BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 31.1.2018, 10 AZR 210/17 Jahressonderzuwendung – Begriff des Beschäftigungsjahrs iSd. MTV Systemgastronomie – Fälligkeit der Vergütung

März 20, 2018

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 31.1.2018, 10 AZR 210/17
Jahressonderzuwendung – Begriff des Beschäftigungsjahrs iSd. MTV Systemgastronomie – Fälligkeit der Vergütung

Tenor

I. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 15. Februar 2017 – 4 Sa 365/16 – wird zurückgewiesen.

 

II. Zur Klarstellung wird der Tenor des Berufungsurteils in Ziffern 1 und 2 mit einer Maßgabe im Zinsausspruch wie folgt neu gefasst:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 7. Juli 2016 – 16 Ca 1626/16 – teilweise abgeändert, soweit das Arbeitsgericht die Klage in Höhe von 51,00 Euro brutto nebst Zinsen abgewiesen hat.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 51,00 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Februar 2016 zu zahlen.

III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten noch über die Höhe der Jahressonderzuwendung für das Jahr 2015.
2
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 3. April 2012 als Servicekraft in Vollzeit beschäftigt. Sie ist seit Dezember 2013 Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Die Beklagte ist seit September 2014 Mitglied des Bundesverbands der Systemgastronomie e. V. (BdS). Der zwischen der NGG und dem BdS abgeschlossene Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie vom 17. Dezember 2014 (MTV Systemgastronomie 2014), in Kraft getreten am 1. Januar 2015, lautet auszugsweise:
„§ 11 Jahressonderzuwendung
1.
Beschäftigte erhalten zusammen mit dem Arbeitsentgelt für den Monat November des jeweiligen Kalenderjahres eine Jahressonderzuwendung. Der Anspruch auf die Jahressonderzuwendung entsteht nur, wenn zum 1. Dezember (Stichtag) eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von zwölf Monaten besteht.
2.
Der Anspruch entsteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis am Stichtag gekündigt ist. Dies gilt nicht für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber. Eine Rückzahlungsklausel kann vereinbart werden, nach der Beschäftigte die Jahressonderzuwendung an den Arbeitgeber zurückzuzahlen haben, wenn das Arbeitsverhältnis bis zum 31. März des Folgejahres aufgrund einer Eigenkündigung oder einer Kündigung, die der/die Beschäftigte zu vertreten hat, endet.
3.
Der Arbeitgeber kann die Jahressonderzuwendung für jeden vollen Kalendermonat um 1/12 kürzen, in dem sich Beschäftigte in der Elternzeit, beim Wehr- oder Ersatzdienst befinden. Dies gilt nicht, wenn sie während dieser Zeit bei ihrem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leisten.
4.
Die Höhe der Jahressonderzuwendung beträgt:
im 1. und 2. Beschäftigungsjahr
415,00 EUR
im 3. und 4. Beschäftigungsjahr
466,00 EUR
im 5. und 6. Beschäftigungsjahr
491,00 EUR
im 7. und 8. Beschäftigungsjahr
517,00 EUR
ab dem 9. Beschäftigungsjahr
568,00 EUR
Als erstes Beschäftigungsjahr im Sinne dieser Regelung gilt das Beschäftigungsjahr, in dem der/die Beschäftigte erstmalig einen Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzuwendung hat.
Für Neueinstellungen mit Beschäftigungsbeginn ab dem 1. Januar 2015 beträgt die Höhe der Jahressonderzuwendung:
2015:
100 Euro
2016:
100 Euro
2017:
150 Euro
Ab dem Jahr 2018 berechnet sich die Jahressonderzuwendung dieser Beschäftigten wie diejenige für Bestandsmitarbeiter (Beschäftigungsbeginn vor dem 1. Januar 2015) gemäß der obigen Tabelle. Hierbei werden die tatsächlichen Betriebszugehörigkeiten zugrunde gelegt.
5.
