Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.01.2015, Az.: XII ZR 201/13
Auskunftsanspruch des mittels künstlicher heterologer Insemination gezeugten Kindes gegen den Reproduktionsmediziner über die Identität des Samenspenders; Recht eines Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung;
a)
Das mittels künstlicher heterologer Insemination gezeugte Kind kann gegen den Reproduktionsmediziner einen aus den Grundsätzen von Treu und Glauben folgenden Anspruch auf Auskunft über die Identität des Samenspenders haben. Die hierfür erforderliche rechtliche Sonderverbindung folgt aus dem Behandlungsvertrag, bei dem es sich um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Kindes handelt.
Der Anspruch setzt kein bestimmtes Mindestalter des Kindes voraus. Machen die Eltern diesen Anspruch als gesetzliche Vertreter des Kindes geltend, ist aber erforderlich, dass die Auskunft zum Zweck der Information des Kindes verlangt wird.
Ob es dem Reproduktionsmediziner zumutbar ist, Auskunft über die Identität des Samenspenders zu erteilen, ist durch eine auf den konkreten Einzelfall bezogene, umfassende Abwägung der durch die Auskunftserteilung berührten rechtlichen, insbesondere grundrechtlichen, Belange zu klären. Dabei können auch die durch die ärztliche Schweigepflicht geschützten rechtlichen Belange des Samenspenders Berücksichtigung finden.
Der Rechtsposition des Kindes, der sein verfassungsrechtlich geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht zugrunde liegt, wird regelmäßig ein erhebliches Gewicht im Rahmen der Abwägung zukommen.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 6. November 2013 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Die im Dezember 1997 und im Februar 2002 geborenen Klägerinnen be- gehren von der beklagten Trägerin einer Klinik für Reproduktionsmedizin Auskunft über die Identität ihres biologischen Vaters durch Angabe der Personalien der Samenspender. Sie wurden jeweils durch eine künstliche heterologe Insemination gezeugt, die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten an der Mutter der Klägerinnen vornahmen. Zugrunde lagen diesen Behandlungen Verträge mit der Mutter und dem mit ihr verheirateten (rechtlichen) Vater der Klägerinnen. Die Eheleute (im Folgenden: Eltern) hatten in einer notariellen Erklärung gegenüber der Klinik auf Auskunft über die Identität der Samenspender verzichtet.
Außergerichtlich teilte die Beklagte mit, sie sei zur Erteilung der geforderten Auskünfte in der Lage, verweigerte jedoch letztlich die Auskunftserteilung. Der daraufhin von den durch ihre Eltern vertretenen Klägerinnen erhobenen Auskunftsklage hat das Amtsgericht stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Auskunftsbegehren weiter.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Den Klägerinnen stehe der geltend gemachte Auskunftsanspruch jedenfalls derzeit nicht zu. Dabei komme es auf das Interesse der Eltern, die Fragen der Klägerinnen nach ihrem biologischen Vater beantworten zu können, nicht an. Mit dem Verlangen nach Auskunft über die Identität der Samenspender verfolgten die Klägerinnen nämlich keinen Anspruch der Eltern, sondern ein eigenes Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung. Dieses Recht könnten sie jedoch erst mit Vollendung des 16. Lebensjahres geltend machen.
Die Entscheidung über den Auskunftsanspruch hänge von einer Abwägung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung und der grundrechtlich geschützten Positionen ab, die auf Seiten der auf Auskunft in Anspruch genommenen Person zu beachten seien. Dementsprechend bestehe ein Auskunftsanspruch des Kindes grundsätzlich erst ab einem Alter, ab dem das Kind in der Lage sei, diese Abwägung eigenständig und unter Berücksichtigung der sich aus dem Begehren und der Auskunft ergebenden Konsequenzen zu beurteilen und diese auch zu verarbeiten. Das Gericht gehe von einer Altersgrenze von 16 Jahren aus, wofür auch die Regelungen zum Antragsrecht in § 62 Abs. 1 Satz 3 des Personenstandsgesetzes (PStG) und zur Erteilung eines Registerauszugs in § 63 Abs. 1 PStG sprächen. Etwas anderes gelte nur in Ausnahmefällen, in denen – etwa im Hinblick auf eine Erkrankung – ein das Interesse des möglichen Auskunftspflichtigen deutlich überwiegendes Interesse des Kindes auf Auskunftserteilung vorliege. Dass ein solcher Ausnahmefall vorliege, sei nicht ersichtlich.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verleiht aber keinen Anspruch auf Verschaffung solcher Kenntnisse, sondern kann nur vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen durch staatliche Organe schützen (BVerfG FamRZ 2007, 441, 443; FamRZ 1997, 869, 870; FamRZ 1994, 881, 882; FamRZ 1989, 255, 258). Im Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten bedarf es dagegen einer zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage, um eine entsprechende Auskunft verlangen zu können (vgl. auch Mayer Auskunftsansprüche betreffend die Identität des biologischen Vaters S. 29; Muscheler FPR 2008, 496, 497; zur a.A. vgl. die Nachweise bei MünchKommBGB/Wellenhofer 6. Aufl. Vor § 1591 Rn. 33).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebieten es Treu und Glauben, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte, der zur Durchsetzung seiner Rechte auf die Auskunft angewiesen ist, in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihm dies zumutbar ist (Senatsbeschlüsse vom 2. Juli 2014 – XII ZB 201/13- FamRZ 2014, 1440 Rn. 13 ff. mwN und BGHZ 196, 207 = FamRZ 2013, 939 Rn. 30; Senatsurteil BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200 Rn. 20 ff.).
