|
|
|
Die Revision der Beklagten ist begründet, die Revision des Klägers unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht der Berufung der Beklagten nicht in vollem Umfang entsprochen. Die Klage ist, soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist, unbegründet. |
|
|
I. Streitgegenständlich ist in der Revisionsinstanz nach den von den Parteien gestellten Anträgen (§ 557 Abs. 1 ZPO) nur der Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Mindestlohn für die Monate Januar und März bis September 2015. |
|
|
Dagegen ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts zum Streitgegenstand „Immerda-Prämie“ rechtskräftig geworden (§ 705 ZPO). Denn diesbezüglich hat die Beklagte nach Berufungsantrag und -begründung das Ersturteil nicht angegriffen. Soweit das Landesarbeitsgericht unter Missachtung des § 528 ZPO eine mangels Begründung unzulässige „Berufung“ der Beklagten angenommen hat, geht das Berufungsurteil ins Leere. |
|
|
II. Die Klage ist unbegründet. |
|
|
1. Der Kläger hat nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde Anspruch auf den Mindestlohn von – im Streitzeitraum – 8,50 Euro brutto. Dieser gesetzliche Anspruch tritt eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch; wird der gesetzliche Mindestlohn unterschritten, führt § 3 MiLoG zu einem Differenzanspruch (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 22 mwN, BAGE 155, 202, seither st. Rspr.; zuletzt 6. September 2017 – 5 AZR 317/16 – Rn. 10). |
|
|
Den zeitlichen Umfang der vom Kläger in den streitgegenständlichen Monaten tatsächlich geleisteten Arbeit hat das Landesarbeitsgericht im Tatbestand des Berufungsurteils für den Senat bindend festgestellt (§ 559 ZPO). Danach ergibt sich ein gesetzlicher Mindestlohn von 1.713,60 Euro brutto für die Monate Mai und August 2015 (jeweils 201,60 Arbeitsstunden), von 1.795,20 Euro brutto für die Monate Januar, März, April, Juni und September 2015 (jeweils 211,20 Arbeitsstunden) und von 1.876,80 Euro brutto für den Monat Juli 2015 (220,80 Arbeitsstunden). |
|
|
2. Der Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Mindestlohn ist mit der Zahlung von 1.905,00 Euro brutto in jedem der streitgegenständlichen Monate durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. 1 BGB. |
|
|
a) Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit – im Streitzeitraum – 8,50 Euro ergibt (BAG 21. Dezember 2016 – 5 AZR 374/16 – Rn. 17, BAGE 157, 356). Das ist vorliegend der Fall. Denn nicht nur das dem Kläger gezahlte Grundgehalt von 1.605,00 Euro brutto ist zur Erfüllung des Mindestlohnanspruchs geeignet, auch die ihm von der Beklagten gewährten Prämien sind mindestlohnwirksam. |
|
|
b) Weil der Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG „je Zeitstunde“ festgesetzt ist und das Gesetz den Anspruch nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängig macht, sind mindestlohnwirksam alle im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen mit Ausnahme der Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen (st. Rspr., zuletzt BAG 20. September 2017 – 10 AZR 171/16 – Rn. 13; 11. Oktober 2017 – 5 AZR 621/16 – Rn. 19 mwN; zum Streitstand zwischen „Entgelttheorie“ und „Normalleistungstheorie“ im Schrifttum vgl. nur Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 106 ff.; MüKoBGB/Müller-Glöge 7. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 22 f., jeweils mwN). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gebietet die Entstehungsgeschichte des Mindestlohngesetzes kein anderes Verständnis. Der Begriff der „Normalleistung“ hat keinen Eingang in den Wortlaut des Mindestlohngesetzes gefunden (im Einzelnen BAG 21. Dezember 2016 – 5 AZR 374/16 – Rn. 21, BAGE 157, 356; zust. Greiner Anm. AP MiLoG § 1 Nr. 3). |
|
|
c) Danach sind die streitgegenständlichen Prämien mindestlohnwirksam. |
|
|
aa) Mit der Zahlung der „Immerda-Prämie“ honoriert die Beklagte nicht nur die bloße Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb, sondern die Erbringung der Arbeitsleistung. Die Prämie soll einen finanziellen Anreiz geben, auch bei (geringfügigen) gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu arbeiten und sich nicht krankschreiben zu lassen (zu einer „Anwesenheitsprämie“ vgl. BAG 11. Oktober 2017 – 5 AZR 621/16 – Rn. 20; im Ergebnis ebenso Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 156). |
|
|
bb) Auch die Prämie für Ordnung und Sauberkeit ist Gegenleistung für eine Arbeitsleistung des Klägers. Sie honoriert – wie der Kläger selbst vorgebracht hat – Sauberhalten und Desinfektion des von ihm zum Transport von Frischfleisch benutzten Fahrzeugs. Diese Aufgaben sind Teil der vom Kläger zu verrichtenden Tätigkeiten. |
|
|
cc) Dasselbe gilt für die „Leergutprämie“. Sie ist Gegenleistung für die ordnungsgemäße Abwicklung des von den belieferten Kunden an den Kläger zurückzugebenden Leerguts und unterliegt daher dem umfassenden Entgeltbegriff des Mindestlohngesetzes (zu einer „Nähprämie“ vgl. BAG 6. September 2017 – 5 AZR 441/16 – Rn. 16). |
|
|
Dabei ist es entgegen der Auffassung des Klägers unerheblich, ob die Beklagte berechtigt ist, Differenzen aus dem Umgang mit Leergut von der Prämie „abzuziehen“. Zwar muss, um mindestlohnwirksam zu sein, die Zahlung des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 31, BAGE 155, 202). Indes ergibt sich aus dem in der Berufungsverhandlung zu Protokoll erklärten Sachvortrag des Klägers nur, dass er beim Auftreten von Differenzen die Leergutprämie nicht bzw. nicht in voller Höhe erhält. Dass er für den Streitzeitraum bezogene Prämien wegen späterer Leergutdifferenzen zurückzahlen musste oder sich die Beklagte zumindest die Rückzahlung vorbehalten hätte, hat der Kläger nicht vorgebracht. |
|
|
dd) Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegt keine der streitgegenständlichen Prämien. |
|
|
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. |
|