Auszubildende erhalten eine Jahressonderzuwendung in Höhe von 50 % ihrer gleichzeitig bezogenen monatlichen Ausbildungsvergütung.
6.
Freiwillige oder einzelvertraglich vereinbarte Sonderzahlungen, die im Zusammenhang mit der Jahressonderzuwendung gewährt werden, können auf die Jahressonderzuwendung angerechnet werden.“
3
Die Beklagte zahlte für das Jahr 2015 keine Jahressonderzuwendung an die Klägerin. Die Gewerkschaft NGG machte für die Klägerin mit Schreiben vom 15. Februar 2016 einen Betrag in Höhe von 466,00 Euro brutto geltend und setzte eine Zahlungsfrist bis zum 19. Februar 2016.
4
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, infolge ihrer Betriebszugehörigkeit seit dem Jahr 2012 habe sie sich 2015 im dritten Beschäftigungsjahr iSv. § 11 Ziff. 4 MTV Systemgastronomie 2014 befunden, so dass ihr eine Jahressonderzuwendung in Höhe von 466,00 Euro zustehe.
5
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 466,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Februar 2016 zu zahlen.
6
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, ein Anspruch auf eine Jahressonderzuwendung iSv. § 11 Ziff. 4 Satz 2 MTV Systemgastronomie 2014 sei erstmals nach ihrem Beitritt zum BdS entstanden. Damit habe sich die Klägerin 2015 erst im zweiten Beschäftigungsjahr befunden. Die Beklagte habe keine Kenntnis von der Gewerkschaftsmitgliedschaft der Klägerin gehabt. Sie habe auch nicht danach fragen dürfen. Die Klägerin habe erstmalig mit ihrem Geltendmachungsschreiben verlangt, den Manteltarifvertrag anzuwenden. Im Übrigen sei die Sonderzuwendung nach § 3 Ziff. 6 MTV Systemgastronomie 2014 frühestens am ersten Bankarbeitstag, der auf den Tag folge, an dem die Beklagte die Zahlung tariflich habe veranlassen müssen, fällig gewesen. Ein Zinsanspruch könne frühestens nach dem Nachweis der Tarifbindung der Klägerin am 7. Juli 2016 entstehen.
7
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 415,00 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben, im Übrigen hat es sie abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Klägerin teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung weiterer 51,00 Euro brutto nebst Zinsen seit dem 5. Dezember 2015 verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat nach § 11 MTV Systemgastronomie 2014 Anspruch auf eine Jahressonderzuwendung für das Jahr 2015 in Höhe von insgesamt 466,00 Euro brutto. Hiervon geht das Landesarbeitsgericht zutreffend aus. Lediglich der Zinstermin ist im Hinblick auf die mit Zustimmung der Beklagten erfolgte Teilklagerücknahme zu korrigieren (§ 269 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
9
I. Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin befand sich am 1. Dezember 2015 im dritten Beschäftigungsjahr iSv. § 11 Ziff. 4 Satz 1 MTV Systemgastronomie 2014. Ihr steht deshalb über den vom Arbeitsgericht rechtskräftig zugesprochenen Betrag von 415,00 Euro brutto hinaus noch ein Differenzanspruch von 51,00 Euro brutto nebst Zinsen zu.
10
1. Seit dem Beitritt der Beklagten zum BdS fand der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie vom 23. Oktober 2007 (MTV Systemgastronomie 2007) kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung; seit seinem Inkrafttreten am 1. Januar 2015 galt der MTV Systemgastronomie 2014. Dies steht zwischen den Parteien nicht (mehr) im Streit. Zum 1. Dezember 2015 bestand eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von zwölf Monaten, so dass nach § 11 Ziff. 1 Satz 2 MTV Systemgastronomie 2014 ein Anspruch der Klägerin auf eine Jahressonderzuwendung dem Grunde nach entstanden war. Das Arbeitsverhältnis war am Stichtag ungekündigt (vgl. § 11 Ziff. 2 Satz 1 MTV Systemgastronomie 2014). Tatsachen, die eine Kürzung der Jahressonderzuwendung nach § 11 Ziff. 3 MTV Systemgastronomie 2014 ermöglichen könnten, sind weder vorgetragen noch erkennbar.