(1) Das durch die Rechtsprechung entwickelte Institut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB). Danach wird ein Dritter in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (BGH Urteil vom 9. Oktober 2014 – III ZR 68/14- NJW 2014, 3580 Rn. 24 mwN).
Diese Voraussetzungen sind bei einem auf die Zeugung mittels künstlicher heterologer Insemination gerichteten Behandlungsvertrag hinsichtlich des Kindes als dem angestrebten „Behandlungsergebnis“ erfüllt. Bestimmte der den Behandler treffenden Vertragspflichten wie etwa die Pflicht zur gesundheitlichen Überprüfung des Samenspenders (OLG Hamm FamRZ 2013, 637, 638; Fink/ Grün NJW 2013, 1913, 1914; vgl. auch Staudinger/Rauscher BGB [2011] Anh. zu § 1592 Rn. 16) oder die Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Insemination dienen jedenfalls auch dem Schutz des zu zeugenden Kindes.
Demgegenüber wird es sich bei einem derartigen Behandlungsvertrag allenfalls in seltenen Ausnahmefällen um einen echten Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 Abs. 1 BGB handeln, weil sich für das zu zeugende Kind aus dem Vertrag regelmäßig kein Leistungsforderungsrecht im Sinn dieser Vorschrift ergeben soll (vgl. Leeb/Weber ZKJ 2013, 277, 279; Schröder ZD 2013, 188 f.; Spickhoff MedR 2013, 677; a.A. wohl OLG Hamm FamRZ 2013, 637, 638 f.; jurisPK-BGB/Nickel [Stand: 1. Oktober 2014] § 1591 Rn. 21).
(2) Dieser Vertrag begründet eine Rechtsbeziehung zwischen dem behandelnden Arzt und dem Kind, die auch die Grundlage für den aus Treu und Glauben folgenden Auskunftsanspruch bilden kann.
(a) Dem steht zum einen nicht entgegen, dass die Auskunftspflicht grundsätzlich einen dem Grunde nach feststehenden Leistungsanspruch oder jedenfalls den begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung voraussetzt (vgl. Staudinger/Bittner BGB [2014] § 260 Rn. 19 a mwN).
Das Auskunftsbegehren allein zur Erlangung der Kenntnis der eigenen Abstammung hat die Besonderheit, dass es -jedenfalls primär- nicht der Vorbereitung und Durchsetzung von Leistungsansprüchen dient, die insoweit ohnehin nicht gegen den behandelnden Arzt, sondern allenfalls gegen den leiblichen Vater gerichtet sein könnten. Für Auskunftsansprüche von Patienten gegenüber ärztlichen Behandlern ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass sie grundsätzlich auch dann bestehen, wenn sie ausschließlich der Informationsbeschaffung zum Zwecke der Verwirklichung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und nicht der Vorbereitung von Leistungsansprüchen dienen (BGHZ 85, 339 = NJW 1983, 330, 331; BGHZ 85, 327 = NJW 1983, 328, 329; vgl. auch BVerfG NJW 1999, 1777 [BVerfG 16.09.1998 – 1 BvR 1130/98]). Nichts anderes gilt für das durch eine künstliche heterologe Insemination gezeugte Kind hinsichtlich der diese Behandlung betreffenden Informationen, zu deren wesentlichen die Identität des Samenspenders gehört.
(b) Zum anderen scheitert ein Auskunftsanspruch nicht daran, dass die Rechtskonstruktion des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zur Begründung direkter Schadensersatzansprüche des Dritten – hier des Kindes – herangezogen wird, die Auskunft über die Identität des Samenspenders aber in keinem Zusammenhang mit einem Schadensersatzanspruch steht. Vielmehr führt die auf §§ 242, 157 BGB beruhende Einbeziehung des Dritten in die vertraglichen Schutzpflichten unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen diese Pflichten in Rede steht, zu einer rechtlichen Sonderbeziehung zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten, die als Grundlage eines der Verwirklichung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dienenden Auskunftsanspruchs ausreichend ist.
