FG Nürnberg, 4 K 270/14 – Streitig ist, ob Zahlungsverpflichtungen aus der Abrechnung von Erschließungsbeiträgen für eine Lärmschutzeinrichtung als Verbindlichkeiten i.S.v. § 10 Abs. 5 ErbStG berücksichtigt werden können.

Januar 22, 2018

FG Nürnberg, 4 K 270/14

Tenor

  1. Unter Abänderung des Erbschaftsteuerbescheids vom 08.12.2014 wird die Erbschaftsteuer auf 69.960 € herabgesetzt.
  2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
  3. Das Urteil ist wegen der zu erstattenden Aufwendungen der Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Aufwendungen der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  4. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Zahlungsverpflichtungen aus der Abrechnung von Erschließungsbeiträgen, für eine Lärmschutzeinrichtung als Verbindlichkeiten i.S.v. § 10 Abs. 5 ErbStG berücksichtigt werden können.

Die Klägerin ist testamentarische Alleinerbin der am 27.09.2012 verstorbenen D. Sie ist Tochter der Cousine der Erblasserin.

Im Nachlass befanden sich u.a. das mit einem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück Straße 1, A-Stadt, wobei eine Wohnung von der Erblasserin selbst genutzt, die andere vermietet worden war, und ein unbebautes Grundstück Straße, Fl.Nr. 2…/139 der Gemarkung A-Stadt.

Im Erbschaftsteuerbescheid vom 22.11.2013, in dem das Finanzamt weitgehend den Angaben der Klägerin folgte, wurde ein Wert des Erwerbs von 349.467 € und ein steuerpflichtiger Erwerb von 329.400 € angesetzt und die Erbschaftsteuer nach Steuerklasse III i.H.v. 98.820 € festgesetzt.

Im Einspruchsverfahren brachte die Klägerin – soweit jetzt noch streitig – vor, sie sei im Rahmen der Erbschaft mit Zahlungsverpflichtungen aus Erschließungsbeiträgen für Lärmschutz belastet. Mit Bescheid vom 30.10.2013 der Stadt A-Stadt sei von ihr für das Grundstück Fl.Nr. 1… Gemarkung A-Stadt (gemeint Straße 1) ein Erschließungsbeitrag i.H.v. 6.760,61 € erhoben worden.

Das unbebaute Grundstück habe sie mit notariellem Kaufvertrag vom 10.07.2013 an die Ehegatten EG und FG verkauft. Im Vertrag sei unter „VII. Erschließungskosten 1.“ vereinbart worden, dass die für das Vertragsgrundstück etwa anfallenden Kosten und Lasten für die aktuell durchgeführte Lärmschutzmaßnahme (Lärmschutzwall) vom Veräußerer zu tragen seien; diese Kosten seien im Kaufpreis mitenthalten. Vorstehendes gelte unabhängig davon, wann und in welcher Höhe die Kosten anfallen/angefallen seien, bzw. wann die Inrechnungstellung erfolge. Mit Bescheid vom 30.10.2013 gegenüber EG sei von diesem ein Erschließungsbeitrag i.H.v. 5.856,02 € erhoben worden. Die Klägerin habe am 20.11.2013 diesen Betrag an die Stadt A-Stadt überwiesen.

Die Bescheide vom 30.10.2013 der Stadt A-Stadt führen in den Gründen aus:

„Die Beitragspflicht ergibt sich aus Artikel 5a KAG, § 134 Abs. 1, § 133 Abs. 1 und 2 BauGB. Sie ist mit der endgültigen Herstellung der für die Erschließung des Baugebietes Straße erforderlichen Lärmschutzeinrichtung am 19.08.2013 entstanden. (…) Beitragspflichtig ist derjenige, der im Zeitpunkt der Bescheidbekanntgabe Eigentümer des Grundstücks ist. Mehrere Beitragspflichtige sind Gesamtschuldner (§ 134 Abs. 1 BauGB).“

