Bundesgerichtshof
Beschl. v. 05.11.2014, Az.: XII ZB 117/14
Beschwerdebefugnis eines Vorsorgebevollmächtigten
Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 4. Februar 2014 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Überlingen vom 19. April 2013 verworfen wird.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Wert: 5.000 €
I.
Die 1921 geborene Betroffene leidet an einer fortgeschrittenen Demenz. Im Jahr 2008 erteilte sie der Beteiligten zu 1, ihrer Schwester, und dem Beteiligten zu 2, ihrem Schwager, eine Vorsorgevollmacht, die unter anderem der Vermeidung einer Betreuung dienen sollte.
Seit November 2010 lebt die Betroffene in einer privaten Pflegeeinrichtung, die von einem Ehepaar betrieben wird und in der sie und eine weitere Frau in Vollzeit versorgt und betreut werden. Zwischen dem Beteiligten zu 2 und der Betreiberin der Pflegeeinrichtung, Frau B., kam es zu Differenzen im Zusammenhang mit der Pflegesituation. Der Beteiligte zu 2 wirft Frau B. vor, sie sei überlastet und der Umgangston sei oft grob, aggressiv und laut. Er beabsichtigt, die Betroffene in einem Altenpflegeheim unterzubringen.
Auf Anregung der Frau B., die den Beteiligten zu 2 für nicht geeignet hält, die Vollmacht im Interesse der Betroffenen auszuüben, hat das Amtsgericht eine Betreuung angeordnet und den Beteiligten zu 4 zum Betreuer unter anderem für Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung sowie den Widerruf der seitens der Betroffenen erteilten Vorsorgevollmachten bestellt. Das Landgericht hat die vom Beteiligten zu 2 eingelegte Beschwerde zurückgewiesen, weil er ungeeignet sei, die Vollmacht zum Wohl der Betroffenen auszuüben. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, die der Beteiligte zu 2 im eigenen Namen eingelegt hat.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 2 folgt für das Verfahren der Rechtsbeschwerde bereits daraus, dass seine Erstbeschwerde zurückgewiesen worden ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. April 2012 – XII ZB 624/11 – FamRZ 2012, 1131 Rn. 3 und vom 25. August 1999 – XII ZB 109/98 – FamRZ 2000, 219 mwN; BGHZ 162, 137, 138 f. = NJW 2005, 1430).
Die Rechtsbeschwerde hat aber keinen Erfolg, weil schon die vom Beteiligten zu 2 im eigenen Namen eingelegte Erstbeschwerde mangels Beschwerdebefugnis unzulässig ist.
1.
Aus § 303 Abs. 4 Satz 1 FamFG lässt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts eine eigene Beschwerdebefugnis des Vorsorgebevollmächtigten nicht herleiten. Danach kann der Vorsorgebevollmächtigte wie der Betreuer gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen.
Ob dadurch eine lediglich klarstellende Auslegungsregel hinsichtlich der rechtsgeschäftlich durch Vollmachterteilung begründeten Vertretungsmacht (Prütting/Helms/Fröschle FamFG 3. Aufl. § 303 Rn. 49) oder deren unwiderlegbare Vermutung aufgestellt werden sollte (Keidel/ Budde FamFG 18. Aufl. § 303 Rn. 11), kann dahinstehen. Denn der anwaltlich vertretene Beteiligte zu 2 hat die Erstbeschwerde nicht im Namen der Betroffenen, sondern ausdrücklich im eigenen Namen eingelegt.
Aus der Gesetzesformulierung, dass der Betreuer und der Vorsorgebevollmächtigte Beschwerde „auch“ im Namen des Betroffenen einlegen kann, folgt nicht, dass der Vorsorgebevollmächtigte im eigenen Namen Beschwerde einlegen kann (zutreffend Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 303 Rn. 11; Prütting/ Helms/Fröschle FamFG 3. Aufl. § 303 Rn. 53, 41; aA Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 303 FamFG Rn. 171; Bassenge in Bassenge/Roth FamFG 12. Aufl. § 303 Rn. 8; Sonnenfeld in Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht 5. Aufl. § 303 FamFG Rn. 52 f.; Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 50; OLG Hamm FamRZ 2001, 373; OLG Schleswig FGPrax 2005, 214 [OLG Schleswig 20.04.2005 – 2 W 250/04] jeweils zu § 69 g Abs. 2 FGG zum Betreuer; Keidel/Kayser FGG 15. Aufl. § 69 g Rn. 20).