(1) Die vom Berufungsgericht postulierte Altersgrenze von 16 Jahren entbehrt einer Verankerung im geltenden Recht. Weder aus den die Anspruchsgrundlage für den Auskunftsanspruch darstellenden Grundsätzen von Treu und Glauben noch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als der hinter dem zivilrechtlichen Anspruch stehenden verfassungsrechtlichen Position des die Auskunft begehrenden Kindes folgt eine altersmäßige Begrenzung für den Auskunftsanspruch oder für dessen Durchsetzung.
(2) Für eine entsprechende Anwendung von Gesetzesbestimmungen, die für Auskunfts- und Einsichtsrechte eine Altersgrenze von 16 Jahren vorsehen, fehlt es bereits an einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke. Denn es besteht ebenso wenig ein Bedarf wie ein rechtfertigender Grund, den gegen den behandelnden Arzt gerichteten Auskunftsanspruch des Kindes – bzw. dessen Durchsetzung – generell von einem bestimmten Mindestalter abhängig zu machen.
Weder aus Kindeswohlgründen noch aus sonstigen Erwägungen ergibt sich etwas für ein bestimmtes Mindestalter als Voraussetzung des Auskunftsanspruchs oder von dessen Durchsetzung. Grundsätzlich ist anzunehmen, dass bei einem Kind unabhängig von seinem Alter ein Bedürfnis nach Kenntnis der eigenen Abstammung besteht (Mayer Auskunftsansprüche betreffend die Identität des biologischen Vaters S. 31). Denn das Interesse an den eigenen Wurzeln erwacht typischerweise nicht erst mit Vollendung des 16. Lebensjahres. Dementsprechend wird etwa Adoptiveltern empfohlen, das Kind von Anfang an in altersgerechter Weise über seine Herkunft zu informieren (vgl. Helms FamRZ 2014, 609).
Letztendlich obliegt es der Verantwortung der Kindeseltern, wann und in welcher Form sie ihr minderjähriges Kind über Besonderheiten seiner Herkunft wie etwa den Umstand, dass leiblicher Vater ein Samenspender ist, informieren. Dabei werden sie die Persönlichkeit des Kindes, den Stand seiner Persönlichkeitsentwicklung, seine Verstandesreife, aber auch ihr individuelles Erziehungskonzept berücksichtigen. Diese Aspekte entziehen sich jedoch weitgehend einer generalisierenden Betrachtung und damit der Festlegung einer starren Altersgrenze. Zudem würde eine solche den durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Schutz der elterlichen Erziehungsverantwortung berühren, worunter auch die Information des Kindes über seine Herkunft durch die Eltern fällt. In diese soll staatlicherseits nach dem Willen des Gesetzgebers nicht eingegriffen werden (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 674, 675; BT-Drucks. 7/3061 S. 46 und 68, jeweils zu § 1758 BGB). Demzufolge hängt es dem Grundsatz nach nicht vom Lebensalter des Kindes ab, wann dessen – aus der Erziehungsentscheidung seiner Eltern folgendes – Informationsbedürfnis entsteht.
(3) Im Übrigen erweist sich die vom Berufungsgericht herangezogene Parallele zu den Vorschriften des Personenstandsgesetzes nicht als belastbar (a.A. Rütz Heterologe Insemination – Die rechtliche Stellung des Samenspenders S. 57).
Die Vorschrift des § 62 PStG regelt die Erteilung von Personenstandsurkunden sowie die Auskunft aus Personenstandsregistern und die Einsicht in diese. Sie bestimmt in Absatz 1 Satz 3, dass über 16 Jahre alte Personen antragsbefugt sind. Bei dieser Altersgrenze hat sich der Gesetzgeber an § 1303 Abs. 2 BGB, also der Möglichkeit, eine Befreiung vom Eheerfordernis der Ehemündigkeit zu beantragen, orientiert. Hiervon unberührt bleibt jedoch die Befugnis des gesetzlichen Vertreters, für ein jüngeres Kind die Benutzung des Registers zu beantragen (BT-Drucks. 16/1831 S. 52). Es handelt sich mithin um eine rein verfahrensrechtliche Bestimmung, die ohne Auswirkung auf die materiell-rechtliche Position des Kindes bleibt (vgl. Gaaz/Bornhofen Personenstandsgesetz 3. Aufl. § 62 Rn. 16).