11
2. Die Klägerin befand sich zum Stichtag am 1. Dezember 2015 im dritten Beschäftigungsjahr. Ihr stand daher nach § 11 Ziff. 4 Satz 1 MTV Systemgastronomie 2014 ein Gesamtanspruch in Höhe von 466,00 Euro brutto zu.
12
a) Das Arbeitsverhältnis hatte im April 2012 begonnen. Die Klägerin erfüllte damit erstmals zum 1. Dezember 2013 die Anspruchsvoraussetzungen der insoweit wortgleichen Vorläuferregelung in § 11 MTV Systemgastronomie 2007. Bei dem Jahr 2013 handelte es sich um das erste Beschäftigungsjahr iSv. § 11 Ziff. 4 Satz 2 MTV Systemgastronomie 2014, das Jahr 2015 war das dritte Beschäftigungsjahr. Der Umstand, dass die Beklagte erst im September 2014 Verbandsmitglied wurde, ist ohne Bedeutung. Dies ergibt eine Auslegung der Tarifvorschrift.
13
b) Der Wortlaut der Tarifnorm, von dem vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 922/11 – Rn. 10, BAGE 144, 117), ist nicht eindeutig. Maßgeblich für die Höhe der Jahressonderzuwendung ist nach der Tabelle in § 11 Ziff. 4 Satz 1 MTV Systemgastronomie 2014, in welchem „Beschäftigungsjahr“ sich die/der Beschäftigte befindet. Der Begriff des Beschäftigungsjahrs bringt typischerweise zum Ausdruck, wie lange der jeweilige Arbeitnehmer beim Arbeitgeber „beschäftigt“ ist, also wie lange das Arbeitsverhältnis besteht. Nach dieser Auslegung wäre der Begriff des Beschäftigungsjahrs synonym mit dem Begriff der Betriebszugehörigkeit. Einem solchen Verständnis steht aber § 11 Ziff. 4 Satz 2 MTV Systemgastronomie 2014 entgegen. Diese Bestimmung definiert, dass als „erstes Beschäftigungsjahr“ das Beschäftigungsjahr anzusehen ist, in dem der/die Beschäftigte erstmalig einen Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzuwendung hat. Darauf weist die Revision zu Recht hin. An diesem Wortlaut wird deutlich, dass Beschäftigungsjahr und Betriebszugehörigkeit für die Bestimmung der Höhe des Anspruchs auf die Jahressonderzuwendung nicht identisch sind. Vielmehr beginnt die Betriebszugehörigkeit erst ab dem Jahr und einschließlich des Jahrs der erstmaligen Entstehung des Anspruchs auf eine Jahressonderzuwendung. Unter welchen Voraussetzungen der Anspruch erstmals entsteht, ergibt sich aus dem Wortlaut von § 11 Ziff. 4 MTV Systemgastronomie 2014 allerdings nicht.
14
c) Die Tarifsystematik und der Tarifzusammenhang zeigen, dass als erstes Beschäftigungsjahr das Jahr gilt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen nach § 11 Ziff. 1 und Ziff. 2 MTV Systemgastronomie 2014 – bzw. der entsprechenden Vorgängerregelung im MTV Systemgastronomie 2007 – erstmals vorlagen.
