Finanzgericht Rheinland-Pfalz 2. Senat, 2 K 1760/14
Beschränkung der Erbenhaftung für Einkommensteuerforderungen, die aus der Vermietung eines ererbten Objektes herrühren
Haftungsbeschränkung für Einkommensteuer auf Einkünfte, die unter Einsatz von zum Nachlass gehörendem Vermögen erzielt werden, ab dem Zeitpunkt, ab dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Erben auf den Nachlassinsolvenzverwalter übergeht
Unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 11. Dezember 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. April 2013 wird der Beklagte verpflichtet, wegen der sich aus den Einkommensteuerfestsetzungen für 2010 und 2011 vom 20. März 2012 und 7. Februar 2013 ergebenden Nachzahlung, die aus der Vermietung der Objekte L-Straße 1. Hausnummer und 2. Hausnummer, PLZ H und L-Gasse Hausnummer, PLZ H für die Zeit ab April 2010 resultieren, lediglich in den auf den Kläger entfallenden Nachlass des Herrn F zu vollstrecken.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten zugunsten des Klägers vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der noch festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitig ist, ob Einkommensteuerforderungen, die aus der Vermietung eines ererbten Objektes herrühren, auf Grund angeordneten Nachlassinsolvenzverfahrens der beschränkten Erbenhaftung unterfallen.
Der Kläger und seine Mutter wurden Miterben ihres in 2005 verstorbenen Vaters/Ehemannes. Zum Nachlass gehörten die fremdvermieteten Mehrfamilienhäuser L-Straße 1. Hausnummer und 2. Hausnummer in PLZ H sowie das gewerblich verpachtete Objekt L-Gasse Hausnummer in H. Die hieraus von dem Kläger und seiner Mutter in Erbengemeinschaft erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden auf der Grundlage entsprechender Feststellungserklärungen bis jedenfalls einschließlich des Veranlagungszeitraumes 2011 gesondert vom Finanzamt festgestellt.
Nachdem der Kläger und seine Miterbin Ende 2009 zur Zahlung eines Vermächtnisses an Verwandte des verstorbenen Vaters verurteilt worden waren, war auf ihren Antrag hin am 1. April 2010 das derzeit noch andauernde Nachlassinsolvenzverfahren über den Nachlass des Vaters eröffnet worden. In dessen Rahmen wurden die o.g. Anwesen in 2013 veräußert.
Die gesondert festgestellten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Klägers fanden Eingang in die jeweiligen Einkommensteuerfestsetzungen, u.a. in die für 2010 vom 20. März 2012 und in die für 2011 vom 7. Februar 2013.
Nachdem der Kläger und seine mit ihm zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehefrau die sich hieraus ergebenden Einkommensteuernachzahlungen schuldig geblieben waren und das Finanzamt daraufhin die Vollstreckung angekündigt hatte, wurde die Einkommensteuerschuld 2010 und 2011 auf Antrag des Klägers und seiner Gattin aufgeteilt. Des Weiteren machte der Kläger die Einwendung der beschränkten Erbenhaftung nach § 1975 BGB geltend. Hierzu trug er vor, die o.g. Nachzahlungsverpflichtungen beruhten auf den festgestellten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Sie seien damit allein aus Vermögensgegenständen erzielt worden, die zur Nachlassinsolvenzmasse gehörten. Er und seine Mutter hätten auch nicht die Möglichkeit gehabt, die Mietverhältnisse, die noch der Vater eingegangen sei, ohne weiteres zu kündigen. Hierzu hätte es nach § 573 BGB eines berechtigten Interesses bedurft. Das Interesse an der Vermeidung entsprechender Einkünfte reiche hierfür nicht aus. Zudem habe nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ohnehin nur noch der Insolvenzverwalter Mietverhältnisse begründen und beenden können. Daher sei die Entscheidung des BFH vom 11. August 1998, VII R 118/95 einschlägig. Die Einkommensteuerschuld stelle eine Nachlassverbindlichkeit in Form der Nachlassverwaltungskostenschuld dar, so dass die Erbenhaftung auf den Nachlass beschränkt werden könne.