Im Ergebnis nicht anders verhält es sich mit § 63 Abs. 1 Satz 1 PStG, der für den Fall einer Adoption bestimmt, dass der Registerausdruck nur den Annehmenden, deren Eltern, dem gesetzlichen Vertreter des Kindes und dem über 16 Jahre alten Kind selbst erteilt werden darf. Die Vorschrift bezweckt nicht eine Beschränkung des Einsichts- und Auskunftsrechts des angenommenen Kindes, sondern die Umsetzung des Ausforschungs- und Offenbarungsverbots in § 1758 Abs. 1 BGB. Dieses soll unter anderem verhindern, dass die leiblichen Eltern und sonstige frühere Verwandte nach Annahme des Kindes versuchen, zu diesem Kontakt aufzunehmen, und dadurch seine Integration in die neue Familie stören (Gaaz/Bornhofen Personenstandsgesetz 3. Aufl. § 62 Rn. 5). Zudem hatte der Gesetzgeber bei Erlass dieser Bestimmung im Blick, dass es im Grundsatz Sache der Eltern ist und sich aus der Erziehungssituation ergeben wird, wann Eltern ihrem Kind sagen, dass es angenommen ist. Mit Blick auf § 1303 Abs. 2 BGB soll das Kind erst mit 16 Jahren berechtigt sein, Auskunft über seine Herkunft zu verlangen (BT-Drucks. 7/3061 S. 68; vgl. zu § 61 Abs. 2 Satz 1 PStG aF auch Hepting/Gaaz Personenstandsrecht Rn. 68). Die gesetzlichen Vertreter des Kindes können hingegen schon vorher ohne Einschränkung an die entsprechenden Informationen kommen, auch weil die Identitätsbildung und damit das Persönlichkeitsrecht des Kindes dessen frühere Kenntnis von seiner Abstammung erfordern können.
(4) Soweit andere Gesetzesbestimmungen eine Altersgrenze von 16 Jahren für Einsichtsrechte festlegen, erlaubt dies ebenfalls nicht den Schluss auf die vom Berufungsgericht angenommene Einschränkung des Auskunftsanspruchs eines durch eine Samenspende gezeugten Kindes gegenüber dem Behandler, der die künstliche heterologe Insemination durchgeführt hat.
(a) Durch § 9 b Abs. 2 Satz 1 des Adoptionsvermittlungsgesetzes (AdVermiG) ist für das Einsichtsrecht in die Vermittlungsakten geregelt, dass bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen dem gesetzlichen Vertreter des Kindes und, wenn es das 16. Lebensjahr vollendet hat, auch diesem selbst Einsicht zu gewähren ist. Aus der Vorschrift folgt ein eigenständiges subjektivöffentliches Recht des Adoptierten. Für unter 16 Jahre alte Adoptierte ist der Antrag jedoch wegen der in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Erziehungsverantwortung – die sich darauf erstreckt, das Kind zu einem passenden Zeitpunkt und in geeigneter Weise mit den Besonderheiten seiner Abstammung vertraut zu machen – durch den gesetzlichen Vertreter zu stellen. Die Altersgrenze entspricht dabei der des § 63 Abs. 1 Satz 1 PStG (Reinhardt in Reinhardt/Kemper/Weitzel Adoptionsrecht § 9 b AdVermiG Rn. 12; BT-Drucks. 14/6011). Mithin handelt es sich bei ihr um keine zeitliche Beschränkung des materiell-rechtlichen Anspruchs des Kindes, sondern lediglich um eine Regelung dazu, wie dieser geltend zu machen ist.
(b) Anders liegt es zwar bei dem durch das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3458) mit Wirkung zum 1. Mai 2014 eingeführten § 31 Abs. 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG), nach dem das vertraulich geborene Kind (erst) mit Vollendung des 16. Lebensjahres das Recht hat, den Herkunftsnachweis einzusehen oder Kopien zu verlangen. Denn diese Altersgrenze, die wiederum an das frühestmögliche Ehemündigkeitsalter nach § 1303 Abs. 2 BGB anknüpft (BR-Drucks. 682/04 S. 24), bedeutet eine materiell-rechtliche Beschränkung des Auskunftsrechts des Kindes (kritisch hierzu Berkl StAZ 2014, 65, 68 Fn. 36; Helms FamRZ 2014, 609, 613; vgl. auch die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zum Problem der anonymen Kindesabgabe, BT-Drucks. 17/190 S. 28, die in Orientierung an die Adoptionspflege eine einjährige Geheimhaltung vorschlägt).
Für den gegen den Behandler gerichteten Auskunftsanspruch lässt sich hieraus jedoch nichts ableiten. Denn mit § 31 SchKG soll die Kindesmutter vor Gefährdungslagen für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder andere schutzwürdige Belange geschützt werden, die sich ergeben können, wenn ihr soziales Umfeld von der Mutterschaft erfährt (vgl. BT-Drucks. 17/12814 S. 21). Auf die Situation des bei einem in einer Klinik für Reproduktionsmedizin mittels Spendersamen gezeugten Kindes, die sich hiervon grundlegend unterscheidet, ist diese spezifische Zielrichtung und damit auch die entsprechende Altersgrenze aber nicht übertragbar.
