BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 6.12.2017, 5 AZR 864/16 Mindestlohn – Anwesenheitsprämie

April 5, 2018

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 6.12.2017, 5 AZR 864/16
Mindestlohn – Anwesenheitsprämie

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22. November 2016 – 5 Sa 298/15 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über eine tarifliche Anwesenheitsprämie und deren Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn.
2
Der Kläger ist als Mitarbeiter im Transport-, Umschlag- und Lagerwesen bei der Beklagten, einem fischverarbeitenden Unternehmen, beschäftigt und Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Der schriftliche Arbeitsvertrag regelt ua. die Zusammensetzung der Vergütung aus einem Tarifentgelt nach Tarifgruppe 5 und einer Anwesenheitsprämie.
3
Die Beklagte und die Gewerkschaft NGG haben einen Lohntarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Auszubildenden der Firma Rügen Fisch AG Sassnitz (im Folgenden LTV) mit einer Laufzeit vom 1. März 2013 bis zum 31. Dezember 2015 abgeschlossen. Dieser bestimmt ua.:
        
„§ 1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt
Räumlich: für Rügen Fisch AG
Fachlich: für Rügen Fisch AG
Persönlich: für die Beschäftigten …
§ 2
Allgemeiner Grundsatz
1.
Beschäftigte im Sinne dieses Haustarifvertrages sind alle Arbeitnehmer … der Firma Rügen Fisch AG.
§ 5
Entgelte
Laufzeit vom 01.01.2015 bis zum 30.06.2015
Entgeltgruppen
Std/Lohn in Euro
Anwesenheitsprämie in Euro 5 %
durchschnittliche Leitungszulage in Euro
Gesamtbetrag
Lohngruppe 5
8,34
0,37
0,66
9,37
Der Abzugsbetrag von der Anwesenheitsprämie gültig bis 30.06.2015 wird in der folgenden Tabelle nach Jahren geordnet in Euro pro Krankentag dargestellt.
Laufzeit vom 01.01.2015 bis zum 30.06.2015
Entgeltgruppen
Abzugsbetrag v. d. Anwesenheitsprämie in Euro (pro KT)
Lohngruppe 5
16,68
1.
Jeder Arbeitnehmer erhält monatlich eine Anwesenheitszulage in Höhe von 15 % zusätzlich zum Tarifentgelt. Pro Tag krankheitsbedingter Abwesenheit kann maximal ein Betrag von 25 % des durchschnittlichen tariflichen Tagesverdienstes von dieser Prämie in Abzug gebracht werden (siehe Tabelle).
2.
Die 15 %ige Anwesenheitsprämie wird bis zum 01.07.2015 zugunsten des Tariflohns in den jeweiligen Lohngruppen abgebaut, und zwar in folgenden Schritten, …, zum 01.01.2015 auf 5 % …
…“
4
Am 16. Januar 2015 informierte die Beklagte die Belegschaft ua. wie folgt:
„…,
zum Jahreswechsel 2015 wird es … neben den gesetzlichen Änderungen durch den Mindestlohn auch eine Veränderung der Zusammensetzung Ihres Entgelts durch den gültigen Haustarifvertrag geben.
Für die Lohngruppen 2, 3 und 4 greift zum 01.01.2015 der gesetzliche Mindestlohn, mit dem auch die Zahlung der Anwesenheitsprämie entfällt.
Für die Lohngruppe 5 erfolgt eine anteilige Berechnung der Anwesenheitsprämie.
In den Lohngruppen 6-12 wird, gemäß dem Haustarifvertrag, ein weiterer Anteil der AWP auf den Grundstundenlohn umgelegt. …“
5
Am 12. Februar 2015 unterrichtete die Beklagte die Belegschaft aufgrund von Nachfragen ua. wie folgt:
„…,
am 16.01.2015 informierten wir Sie über die durch den Mindestlohn veränderte Abrechnungsweise Ihres Entgeltes. … In der Lohngruppe 5 erfolgt eine anteilige Berechnung. …
Da hinsichtlich der angekündigten Vorgehensweise Fragen … herangetragen wurden, möchten wir mit der unten stehenden Erläuterung die Fragen beantworten:
Bezüglich der Anrechenbarkeit von Zulagen auf den Mindestlohn existieren neben Ausführungshinweisen bereits mehrere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes …
Zusammenfassend ist hieraus zu entnehmen:
Werden mit Zulagen zusätzlich zur Normalleistung erbrachte Leistungen des Arbeitnehmers vergütet, sind die Zulagen nicht anrechenbar. Hierunter fallen beispielsweise Leistungs- und Qualitätsprämien.
Anders verhält es sich mit Zulagen, welche auf die Abgeltung der Normalleistung des Arbeitnehmers abstellen. Hierunter fällt beispielsweise die Anwesenheitsprämie, da hier lediglich die Anwesenheit des Arbeitnehmers vergütet wird. Die Anwesenheitsprämie ist somit auf die Berechnung des Mindestlohnes anrechenbar.
Dies wurde für die Lohngruppen 2, 3 und 4 in voller Höhe, und für die Lohngruppe 5 anteilig durchgeführt. Daher ist die Anwesenheitsprämie nicht entfallen, sondern bei der Berechnung des Mindestlohnes angerechnet worden.
…“
6
Der Kläger leistete im Januar 2015 181 und im Februar 2015 173 Arbeitsstunden. Hierüber erteilte die Beklagte Lohnabrechnungen, die ua. einen Stundenlohn von 8,50 Euro brutto sowie jeweils Anwesenheitsprämien iHv. 36,33 Euro brutto auswiesen, und zahlte die sich ergebenden Nettobeträge an den Kläger aus.
7
Der Kläger hat für Januar und Februar 2015 Zahlung der tariflichen Anwesenheitsprämie und des gesetzlichen Mindestlohns verlangt. Er hat gemeint, die Beklagte könne den tariflichen Anspruch auf Anwesenheitsprämie nicht einseitig herabsetzen. Die Anwesenheitsprämie könne nicht als Bestandteil des Lohns gezahlt werden. Jedenfalls sei der Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn nicht erfüllt. Die Anwesenheitsprämie sei keine zusätzliche Vergütung für Normalleistung, sondern werde für Leistungsbereitschaft und -willen gezahlt.
8
Der Kläger hat – soweit für die Revision relevant – beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn restliches Entgelt für Januar 2015 iHv. 28,96 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Februar 2015 zu zahlen,
2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn restliches Entgelt für Februar 2015 iHv. 27,68 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. März 2015 zu zahlen.
9
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
10
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung restlichen Entgelts für Januar 2015 iHv. 1,68 Euro brutto verurteilt und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren hinsichtlich des Restbetrags weiter.