Die Klägerin fügte ihrem Vorbringen einen Bericht „Schalltechnische Untersuchung zur Änderung des Bebauungsplans „Straße“ der Stadt A-Stadt“ des beratenden Ingenieurs H vom 05.10.2009 bei. Ferner legte sie die am 01.03.2010 vom Oberbürgermeister der Stadt A-Stadt unterschriebene Änderung des Bebauungsplans „Bebauungsplan Nr. 6….. „Strasse“ Änderung Nr. 6….. Ä 3 „Nördliche und südliche Lärmschutzeinrichtung entlang der BAB A xx“ Begründung gemäß § 9 Abs. 8 BauGB“ vor. Hierin heißt es unter „7. Auswirkungen“: „(…) Die Kosten für die Lärmschutzeinrichtung sind auf die davon begünstigten Bewohner des Baugebiets „Straße“ umzulegen. Zur Festlegung des Umlegungsmaßstabs ist durch die Kämmerei eine Satzung zu erlassen, unter Heranziehung einer schalltechnischen Untersuchung, in der die durch die Lärmschutzeinrichtung Begünstigten ermittelt werden. Diese schalltechnische Untersuchung wird nach Fertigstellung der Lärmschutzeinrichtung erstellt.“

Sie trug dazu vor, die Lärmschutzeinrichtung sei bereits am 01.03.2010 beschlossen worden; das entsprechende Gutachten hierfür datiere vom 05.10.2009. Aufgrund des Bebauungsplans sei bekannt gewesen, dass kostenpflichtige Erschließungsbescheide durch die Stadt A-Stadt erstellt werden würden. Bereits zum Todeszeitpunkt der Erblasserin sei also mit einer entsprechenden Inanspruchnahme zu rechnen gewesen. Sie habe den Zeitpunkt der Bescheiderteilung nicht beeinflussen können. Objektiv sei es keine neu entstandene Schuld, sondern es sei erst nach dem Ableben der Erblasserin mit Bescheiden abgerechnet worden. Die schwebende Verpflichtung sei in einem Beitragsbescheid festgestellt worden.

Das Finanzamt erließ am 23.01.2014 einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Erbschaftsteuerbescheid, in dem es einen Freibetrag nach § 13c ErbStG berücksichtigte, den steuerpflichtigen Erwerb mit 317.700 € ansetzte und die Erbschaftsteuer auf 95.310 € festsetzte.

Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg; mit Einspruchsentscheidung vom 07.02.2014 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Vorbringen weiter und trägt vor:

Die Problematik der Lärmschutzmaßnahmen Straße sei bereits seit dem Kalenderjahr 2009 bekannt. Bereits im Zeitpunkt des Ablebens der Erblasserin sei die Verpflichtung zu erkennen gewesen. Dass diese Maßnahme für niemanden überraschend gekommen sei, sei auch in der Beurkundung des Verkaufs des unbebauten Grundstücks ersichtlich. Dies belege, dass die Existenz von Kosten bekannt gewesen sei, wenn auch nicht auf Heller und Pfennig genau.

In der mündlichen Verhandlung haben der Klägervertreter und die Klägerin vorgetragen, eine Rückfrage bei der Stadt A-Stadt habe ergeben, dass die Lärmschutzeinrichtung bereits im Jahr 2011 fertiggestellt gewesen sei. Wegen der langwierigen und umfangreichen Diskussionen mit den betroffenen Anwohnern hinsichtlich der Erschließungsbeiträge habe sich die Erstellung der Beitragsbescheide bis ins Jahr 2013 verzögert. Zur Erläuterung legte die Klägerin Zeitungsausschnitte vom 07.12.2012 und 04.01.2013 vor. Der Verkauf des unbebauten Grundstücks sei an fremde Dritte erfolgt.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 08.12.2014 dahin zu ändern, dass Erschließungsbeiträge i.H.v. 6.761 € und 5.856 € als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden und die Erbschaftsteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es verweist auf sein bisheriges Vorbringen im Einspruchsverfahren.

Am 08.12.2014 hat das Finanzamt einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Erbschaftsteuerbescheid erlassen, in dem es Vermächtnisansprüche der vier Kinder der Klägerin mit einem Kapitalwert von 71.840 € (80.000 € x 0,898) als Vermächtnisschuld berücksichtigte; den Wert des Erwerbs legte es mit 277.627 € und den steuerpflichtigen Erwerb mit 245.800 € zugrunde und setzte Erbschaftsteuer i.H.v. 73.740 € fest.

Gründe

Die Klage ist begründet; die Erschließungsbeiträge i.H.v. 6.761 € und 5.856 € sind als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen.

  1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) unterliegt der Erbschaftsteuer der Erwerb von Todes wegen. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)). Die Steuer entsteht bei Erwerb von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Als steuerpflichtiger Erwerb gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§§ 5, 13, 13a, 13c, 16, 17 und 18 ErbStG).

