BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 25.1.2018, 6 AZR 687/16 Dienstvertragliche Bezugnahme auf kirchlichen Tarifvertrag

März 29, 2018

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 25.1.2018, 6 AZR 687/16
Dienstvertragliche Bezugnahme auf kirchlichen Tarifvertrag

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 31. August 2016 – 5 Sa 6/16 – aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 8. Dezember 2015 – 11 Ca 26/15 – wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, welcher kirchliche Tarifvertrag aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
2
Die Klägerin war seit 1997 bei der Stiftung S Gemeindepflege beschäftigt. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Am 22. November 2002 schlossen die Arbeitsvertragsparteien einen neuen Arbeitsvertrag. Danach wurde die Klägerin mit Wirkung vom 22. November 2002 unbefristet eingestellt, wobei die Probezeit entfiel. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags richtet sich das Arbeitsverhältnis einzelvertraglich nach dem Kirchlichen Angestelltentarifvertrag für die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche (KAT-NEK) vom 15. Januar 1982 (GVOBl. NEK S. 41, 46) und den sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträgen, mit Ausnahme der Regelung in SR 2 f.
3
Im Bereich der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (NEK) war auf der Grundlage des Beschlusses der Synode der NEK zur Arbeitsrechtsregelung vom 18. Februar 1978 in § 1 des Kirchengesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse der in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis beschäftigten Mitarbeiter in der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (Arbeitsrechtsregelungsgesetz – ARRG) vom 9. Juni 1979 (GVOBl. NEK S. 193) bestimmt, dass die Arbeitsbedingungen dieser Mitarbeiter nach Tarifverträgen zu gestalten waren. Gemäß § 1 des am 5. November 1979 geschlossenen Tarifvertrags zur Regelung der Grundlagen einer kirchengemäßen Tarifpartnerschaft (GVOBl. NEK 1980 S. 12) besteht zwischen den Tarifvertragsparteien für die Dauer des Tarifvertrags eine absolute Friedenspflicht. Die NEK schloss sich am 27. Mai 2012 mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) zusammen. Gemäß § 56 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Einführungsgesetz – EGVerf) vom 7. Januar 2012 (KABl. Nordkirche S. 30, 127, 234) erfolgt die Arbeitsrechtssetzung für die kirchlichen Körperschaften öffentlichen Rechts im Gebiet der ehemaligen NEK und deren rechtlich unselbständige Dienste, Werke und Einrichtungen weiterhin nach dem ARRG und auf der Grundlage des Grundlagentarifvertrags vom 5. November 1979. Gemäß § 56 Abs. 6 EGVerf richtet sich die Arbeitsrechtssetzung für die rechtlich selbständigen Diakonischen Werke jeweils nach dem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassung in den Diakonischen Werken geltenden Recht.
4
Der arbeitsvertraglich in Bezug genommene, auf der Grundlage der Tarifverträge vom 5. November 1979 geschlossene KAT-NEK wurde gemäß § 2 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten in den Kirchlichen Arbeitnehmerinnen Tarifvertrag (TVÜ-KAT) vom 10. Januar 2007 (GVOBl. NEK S. 133) durch den Kirchlichen Arbeitnehmerinnen Tarifvertrag (KAT) vom 1. Dezember 2006 (GVOBl. NEK 2007 S. 119) ersetzt. Gleiches galt für den Kirchlichen Arbeitertarifvertrag (KArbT-NEK) vom 17. Mai 1982. Gemäß § 8 Abs. 2 TVÜ-KAT traten der KAT-NEK und der KArbT-NEK zum 1. April 2007 ohne Nachwirkung außer Kraft.
5
Der KAT ist zwischen dem Verband kirchlicher und diakonischer Anstellungsträger Nordelbien einerseits und der Gewerkschaft Kirche und Diakonie sowie ver.di, Landesbezirke Hamburg und Nord, (im Folgenden nur ver.di) andererseits abgeschlossen. Zum Geltungsbereich dieses Tarifvertrags bestimmt § 1 KAT:
„(1)
Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmerinnen, die in einem Arbeitsverhältnis zu Mitgliedern des Verbandes kirchlicher und diakonischer Anstellungsträger Nordelbien (VKDA) stehen und für die nicht der Kirchliche Tarifvertrag Diakonie (KTD) gilt.