Entscheidungsgründe

11
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
12
I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte die Ansprüche des Klägers auf Zahlung der tarifvertraglichen Anwesenheitsprämie für den Monat Januar 2015 bis auf einen Betrag von 1,68 Euro brutto erfüllt hat (§ 362 Abs. 1 BGB). Deshalb hat es zu Recht das Urteil des Arbeitsgerichts unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen nur insoweit abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 1,68 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
13
1. Die Regelungen des LTV finden auf das Arbeitsverhältnis der beiderseits tarifgebundenen Parteien nach §§ 1, 2 Nr. 1 LTV Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG).
14
2. Der Kläger hat gemäß § 5 Nr. 1 Satz 1 LTV Anspruch auf eine monatliche „Anwesenheitszulage“ zusätzlich zum Tarifentgelt. Das Tarifentgelt folgt nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) für den Kläger aus Lohngruppe 5 iSv. § 5 LTV.
15
3. Nach der im Streitzeitraum geltenden Tabelle des § 5 LTV beträgt die Anwesenheitsprämie in Lohngruppe 5 0,37 Euro je Arbeitsstunde. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Zahlung der Anwesenheitsprämie dabei nicht auf eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche begrenzt.
16
a) Bereits Wortlaut und Systematik des LTV bringen hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die in § 5 Nr. 1 Satz 1 LTV geregelte Anwesenheitsprämie in bestimmter prozentualer Höhe allein an die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden anknüpft. Sie wird „zusätzlich zum Tarifentgelt“ gezahlt. Das Tarifentgelt wird in den Entgelttabellen des § 5 LTV wiederum mit einem Lohn pro Stunde angegeben. Daher sind die geleisteten Arbeitsstunden der zugrunde zu legende Zeitfaktor. Anhaltspunkte für eine Begrenzung der Prämienleistung auf die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit enthält der LTV an keiner Stelle.
17
b) Sinn und Zweck der Tarifnorm gebieten kein anderes Auslegungsergebnis. Denn das Interesse der Beklagten, die Motivation der Arbeitnehmer, Fehlzeiten zu vermeiden oder gering zu halten, durch Zahlung der Anwesenheitsprämie zu stärken, endet nicht mit Erreichen der Regelarbeitszeit. Damit sind der Berechnung der Anwesenheitsprämie 181 Arbeitsstunden im Januar 2015 und 173 Arbeitsstunden im Februar 2015 zugrunde zu legen.
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4. Die Ansprüche auf Anwesenheitsprämie sind – soweit in der Revision noch zu entscheiden – durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. 1 BGB. Von der Revision nicht mehr umfasst ist der Betrag von 1,68 Euro brutto für Januar 2015, zu dessen Zahlung die Beklagte vom Berufungsgericht bereits rechtskräftig verurteilt worden ist.
19
a) Gemäß § 362 Abs. 1 BGB tritt nach der Theorie der realen Leistungsbewirkung die Erfüllungswirkung als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein (BGH 21. November 2013 – IX ZR 52/13 – Rn. 21 mwN). Die Erfüllungswirkung ist kraft Gesetzes objektive Tatbestandsfolge der Leistung. Ein zusätzliches subjektives Tatbestandsmerkmal ist grundsätzlich nicht erforderlich (MüKoBGB/Fetzer 7. Aufl. § 362 Rn. 7). Kann die Leistung des Schuldners daher einem bestimmten Schuldverhältnis, dh. einer bestimmten Leistungspflicht (BGH 26. Februar 1986 – VIII ZR 28/85 – zu II 2 a der Gründe, BGHZ 97, 197), zugeordnet werden oder reicht sie zur Tilgung aller Verbindlichkeiten aus mehreren Schuldverhältnissen aus, bedarf es zum Erlöschen der Forderungen keiner Tilgungsbestimmung (BGH 17. Juli 