Vom Erwerb sind, soweit sich nicht aus § 10 Abs. 6 bis 9 ErbStG etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG die vom Erblasser herrührenden Schulden abzugsfähig, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb, Anteil an einem Gewerbebetrieb, Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder Anteil an einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits bei der Bewertung der wirtschaftlichen Einheit berücksichtigt worden sind.

  1. Die Zahlung der Beiträge für die Lärmschutzeinrichtung erfolgte auf „vom Erblasser herrührende Schulden“, sodass eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d § 10 Abs. 5 Satz 1 ErbStG vorliegt.
  2. a) Nach § 1922 1 BGB geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über. Gemäß § 1967 BGB haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten. Das hierin für den Erbfall statuierte Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge beschränkt sich nicht auf den Bereich des Zivilrechts, sondern erstreckt sich auch auf das Steuerrecht (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17.12.2007 GrS 2/04, BStBl II 2008, 608, unter D.I.). So ordnet § 45 Abs. 1 Satz 1 AO an, dass bei der Gesamtrechtsnachfolge „die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über(gehen)“. Ungeachtet des restriktiv gehaltenen Wortlauts des § 45 Abs. 1 Satz 1 AO leitet der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung aus dieser Bestimmung her, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich in einem umfassenden Sinne sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers eintritt (vgl. BFH-Urteil vom 04.07.2012 II R 15/11, BStBl II 2012, 790 und BFH-Beschluss in BStBl II 2008, 608, unter D.I.1., m.w.N.).
  3. b) Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 5 Nr. 1 ErbStG setzt ebenso wie die Erbenhaftung nach § 1967 Abs. 2 BGB voraus, dass Schulden vom Erblasser herrühren. Aus dem Begriff „herrühren“ ergibt sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. Zivilrechtlich gehen mit dem Erbfall auch „verhaltene“, noch werdende und schwebende Rechtsbeziehungen des Erblassers auf den Erben über (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 07.06.1991 V ZR 214/89, NJW 1991, 2558, m.w.N.). Deshalb sind Erblasserschulden i.S. des § 1967 Abs. 2 BGB auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre (vgl. BGH-Urteil in NJW 1991, 2558).
  4. c) Diese zivilrechtlichen Grundsätze sind auch für die Beurteilung der Nachlassverbindlichkeiten im Sinn des § 10 5 Nr. 1 ErbStG zu beachten (vgl. BFH-Urteile vom 04.07.2012 II R 15/11, BStBl II 2012, 790, und vom 05.07.1978 II R 64/73, BStBl II 1979, 23; Weinmann in Moench/Weinmann, § 10 ErbStG Rz 51). Der Abzug der vom Erblasser herrührenden Schulden setzt nicht zwingend voraus, dass beim Tod des Erblassers, also zum maßgeblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), eine rechtliche Verpflichtung bestanden haben muss (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1963 II 166/61, HFR 1964, 83, und in BStBl II 1979, 23).
  5. d) Nach der Rechtsprechung des BFH muss zur Abzugsfähigkeit als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 5 Nr. 1 ErbStG hinzukommen, dass die vom Erblasser herrührenden persönlichen Verbindlichkeiten, die gemäß § 1922 Abs. 1, § 1967 BGB, § 45 Abs. 1 AO auf den Erben übergegangen sind, den Erblasser im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belastet haben (BFH-Urteil vom 02.03.2011, II R 5/09, BFH/NV 2011, 1147, 1155 mit umfangreichen Nachweisen). Der Abzug als Nachlassverbindlichkeit ist hiernach geboten, wenn die wirtschaftliche Belastung des Erben durch die Verbindlichkeit mit dem Tod des Erblassers eintritt oder zu diesem Zeitpunkt feststeht, dass sie eintreten wird.

Das Erfordernis der wirtschaftlichen Belastung hatte der BFH in der älteren Rechtsprechung in einigen Konstellationen streng beurteilt (vgl. BFH-Urteil vom 02.03.2011, II R 5/09, BFH/NV 2011, 1147-1158, Rz. 83 bis 86).