(3)
Soweit für Einrichtungen zwischen den Tarifvertragsparteien der KTD vereinbart wird, ersetzt dieser den KAT. Die Liste dieser Einrichtungen wird zwischen den Tarifvertragsparteien protokolliert.“
6
Die Beklagte wandte nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts seit Inkrafttreten des KAT diesen Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis der Parteien an.
7
Der in § 1 KAT erwähnte Kirchliche Tarifvertrag Diakonie (KTD, GVOBl. NEK S. 317) wurde bereits am 15. August 2002 zwischen dem Verband kirchlicher und diakonischer Anstellungsträger Nordelbien einerseits und der Gewerkschaft Kirche und Diakonie, der IG Bauen-Agrar-Umwelt, Bundesvorstand, sowie von ver.di andererseits geschlossen. Der KTD ist ein spezifisch auf die Tätigkeiten und Berufsbilder der Diakonie zugeschnittener Tarifvertrag. Zu seinem Geltungsbereich bestimmt § 1 KTD:
„(1)
2Im Weiteren gilt dieser Tarifvertrag für alle Arbeitnehmerinnen, die in einem Arbeitsverhältnis zu Mitgliedern des VKDA stehen und für die die Geltung des KTD tarifvertraglich vereinbart wurde.“
8
Gemäß § 32 Abs. 1 KTD galt dieser Tarifvertrag ab dem 1. Oktober 2002. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin bereits Mitglied bei ver.di. Die Beklagte trat nach Feststellungen des Landesarbeitsgerichts jedoch erst mit Wirkung zum 1. Januar 2015 dem Verband kirchlicher und diakonischer Anstellungsträger, der inzwischen die Bezeichnung „Verband kirchlicher und diakonischer Anstellungsträger in Norddeutschland (VKDA)“ führt, bei. Am 21. Oktober 2014 wurde zwischen dem VKDA einerseits sowie der Kirchengewerkschaft, Landesverband Nord, und ver.di andererseits auf der Grundlage der Tarifverträge vom 5. November 1979 der Tarifvertrag zur Einführung des Kirchlichen Tarifvertrages Diakonie (KTD) in der Diakoniestiftung Alt-Hamburg (EinführungsTV KTD) mit Wirkung zum 1. Januar 2015 geschlossen. Gemäß seinem § 1 gilt dieser Tarifvertrag für alle Arbeitnehmerinnen iSd. §§ 1 und 2 KTD, die in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stehen. Nach § 2 EinführungsTV KTD ersetzt der KTD den KAT. § 3 EinführungsTV KTD enthält umfangreiche Übergangsbestimmungen und Besitzstandsregelungen. Nach § 5 EinführungsTV KTD wird dieser Tarifvertrag auf die Arbeitnehmerinnen, die im Monat vor der Ersetzung Anspruch auf eine Besitzstandszulage nach § 3 TVÜ-KAT hatten, nicht angewandt.
9
Die Parteien streiten darüber, ob der KAT aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme im Arbeitsvertrag vom 22. November 2002 auf das Arbeitsverhältnis über den 1. Januar 2015 hinaus weiterhin Anwendung findet.
10
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der KTD sei kein „anschließender“ Tarifvertrag im Sinne der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, weil er vor dem KAT abgeschlossen worden sei. Zudem habe der EinführungsTV KTD den KAT, der in seinem räumlichen Anwendungsbereich weiter Wirkung entfalte, nicht vollständig normativ abgelöst. Nehme man gleichwohl ein „Anschließen“ im Sinne der Bezugnahmeklausel an, mache man aus der Bezugnahmeklausel durch die Hintertür eine große dynamische Verweisungsklausel. Diese Bedeutung komme § 2 des Arbeitsvertrags, der lediglich eine kleine dynamische Verweisung enthalte, jedoch nicht zu.