Auf Nachfrage des Finanzamtes ließ der Kläger noch wissen, er habe sich zunächst nur wenig um den Nachlass gekümmert und alle Entscheidungen sowie die Verwaltung seiner Mutter überlassen. Seinem Kenntnisstand nach habe diese sich auch nicht um einen Verkauf der Häuser in H bemüht. Hierfür habe es gar keinen Anlass gegeben, da diese sich mehr oder weniger selbst getragen hätten. Aller Wahrscheinlichkeit nach seien die Mietverhältnisse noch vom Vater eingegangen worden, es sei jedoch auch möglich, dass eine der Wohnungen vor Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens durch die Mutter neu vermietet worden sei. Nachweise hierzu könnten nicht mehr beschafft werden. Sämtliche Unterlagen seien an den Käufer des Objektes übergeben worden. Der diesbezüglich angeschriebene Nachlassinsolvenzverwalter habe nicht reagiert. Weder der Kläger noch seine Mutter hätten von diesem irgendwelche Zahlungen erhalten.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2013 lehnte das Finanzamt den Antrag auf Haftungsbeschränkung ab, da die Grundsätze über die Beschränkung der Erbenhaftung nur für Nachlassverbindlichkeiten Anwendung fänden, die Einkommensteuerschulden des Klägers jedoch keine Nachlassverbindlichkeiten darstellten. Zu diesen zählten die vom Erblasser auf den Erben übergegangenen Schulden sowie die aus Anlass des Erbfalles entstandenen Schulden, insbesondere aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen sowie die Erbschaftsteuer. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gehöre die Einkommensteuer auf Grund von Einkünften, die der Erbe aus dem Nachlass erziele, jedoch nicht dazu. Auch das von dem Kläger zitierte Urteil des BFH ändere daran nichts. Der BFH habe dort folgende Differenzierung getroffen: wenn die Steuerschuld „nach materieller Betrachtungsweise“ dem Bereich des Erblassers zuzurechnen sei, könne die Haftung beschränkt werden. Sei sie dagegen dem Bereich des Erben zuzurechnen, komme eine Beschränkung nicht in Betracht. Die danach für den Kläger günstige Tatsache, dass Mietverhältnisse unverändert fortbestanden hätten, sei nicht nachgewiesen worden. Darüber hinaus bestehe hier die Besonderheit, dass seit dem Erbfall bereits mehrere Jahre vergangen seien, in denen die Objekte hätten verkauft werden können. In einem ähnlich gelagerten Fall habe der BFH einem Erben die Berufung auf die beschränkte Erbenhaftung mit der Begründung versagt, dem Erben sei eine steuerlich relevante Nutzung des Nachlasses zuzurechnen, da er noch mehrere Jahre nach dem Erbfall die Rechtsgeschäfte des Erblassers fortgeführt habe. Im Streitfall seien die Vermietungsobjekte jahrelang gehalten und im Wege der Vermietung genutzt worden, was auch durch die von dem Kläger und seiner Mutter eingereichten Steuererklärungen dokumentiert werde. Nach „materieller Betrachtungsweise“ seien die Steuerschulden daher dem Bereich der Erben zuzurechnen.
Dem stehe auch weder die Anordnung einer Nachlassverwaltung noch die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens entgegen. Solche Maßnahmen begründeten für den Erben zwar Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkungen, ließen aber den Steueranspruch des Finanzamtes gegenüber dem Erben unberührt. Dabei sei es auch unerheblich, dass dem Erben die während der Nachlassverwaltung/während des Nachlassinsolvenzverfahrens erzielten Erträge regelmäßig nicht unmittelbar zuflössen, weil sie der Nachlassverwalter zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten eingesetzt habe. Die Verwendung von Einkünften habe keine Auswirkung auf die bestehende Steuerpflicht. Der Erbe könne sich wegen der verauslagten Einkommensteuer allenfalls im Innenverhältnis gegenüber dem Nachlass mittels eines Aufwendungsersatzanspruches schadlos halten.
