KG Berlin, Beschl. v. 11.11.2014 – 1 W 547/14 und 1 W 548/14 Überprüfung der Testierfähigkeit durch das Grundbuchamt

Juni 5, 2018

KG Berlin, Beschl. v. 11.11.2014 – 1 W 547/14 und 1 W 548/14

Überprüfung der Testierfähigkeit durch das Grundbuchamt

 

Gründe:

I.

Der Beteiligte und seine am 16.12.2013 verstorbene Ehefrau (im Folgenden: Erblasserin) sind zu je K2 als Eigentümer im Grundbuch von L. Blatt […] eingetragen, die Ehefrau zudem als Eigentümerin im Wohnungsgrundbuch von L. Blatt […].

Am 14.05.2012 setzten sich die Eheleute zur UR-Nr. […] des Notars Dr. R. H. in Berlin gegenseitig zu Erben und die Tochter der Ehefrau als Erbin des Längstlebenden ein.

Mit anwaltlichen Schreiben v. 21.02.2014 ließ die Tochter der Erblasserin dem Grundbuchamt und dem Nachlassgericht ihre Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments mitteilen. Ihrer Mutter sei am 28.04.2012 ein tennisballgroßer bösartiger Tumor sowie eine ebenso große Zyste aus dem Gehirn operiert worden. Danach sei sie nicht mehr geschäfts- und testierfähig gewesen.

Dem Schreiben an das Nachlassgericht war ein mit „Ärztliches Attest” überschriebenes Schreiben des Arztes M. B. beigefügt, in dem es heißt:

„Bei der Konsultation am 15.05.2012 erschien die Pat. mit ihrer Tochter. Die Pat. schien zeitlich und örtlich nicht orientiert”.

Das LG Berlin stellte am 19.06.2014 in eine von dem Beteiligten gegen die Tochter der Erblasserin geführten Rechtsstreit durch Anerkenntnisurteil fest, dass er Alleinerbe der Erblasserin geworden sei.

Unter dem 01.09.2014 hat der Beteiligte unter Beifügung einer beglaubigten Kopie des Testaments nebst Eröffnungsvermerks des Nachlassgerichts v. 14.01.2014 sowie einer Ausfertigung des Urt. v. 19.06.2014 die Umschreibung des Eigentums an dem Grundstück und der Wohnung von der Erblasserin auf ihn beantragt.

Das Grundbuchamt hat am 04.09.2014 unter Fristsetzung die Vorlage eines Erbscheins erfordert, da ihm bekannt geworden sei, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments möglicherweise testierunfähig gewesen sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten, der das Grundbuchamt mit Beschl. v. 29.10.2014 nicht abgeholfen hat.

 

1.

Die gem. § 71 Abs. 1 GBO zulässig Beschwerde hat in der Sache nur insoweit Erfolg, das die angefochtene Zwischenverfügung um ein weiteres, von dem Grundbuchamt bisher nicht aufgezeigtes Beseitigungsmittel zu ergänzen ist.

Die Berichtigung einer unrichtigen Grundbucheintragung erfolgt auf Antr., § 13 Abs. 1 GBO, wenn die Unrichtigkeit durch öffentliche Urkunden, § 29 GBO, nachgewiesen wird, § 22 Abs. 1 GBO. Ist das Grundbuch durch Tod eines Berechtigten unrichtig geworden, ist der Nachweis der Erbfolge grds. durch einen Erbschein zu führen, § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO.

Beruht die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, genügt es in der Regel, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden, § 35 Abs. 1 Satz 2 HS 1 GBO. Dann darf das Grundbuchamt einen Erbschein nur verlangen, wenn sich bei der Prüfung der Verfügung hinsichtlich des behaupteten Erbrechts Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können. Entfernte abstrakte Möglichkeiten, die das aus der Verfügung hervorgehende Erbrecht nur unter ganz besonderen Umständen in Frage stellen, vermögen das Verlangen nach Vorlegung eines Erbscheins ebenso wenig zu rechtfertigen wie rein rechtliche Bedenken (Senat, Beschl. v. 13.11.2012 – 1 W 382/12 –, juris).

  1. a) Allein mit dem notariellen Testament und dem auf ihm befindlichen Eröffnungsvermerk des Nachlassgericht wird der erforderliche Nachweis der Unrichtigkeit nicht erbracht, so dass das von dem Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht und die Zwischenverfügung geboten ist, 18 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GBO.

Die Prüfungspflicht des Grundbuchamts ist nicht auf die Form und den Inhalt der letztwilligen Verfügung beschränkt. Auch sonstige Umstände, aus denen sich die Unwirksamkeit der Verfügung ergibt, sind zu berücksichtigen, wenn begründete Anhaltspunkte bestehen (vgl. OLG Hamm, OLGZ 1969, 301 (303); OLG Celle, NJW 1961, 562; Schaub, in: Baur/von Oefele, GBO, 3. Aufl., § 35, Rn. 132). So kann das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins verlangen, wenn konkrete Tatsachen aktenkundig sind, die wirkliche Zweifel an der Testierfähigkeit begründen können; bloße Behauptungen Dritter, die die Testierfähigkeit des Erblassers anzweifeln, genügen hingegen nicht (OLG Hamm, a.a.O.). Vorliegend ergeben sich solche konkreten Tatsachen aus den im Namen der Tochter der Erblasserin erfolgten anwaltlichen Schreiben v. 21.02.2014 an das Grundbuchamt.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Erblasserin aufgrund ihrer zeitnah vor der Errichtung des Testaments erfolgten Gehirnoperation nicht mehr in der Lage war, die Bedeutung der von ihr abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, vgl. § 2229 Abs. 4 BGB. Wenn sie bei der ärztlichen Vorstellung am 15.05.2012 zeitlich und örtlich nicht orientiert war, kann dies auch am Vortag bei dem Termin bei dem Notar so gewesen sein. Die gegenteiligen, für eine Testierfähigkeit sprechenden Feststellungen des Notars gem. § 28 BeurkG sind durch das Nachlassgericht im Rahmen seiner Ermittlungspflichten, § 26 FamFG, § 2358 BGB, zu würdigen.

