FG München, 4 K 2749/06
I.
Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit einer Pflichtteilsforderung als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
Der 2004 verstorbene A B (im Folgenden Erblasser) wurde aufgrund gesetzlicher Erbfolge von seiner Tochter – der Klägerin – allein beerbt. Der Beklagte (das Finanzamt – FA -) erließ am 16. Februar 2006 einen Erbschaftsteuerbescheid, in dem die Erbschaftsteuer i.H.v. 55.125,00 EUR festgesetzt wurde.
Mit Schreiben vom 22. Februar 2006 legte die Klägerin hiergegen Einspruch ein, den sie u.a. damit begründete, dass im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer der Pflichtteilsanspruch der Klägerin gegen den Erblasser nach ihrer 1998 verstorbenen Mutter i.H.v. 111.125,00 EUR zu Unrecht nicht als Nachlassverbindlichkeit bereicherungsmindernd berücksichtigt worden sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 wurde dem Einspruch der Klägerin in einem den Streitfall nicht betreffenden Punkt stattgegeben. Bezüglich der geltend gemachten Nachlassverbindlichkeit in Form des Pflichtteilsanspruchs wurde der Einspruch hingegen als unbegründet zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2006 – eingegangen bei Gericht am 14. Juli 2006 – erhob die Klägerin hiergegen Klage, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet:
Entgegen der Auffassung des FA habe die Klägerin zum einen noch zu Lebzeiten des Erblassers ihren Pflichtteilsanspruch nach ihrer verstorbenen Mutter einige Zeit nach deren Tod mündlich geltend gemacht. Zum Beweis hierfür wird die Kopie einer handschriftlichen Berechnung des Erblassers vorgelegt. Da der Erblasser in der Folgezeit jedoch zwei Herzinfarkte erlitten habe und pflegebedürftig geworden sei, habe die Klägerin von der weiteren Verfolgung ihres Pflichtteilsanspruchs abgesehen, zumal der Erblasser zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs gezwungen gewesen wäre, das Familienwohnheim zu veräußern. Zum anderen bringt die Klägerin vor, dass zwar in zivilrechtlicher Hinsicht mit dem Tod des Erblassers der noch nicht erfüllte Pflichtteilsanspruch durch Konfusion von Anspruch und Verbindlichkeit in der Person der Klägerin erloschen sei, der Anspruch sei jedoch ungeachtet einer mittlerweile eingetretenen Verjährung bis zum Tod des Erblassers erfüllbar gewesen und daher als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Erbschaftsteuerbescheids vom 16. Februar 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 die Erbschaftsteuer i.H.v. 27.445,00 EUR festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags des FA wird insbesondere auf den Schriftsatz vom 28. Juli 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Erbschaftsteuer- bzw. Rechtsbehelfsakte des FA, die Gerichtsakte und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. September 2008 Bezug genommen.
Gründe
II.
18Diese Grundsätze gelten prinzipiell auch in den Fällen, in denen der Inhaber eines Pflichtteilsanspruchs den mit dem Pflichtteil beschwerten Erben beerbt (vgl. hierzu z.B. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz. 98; Weinmann in Moench, ErbStG, § 10 Rz. 42). Nach Ansicht des erkennenden Senats setzt dies entgegen einiger Stimmen in der Literatur jedoch voraus, dass der Pflichtteilsanspruch gegenüber und zu Lebzeiten des beschwerten Erblassers ernstlich geltend gemacht wurde, da der Berechtigte sein Bestimmungsrecht nach der erbfallbedingten Konfusion von Verpflichtung und Anspruch nicht mehr gegenüber sich selber wirksam geltend machen kann (vgl. FG München, Beschluss vom 27. Juli 1990 10 V 3806/89, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1991, 199; a.A. z.B. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz. 98). Nach Ansicht des erkennenden Senats gilt dies insbesondere auch in den Fällen, in denen der Pflichtteilsanspruch des Erben zum Zeitpunkt des Todes des beschwerten Erblassers bereits verjährt war (vgl. FG München, Beschluss vom 30. November 2006 4 V 4323/06, EFG 2007, 369; FG München, Urteil vom 24. Juli 2002 4 K 1286/00, EFG 2002, 1625; a.A. z.B. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz. 98). Nach Ansicht des BFH gilt im Rahmen der Bewertung von Erblasserschulden i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung ein Gebot der wirtschaftlichen Belastung des erwerbenden Erben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. März 1999 II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339). Eine derartige wirtschaftliche Belastung liegt dann nicht vor, wenn bei objektiver Würdigung der Umstände angenommen werden kann, dass der Gläubiger seine Forderung nicht geltend machen wird. Bei Übertragung dieser Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG und des dahinter stehenden Gebots der wirtschaftlichen Belastung auf den Regelungsbereich des § 10 Abs. 3 ErbStG ist es somit nicht möglich, dass der Erbe als Erbe des Pflichtteilsschuldners einen bereits verjährten Pflichtteilsanspruch gegen sich selber geltend macht und als Erblasserschuld i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vom steuerpflichtigen Erwerb in Abzug bringt (gl.A. z.B. Weinmann in Moench, ErbStG, § 10 Rz. 42; a.A. Muscheler, ZEV 2001, 377, 383, 384).
19Im Streitfall bestehen nach Ansicht des erkennenden Senats keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin – wie von ihr behauptet – im Jahr 1998 den zwischen den Beteiligten nach Grund und Höhe unstreitigen Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Erblasser geltend gemacht hat. Insbesondere ist die vorgelegte handschriftliche Berechnung des Erblassers kein tauglicher Beleg für eine ernstliche Geltendmachung. Der Umstand, dass der Erblasser – wie die Klägerin selbst vorträgt – gezwungen gewesen wäre, das Familienwohnheim zu veräußern, um den Pflichtteilsanspruch erfüllen zu können, spricht nach Ansicht des erkennenden Senats vielmehr gegen eine ernstliche Geltendmachung zum damaligen Zeitpunkt, zumal der Erblasser in der Folgezeit zwei Herzinfarkte und einen Schlaganfall erlitten hatte und pflegebedürftig war. Der fehlende Nachweis dieser steuermindernden Tatsache geht somit zu Lasten der Klägerin, die insoweit die Feststellungslast trägt. Der zu Lebzeiten des Erblassers nicht geltend gemachte und unstreitig gem. § 2332 Abs. 1 BGB zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Erbfalls bereits verjährte Pflichtteilsanspruch kann somit mangels wirtschaftlicher Belastung der Erblasserin und ungeachtet des Regelungsbereichs des § 10 Abs. 3 ErbStG nicht als Erblasserschuld i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vom steuerpflichtigen Erwerb abgezogen werden.
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