Mit hiergegen fristgerecht eingelegtem Einspruch gab der Kläger zu bedenken, dass er – folgte man der Auffassung des Finanzamtes – aus eigenem Vermögen für durch den Nachlassinsolvenzverwalter erzielte, aber nicht an die Erben weitergeleitete, sondern für Zwecke des Nachlassinsolvenzverfahrens verwendete Einkünfte zu haften hätte. Da die Einkommensteuerschuld zudem noch in den Zurechnungsbereich des Erblassers falle, müsse die beschränkte Erbenhaftung greifen.
Nachdem eine Nachfrage des Finanzamtes beim Nachlassinsolvenzverwalter betreffend evtl. Verkaufsabsichten der Erbengemeinschaft unbeantwortet und auch eine Anforderung der einschlägigen Mietverträge ohne Reaktion des Verwalters geblieben waren, wurde der Einspruch unter dem 30. April 2014 mit der bereits zur Ablehnung der Haftungsbeschränkung erfolgten Begründung zurückgewiesen (Bl. 82 ff. Vollstreckungsakten).
Mit der vorliegenden, sich hiergegen richtenden Klage trägt der Kläger – über die bereits zuvor erfolgten Einwendungen hinaus – vor, bei Aufhebung des Nachlassinsolvenzverfahrens würden er und seine Mutter keine Zahlungen erhalten. Die Masse reiche nicht aus, um sämtliche Verbindlichkeiten und Kosten zu decken. Im Prinzip stritten die Beteiligten hier über die Auslegung des Urteils des BFH vom 11. August 1998, VII R 118/95. Dort habe der BFH entschieden, dass die Steuerschuld dem Bereich des Erblassers und nicht dem Erben zuzurechnen sei, wenn der Erblasser selbst noch einen Geschehensablauf in Gang gesetzt habe, den weder der Erbe noch der Nachlassinsolvenzverwalter im Hinblick auf die Realisierung eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnes habe beeinflussen können. Das sei hier der Fall gewesen, da die Anwesen zum Zeitpunkt des Todes des Vaters komplett vermietet gewesen seien. Es sei dann auch nicht schädlich, wenn einzelne leer werdende Wohnungen in der Folgezeit durch die Mutter des Klägers neu vermietet worden sein sollten, denn es seien dann jedenfalls Mietverhältnisse vorhanden gewesen, die bis zum Verkauf der Objekte fortbestanden hätten. Wegen dieser fortbestehenden Mietverhältnisse sei auch nur eine Neuvermietung von leer werdenden Wohnungen in Frage gekommen.
Zudem habe der Kläger aus den Mieteinkünften auf Grund der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens keinen wirtschaftlichen Vorteil mehr gehabt. Der Insolvenzverwalter habe hiermit weder eigene Verbindlichkeiten des Klägers zurückgeführt noch sei mit einer Auskehrung von Vermögen bei Beendigung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu rechnen. Der Beklagte versuche also, Einkommensteuer aus Einkünften beizutreiben, die dem Kläger nie zugeflossen seien und auch nie zufließen würden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 11. Dezember 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. April 2013 zu verpflichten, wegen der Einkommensteuerschuld 2010 und 2011 des Klägers, die durch die Vermietung der Objekte L-Gasse Hausnummer und L-Straße 1. Hausnummer und 2. Hausnummer, PLZ H durch die Erbengemeinschaft „F“ entstand, lediglich in den auf den Kläger entfallenden Nachlass des verstorbenen F zu vollstrecken,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er meint, es sei unschädlich, dass dem Kläger die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nie direkt zugeflossen seien. Die Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten durch den Nachlassinsolvenzverwalter unter Verwendung dieser Einkünfte komme dem hierfür jedenfalls dem Grunde nach haftenden Erben zumindest wirtschaftlich zu Gute. Gemäß den bereits in der Einspruchsentscheidung bzw. dem ablehnenden Bescheid dargestellten Grundsätzen, die vom BFH herausgearbeitet worden seien, und auch nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. dessen Urteil vom 23. Januar 2013, VIII ZR 68/12) sei darauf abzustellen, ob die Erben nach dem Tod des Erblassers Einfluss auf die Fortführung der zuvor geschlossenen Mietverträge nehmen könnten, sei es in Form von aktivem Tun (Kündigung bzw. Abschluss von neuen Mietverträgen) oder auch in Form des Verkaufs des Mietobjektes.