Schon in Bezug auf den Betreuer, der im Gesetzentwurf des FGGReformgesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) noch allein aufgeführt war, handelte es sich nach den Vorstellungen des Gesetzgebers lediglich um eine gesetzliche Klarstellung der bereits aufgrund § 1902 BGB bestehenden Vertretungsmacht (BT-Drucks. 16/6308 S. 272). Wie bereits bei der vorausgegangenen Vorschrift des § 69 g Abs. 2 FGG sollte demnach nicht zugleich eine entsprechende eigene Beschwerdeberechtigung des Betreuers geschaffen werden. Vielmehr ist mit der Formulierung ersichtlich auf Fälle verwiesen, in denen dem Betreuer nach der Rechtsprechung zu § 20 FGG (nunmehr § 59 FamFG) eine Beschwerdebefugnis aus eigenem Recht zusteht.
Daher ist ein eigenes Beschwerderecht des Betreuers nur in solchen Fällen gegeben, in denen dieser in eigenen Rechten beeinträchtigt ist (vgl. Prütting/Helms/Fröschle FamFG 3. Aufl. § 303 Rn. 42).
So hat der Senat zu dem seit 1. September 2009 geltenden Recht entschieden, dass dem Betreuer – anders als dem Betroffenen – gegen die Aufhebung der Betreuung keine Beschwerdebefugnis aus eigenem Recht zusteht (Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2013 – XII ZB 333/13 – FamRZ 2014, 470).
Zwar dient die Regelung in § 303 Abs. 4 FamFG nach der Begründung des Rechtsausschusses des Bundestags, auf dessen Empfehlung die Nennung auch des Vorsorgebevollmächtigten beruht, dazu, einen Gleichlauf mit der „Beschwerdeberechtigung“ des Betreuers zu gewährleisten (BT-Drucks. 16/9733 S. 297). Die Ergänzung des § 303 Abs. 4 FamFG ist aber die einzige zu diesem Zweck getroffene Gesetzesänderung geblieben und erfasst – wie die entsprechende Regelung für den Betreuer – nur die Einlegung des Rechtsmittels im Namen des Betroffenen, nicht aber im eigenen Namen des Bevollmächtigten.
Die Neuregelung bezieht sich somit nur auf die Einlegung der Beschwerde durch den Vorsorgebevollmächtigten in seiner Funktion als Stellvertreter des Betroffenen. Von der Einführung eines eigenständigen Beschwerderechts des Bevollmächtigten hat der Gesetzgeber abgesehen. Dass es sich um eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung handelt, wird dadurch verdeutlicht, dass die Empfehlung des Rechtsausschusses insoweit auf einen Vorschlag des Bundesrats zurückgeht (BT-Drucks. 16/9733 S. 297), der noch die Einführung eines eigenen Beschwerderechts des Vorsorgebevollmächtigten zum Ziel hatte.
Dieses sollte nach Auffassung des Bundesrats neben dem Beschwerderecht des Verfahrenspflegers in § 303 Abs. 3 FamFG seinen Platz finden (BT-Drucks. 16/6308 S. 387 f.).
Der Bundesrat hatte zur Begründung darauf hingewiesen, dass nach der seinerzeit bestehenden Gesetzeslage eine Beschwerdebefugnis des Vorsorgebevollmächtigten von der Rechtsprechung überwiegend verneint worden sei (BT-Drucks. 16/6308 S. 388).
Zwar hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung noch angekündigt, sie werde prüfen, welche Maßnahmen erforderlich seien, um ein Beschwerderecht des Vorsorgebevollmächtigten sicherzustellen. Ein wirksames Beschwerderecht des Vorsorgebevollmächtigten setze voraus, dass die Beschwerdebefugnis erhalten bleibe, wenn ein bestellter Betreuer die Vollmacht des Vorsorgebevollmächtigten widerrufe (BT-Drucks. 16/6308 S. 420). Auch ging der Gesetzentwurf an anderer Stelle davon aus, dass ein Vorsorgebevollmächtigter, sofern sein Aufgabenkreis erfasst sei, nicht unerheblich in seinen Rechten betroffen sei, wenn der Widerruf der Vollmacht drohe oder ein Kontrollbetreuer bestellt werde (BT-Drucks. 16/6308 S. 265).
