FG München, 4 K 2749/06 I. Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit einer Pflichtteilsforderung als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).

Januar 23, 2018

FG München, 4 K 2749/06

I.

Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit einer Pflichtteilsforderung als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).

Der 2004 verstorbene A B (im Folgenden Erblasser) wurde aufgrund gesetzlicher Erbfolge von seiner Tochter – der Klägerin – allein beerbt. Der Beklagte (das Finanzamt – FA -) erließ am 16. Februar 2006 einen Erbschaftsteuerbescheid, in dem die Erbschaftsteuer i.H.v. 55.125,00 EUR festgesetzt wurde.

 

Mit Schreiben vom 22. Februar 2006 legte die Klägerin hiergegen Einspruch ein, den sie u.a. damit begründete, dass im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer der Pflichtteilsanspruch der Klägerin gegen den Erblasser nach ihrer 1998 verstorbenen Mutter i.H.v. 111.125,00 EUR zu Unrecht nicht als Nachlassverbindlichkeit bereicherungsmindernd berücksichtigt worden sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 wurde dem Einspruch der Klägerin in einem den Streitfall nicht betreffenden Punkt stattgegeben. Bezüglich der geltend gemachten Nachlassverbindlichkeit in Form des Pflichtteilsanspruchs wurde der Einspruch hingegen als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2006 – eingegangen bei Gericht am 14. Juli 2006 – erhob die Klägerin hiergegen Klage, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet:

Entgegen der Auffassung des FA habe die Klägerin zum einen noch zu Lebzeiten des Erblassers ihren Pflichtteilsanspruch nach ihrer verstorbenen Mutter einige Zeit nach deren Tod mündlich geltend gemacht. Zum Beweis hierfür wird die Kopie einer handschriftlichen Berechnung des Erblassers vorgelegt. Da der Erblasser in der Folgezeit jedoch zwei Herzinfarkte erlitten habe und pflegebedürftig geworden sei, habe die Klägerin von der weiteren Verfolgung ihres Pflichtteilsanspruchs abgesehen, zumal der Erblasser zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs gezwungen gewesen wäre, das Familienwohnheim zu veräußern. Zum anderen bringt die Klägerin vor, dass zwar in zivilrechtlicher Hinsicht mit dem Tod des Erblassers der noch nicht erfüllte Pflichtteilsanspruch durch Konfusion von Anspruch und Verbindlichkeit in der Person der Klägerin erloschen sei, der Anspruch sei jedoch ungeachtet einer mittlerweile eingetretenen Verjährung bis zum Tod des Erblassers erfüllbar gewesen und daher als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Erbschaftsteuerbescheids vom 16. Februar 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 die Erbschaftsteuer i.H.v. 27.445,00 EUR festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags des FA wird insbesondere auf den Schriftsatz vom 28. Juli 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Erbschaftsteuer- bzw. Rechtsbehelfsakte des FA, die Gerichtsakte und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. September 2008 Bezug genommen.

Gründe

II.

  1. Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben.
  2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das FA hat zu Recht die Pflichtteilsverbindlichkeit des Erblassers gegenüber der Klägerin im Rahmen der Ermittlung ihres steuerpflichtigen Erwerbs nicht als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG bereicherungsmindernd berücksichtigt.
  3. a) Nach § 10 5 Nr. 2 ErbStG sind von einem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb als Nachlassverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Auflagen und geltend gemachten Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen abzugsfähig. Derartige so genannte Erbfallschulden i.S.d. § 1967 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zeichnet in zivilrechtlicher Hinsicht aus, dass sie den Erben als solchen treffen und in dessen Person aus Anlass des jeweiligen Erbfalls kraft Gesetzes oder aufgrund einer letztwilligen Anordnung des Erblassers entstehen (vgl. z.B. Palandt/Edenhofer, BGB, 66. Aufl. 2007, § 1967 Rz. 7). In erbschaftsteuerlicher Hinsicht korrespondiert die Belastung des mit der gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzugsfähigen Erbfallschuld beschwerten Erben mit einem Erwerb von Todes wegen eines anderen Erwerbers (vgl. z.B. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz. 170). Vor diesem Hintergrund scheidet im Streitfall ein Abzug des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin im Rahmen ihres Erwerbs von Todes wegen aufgrund des Erbfalls bezüglich ihres Vaters gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG von vornherein aus, da die mit dem Pflichtteilsanspruch der Klägerin korrespondierende Verbindlichkeit nicht erst mit dem streitgegenständlichen Erbfall in der Person der Klägerin als Erbfallschuld i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB entstanden ist. Die entsprechende Verbindlichkeit ist vielmehr bereits in der Person des Erblassers mit dem Ableben dessen Ehefrau respektive der Mutter der Klägerin im Jahr 1998 entstanden.
  4. b) Nach § 10 5 Nr. 1 ErbStG sind von einem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb als Nachlassverbindlichkeiten des Weiteren die vom Erblasser herrührenden Schulden abzugsfähig. Derartige so genannte Erblasserschulden zeichnet in zivilrechtlicher Hinsicht aus, dass sie im Zeitpunkt des Erbfalls bereits in der Person des Erblassers entstanden waren (vgl. z.B. Palandt/Edenhofer, BGB, 66. Aufl. 2007, § 1967 Rz. 2) und nicht vor oder mit dem Tod des Erblassers erloschen sind (vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz. 118 f.). In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass gem. § 10 Abs. 3 ErbStG die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung (Konfusion) in zivilrechtlicher Hinsicht erloschenen Rechtsverhältnisse für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung als nicht erloschen gelten. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) gilt diese Vorschrift sowohl für Ansprüche als auch für Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber dem Erben (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1995 II R 45/92, BFHE 178, 459, BStBl II 1996, 11). Im Fall des Verlustes einer Forderung des Erben gegenüber dem Erblasser ist der Erbe insoweit auf den ersten Blick entreichert, als seine Forderung nicht mehr erfüllt werden kann, womit vor dem Hintergrund des § 10 Abs. 3 ErbStG die zivilrechtlich durch Konfusion untergegangene Forderung gegenüber dem Erblasser im Rahmen der Ermittlung des erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbs grundsätzlich als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abgezogen werden kann (vgl. z.B. Weinmann in Moench, ErbStG, § 10 Rz. 41).