Dem hält der Kläger entgegen, das vom Finanzamt zitierte Urteil des BGH sei nicht einschlägig. Es behandle den genau umgekehrten Fall. Zudem sei die zivilrechtliche Ausgangslage eine völlig andere.
Darüber hinaus sei im Streitfall zu berücksichtigen, dass sich die Mieteinnahmen und die Werbungskosten (bestehend aus Darlehenszinsen und Instandhaltungsaufwendungen) die Waage hielten. Wenn in einem solchen Fall der Erbe leerstehende Wohnungen neu vermiete, um ererbte Verbindlichkeiten zu decken, begründe er keine Eigenschuld, sondern eine Nachlassverbindlichkeit.
Das Finanzamt macht in Erwiderung hierauf weitere Ausführungen dazu, aus welchen Gründen das zitierte BGH-Urteil auch im Streitfall heranzuziehen sei. Es meint zusammenfassend, sowohl aus der Rechtsprechung des BGH als auch aus der des BFH lasse sich folgender Schluss ziehen: führe der Erbe eines Vermieters nach dessen Tod die Rechtsgeschäfte fort und unterlasse er es, sich von diesen – sei es durch Kündigung, sei es durch Veräußerung – zu lösen, obwohl ihm dies rechtlich möglich gewesen wäre, sei ihm dies zuzurechnen, so dass eine Beschränkung der Erbenhaftung nicht stattfinde.
Die Klage ist überwiegend begründet.
Die auf Erträge des zu einem Nachlass gehörenden Vermögens zurückzuführende Einkommensteuer ist – wie das auch von den Beteiligten übereinstimmend so gesehen wird – nicht gegen den Nachlass, sondern gegen den Erben festzusetzen. Der Nachlass als solcher ist kein Subjekt der Einkommensbesteuerung. Den Tatbestand der Einkunftserzielung vermag allein der Erbe, nicht der Nachlass zu verwirklichen. (Der Senat verweist hierzu auf die Ausführungen in dem Urteil vom heutigen Tage in der Streitsache der Mutter des Klägers wegen gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2011, 2 K 2143/13, zu der der Kläger beigeladen war.)
Die Beteiligten gehen auch zu Recht davon aus, dass die hier aufgeworfene Problematik nicht Gegenstand des Einkommensteuerfestsetzungsverfahrens oder des Verfahrens betreffend die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sondern allein im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu entscheiden ist (BFH, Urteil vom 11. August 1998, VII R 118/95, BStBl II 1998, 705, m.w.N.).
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Im Streitfall haben der Kläger und seine Mutter – wie im Übrigen von ihnen selbst erklärt – seit dem Ableben des Vaters/Ehemannes bis zur Veräußerung des o.g. Anwesens, also insbesondere auch während des Nachlassinsolvenzverfahrens, den Tatbestand der Einkünfteerzielung durch Vermietung gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt. Der Nachlassinsolvenzverwalter ist lediglich Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 AO. Steuersubjekt bleibt der Erbe. Ihm sind die steuerpflichtigen Einkünfte aus der Verwaltung des Nachlassvermögens persönlich zuzurechnen, obwohl er während des Nachlassinsolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Nutzungsbefugnis hierüber verloren hat, denn die Handlungen des Nachlassinsolvenzverwalters werden, was die Frage der Steuerfestsetzung betrifft, ihm mit steuerlicher Wirkung als eigene zugerechnet (BFH, Urteil vom 10. Februar 2015, IX R 23/14, BFH/NV 2015, 1018, m.w.N., für den Fall der Zwangsverwaltung).
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Dem steht nicht entgegen, dass der Nachlassinsolvenzverwalter auch und gerade die Interessen der Nachlassgläubiger, nicht die des Erben wahrnimmt (vgl. BFH, Urteil vom 18. Mai 1988, X R 27/80, BStBl II 1988, 716 zum Sachwalter im Vergleichsverfahren).