11
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Kirchliche Arbeitnehmerinnen Tarifvertrag, abgeschlossen zwischen dem Verband kirchlicher und diakonischer Anstellungsträger Nordelbien sowie der Gewerkschaft Kirche und Diakonie und ver.di, Landesbezirke Hamburg und Nord, andererseits vom 1. Dezember 2006 Anwendung finde.
12
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, die Tarifvertragsparteien hätten mit dem EinführungsTV KTD einheitlich für die gesamte Belegschaft der Beklagten und ihre durch die einzelvertragliche Bezugnahme auf den KAT geprägten Arbeitsverhältnisse einen „Anschluss“ an den KAT herstellen wollen. Der gerade zu diesem Zweck geschlossene EinführungsTV KTD vermittle darum die Geltung der darin festgelegten Regelungen gemäß der Bezugnahmeklausel in den Arbeitsverträgen der Beschäftigten der Beklagten für diese Beschäftigten.
13
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

14
Die Revision ist begründet. Für eine Anwendung des KAT auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 1. Januar 2015 hinaus gibt es seit dem Beitritt der Beklagten zum VKDA und dem Inkrafttreten des EinführungsTV KTD am 1. Januar 2015 keine Rechtsgrundlage mehr. Vielmehr gilt seitdem einzelvertraglich der KTD. Das folgt aus § 1 Abs. 3 Satz 1 KAT. Die zulässige Feststellungsklage ist deshalb unbegründet.
15
I. Der Antrag bedarf der Auslegung. Er ist zwar ausschließlich gegenwartsbezogen formuliert. Er ist jedoch dahin zu verstehen, dass die Klägerin die weitere Anwendung des KAT bereits seit dem 1. Januar 2015 festgestellt wissen will. Sie hat sich in der Klageschrift auf das Schreiben der Beklagten vom 21. Dezember 2014 bezogen, mit dem ihr diese mitgeteilt hatte, das Arbeitsverhältnis richte sich seit dem 1. Januar 2015 nach dem KTD. Sie hat deutlich gemacht, dass es ihr Klageziel ist, feststellen zu lassen, dass diese Auffassung nicht zutrifft.
16
II. In dieser Auslegung ist die Klage als Elementenfeststellungsklage zulässig. Zwar wird durch diese in der vorliegenden Konstellation gerade nicht geklärt, ob der KAT oder der KTD günstiger ist. Diese Frage ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Sie kann erst beantwortet werden, wenn die Klägerin konkrete Ansprüche aus dem KAT geltend macht und der dafür erforderliche Sachgruppenvergleich erfolgt ist (vgl. BAG 26. August 2015 – 4 AZR 719/13 – Rn. 24). Die Klage dient jedoch dem Ziel, rechtskräftig zu klären, ob die Regelungen des KAT aufgrund der Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrags als Grundlage für den angestrebten Günstigkeitsvergleich seit dem 1. Januar 2015 überhaupt noch heranzuziehen sind und dieser Vergleich damit noch erfolgen kann. Daraus folgt das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. BAG 15. April 2015 – 4 AZR 587/13 – Rn. 13, 15 f., BAGE 151, 221).
17
III. Die Klage ist unbegründet. Auf das Arbeitsverhältnis findet seit dem 1. Januar 2015 aufgrund der in § 2 des Arbeitsvertrags vom 22. November 2002 vereinbarten Bezugnahme der KTD Anwendung. Das gilt unabhängig davon, ob wegen der Mitgliedschaft der Klägerin bei einer der vertragsschließenden Gewerkschaften des KTD auch dessen normative Geltung in Betracht kommt.
18
1. Der KTD ist unabhängig davon, dass er als Flächentarifvertrag bereits im Jahr 2002 abgeschlossen worden ist, seit seiner Einführung in der Einrichtung der Beklagten durch den EinführungsTV KTD mit Wirkung zum 1. Januar 2015 ein an den KAT „anschließender“ Tarifvertrag im Sinne der zwischen den Parteien vereinbarten Bezugnahmeklausel. Das ergibt sich aus der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Regelung in § 1 Abs. 3 Satz 1 KAT.