15
aa) Die Ziff. 1 und Ziff. 2 des § 11 MTV Systemgastronomie 2014 bestimmen, wann ein „Anspruch“ auf eine Jahressonderzuwendung „entsteht“. § 11 Ziff. 1 MTV Systemgastronomie 2014 normiert als grundlegende Anspruchsvoraussetzung für die Jahressonderzuwendung eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von zwölf Monaten zum Stichtag des 1. Dezember (MTV Systemgastronomie 2007: elf Monate). Arbeitnehmer, die sich am Stichtag nicht in einem Arbeitsverhältnis befinden oder noch keine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von zwölf Monaten aufweisen, haben keinen – auch keinen anteiligen – Anspruch auf die tarifliche Jahressonderzuwendung. Die Entstehung des Anspruchs ist nach § 11 Ziff. 2 Satz 1 MTV Systemgastronomie 2014 darüber hinaus ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis am Stichtag gekündigt ist (vgl. zur Rückausnahme im Fall einer betriebsbedingten Kündigung § 11 Ziff. 2 Satz 2 MTV Systemgastronomie 2014). Dies sind nach dem Wortlaut der tariflichen Regelung die (einzigen) Anspruchsvoraussetzungen (vgl. zur ähnlichen Systematik des § 20 TV-L BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 17, BAGE 158, 340). § 11 Ziff. 3 MTV Systemgastronomie 2014 lässt den Anspruch hingegen an sich unberührt, gibt dem Arbeitgeber aber unter bestimmten Voraussetzungen eine Kürzungsmöglichkeit für die Monate, in denen sich Beschäftigte in Elternzeit, Wehr- oder Ersatzdienst befinden. Wird in der sich unmittelbar anschließenden Ziff. 4 Satz 2 des § 11 MTV Systemgastronomie 2014 dann ebenfalls der Begriff „Anspruch“ verwendet, liegt es nahe, dass sich dieser auf die Voraussetzungen bezieht, die in Ziff. 1 und Ziff. 2 normiert sind.
16
bb) Der Begriff des Anspruchs in § 11 Ziff. 4 Satz 2 MTV Systemgastronomie 2014 hat keine über § 11 Ziff. 1 und Ziff. 2 MTV Systemgastronomie 2014 hinausgehende – doppelrelevante – Bedeutung dahin, dass er außerdem die Anwendung des Tarifvertrags auf das Arbeitsverhältnis voraussetzt. Dafür bestehen weder aufgrund von § 11 MTV Systemgastronomie 2014 noch wegen anderer Normen des Tarifvertrags hinreichende Anhaltspunkte.
17
(1) Allerdings kann die Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten, Tätigkeitszeiten, Bewährungszeiten usw. in Tarifverträgen in verschiedener Weise geregelt werden. Es kann Fallkonstellationen geben, in denen die rechtliche Geltung eines Tarifvertrags im Arbeitsverhältnis Voraussetzung für die Berücksichtigung solcher Zeiten ist. Bezieht sich beispielsweise die Bezeichnung der zu berücksichtigenden Zeiten auf die tarifliche Bewertung bestimmter Tätigkeiten, ist in der Regel die Geltung des Tarifvertrags im Arbeitsverhältnis Voraussetzung für deren Berücksichtigung. Dies gilt zB für Bewährungszeiten in einer bestimmten Fallgruppe einer Entgeltgruppe, weil der Arbeitnehmer nur „in dieser Entgeltgruppe“ tätig sein kann, wenn seine Tätigkeit deren Anforderungen erfüllt und die Entgeltordnung für das Arbeitsverhältnis rechtliche Wirkung entfaltet, zB normativ gilt (vgl. BAG 24. August 2016 – 4 AZR 494/15 – Rn. 17 f.).
18
(2) § 11 MTV Systemgastronomie 2014 stellt demgegenüber nicht auf bestimmte Tätigkeiten ab, die die Klägerin über einen bestimmten Zeitraum ausgeübt haben muss. Vielmehr verlangt § 11 Ziff. 1 und Ziff. 2 MTV Systemgastronomie 2014 für die Entstehung des Anspruchs (nur) eine zwölfmonatige ununterbrochene Betriebszugehörigkeit und den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag. Die Betriebszugehörigkeit in diesem Sinn ist ein Umstand, der völlig unabhängig von der rechtlichen Geltung des Tarifvertrags im Arbeitsverhältnis besteht. § 11 Ziff. 4 MTV Systemgastronomie 2014 beschränkt lediglich im Hinblick auf die Höhe des Anspruchs die Betriebszugehörigkeitszeiten, die als Beschäftigungsjahre zählen, normiert jedoch keine weitere Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch selbst.