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Hinzu kommt, dass, indem die Mieteinnahmen von dem Nachlassinsolvenzverwalter eingezogen wurden und zur Begleichung des o.g. Vermächtnisses Verwendung fanden, dies dem Kläger (und seiner Mutter) insoweit zu Gute kam, als diese gegen sie gerichtete Forderung der Vermächtnisgläubiger in entsprechendem Umfang getilgt wurde. Die von dem Kläger in diesem Zusammenhang geäußerte Einwendung, dies sei ungerecht, da die Gläubiger nur auf den Nachlass und nicht auch auf das Eigenvermögen des Klägers hätten zugreifen können, berührt die Einkünftezurechnung nicht. Sie kann allenfalls im Rahmen der später zu prüfenden Haftungsbeschränkung von Belang sein.
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Derjenige, der – wie demnach hier der Kläger und seine Mutter – den Tatbestand der Einkünfteerzielung realisiert, hat grundsätzlich auch die sich hieraus ergebenden Einkommensteuern zu entrichten, und zwar unabhängig davon, welcher Teil seines Vermögens der Einkünfteerzielung diente.
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Hiervon ist gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 1975 BGB ausnahmsweise dann abzusehen, wenn eine Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist. In diesen Fällen beschränkt sich die Haftung des Erben auf den Nachlass.
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Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich bei der Verbindlichkeit, wegen der der Gläubiger auf den Nachlass beschränkt werden soll, um eine Nachlassverbindlichkeit gem. § 1967 ff. BGB handelt (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 AO „… für aus dem Nachlass zu entrichtende Schulden…“).
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Nach der (bis dato spärlichen und mittlerweile auch älteren) von der Literatur heftig angegriffenen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28. April 1992, VII R 33/91, BStBl II 1992, 781) zählen hierzu zwar die noch vom Erblasser selbst herrührenden Schulden und die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere Ansprüche aus Pflichtteilsrechten und Vermächtnissen usw., nicht jedoch die Einkommensteuer, die auf Grund von Einkünften entsteht, die der Erbe nach dem Tod des Erblassers aus dem Nachlass erzielt.
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Laut BFH handelt es sich hierbei entweder um originäre Eigenschulden des Erben, die per se nicht beschränkbar sind, oder jedenfalls um aus der Nachlassverwaltung herrührende sog. Nachlasserbenschulden, die sowohl eine Nachlassverbindlichkeit im Sinne des § 1967 BGB als auch eine Eigenschuld des Erben darstellen, so dass das Finanzamt wegen letzterer wiederum nicht auf den Nachlass verwiesen werden kann.
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Dem soll (wie bereits bei der oben erörterten Frage der Einkünftezurechnung) nicht entgegenstehen, dass dem Erben bei Nachlassverwaltung/ Nachlassinsolvenz die während der Nachlassverwaltung/der Nachlassinsolvenz aus dem Nachlass erzielten Erträge in der Regel nicht (unmittelbar) zufließen, weil sie der Verwalter zur Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten zu verwenden hat. Die Verwendung der erzielten Gewinne zur Schuldentilgung berühre – so der BFH – die Steuerpflicht nicht. Im Übrigen komme auch die Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten dem dafür jedenfalls dem Grunde nach haftenden Erben wirtschaftlich zu Gute.
In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hat der BFH (Urteil vom 11. August 1998, VII R 118/95, BStBl II 1998, 705) eine Haftungsbeschränkung auch in den Fällen vorgesehen, in denen noch der Erblasser durch eine Rechtshandlung einen Geschehensablauf in Gang gesetzt hat, der zwangsläufig, ohne Zutun des Erben oder des Nachlassverwalters/Nachlassinsolvenzverwalters, zur Verwirklichung eines Besteuerungstatbestandes führte, der auch weder vom Erben noch vom Verwalter verhindert oder aufgehalten werden konnte und der weder vom Willen des Erben noch dem des Verwalters getragen war. Für eine hieraus resultierende aufgedrängte Einkünfteerzielung sei – so der BFH – eine Haftung des Erben mit dem Eigenvermögen nicht angebracht. Das ergebe sich im Übrigen auch aus dem zivilrechtlichen Schrifttum, wonach für die Entstehung einer Nachlasserbenschuld stets ein Handeln des Erben bzw. des Verwalters verlangt werde. Fehle ein solches Handeln sowohl beim Erben als auch beim Verwalter, sei die Einkommensteuerschuld als Nachlassverbindlichkeit, genauer: als Nachlassverwaltungskostenschuld, zu begreifen und die Haftung daher beschränkbar.