In seiner Entscheidung zur Berücksichtigung von Einkommensteuerschulden des Erblassers im Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten (BFH-Urteil vom 04.07.2012 II R 15/11, BStBl II 2012, 790, Rz. 17) hielt der BFH an dem Erfordernis nicht mehr fest: „Soweit aus den hauptsächlich zum Erfordernis einer wirtschaftlichen Belastung ergangenen Entscheidungen des BFH entnommen werden könnte bzw. kann, dass der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG „nur“ bei einer zum Zeitpunkt des Erbfalls bestehenden rechtlichen Verpflichtung möglich ist, hält der Senat daran jedenfalls für die kraft Gesetzes aufgrund einer Tatbestandsverwirklichung des Erblassers entstehenden Steueransprüche nicht mehr fest (m.w.N.). Es verbleibt jedoch dabei, dass der Abzug einer Steuerschuld als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG–abweichend vom Zivilrecht– zusätzlich voraussetzt, dass sie eine wirtschaftliche Belastung darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 02.03.2011 II R 5/09, BFH/NV 2011, 1147, unter III.7.c aa aaa).“

Der BFH führt in dieser Entscheidung (Rz. 15) aus: Bei einem Erwerb von Todes wegen wirken sich auch Steuerschulden aus der Veranlagung des Erblassers für das Todesjahr bereicherungsmindernd aus, obwohl sie beim Erbfall noch nicht rechtlich entstanden waren. Denn der Erbe hat diese Steuerschulden zu tragen. Entscheidend für den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist, dass der Erblasser in eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und deshalb „für den Erblasser“ als Steuerpflichtigen eine Steuer entsteht.

  1. e) Gebel vertritt in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10, Rz. 122, die Auffassung, latente Belastungen des durch Erbfall übergegangenen Vermögens mit gesetzlichen Verpflichtungen, die zwar auf dieses Vermögen bezogen sind, aber erst durch Handlungen der Erben Zahlungspflichten in dessen Person begründen, können (…) nicht dem Erblasser zugerechnet werden (mit Verweis auf FG München 27.10.1988, EFG 1989, 188: kein Abzug von Kanalisationsanschlusskosten als Nachlassverbindlichkeiten, wenn die öffentlich-rechtliche Anschlussverpflichtung erst nach dem Tod des Erblassers durch Gemeindesatzung entstanden ist und der Auftrag zur Erstellung des Anschlusskanals vom Erben erteilt wurde.)
  2. Nach § 134 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) ist beitragspflichtig derjenige, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids Eigentümer des Grundstücks ist. Die Beitragspflicht entsteht nach § 133 Abs. 2 BauGB mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch die Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind.
  3. Die Erschließungsbeiträge über 6.761 € und 5.856 € sind von der Erblasserin herrührende Schulden.

34a) Die Verbindlichkeit, hier die Pflicht zur Leistung der Erschließungsbeiträge, war zwar im Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden. Im Zeitpunkt des Erbfalls waren Beitragsbescheide nicht ergangen.

Die Beitragspflicht trifft nach § 134 Abs. 1 BauGB den im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids jeweiligen Eigentümer des Grundstücks. Die Beitragspflicht entsteht nach § 133 Abs. 2 BauGB mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Dieser Zeitpunkt ist in den Bescheiden vom 30.10.2013 mit dem 19.08.2013 angegeben. Damit trifft die Beitragspflicht die Klägerin als – in diesem Zeitpunkt – Eigentümerin des Grundstücks Straße 1 und EG als (Mit-)Eigentümer des unbebauten Grundstücks. Die Beitragsbescheide der Stadt A-Stadt vom 30.10.2013 an sie entsprachen diesen Vorgaben.

  1. b) Jedoch müssen die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein. Zivilrechtlich gehen mit dem Erbfall auch „verhaltene“, noch werdende und schwebende Rechtsbeziehungen des Erblassers auf den Erben über (s.o.). Erblasserschulden i.S. des § 1967 2 BGB sind auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre. Der Abzug der vom Erblasser herrührenden Schulden nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt nicht zwingend voraus, dass beim Tod des Erblassers, also zum maßgeblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), eine rechtliche Verpflichtung bestanden haben muss.

Bei der Beitragspflicht für den Erschließungsbeitrag handelt es sich um eine derartige werdende und schwebende Rechtsbeziehung der Erblasserin.