18Diese Grundsätze gelten prinzipiell auch in den Fällen, in denen der Inhaber eines Pflichtteilsanspruchs den mit dem Pflichtteil beschwerten Erben beerbt (vgl. hierzu z.B. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz. 98; Weinmann in Moench, ErbStG, § 10 Rz. 42). Nach Ansicht des erkennenden Senats setzt dies entgegen einiger Stimmen in der Literatur jedoch voraus, dass der Pflichtteilsanspruch gegenüber und zu Lebzeiten des beschwerten Erblassers ernstlich geltend gemacht wurde, da der Berechtigte sein Bestimmungsrecht nach der erbfallbedingten Konfusion von Verpflichtung und Anspruch nicht mehr gegenüber sich selber wirksam geltend machen kann (vgl. FG München, Beschluss vom 27. Juli 1990 10 V 3806/89, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1991, 199; a.A. z.B. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz. 98). Nach Ansicht des erkennenden Senats gilt dies insbesondere auch in den Fällen, in denen der Pflichtteilsanspruch des Erben zum Zeitpunkt des Todes des beschwerten Erblassers bereits verjährt war (vgl. FG München, Beschluss vom 30. November 2006 4 V 4323/06, EFG 2007, 369; FG München, Urteil vom 24. Juli 2002 4 K 1286/00, EFG 2002, 1625; a.A. z.B. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz. 98). Nach Ansicht des BFH gilt im Rahmen der Bewertung von Erblasserschulden i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung ein Gebot der wirtschaftlichen Belastung des erwerbenden Erben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. März 1999 II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339). Eine derartige wirtschaftliche Belastung liegt dann nicht vor, wenn bei objektiver Würdigung der Umstände angenommen werden kann, dass der Gläubiger seine Forderung nicht geltend machen wird. Bei Übertragung dieser Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG und des dahinter stehenden Gebots der wirtschaftlichen Belastung auf den Regelungsbereich des § 10 Abs. 3 ErbStG ist es somit nicht möglich, dass der Erbe als Erbe des Pflichtteilsschuldners einen bereits verjährten Pflichtteilsanspruch gegen sich selber geltend macht und als Erblasserschuld i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vom steuerpflichtigen Erwerb in Abzug bringt (gl.A. z.B. Weinmann in Moench, ErbStG, § 10 Rz. 42; a.A. Muscheler, ZEV 2001, 377, 383, 384).

19Im Streitfall bestehen nach Ansicht des erkennenden Senats keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin – wie von ihr behauptet – im Jahr 1998 den zwischen den Beteiligten nach Grund und Höhe unstreitigen Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Erblasser geltend gemacht hat. Insbesondere ist die vorgelegte handschriftliche Berechnung des Erblassers kein tauglicher Beleg für eine ernstliche Geltendmachung. Der Umstand, dass der Erblasser – wie die Klägerin selbst vorträgt – gezwungen gewesen wäre, das Familienwohnheim zu veräußern, um den Pflichtteilsanspruch erfüllen zu können, spricht nach Ansicht des erkennenden Senats vielmehr gegen eine ernstliche Geltendmachung zum damaligen Zeitpunkt, zumal der Erblasser in der Folgezeit zwei Herzinfarkte und einen Schlaganfall erlitten hatte und pflegebedürftig war. Der fehlende Nachweis dieser steuermindernden Tatsache geht somit zu Lasten der Klägerin, die insoweit die Feststellungslast trägt. Der zu Lebzeiten des Erblassers nicht geltend gemachte und unstreitig gem. § 2332 Abs. 1 BGB zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Erbfalls bereits verjährte Pflichtteilsanspruch kann somit mangels wirtschaftlicher Belastung der Erblasserin und ungeachtet des Regelungsbereichs des § 10 Abs. 3 ErbStG nicht als Erblasserschuld i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vom steuerpflichtigen Erwerb abgezogen werden.

  1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

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