19
a) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass der Abschluss des EinführungsTV KTD allein keine Auswirkungen auf den Inhalt der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel hatte. Der Gestaltungswille der Tarifvertragsparteien hat für die Auslegung und den Inhalt einer solchen Klausel keine Bedeutung, weil sie am Arbeitsvertrag nicht beteiligt sind (vgl. BAG 6. Juli 2011 – 4 AZR 706/09 – Rn. 43, BAGE 138, 269). Das übersieht die Revision.
20
b) Auch trifft der Hinweis der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu, dass die vertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrags den tariflich normierten Geltungsbereich nicht uneingeschränkt erfasst. Anderenfalls ginge eine Verweisung in Fällen, in denen der Arbeitnehmer und/oder sein Arbeitgeber von Beginn an nicht vom persönlichen oder sachlichen (betrieblichen) Geltungsbereich erfasst werden, ins Leere. Auch lässt sich der Inbezugnahme eines Tarifvertrags in einem wie hier nach dem 1. Januar 2002 geschlossenen Arbeitsvertrag keine auflösende Bedingung entnehmen, wonach der Tarifvertrag nur so lange dynamisch in Bezug genommen ist, wie der Arbeitgeber selbst von dem in diesem Tarifvertrag festgelegten Geltungsbereich erfasst und damit an den Tarifvertrag gebunden ist. Vielmehr führt eine dynamische Bezugnahme in diesen Fällen grundsätzlich dazu, dass das in Bezug genommene Tarifwerk unabhängig davon, ob der Arbeitgeber selbst (noch) vom personellen oder sachlichen Geltungsbereich erfasst ist, auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anzuwenden ist (vgl. BAG 16. Mai 2012 – 4 AZR 290/10 – Rn. 25). Etwas anderes gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber seine Tarifgebundenheit in einer dem Arbeitnehmer hinreichend erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Bezugnahme gemacht hat (BAG 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 32, 40, BAGE 122, 74). Diese Grundsätze finden auch bei der Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen Anwendung (vgl. BAG 23. November 2017 – 6 AZR 739/15 – Rn. 29).
21
c) Um solche Fallgestaltungen geht es jedoch vorliegend nicht. Die Geltung des KTD folgt allein aus der zwischen den Parteien vertraglich vereinbarten Bezugnahme auf den KAT-NEK und die sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträge. Bei seiner Annahme, der KTD sei kein „anschließender“ Tarifvertrag im Sinne der Bezugnahmeklausel, weil er vor dem KAT abgeschlossen worden sei, hat das Landesarbeitsgericht die Regelung in § 1 Abs. 3 Satz 1 KAT nicht berücksichtigt.
22
aa) Tarifverträge schließen aneinander an, wenn sie zeitlich unmittelbar aufeinander folgen (vgl. zum Stichwort „anschließen“: Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl.; Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl.), also der ältere durch den neueren Tarifvertrag ersetzt wird.
23
bb) Der KAT ist ein „anschließender“ Tarifvertrag im Sinne der Bezugnahmeklausel. Der KAT-NEK ist mit Wirkung zum 1. April 2007 durch den KAT ersetzt worden. Das stellt § 8 Abs. 2 TVÜ-KAT klar. Darum waren für das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 1. April 2007 die Bestimmungen des KAT maßgeblich. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Ebenso besteht Einigkeit, dass die Bezugnahme dynamisch zu verstehen ist.