Mit der Änderung des Bebauungsplans am 01.03.2010 durch die Stadt A-Stadt erfolgte unter „7. Auswirkungen“ die gemeindliche Entscheidung, die Kosten der Lärmschutzeinrichtung auf die davon begünstigten Bewohner – seinerzeit auch die Erblasserin – umzulegen. Der Höhe nach wurde der Umlagebeitrag darin nicht geregelt; die Festlegung des Umlegungsmaßstabs sollte – nach Fertigstellung der Lärmschutzeinrichtung – unter Heranziehung einer schalltechnischen Untersuchung erfolgen. Damit war mit der gemeindlichen Entscheidung vom 01.03.2010 geregelt, dass – dem Grunde, noch nicht der Höhe nach – eine Umlage der Kosten auf die begünstigten Bewohner und damit auch die Erblasserin erfolgt.

Nach Erkundigung des Klägervertreters bei der Stadt A-Stadt war die Lärmschutzeinrichtung bereits im Jahr 2011, also vor dem Erbfall, fertiggestellt. Auch wenn die „endgültige Herstellung“ der Lärmschutzeinrichtung laut Bescheid vom 30.10.2013 erst am 19.08.2013 erfolgte, konkretisierte und verfestigte sich für die Erblasserin mit der Errichtung der Lärmschutzeinrichtung ihre künftige Beitragspflicht.

Wie sich aus den vorgelegten Zeitungsausschnitten ergibt, stand in der Phase der öffentlichen Diskussion mit den betroffenen Anliegern das „Ob“ der Beitragspflicht, wie in der Änderung des Bebauungsplans am 01.03.2010 geregelt, nie in Frage.

Die Beitragspflicht wäre in der Person der Erblasserin entstanden, wenn sie nicht vor Erlass des Beitragsbescheides verstorben wäre.

  1. c) Im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin stand fest, dass die wirtschaftliche Belastung der Klägerin als Erbin eintreten wird. Da die Lärmschutzeinrichtung als solche zu diesem Zeitpunkt bereits errichtet war und die Umlage im Grundsatz seit 01.03.2010 feststand, war die wirtschaftliche Belastung der Klägerin als Erbin des Grundbesitzes nur eine Frage der Zeit, bis die Gespräche mit den betroffenen Anwohnern abgeschlossen und die endgültige Herstellung der Baumaßnahme erfolgt waren und sodann eine Verbescheidung erfolgen konnte.

Ebenso stand für das unbebaute, später an die Ehegatten G verkaufte Grundstück die wirtschaftliche Belastung der Klägerin als Erbin des Grundstücks fest.

Dieser Zusammenhang wird nicht durch die Veräußerung des Grundstücks an die Ehegatten G und den Umstand unterbrochen, dass EG als neuer (Mit-)Eigentümer Adressat des Beitragsbescheids vom 30.10.2013 war.

Die seinerzeit im Raume stehende und – insbesondere durch die aus den Zeitungsberichten ersichtliche, offensichtlich kontrovers geführte Diskussion zwischen Stadt A-Stadt und Anwohnern – in der Öffentlichkeit bekannte anstehende Beitragspflicht führte dazu, dass die Klägerin mit den Käufern vereinbarte, dass etwa anfallende Kosten und Lasten für die aktuell durchgeführte Lärmschutzmaßnahme vom Veräußerer zu tragen seien und im Kaufpreis mit enthalten seien. Der Verkauf erfolgte an fremde Dritte.

Die Klägerin war fortdauernd durch die anstehende Beitragspflicht belastet: Bis zur Veräußerung stand die zukünftige wirtschaftliche Belastung der Klägerin als Erbin des Grundstücks fest. Mit der Veräußerung an einen fremden Dritten wurde der erzielte Kaufpreis durch die Übernahme des Erschließungsbeitrags in noch unbestimmter Höhe gemindert. Die wirtschaftliche Belastung durch den anstehenden Erschließungsbeitrag verblieb bei der Klägerin.

  1. Die Erbschaftsteuer wird demnach wie folgt berechnet und festgesetzt (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO):
  2. Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage, ob Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vor Ergehen von Bescheiden über Erschließungsbeiträge vorliegen können, wird die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Hierzu gibt es, soweit ersichtlich, bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das von der Klägerin durchgeführte Vorverfahren wird aufgrund der Schwierigkeit der betroffenen Sach- und Rechtsfragen für notwendig erklärt (§ 139 Abs. 3 S. 3 FGO).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten aus §§ 151 Abs. 1 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

 

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