Ein derartiges Informationsbedürfnis besteht nicht nur dann, wenn dem Kind der Umstand der Zeugung mittels Samenspende bereits von den Eltern offenbart worden oder anderweitig bekannt geworden ist, es nach der Identität des Samenspenders gefragt hat und die Eltern ihm diese Frage beantworten wollen. Ausreichend ist vielmehr auch, dass die Eltern dem Kind die Zeugungsart und die Identität des Samenspenders offenlegen wollen. Ein bestimmter zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erlangung der Information durch die Eltern und der Weitergabe an das Kind ist nicht erforderlich. Denn es unterfällt allein der in Elternverantwortung zu treffenden Entscheidung der Eltern, die im Rahmen ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG das Persönlichkeitsrecht des Kindes treuhänderisch ausüben (vgl. BVerfG FamRZ 2005, 2049, 2051), wann und unter welchen Umständen sie das Kind von seiner Herkunft in Kenntnis setzen. Der Tatrichter muss sich daher nur davon überzeugen, dass die Eltern die Information mit dem Zweck, sie dem Kind zu einem späteren Zeitpunkt mitzuteilen, und damit für das Kind begehren.
Nichts anderes gilt insoweit für den – hier nicht gegebenen – Sonderfall, dass bei der Behandlung der Mutter das Sperma verschiedener Spender Verwendung gefunden hat (vgl. etwa die Fallgestaltung bei OLG Hamm FamRZ 2013, 637 und LG Essen Urteil vom 7. Februar 2012 – 2 O 260/11 -[…]). Wenn diese Behandlung zur Zeugung des Kindes geführt hat, ist das Kind zur Klärung seiner Abstammung auf die Auskunft über die Identität der Samenspender angewiesen. Dass es dabei notwendigerweise auch Auskunft über einen oder mehrere Spender erhält, die nicht sein biologischer Vater sind, ist lediglich ein im Rahmen der Zumutbarkeit zu berücksichtigender Umstand.
Dass es in entschuldbarer Weise über diesen Umstand im Ungewissen und die Klinik als die Verpflichtete grundsätzlich in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen, ist hier nicht zweifelhaft. Im vorliegenden Fall ist auch unstreitig, dass die inzwischen 17 und zwölf Jahre alten Klägerinnen durch die Samenspenden mittels künstlicher heterologer Insemination gezeugt wurden. Im Berufungsverfahren haben die Klägerinnen zudem unter Beweisantritt vortragen lassen, sie seien von ihren Eltern darüber aufgeklärt worden, „dass sie Spenderkinder“ seien, und hätten dann nach der Identität der Spender gefragt. Nachdem das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, ist für das Revisionsverfahren von der Richtigkeit dieses Vorbringens und daher davon auszugehen, dass die Klägerinnen auf die Auskunft im dargestellten Sinn angewiesen sind.
Dieser Rechtsposition wird regelmäßig ein erhebliches Gewicht im Rahmen der Abwägung zukommen (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 674, 676, wonach in der Regel zugunsten des Kindes zu entscheiden sei), das weder vom Alter noch vom Entwicklungsstand des Kindes und auch nicht davon abhängt, inwieweit das Kind selbst im Zusammenhang mit dem Auskunftsbegehren aktiv wird (vgl. MünchKommBGB/Wellenhofer 6. Aufl. Vor § 1591 Rn. 28; a.A. Staudinger/Rauscher BGB [2011] Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 124). Ist das Kind wegen eines konkreten Informationsbedürfnisses im dargestellten Sinn auf die Auskunft angewiesen, verbietet sich eine solche Differenzierung bei der Abwägung. Für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes erscheint es gleichermaßen bedeutsam, ob etwa die Eltern den Minderjährigen, der zur Erfassung dieser Information in der Lage ist, in jeweils altersgerechter Weise mit seiner Herkunft vertraut machen oder ob sich beispielsweise das Kind erst als Volljähriger selbst auf die Suche nach seinen Wurzeln begibt. Nachdem es insoweit der Erziehungsverantwortung der Eltern überlassen bleibt, wann und wie sie das Kind über seine Abstammung in Kenntnis setzen, ist eine Wertung ausgeschlossen, die der grundrechtlich geschützten Position des Kindes mit zunehmendem Alter und fortschreitender Reife ein erhöhtes Gewicht verleihen würde.