24
cc) § 1 Abs. 3 Satz 1 KAT ordnet an, dass der KTD den KAT ersetzt, soweit von den Tarifvertragsparteien für eine Einrichtung die Geltung des KTD vereinbart wird. Diese Anordnung ist von der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme des KAT erfasst. Sie hat zur Folge, dass mit Inkrafttreten des EinführungsTV KTD in der Einrichtung der Beklagten am 1. Januar 2015 der KAT mit Wirkung für das Arbeitsverhältnis der Parteien durch den KTD ersetzt worden ist. Darum ist auch der KTD ein an den KAT „anschließender“ Tarifvertrag im Sinne der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Seit dem 1. Januar 2015 findet vertraglich deshalb nur noch dieser Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
25
2. Unabhängig davon folgt aus § 1 Abs. 3 KAT, dass sich der arbeitsvertraglich in Bezug genommene KAT selbst für das Arbeitsverhältnis der Klägerin seit dem 1. Januar 2015 keine Bedeutung mehr beimisst. Aufgrund dieser tariflich normierten Tarifwechselklausel ist seitdem Bezugnahmeobjekt auf der individualvertraglichen Ebene allein der KTD. Diese Regelungstechnik begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
26
a) KAT und KTD sind beide auf Arbeitnehmerseite ua. von ver.di und auf Arbeitgeberseite jeweils vom VKDA geschlossen worden. Zur Vermeidung von Überschneidungen im Anwendungsbereich dieser Tarifverträge legt § 1 Abs. 1 KAT fest, dass dieser Tarifvertrag nicht für die Arbeitnehmer gilt, für die der KTD eingreift. Umgekehrt ist in § 1 Abs. 1 Satz 2 KTD angeordnet, dass dieser Tarifvertrag nur die Arbeitnehmerinnen diakonischer Einrichtungen bzw. diakonischer Anstellungsträger erfasst, die in einem Arbeitsverhältnis zu Mitgliedern des VKDA stehen und für die die Geltung des KTD tarifvertraglich vereinbart wurde.
27
b) Mit der unbedingten zeitdynamischen Verweisung auf den KAT-NEK und die sich an diesen anschließenden Tarifverträge im Arbeitsvertrag vom 22. November 2002 (vgl. zu dieser rechtlichen Einordnung BAG 22. April 2009 – 4 ABR 14/08 – Rn. 18, BAGE 130, 286) hat sich die Klägerin der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien anvertraut und sich ihr für die Zukunft unterworfen (vgl. BAG 18. Mai 2011 – 5 AZR 213/09 – Rn. 20). Die arbeitsvertragliche Bezugnahme hätte darum zweifelsfrei sämtliche Änderungen erfasst, die die Tarifvertragsparteien im KAT als an den KAT-NEK „anschließenden“ Tarifvertrag für die bei diakonischen Anstellungsträgern Beschäftigten vereinbart hätten. Sie hätten diese Bedingungen für die Sparte Diakonie zB in einem „Besonderen Teil“ des KAT regeln können, wie es etwa im öffentlichen Dienst für Betreuungseinrichtungen durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil Pflege- und Betreuungseinrichtungen – (BT-B) – vom 1. August 2006 geschehen ist. Genauso gut hätten sie die Abweichungen für die Diakonie in einem „Teil II“ des KAT festlegen können. Stattdessen haben sie sich dafür entschieden, die Arbeitsbedingungen, die für die Arbeitnehmer der Mitglieder des VKDA gelten, in zwei getrennten, selbständigen Tarifverträgen zu regeln. Die mit dieser Regelungstechnik einhergehende Änderung der in der Diakonie geltenden Tarifnormen wirkt inhaltlich nicht anders oder gravierender auf die individualvertragliche Ebene des Arbeitsvertrags ein als eine von der Bezugnahme im Arbeitsvertrag der Parteien zweifelsfrei erfasste Änderung des KAT für diesen Beschäftigungsbereich. Die Tarifvertragsparteien haben es mit den Regelungen in § 1 Abs. 3 Satz 1 KAT und § 1 Abs. 1 Satz 2 KTD lediglich ermöglicht, dass ihre Entscheidung, für den Bereich der Diakonie einen eigenständigen Tarifvertrag zu schließen, auch auf der arbeitsvertraglichen Ebene nachvollzogen wird. Die von den Tarifvertragsparteien genutzte Gestaltungsmöglichkeit einer tariflich normierten Tarifwechselklausel ist von dem durch die dynamische Bezugnahme im Arbeitsvertrag der Parteien erfassten KAT ausdrücklich gedeckt. Auch sie hat zur Folge, dass im Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 1. Januar 2015 individualvertraglich nur noch der KTD gilt.
