Zimmermann
    Heilmann
    Vogg

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