(1) In Betracht kommt hierbei die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) des Reproduktionsmediziners. Der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG richtet sich gegen solche Normen oder Akte, die sich entweder unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen oder zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (BVerfG GRUR-RR 2011, 217, 218 mwN; NJW 1998, 1627, 1628 [BVerfG 17.02.1998 – 1 BvF 1/91]). Ob die Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften im Zusammenhang mit vorgenommenen ärztlichen Behandlungsmaßnahmen insoweit einen Eingriff darstellt, kann jedoch dahinstehen. Denn bei der vorzunehmenden Abwägung erlangt diese Rechtsposition keine maßgebliche Bedeutung.
Es ist schon nicht ersichtlich, inwieweit durch die Auskunftspflicht die Berufsausübung spürbar eingeschränkt wird. Hinzu kommt, dass die für die Reproduktionsmedizin einschlägigen Richtlinien der Bundesärztekammer bereits seit dem Jahr 1985 durchgehend jeweils im Anhang unter I.4. auf den Auskunftsanspruch des Kindes und darauf aufmerksam machten, dass der Arzt dem Samenspender keine Anonymität zusichern könne, sondern ihn darauf hinweisen müsse, dass er dem Kind gegenüber zur Nennung des Spendernamens verpflichtet sei und sich insoweit auch nicht auf die ärztliche Schweigepflicht berufen könne (vgl. Deutsches Ärzteblatt Ausgabe B 1985, 1691, 1696; 1988, B-2551, B-2553; 1996, A-415, A-418; 1998, A-3166, A-3171). In der 2006 beschlossenen „(Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion“ (Deutsches Ärzteblatt 2006, A-1392 ff.) ist zwar im Kommentarteil zur Verwendung heterologer Samen nur noch ausgeführt, die Rechtslage zu Auskunftsansprüchen sei unsicher (A-1402). Unter Punkt „5.3.3.2. Dokumentation“ ist jedoch unter anderem die Pflicht des behandelnden Arztes enthalten, zu dokumentieren, „dass sich der Samenspender … für den Fall eines … Auskunftsverlangens des Kindes … mit der Bekanntgabe seiner Personalien einverstanden erklärt hat“ (A-1398).
Mit Blick hierauf gehört es seit fast 30 Jahren zu einer an den berufsständischen Richtlinien orientierten Berufsausübung im Bereich der Reproduktionsmedizin, dass die Behandlung im Wissen um den Auskunftsanspruch des Kindes vorgenommen wird (vgl. auch Deutsch/Spickhoff Medizinrecht Rn. 766). Soweit demgegenüber behauptet wird, ein entsprechender Auskunftsanspruch sei erst durch das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Februar 2013 (FamRZ 2013, 637) begründet worden und das Bestehen eines solchen daher vorher nicht erkennbar gewesen (so Fink/Grün NJW 2013, 1913, 1915), lässt dies die zitierten Richtlinien außer Betracht.
Ein gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Kindes ins Gewicht fallendes, aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG folgendes Geheimhaltungsinteresse des behandelnden Arztes besteht mithin nicht.
(2) Eine die Abwägung zu Ungunsten eines Auskunftsanspruchs des Kindes beeinflussende Rechtsposition des behandelnden Arztes folgt aufgrund der vorgenannten Umstände auch nicht daraus, dass ihm gegebenenfalls erhebliche Schadensersatzforderungen drohen (vgl. Jorzig jurisPR-MedizinR 2/2013 Anm. 1; Schneider FamFR 2013, 172, 175), wenn er trotz der bestehenden ärztlichen Richtlinien dem Samenspender vertraglich Anonymität zugesichert haben sollte. Aus einem solchen Verhalten, das sich über die maßgeblichen und ohne weiteres zugänglichen ärztlichen Richtlinien hinwegsetzt, kann kein rechtlich geschützter Belang erwachsen, der sich gegen die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes folgende Rechtsposition durchzusetzen vermag.
(3) Zugunsten des behandelnden Arztes ist grundsätzlich seine ärztliche Schweigepflicht zu berücksichtigen, deren Verletzung zu strafrechtlichen Konsequenzen für ihn führen kann (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Bei der Frage, ob diese im Einzelfall mit Erfolg dem Auskunftsanspruch des Kindes entgegen gehalten werden kann, sind die grundrechtlich geschützten Positionen derjenigen Dritten in die Abwägung einzubeziehen, deren Schutz die ärztliche Schweigepflicht dienen soll. Dies können der Samenspender und die den Behandlungsvertrag schließenden Eltern des Kindes sein, deren rechtlich bedeutsame Belange durch eine Auskunftserteilung unter Umständen erheblich betroffen sind. Besonders gewichtige Rechtspositionen dieser drittbetroffenen Personen können gegebenenfalls dazu führen, dass die ihrem Schutz dienende ärztliche Schweigepflicht das Auskunftsinteresse des Kindes überwiegt. Da diese Personen regelmäßig nicht am Auskunftsprozess beteiligt sind, ist es Sache des auf Auskunft in Anspruch genommenen Arztes, diese Belange bei ihnen zu erfragen und gegebenenfalls im Verfahren geltend zu machen.