19
(3) Auch § 11 Ziff. 4 Satz 3 bis Satz 5 MTV Systemgastronomie 2014 machen deutlich, dass es für die Entstehung des Anspruchs auf die Jahressonderzuwendung und ihre Höhe nicht auf die rechtliche Geltung des Tarifvertrags im Arbeitsverhältnis ankommt. Dabei handelt es sich um eine Sonderregelung für neu eingestellte Arbeitnehmer mit einem Beschäftigungsbeginn ab dem 1. Januar 2015. Ihr Anspruch wird der Höhe nach für die Jahre 2015 bis 2017 gegenüber der Tabelle in § 11 Ziff. 4 Satz 1 MTV Systemgastronomie 2014 abgesenkt. Ab dem Jahr 2018 sollen wieder die allgemeinen Regeln gelten (§ 11 Ziff. 4 Satz 4 MTV Systemgastronomie 2014). Nach § 11 Ziff. 4 Satz 5 MTV Systemgastronomie 2014 sind ausdrücklich die „tatsächlichen Betriebszugehörigkeiten“ zugrunde zu legen, ohne dass auf eine Tarifbindung oder eine anderweitige Tarifgeltung abgestellt wird.
20
(4) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus § 11 Ziff. 6 MTV Systemgastronomie 2014 nichts anderes. Die Norm lässt zu, dass freiwillige oder einzelvertragliche Sonderzahlungen auf den tariflichen Anspruch („die Jahressonderzuwendung“) angerechnet werden können; Doppelansprüche sollen vermieden werden. Für das Verständnis von § 11 Ziff. 4 Satz 2 MTV Systemgastronomie 2014 lässt sich hieraus nichts herleiten.
21
d) Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen für ein solches Verständnis.
22
aa) Die Jahressonderzuwendung hat – ähnlich wie die Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L/TVöD (vgl. dazu BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 922/11 – Rn. 20, BAGE 144, 117) – mehrere erkennbare Zwecke. Zum einen stellt sie eine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung dar und hat Vergütungscharakter. Dies zeigt die Kürzungsvorschrift des § 11 Ziff. 3 MTV Systemgastronomie 2014. Der Arbeitgeber ist unter bestimmten Voraussetzungen zur Kürzung berechtigt, wenn Beschäftigte sich zwar im Arbeitsverhältnis befinden, aber keine Arbeitsleistung erbringen. Gleichzeitig wird mit der Jahressonderzuwendung Betriebstreue honoriert. Das belegt die Stichtagsregelung in § 11 Ziff. 1 MTV Systemgastronomie 2014 und die Voraussetzung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses sowie die nach § 11 Ziff. 2 Satz 3 MTV Systemgastronomie 2014 zulässige Vereinbarung einer Rückzahlungsklausel. Darüber hinaus hängt die Höhe der Jahressonderzuwendung von der Dauer der Beschäftigung ab, unabhängig davon, welche Zeiten als Beschäftigungsjahre gezählt werden.
23
bb) Anhaltspunkte dafür, dass mit § 11 Ziff. 4 Satz 2 MTV Systemgastronomie 2014 ein weiterer Zweck, die von der Revision angeführte Anreizfunktion für den Beitritt zum tarifvertragschließenden Arbeitgeberverband, verfolgt würde, sind nicht erkennbar. Ein solcher Zweck stünde weder mit dem einzelnen Arbeitsverhältnis noch mit der Leistung einer Jahressonderzuwendung im Zusammenhang; für eine solche Annahme bedürfte es deutlicher Anhaltspunkte.
24
e) Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass sich aus den in einem Parallelverfahren eingeholten und in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführten Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien nichts anderes ergibt. Sie machen lediglich deren unterschiedliches Verständnis von § 11 MTV Systemgastronomie 2014 deutlich.