Der Bundesrat hatte indessen – wie ausgeführt – bereits darauf hingewiesen, dass diese Auffassung der überwiegenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht entsprochen habe (BT-Drucks. 16/6308 S. 388) und demzufolge ein eigenständig normiertes Beschwerderecht erforderlich sei. Das vom Bundesrat befürwortete eigene Beschwerderecht des Vorsorgebevollmächtigten wurde im Gesetzgebungsverfahren im Ergebnis aber nicht umgesetzt. Der Vorschlag wurde vom Rechtsausschuss vielmehr nur „in modifizierter Form“ aufgegriffen (BT-Drucks. 16/9733 S. 297) und hat schließlich – wie ausgeführt – als eine Bestimmung zur Stellvertretung des Betroffenen Eingang in das Gesetz gefunden.
Die Beschwerdeberechtigung nach dieser Vorschrift setzt eine unmittelbare Beeinträchtigung eigener Rechte des Beschwerdeführers voraus und ist beim Vorsorgebevollmächtigten nicht gegeben (zum anders gelagerten Fall, dass der Vorsorgebevollmächtigte auch als Angehöriger beteiligt worden und demzufolge nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdebefugt ist, vgl. Senatsbeschluss vom 7. August 2013 – XII ZB 671/12 – FamRZ 2013, 1724). Soweit dem Senatsbeschluss vom 7. März 2012 (XII ZB 583/11 – FamRZ 2012, 868) etwas anderes entnommen werden könnte, hält der Senat daran nicht fest.
Durch die Anordnung einer Betreuung wird der Vorsorgebevollmächtigte nicht in eigenen Rechten beeinträchtigt. Unter § 59 Abs. 1 FamFG fallen alle subjektiven Rechte des Beschwerdeführers (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 178 zum identischen Begriff nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Diese können privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sein. Erforderlich ist ein durch Gesetz verliehenes oder durch die Rechtsordnung anerkanntes und von der Staatsgewalt geschütztes, dem Beschwerdeführer zustehendes materielles Recht, das unmittelbar betroffen sein muss (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 6, 9 jeweils mwN).
Bei der Vollmacht handelt es sich nicht um ein subjektives Recht in diesem Sinne (BayObLG FamRZ 2003, 1219 f. mwN; Staudinger/Bienwald BGB [2013] § 1896 Rn. 304; Jurgeleit/Jurgeleit Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1896 Rn. 95). Die Vollmacht verleiht als die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht (§ 166 Abs. 2 BGB) dem Bevollmächtigten die Legitimation, durch rechtsgeschäftliches Handeln im Namen des Vertretenen (Vollmachtgebers) unmittelbar für und gegen diesen Rechtswirkungen herbeizuführen.
Sie schränkt die eigene Rechtsmacht des Vollmachtgebers aber nicht ein und begründet dementsprechend kein eigenes subjektives Recht des Bevollmächtigten (Staudinger/Schilken BGB [2014] Vorbem. §§ 164 ff. Rn. 16 f.; MünchKommBGB/Schramm 6. Aufl. § 164 Rn. 69 mwN; Soergel/Leptien BGB 12. Aufl. Vor § 164 Rn. 15; Palandt/Ellenberger BGB 73. Aufl. Einf v § 164 Rn. 5; Flume Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Bd. II Das Rechtsgeschäft 3. Aufl. § 45 II 1; a.A. Papenmeier Transmortale und postmortale Vollmachten als Gestaltungsmittel 2013 S. 5 ff.).
Insbesondere mit der Vorsorgevollmacht soll der Bevollmächtigte in die Lage versetzt werden, im Interesse des Vollmachtgebers, nicht im eigenen Interesse zu handeln (vgl. BayObLG FamRZ 2003, 1219, 1220).
Auch ein der Vollmacht zugrunde liegendes Rechtsverhältnis begründet schließlich kein eigenes subjektives Recht, in das durch die Betreuerbestellung unmittelbar eingegriffen worden wäre (vgl. BayObLG FamRZ 2003, 1219, 1220; a.A. OLG Zweibrücken FamRZ 2003, 703; Heiderhoff in Bork/Jacoby/Schwab FamFG 2. Aufl. § 303 Rn. 16).
Der Vorsorgebevollmächtigte hat insoweit keine andere Stellung als sonstige Vertragspartner des Betroffenen, die durch Maßnahmen des Betreuers (etwa der Vermieter durch die Kündigung eines Wohnungsmietvertrags) Änderungen ihrer vertraglichen Rechte hinnehmen müssen, ohne dass sie deswegen gegen eine Betreuungsanordnung beschwerdeberechtigt wären (zur Stellung Dritter vgl. auch Senatsbeschluss vom 18. April 2012 – XII ZB 624/11 – FamRZ 2012, 1131 Rn. 8 ff. zur Abwesenheitspflegschaft).
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