(a) Die bloße Berufung des behandelnden Arztes auf seine gegenüber Dritten bestehende Schweigepflicht kann allerdings den im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelnden Anspruch des Kindes auf Auskunft über seine Herkunft von vornherein nicht hindern. Denn aus dem zivilrechtlichen Anspruch des Kindes folgt grundsätzlich eine Offenbarungsbefugnis und auch -pflicht des Behandlers (vgl. dazu MünchKommBGB/Wellenhofer 6. Aufl. Vor § 1591 Rn. 33; allgemein Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele StGB 29. Aufl. § 203 Rn. 29; a.A. Schröder ZD 2013, 188, 189: keine gesetzliche Offenbarungspflicht), so dass der Arzt nicht unbefugt i.S.d. § 203 Abs. 1 StGB und daher jedenfalls gerechtfertigt handelt (BeckOK StGB/Weidemann [Stand: 10. November 2014] § 203 Rn. 33; Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele StGB 29. Aufl. § 203 Rn. 29; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2013, 637, 640; Staudinger/Rauscher BGB [2011] Anh. zu § 1592 Rn. 15) und die strafrechtliche Relevanz der Auskunftserteilung an das Kind als – bezogen auf die Behandlungsverträge – Dritten entfällt.
(b) Berücksichtigungsfähig sind in diesem Zusammenhang die rechtlich geschützten Interessen des Samenspenders.
(aa) In Betracht kommt hierbei sein ebenfalls dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) unterfallendes Recht auf informationelle Selbstbestimmung als die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG FamRZ 1997, 869, 870; NJW 1984, 419, 421).
Soweit der Samenspender – den ärztlichen Richtlinien entsprechend – durch den behandelnden Arzt darüber aufgeklärt worden ist, dass das Kind Auskunft verlangen kann, und ihm daher keine Anonymität zugesichert worden ist, hat er sich des Schutzes dieses Rechts allerdings durch sein unter diesen Voraussetzungen erteiltes Einverständnis mit der Samenspende begeben.
Anders verhält es sich, wenn der behandelnde Arzt dem Samenspender Anonymität zugesichert hat, wobei in diesem Zusammenhang keiner Erörterung bedarf, ob die Anonymitätszusicherung als solche wirksam sein kann (dies verneinend etwa Erman/Hammermann BGB 14. Aufl. Vor § 1598 a Rn. 7; Leeb/ Weber ZKJ 2013, 277, 279; Rütz Heterologe Insemination – Die rechtliche Stellung des Samenspenders S. 45; Staudinger/Rauscher BGB [2011] Anh. zu § 1592 Rn. 16; Zimmermann FamRZ 1981, 929, 932). Diese Zusicherung erfolgte dann zwar unter Verstoß jedenfalls gegen die ärztlichen Richtlinien. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass dies auch dem Samenspender bewusst war, der sich gegebenenfalls nur unter der Voraussetzung einer solchen Zusicherung zur Samenspende bereit erklärt hat (vgl. Schneider FamFR 2013, 172, 175). Seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung steht insoweit allerdings das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegenüber, dem regelmäßig ein höheres Gewicht zukommen wird (vgl. MünchKommBGB/ Wellenhofer 6. Aufl. Vor § 1591 Rn. 33; Staudinger/Rauscher BGB [2011] Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 114). Dabei darf auch nicht unbeachtet bleiben, dass der Samenspender sich bewusst mit einem maßgeblichen Beitrag an der Zeugung menschlichen Lebens beteiligt hat und hierfür eine soziale und ethische Verantwortung trägt, die bei der Abwägung zugunsten des die Auskunft begehrenden Kindes streitet (vgl. Giesen JZ 1989, 364, 369; Rütz Heterologe Insemination – Die rechtliche Stellung des Samenspenders S. 43; Schneider FamFR 2013, 172, 175).
(bb) Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Samenspenders kann sich auch im Übrigen ein geschütztes rechtliches Interesse ergeben, das gegen die Rechtsposition des Kindes abzuwägen ist.
Nicht maßgeblich sind insoweit allerdings die wirtschaftlichen Interessen des Samenspenders (vgl. BVerfG FamRZ 1989, 255, 258 f.; Staudinger/ Rauscher BGB [2011] Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 114; Giesen JZ 1989, 364, 372; Rütz Heterologe Insemination -Die rechtliche Stellung des Samenspenders S. 43; a.A. Fink/Grün NJW 2013, 1913, 1916). Diese sind zwar möglicherweise betroffen, wenn das Kind die Vaterschaft anficht und auf Vaterschaftsfeststellung gegen ihn klagt, weil daraus unterhalts- und erbrechtliche Ansprüche des Kindes resultieren können. Aber weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit vermitteln einen Schutz vor den wirtschaftlichen Folgen der Verwandtschaft, die auf verfassungsgemäßen Normen beruhen und nicht zu verfassungswidrigen Ergebnissen führen (vgl. BVerfG FamRZ 2005, 1051, 1052; NJW 2003, 660, 661; Rütz Heterologe Insemination -Die rechtliche Stellung des Samenspenders S. 39).