25
f) Der Umstand, dass der MTV Systemgastronomie 2014 erst zum 1. Januar 2015 in Kraft trat, steht dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen. Der MTV Systemgastronomie 2007 enthielt eine in der relevanten Passage identische Vorgängerregelung, so dass der Anspruch auf die tarifliche Jahressonderzuwendung bereits unter dessen Geltung erstmals iSv. § 11 Ziff. 4 Satz 2 MTV Systemgastronomie 2014 entstehen konnte. Dies stellt auch die Beklagte nicht in Frage. Vielmehr geht sie selbst davon aus, dass sich die Klägerin zum Stichtag des 1. Dezember 2015 jedenfalls im zweiten Beschäftigungsjahr befand.
26
3. Im Hinblick auf die mit Zustimmung der Beklagten erfolgte Teilklagerücknahme (§ 269 Abs. 2 Satz 4 ZPO) besteht ein Zinsanspruch erst ab dem 20. Februar 2016. Die weiter gehende Revision der Beklagten, die die Auffassung vertritt, ein Zinsanspruch könne allenfalls ab dem 8. Juli 2016 bestehen, ist unbegründet.
27
a) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war der Anspruch der Klägerin auf die Jahressonderzuwendung nicht bereits am 4. Dezember 2015 fällig.
28
aa) Nach § 3 Ziff. 6 MTV Systemgastronomie 2014 wird „die Überweisung von Arbeitsentgelt […] spätestens am vierten Werktag des folgenden Monats vom Arbeitgeber veranlasst“. Daran wird deutlich, dass sie dem Arbeitnehmer nicht am vierten Werktag zur Verfügung stehen muss, sondern der Arbeitgeber sie am vierten Werktag „auf den Weg bringen muss“. Da die Zahlung durch Überweisung zu erfolgen hat (§ 3 Ziff. 3 Satz 1, Ziff. 6 MTV Systemgastronomie 2014), muss sie beim Arbeitnehmer am nächsten Bankarbeitstag eingehen. Davon geht auch die Beklagte aus; Erkenntnisse zu längeren Banklaufzeiten sind weder vorgetragen noch erkennbar. Arbeitsentgelt wird deshalb nach § 3 Ziff. 6 MTV Systemgastronomie 2014 (erst) an dem nächsten Bankarbeitstag nach dem vierten Werktag des Monats fällig, der auf den Monat folgt, in dem der Anspruch entsteht.
29
bb) Hier war die Jahressonderzuwendung 2015 damit am Freitag, dem 4. Dezember 2015, vom Arbeitgeber zu überweisen. Nächster Bankarbeitstag war Montag, der 7. Dezember 2015. Ein Zinsanspruch bestand nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht vor dem 8. Dezember 2015.
30
b) Da die Klägerin ihren Zinsanspruch auf die Zeit nach Zugang des Geltendmachungsschreibens vom 15. Februar 2016 beschränkt hat, kann sie wegen der gewährten Zahlungsfrist bis zum 19. Februar 2016 erst ab dem 20. Februar 2016 Zinsen beanspruchen. Die Frage, ob die Beklagte mit der behaupteten Unkenntnis von der Gewerkschaftsmitgliedschaft der Klägerin die Voraussetzungen des § 286 Abs. 4 BGB hinreichend dargelegt hat, braucht deswegen nicht beantwortet zu werden (vgl. dazu BAG 26. Januar 2011 – 4 AZR 167/09 – Rn. 49; 28. Oktober 2008 – 3 AZR 171/07 – Rn. 31). Spätestens ab dem Zugang des Geltendmachungsschreibens hatte die Beklagte Kenntnis von der Anspruchsberechtigung der Klägerin. Auf den Zeitpunkt des Nachweises der Gewerkschaftsmitgliedschaft am 7. Juli 2016 kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht an. Der MTV Systemgastronomie 2014 verlangt keinen solchen Nachweis als Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs.
31
II. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen; die teilweise Klagerücknahme hinsichtlich der Zinsen wirkt sich nicht aus (§ 269 Abs. 3 Satz 2, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
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