  1. b) Entschließt sich das Grundbuchamt zum Erlass einer Zwischenverfügung, 18 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GBO, hat es das Eintragungshindernis zu bezeichnen sowie die zu dessen Beseitigung geeigneten Mittel. Bestehen mehrere Möglichkeiten, sind alle aufzuzeigen (Demharter, GBO, 29. Aufl., § 18, Rn. 31; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 451). Wird dies von dem Grundbuchamt unterlassen, kann die Zwischenverfügung durch das Beschwerdegericht ergänzt werden (BayObLG, DNotZ 2001, 385 (386) [BayObLG 08.06.2000 – 2Z BR 29/00]; NJW-RR 1990, 906 (907) [BayObLG 15.03.1990 – 2 BReg Z 21/90]; Demharter, a.a.O.). So ist es hier.

Das Eintragungshindernis kann auch durch den Nachweis der Rechtskraft des Anerkenntnisurteils des LG Berlin v. 19.06.2014 beseitigt werden. Dieses hat dem Grundbuchamt in Ausfertigung auch vorgelegen, es fehlt aber der Nachweis des Eintritts der Rechtskraft, vgl. § 706 Abs. 1 ZPO.

  1. aa) Kommen als Erbprätendenten neben den Parteien eines auf Feststellung des Erbrechts gerichteten Zivilprozesses Dritte nicht ernsthaft in Frage, hat das Nachlassgericht den Erbschein dem Beteiligten zu erteilen, der im Rechtsstreit rechtskräftig obsiegt hat (BayObLG, Beschl. v. 30.04.1998 – 1Z BR 187/97 – juris; Senat, v. 13.06.1996 – 1 W 3981/94; MünchKomm-BGB/J. Mayer, 6. Aufl., § 2359 Rn. 36; Erman-BGB/Simon, 14. Aufl., § 2359 Rn. 5; Siegmann/Höger, in: BeckOK-BGB, 2013, § 2359 Rn. 2; Staudinger-BGB/Herzog, 2010, § 2359 Rn. 24; Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2353 Rn. 23; Sternal, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 26 Rn. 65).

Das ist vorliegend der Fall.

Als Erbprätendenten kommen lediglich der Beteiligte und die Tochter der Erblasserin in Betracht. Daran ändert sich nichts, soweit in dem notariellen Testament namentlich nicht benannte Abkömmlinge der Tochter der Erblasserin als Ersatzerben des Längstlebenden bestimmt worden sind. Sollten solche Abkömmlinge vorhanden sein, wären sie von der Erbfolge nach der Erblasserin entweder auf Grund des notariellen Testaments oder durch die Tochter der Erblasserin als gesetzliche (Mit-)Erbin gem. § 1924 Abs. 2 BGB ausgeschlossen.

  1. bb) Auf Grund des Feststellungsurteils hätte das Nachlassgericht dem Beteiligten auf Antrag einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein zu erteilen. Auf die Testierfähigkeit käme es insoweit nicht mehr an. Daran ändert es nichts, dass das Urt. v. 19.06.2014 auf das Anerkenntnis der Tochter der Erblasserin erging.

Allerdings wird teilweise vertreten, das Nachlassgericht sei an ein Anerkenntnisurteil nicht gebunden, weil dadurch mittelbar eine Einflussmöglichkeit der Beteiligten geschaffen werde, einen ihnen genehmen Erbschein zu erhalten (J. Mayer, a.a.O., Rn. 38; Zimmermann, ZEV 2010, 457 (461)).

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Auch wenn das Prozessgericht bei Anerkenntnis des Beklagten die Schlüssigkeit und Begründetheit der Klage nicht mehr zu prüfen hat, § 307 Satz 1 ZPO (Zöller-ZPO/Vollkommer, 30. Aufl., § 307 Rn. 3a), können die Parteien auch im streitigen Zivilverfahren den Ausgang des Rechtsstreits in ihrem Sinn beeinflussen. Ausgehend von dem Grundsatz, dass ein Erblasser so lange als testierfähig anzusehen ist, als nicht seine Testierunfähigkeit nachgewiesen ist (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2229 Rn. 11), müssten sich die Parteien insoweit lediglich jeglichem Tatsachenvortrag enthalten. Fragen der Testierfähigkeit wären dann dem Rechtsstreit entzogen und unterlägen – nicht anders als bei einem Anerkenntnisurteil – keiner Nachprüfung durch das Prozessgericht.

  1. cc) Auch wenn das Grundbuchamt bei der Prüfung letztwilliger Verfügungen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten sind, keine eigenen Ermittlungen anzustellen hat, muss es doch ihm vorliegende andere öffentliche Urkunden berücksichtigen (OLG Hamm, FGPrax 2011, 223 (224) [OLG Hamm 05.04.2011 – 15 W 34/11]; BayObLG, DNotZ 2001, 385 (386); 1995, 306 (308)). Deshalb kann es vorliegend auf die – berechtigten – Zweifel des Grundbuchamts an der Testierfähigkeit der Erblasserin bei Nachweis der Rechtskraft des Anerkenntnisurt. v. 19.06.2014 nicht mehr ankommen, so dass die Zwischenverfügung entsprechend zu ergänzen war.

 

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