28
c) Die zur Geltung des KTD erforderliche tarifvertragliche Vereinbarung wurde durch den EinführungsTV KTD mit Wirkung zum 1. Januar 2015 getroffen.
29
d) Die Aufnahme der von § 1 Abs. 3 Satz 1 KAT erfassten Einrichtungen in die nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KAT von den Tarifvertragsparteien zu führende Liste der Einrichtungen, für die der KTD vereinbart ist, hat keine konstitutive Bedeutung für die Ersetzung des KAT. Das folgt aus der Tarifgeschichte und einer Gesamtschau mit § 1 Abs. 1 Satz 2 KTD. Es kommt darum für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, dass das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat, dass die Beklagte in dieser Liste aufgeführt ist.
30
aa) In § 1 Abs. 1 Satz 2 KTD war ursprünglich vorgesehen, dass alle Einrichtungen, für die der KAT durch den KTD ersetzt werden sollte, namentlich aufgeführt werden sollten. Die Tarifvertragsparteien haben sich jedoch mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 3 zum KTD vom 12. August 2004, der am 1. Oktober 2004 in Kraft getreten ist, zur Vereinfachung für eine abstrakte Regelung des Geltungsbereichs in § 1 Abs. 1 Satz 2 KTD entschieden.
31
bb) Bei Einführung des KAT zum 1. April 2007 haben die Tarifvertragsparteien in § 1 Abs. 3 Satz 2 KAT von einer namentlichen Nennung der Einrichtungen, für die der KAT durch den KTD ersetzt worden ist, ebenfalls abgesehen. Die Einführung des KTD hängt nach dieser tariflichen Ausgestaltung allein davon ab, dass der dafür erforderliche Tarifvertrag geschlossen wird, nicht aber davon, dass die Einrichtung auch in der nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KAT zu führenden Liste aufgeführt ist. Diese Liste dient offenkundig nur der wechselseitigen Überprüfung der Tarifvertragsparteien und schützt etwaige Betriebserwerber.
32
3. Entgegen der Annahme der Klägerin findet der KAT auch nicht aufgrund der Regelung in § 5 EinführungsTV KTD weiter Anwendung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien.
33
a) Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass sie im Dezember 2014 jedenfalls dem Grunde nach weiterhin Anspruch auf eine Besitzstandszulage nach § 3 TVÜ-KAT hatte. Die von ihr mit Schriftsatz vom 16. Januar 2018 vorgelegte „Umstellungsmitteilung“ vom 20. April 2007, aus der sich eine Besitzstandszulage von 101,11 Euro ergibt, genügt dafür nicht. Die Besitzstandszulage wird nicht statisch gewährt, sondern wird gemäß Buchst. a bzw. Buchst. c der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 1 TVÜ-KAT bei Entgeltstufensteigerungen bzw. Tariferhöhungen abgeschmolzen.
34
b) Selbst wenn die Klägerin im Dezember 2014 noch Anspruch auf eine Besitzstandszulage gehabt hätte, hätte dies entgegen der von ihr im Schriftsatz vom 15. Januar 2018 vertretenen Ansicht nicht zur Folge, dass sie von einem erneuten Tarifwechsel ausgenommen war, „weil sie bereits einen Tarifwechsel zu bewältigen hatte“. Ein solches Verständnis lässt sich § 5 EinführungsTV KTD nicht entnehmen. Griffe diese Bestimmung zugunsten der Klägerin ein, führte dies lediglich dazu, dass der EinführungsTV KTD und insbesondere seine in § 3 geregelten Übergangsbestimmungen keine Anwendung auf die Klägerin fänden. Ein individueller Ausschluss der Klägerin aus der Anwendung des EinführungsTV KTD änderte aber nichts daran, dass dieser Tarifvertrag wirksam geschlossen ist und darum gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KAT für die Einrichtung der Beklagten die Ersetzung des KAT durch den KTD zur Folge hatte. Diese Ersetzung wirkt aufgrund der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme des KAT auch auf der individualvertraglichen Ebene.
35
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
    Fischermeier
    Spelge
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    C. Klar

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