2007 – X ZR 31/06 – zu II 2 a der Gründe; MüKoBGB/Fetzer 7. Aufl. § 362 Rn. 9 mwN). Ist der Schuldner dagegen aus mehreren Schuldverhältnissen im engeren Sinne (zur Begrifflichkeit sh. nur MüKoBGB/Fetzer 7. Aufl. Vor § 362 Rn. 1) zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, wird diejenige Schuld getilgt, die der Schuldner bestimmt (§ 366 Abs. 1 BGB) oder die sich aus der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge (§ 366 Abs. 2 BGB) ergibt. Eine Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 1 BGB muss grundsätzlich „bei der Leistung” getroffen werden. Eine nachträgliche Tilgungsbestimmung ist unwirksam, wenn sie nicht ausdrücklich oder konkludent vorbehalten war (BGH 26. März 2009 – I ZR 44/06 – Rn. 46).
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b) Der Kläger hatte im Januar 2015 für 181 geleistete Arbeitsstunden einen Anspruch auf Anwesenheitsprämie iHv. 66,97 Euro (181 Stunden x 0,37 Euro). Für Februar 2015 betrug der Anspruch für 173 geleistete Arbeitsstunden 64,01 Euro (173 Stunden x 0,37 Euro). Diese Ansprüche hat die Beklagte unter Einbeziehung der vom Landesarbeitsgericht für Januar 2015 rechtskräftig zugesprochenen 1,68 Euro brutto erfüllt. Die Beklagte hat in der Belegschaftsinformation vom 16. Januar 2015 und damit vor Zahlung der Vergütung für Januar und Februar 2015 eine Leistungsbestimmung iSv. § 366 Abs. 1 BGB vorgenommen, nach der mit der Auszahlung des Entgelts der gesetzliche Mindestlohn und die tarifliche Anwesenheitsprämie erfüllt werden sollen.
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aa) Die Belegschaftsinformation vom 16. Januar 2015 ist an alle Arbeitnehmer der Beklagten gerichtet und betrifft damit eine Vielzahl von Fällen. Es handelt sich deshalb um eine sog. typische Willenserklärung, deren Auslegung durch das Berufungsgericht in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachprüfbar ist (BAG 7. Juni 2017 – 1 AZR 382/15 – Rn. 23).
22
bb) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Schreiben der Beklagten vom 16. Januar 2015 hinreichend klar zu entnehmen ist, dass die Beklagte mit den monatlichen Entgeltzahlungen nicht nur den nach dem LTV geschuldeten Stundenlohn von 8,34 Euro erfüllen wollte, sondern alles Geschuldete umfasst sein sollte. Hinsichtlich der für den Kläger einschlägigen Lohngruppe 5 sollte eine „anteilige Berechnung der Anwesenheitsprämie“ vorgenommen werden. Das ist nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) in den Abrechnungen für Januar und Februar 2015 erfolgt, indem dort unter der Bezeichnung „Anw.zulage Prod.“ jeweils 36,33 Euro brutto ausgewiesen worden sind. Mit der Auszahlung dieses Betrags sollte der tarifliche Anspruch auf die Anwesenheitsprämie erfüllt werden.
23
cc) Durch den Hinweis auf eine „anteilige Berechnung der Anwesenheitsprämie“ hat die Beklagte zugleich verdeutlicht, dass der andere Teil der Anwesenheitsprämie durch Zahlung des übrigen Entgelts erfüllt werden soll. Dieses Verständnis der Belegschaftsinformation vom 16. Januar 2015 wird bestätigt durch das Schreiben an die Belegschaft vom 12. Februar 2015. Es erläutert die Auffassung der Beklagten zur Anrechenbarkeit der Anwesenheitsprämie auf den gesetzlichen Mindestlohn aus der vorangegangenen Belegschaftsinformation, wonach diese für die Lohngruppe 5 „anteilig durchgeführt“ wird. Ausdrücklich weist die Beklagte in dem Schreiben vom 12. Februar 2015 darauf hin, dass die Anwesenheitsprämie nicht entfallen ist, sondern bei der Berechnung des Mindestlohns angerechnet wurde. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses hat die Beklagte mit der Abrechnung und Zahlung eines Stundenlohns von 8,50 Euro den tariflichen Stundenlohn von 8,34 Euro nicht um einen übertariflichen Lohnanteil von 0,16 Euro/Stunde erhöht, sondern diesen Betrag zur Erfüllung des Anspruchs auf Zahlung der tariflichen Anwesenheitsprämie bestimmt.