Darüber hinaus reißt der BFH in der eben zitierten Entscheidung die von ihm sodann allerdings offengelassene Frage auf, ob eine Differenzierung auch danach gerechtfertigt werden könne, wem (dem Erben oder dem Erblasser) die Steuerschuld nach nicht näher umschriebener „materieller Betrachtungsweise“ zuzurechnen sei.
Vor diesem Hintergrund und ausgehend von der neueren höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung ist nach Auffassung des erkennenden Senates im Streitfall die Haftungsbeschränkung ab dem Zeitpunkt gerechtfertigt, in dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Klägers hinsichtlich der o.g. Vermietungsobjekte auf den Nachlassinsolvenzverwalter überging, mithin ab Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens am 1. April 2010.
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Wegen der in § 45 Abs. 2 Satz 1 AO getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung, dass für die Inanspruchnahme des Erben durch den Fiskus die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über die Haftung desselben für Nachlassverbindlichkeiten heranzuziehen sind, ist hinsichtlich der Frage, welcher Teil des Vermögens für welche Schulden herangezogen werden kann, entscheidend, was nach bürgerlichem Recht unter Nachlassverbindlichkeit zu verstehen ist. Wie der BGH in neuerer Rechtsprechung (vgl. das Urteil vom 5. Juli 2013, V ZR 81/12, FamRZ 2013, 1476) klarstellt, zählen hierzu auch die Verpflichtungen, die im Rahmen der Verwaltung des Nachlasses durch den Nachlassverwalter/Nachlassinsolvenzverwalter entstehen. Hiervon zu unterscheiden sind Verbindlichkeiten, die der Erbe im Rahmen der eigenhändigen Verwaltung des Nachlasses eingeht. Soweit diese auf ordnungsgemäßer Sachwaltung beruhen, stellen sie sowohl Nachlassverbindlichkeiten als auch Eigenverbindlichkeiten des Erben dar, die wegen dieser Doppelnatur nicht auf den Nachlass beschränkbar sind. Für Verbindlichkeiten aus einer Nachlassverwaltung, die ohne Zutun des Erben entstehen, haftet dieser dagegen nur als Träger des Nachlasses mit eben diesem. Unter „Verwaltung“ des Nachlasses ist nach der oben zitierten höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung nicht nur eine nach außen wahrnehmbare Tätigkeit zu verstehen, vielmehr ist von einem Verwaltungshandeln bereits dann auszugehen, wenn der Erbe die Erbschaft angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und er über den fraglichen Nachlassgegenstand faktisch verfügen kann, denn ab diesem Zeitpunkt beruht es allein auf seiner als Verwaltungsmaßnahme zu bewertenden Entscheidung, wie er mit dem Gegenstand weiter verfährt, d.h. – bezogen auf ein Vermietungsobjekt – ob er dieses selbst nutzt, vermietet, leer stehen lässt oder veräußert etc. .
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Diese Sichtweise stimmt mit der überein, die ganz überwiegend auf einem anderen Feld der Zwangsverwaltung vertreten wird, nämlich im Zusammenhang mit der Zuordnung von Steuerverbindlichkeiten zu den Insolvenz- bzw. den Masseverbindlichkeiten. Dort wird ebenfalls das bloße Halten eines zur Masse gehörenden, der Einkünfteerzielung dienenden Wirtschaftsgutes als Verwaltungsmaßnahme begriffen (vgl. BFH, Urteil vom 18. Mai 2010, X R 16/08, BStBl II 2011, 429.)