(cc) Nicht anders verhält es sich im Grundsatz dann, wenn „Mischsperma“ verschiedener Samenspender bei der Behandlung verwendet worden ist. Die Auskunft über alle in Frage kommenden Spender führt dann zwar zwangsläufig dazu, dass auch die Identität eines oder mehrerer Spender preisgegeben wird, die nicht der biologische Vater des Kindes geworden sind.
Nach Ziffer 5.3.1. der (Muster-)Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion (Deutsches Ärzteblatt 2006, A-1392, A-1397) ist ein derartiges Vorgehen jedoch untersagt -wie im Übrigen in Anhang I.4. aller seit 1985 erlassenen Vorgängerrichtlinien, wo dies sogar ausdrücklich damit begründet war, dass sonst die spätere Identifikation des biologischen Vaters erschwert würde. Mit Blick darauf wird ein Verstoß des Arztes gegen die Richtlinie regelmäßig nicht dazu führen können, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung vereitelt wird. Allerdings können bei der Abwägung die rechtlichen Belange jedes Samenspenders Berücksichtigung finden (vgl. Fink/Grün NJW 2013, 1913, 1915 f.).
(c) Im Zusammenhang mit der Schweigepflicht des Arztes können bei der Abwägung auch die – insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG folgenden – Rechtspositionen der Kindeseltern in Betracht zu ziehen sein. Denkbar ist das dann, wenn sie mit dem Auskunftsbegehren des Kindes nicht einverstanden sind, was – vom Ausnahmefall abgesehen, dass sie insoweit nicht mehr gesetzliche Vertreter des minderjährigen Kindes sind – nur bei Volljährigkeit des Kindes der Fall sein kann.
Tatsächlich wird sich insoweit aber kaum ein schützenswerter rechtlicher Belang ergeben, der dem Recht des Kindes auf Kenntnis von seiner Herkunft entgegensteht. Denn die entsprechende Klage gegen den behandelnden Arzt kann das Kind nur dann erheben, wenn es nicht nur Kenntnis vom Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft, sondern auch von seiner Zeugung mittels Samenspende hat. In dieser Situation sind ihm aber nicht nur die mit Blick auf seine Eltern wesentlichen Umstände im Zusammenhang mit seiner Zeugung bekannt. Es kann vielmehr auch ohne das Wissen um die Identität des Samenspenders die Vaterschaft anfechten und sich insoweit selbst bei einer konsentierten künstlichen heterologen Insemination (vgl. zu rechtspolitischen Bedenken gegen das Anfechtungsrecht des Kindes etwa Palandt/ Brudermüller BGB 74. Aufl. § 1600 Rn. 13 mwN) aus seiner rechtlichen Verwandtschaft lösen. Ein schützenswertes Interesse der Kindeseltern, dass dem Kind dann „wenigstens“ der Zugang zur Information über die Identität des Samenspenders verwehrt sein soll, ist daher kaum vorstellbar.
Ob auch ein Anspruch der mittels künstlicher heterologer Insemination gezeugten Kinder auf – hier nicht geltend gemachte – Einsicht in die ärztlichen Behandlungsunterlagen gemäß § 810 BGB besteht (vgl. dazu BeckOK BGB/ Hahn [Stand: 1. November 2014] § 1591 Rn. 22 mwN), bedarf vorliegend keiner Erörterung.
Das Berufungsgericht wird Feststellungen dazu zu treffen haben, inwieweit die Klägerinnen auf die begehrte Auskunft angewiesen sind, also insbesondere ihre Eltern als gesetzliche Vertreter die Auskunft zum Zweck der Information der Klägerinnen verlangen. Darüber hinaus wird das Berufungsgericht bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung die erforderliche Abwägung vorzunehmen haben.
Entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung ist es im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, dass die Klägerinnen auf Auskunftserteilung über die Identität ihrer biologischen Väter durch Angabe der Personalien der Samenspender angetragen haben, nachdem unstreitig ist, dass sie mittels der Samenspenden gezeugt wurden (vgl. auch Fink/Grün NJW 2013, 1913, 1916). Eine Antragsumstellung dahin, dass die Auskunft sich nicht auf die „Väter“ bezieht, ist daher im weiteren Verfahrensfortgang nicht geboten.
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