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dd) Hiernach ist die Revision des Klägers in Bezug auf die Anwesenheitsprämie unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten keine weitere Zahlung verlangen. Auf die für Januar 2015 geschuldeten 66,97 Euro Anwesenheitsprämie hat die Beklagte die in der Abrechnung ausgewiesene „Anw.zulage Prod.“ iHv. 36,33 Euro brutto sowie weitere 28,96 Euro brutto (181 Stunden x 0,16 Euro), also insgesamt 65,29 Euro brutto gezahlt. Den Differenzbetrag von 1,68 Euro brutto hat das Landesarbeitsgericht rechtskräftig zugesprochen. Auf die für Februar 2015 geschuldeten 64,01 Euro Anwesenheitsprämie hat die Beklagte die in der Abrechnung ausgewiesene „Anw.zulage Prod.“ iHv. 36,33 Euro brutto sowie weitere 27,68 Euro brutto (173 Stunden x 0,16 Euro) gezahlt und damit die Forderung vollständig erfüllt.
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II. Die Beklagte hat den gesetzlichen Mindestlohnanspruch nach § 1 Abs. 1 MiLoG durch die monatliche Zahlung eines Entgelts iHv. 8,50 Euro brutto je Arbeitsstunde, das sich aus dem tariflichen Stundenlohn iHv. 8,34 Euro brutto sowie der (anteiligen) Anwesenheitsprämie von 0,16 Euro brutto zusammengesetzt hat, erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
26
1. Zur Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohns sind alle im Synallagma stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet. Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers fehlt nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zB § 6 Abs. 5 ArbZG) beruhen (st. Rspr. BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 32, BAGE 155, 202; zuletzt BAG 8. November 2017 – 5 AZR 692/16 – Rn. 16 mwN).
27
2. Neben dem tariflichen Monatslohn kommt auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat gezahlten Anwesenheitsprämien Erfüllungswirkung zu. Sie ist entgegen der Auffassung der Revision keine zusätzliche Vergütung für die Normalleistung. Der Begriff der „Normalleistung“ hat keinen Eingang in das Mindestlohngesetz gefunden (vgl. bereits BAG 21. Dezember 2016 – 5 AZR 374/16 – Rn. 21, BAGE 157, 356). Die tarifliche Anwesenheitsprämie ist vielmehr eine im Synallagma stehende Geldleistung. Sie verbleibt endgültig beim Kläger. Die Möglichkeit des Abzugs nach § 5 Nr. 1 Satz 2 LTV beinhaltet lediglich, dass die Prämie unter Berücksichtigung der Abzugsmöglichkeit abgerechnet und ggf. gekürzt ausgezahlt wird. Das tatsächlich Ausgezahlte verbleibt jedoch beim Kläger und ist in dieser Höhe mindestlohnwirksam. Die Beklagte zahlt die Anwesenheitsprämie auch nicht – wie der Kläger meint – für die bloße Anwesenheit im Betrieb, sondern dafür, dass der jeweilige Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt. Die Prämie soll damit einen finanziellen Anreiz geben, auch bei (geringfügigen) gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu arbeiten und sich nicht krankschreiben zu lassen (vgl. zur Mindestlohnwirksamkeit einer Anwesenheitsprämie bereits BAG 11. Oktober 2017 – 5 AZR 622/16 – Rn. 20 sowie zuletzt 8. November 2017 – 5 AZR 692/16 – Rn. 18).
28
III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
    Linck
    Weber
    Volk
    Busch
    Dohna-Jaeger

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