D.h.: Die Handlungen des Nachlassinsolvenzverwalters (auch das bloße Halten/Weiterbehalten eines Wirtschaftsgutes, das der Einkünfteerzielung dient) sind dem Erben zwar einkommensteuerlich als eigenes Verhalten zuzurechnen (s.o.), d.h. falls ein Wirtschaftsgut des Nachlasses zur Einkünfteerzielung führt, ist diese als eigene Einkünfteerzielung des Erben anzusehen, so dass dem Erben gegenüber die entsprechende Steuerfestsetzung/Steuerfeststellung zu ergehen hat. Das gilt jedoch nur hinsichtlich der Zurechnung für Zwecke der Einkommensteuerfestsetzung bzw. Einkünftefeststellung und ergibt sich aus der Regelung des § 34 AO.
Von dieser Ebene ist die Ebene der Durchsetzung der festgesetzten Steueransprüche zu unterscheiden, für die § 45 AO spezielle Regelungen trifft. Betreffend die Frage, auf welche Vermögensteile eines Erben zur Durchsetzung von Steuerschulden zugegriffen werden kann, kommt es nach dieser Vorschrift allein auf die bürgerlich-rechtlichen Regelungen an, auf die § 45 Abs. 2 Satz 1 AO Bezug nimmt. Zivilrechtlich ist dem Erben aber das Verhalten des Nachlassverwalters bzw. Nachlassinsolvenzverwalters gerade nicht zuzurechnen. Die Einkommensteuer, die durch Handlungen (auch durch bloßes Halten eines Vermögensgegenstandes) des Verwalters ausgelöst wird, ist vielmehr aus Sicht des Erben eine zwangsläufige Folge der Nachlassverwaltung/Nachlassinsolvenzverwaltung, die außerhalb jeglicher Einflussmöglichkeiten des Erben steht.
Kommt eine zivilrechtliche Zuordnung beim Erben aber nicht in Betracht, so bleibt lediglich die Zuordnung beim Verwalter. Die aus dessen Maßnahmen herrührenden Verbindlichkeiten, auch soweit sie nicht rechtsgeschäftlich begründet werden, sondern sich aus dem Gesetz, bspw. dem Einkommensteuergesetz, ergeben, stellen sog. Erbschaftsverwaltungskosten und damit Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 1967 BGB dar, so dass die Beschränkung des § 1975 BGB greift (so auch: Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 45 Rz. 21; Welzel, Erbenhaftung im Steuerrecht, DStZ 1993, 425).
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Der Kläger und seine Mutter haben in der Zeit ab dem Antreten des Erbes bis zur Anordnung des Nachlassinsolvenzverfahrens unabhängig davon, wann welcher Mietvertrag geschlossen wurde, in Eigenverwaltung gehandelt, so dass die Einkommensteuer, die auf die in dieser Zeitspanne erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entstand und auf den Kläger entfiel, auch von diesem unbeschränkbar aus seinem Gesamtvermögen zu entrichten ist. Selbst wenn man den klägerischen Vortrag als wahr unterstellt und von einer Bindung an Miet- bzw. Pachtverträge ausgeht, die noch vom Erblasser abgeschlossen wurden, erfolgte dies vor dem Hintergrund der ganz grundsätzlichen Eigenverwaltungsentscheidung des Klägers und seiner Mutter, die Vermietungsobjekte weiter zu halten und nicht zu veräußern.
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Etwas anderes ergibt sich jedoch für die Zeit ab Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Ab dann hatte der Kläger keine Einflussmöglichkeiten auf den Nachlass mehr.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 151 Abs. 2, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
42
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Es ist noch nicht höchstrichterlich geklärt, was unter den im Urteil des BFH vom 11. August 1998, VII R 118/95, BStBl II 1998, 705 angesprochenen Kriterien der „materiellen Zurechnung“ zu verstehen ist und ob unter diesem Gesichtspunkt eine Differenzierung in der vom erkennenden Senat vorgenommenen Art und Weise (unterschiedliche Zurechnung von Verwaltungs-Maßnahmen bei der Frage der Verwirklichung des Steuertatbestandes einerseits und des Umfanges des Vollstreckungszugriffes andererseits) gerechtfertigt ist.
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